Urteil des BGH vom 27.01.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 276/03
Verkündet am:
27. Januar 2005
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGB § 254 Dc
Der Besteller ist nicht gehalten, eine von ihm genutzte Wochenend- und Fe-
rienwohnung zum Zweck der Schadensminderung zu vermieten, wenn der Unter-
nehmer mit der Erstellung einer weiteren Wochenend- und Ferienwohnung in Verzug
gerät.
BGH, Urteil vom 27. Januar 2005 - VII ZR 276/03 - OLG Koblenz
LG Koblenz
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 27. Januar 2005 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Dr. Haß, Hausmann, Dr. Wiebel und Prof. Dr. Kniffka
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 10. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. August 2003 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als die Ansprüche der Kläger wegen
Mietausfalls und wegen entgangener Abschreibungsvorteile aber-
kannt worden sind.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger fordern Schadensersatz wegen verzögerter Fertigstellung ei-
ner Eigentumswohnung.
Den Klägern, die in L. wohnen, gehört in der S.-Straße in P. eine Eigen-
tumswohnung, die sie als Wochenend- und Ferienwohnung nutzen. Sie schlos-
sen im September 1997 mit dem Beklagten einen Vertrag über den Erwerb ei-
ner noch fertigzustellenden Eigentumswohnung in P. in der H.-Straße. Der Be-
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klagte verpflichtete sich, diese Wohnung bis zum 23. Dezember 1997 bezugs-
fertig zu übergeben. Nach dem Vortrag der Kläger wollten sie diese Wohnung
als neue Wochenend- und Ferienwohnung in P. nutzen und ihre Wohnung in
der S.-Straße ab Januar 1998 für 800 DM monatlich vermieten. Zu einem Um-
zug der Kläger kam es in der Folgezeit aus zwischen den Parteien streitigen
Gründen nicht.
Die Kläger haben Schadensersatz wegen verzögerter Fertigstellung in
Höhe von 17.600 DM geltend gemacht, und zwar 8.000 DM als entgangene
Eigenheimzulage für das Jahr 1997 und 9.600 DM als Mietausfall für das Jahr
1998. Hilfsweise haben sie weitere 8.000 DM als entgangene Eigenheimzulage
für das Jahr 1998, Finanzierungskosten für den Erwerb der neuen Wohnung
sowie je 4.567,27 DM für die Jahre 1997 und 1998 wegen entgangener steuer-
licher Abschreibungsvorteile für die Wohnung in der S.-Straße gefordert. Der
Beklagte hat widerklagend Erstattung von Sachverständigenkosten verlangt.
Klage und Widerklage sind in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Das Beru-
fungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, die Sache werfe
Fragen aus dem Bereich des Schadensersatzrechts auf, die über den Fall hin-
ausreichende Bedeutung hätten. Die Kläger haben Revision eingelegt, mit der
sie ihr Klagebegehren wegen Mietausfalls und des Verlustes steuerlicher Ab-
schreibungsmöglichkeiten weiterverfolgen.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des ange-
fochtenen Urteils und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-
fungsgericht.
Die Beurteilung des Schuldverhältnisses richtet sich nach dem bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Recht (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, die Kläger könnten dem Grunde nach
von dem Beklagten Schadensersatz nach § 286 BGB wegen nicht fristgerechter
Fertigstellung der Wohnung in der H.-Straße verlangen. Die Wohnung sei je-
denfalls bis Ende 1998 nicht bezugsfertig gewesen.
Ein ersatzfähiger Schaden sei den Klägern allerdings nicht entstanden.
Sie hätten keinen Anspruch auf Ersatz entgangener Eigenheimzulage, da sie
die staatliche Förderung in den Jahren 1997 und 1998 für die Wohnung in der
S.-Straße erhalten hätten.
Des weiteren stehe ihnen kein Anspruch auf Ersatz wegen entgangener
Miete und entgangener Abschreibungsmöglichkeiten hinsichtlich der Wohnung
in der S.-Straße zu. Insoweit fehle es an dem erforderlichen Zurechnungszu-
sammenhang. Diese Schadenspositionen beruhten in erster Linie auf der ei-
genverantwortlichen Entscheidung der Kläger hinsichtlich ihrer Lebensgestal-
tung und der Nutzung der Wohnung in der S.-Straße. Diese Wohnung sei nicht
die Hauptwohnung der Kläger, sondern nur eine zu Wochenend- oder Ferien-
aufenthalten genutzte Zweitwohnung, auf die sie vorübergehend hätten verzich-
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ten können. Es sei ihre eigene Entscheidung gewesen, in P. am Wochenende
eine eigene Wohnung zu nutzen und dafür auf erzielbare Einkünfte sowie auf
steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zu verzichten. Schließlich sei der An-
spruch unter dem Gesichtspunkt eines vorübergehenden Ausfalls der Nut-
zungsmöglichkeit der erst noch fertigzustellenden Wohnung in der H.-Straße
nicht begründet. Darin liege kein ersatzfähiger Vermögensschaden.
II.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten hinsichtlich des Mietaus-
falls und der entgangenen Abschreibungsmöglichkeiten einer revisionsrechtli-
chen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen für die Zulassung der
Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO nicht hinreichend dargelegt.
Nicht jeder vermeintlich über den Sachverhalt hinausgehenden Frage kommt
als Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu. Der Senat ist jedoch an die Zu-
lassung gebunden, § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
2. Das Klagebegehren ist entgegen der Rüge in der Revisionserwiderung
hinreichend bestimmt. Die Kläger haben in ihrer Berufungsbegründung und mit
nachgelassenem Schriftsatz vom 28. Juni 2003 die Reihenfolge ihrer einzelnen
Schadenspositionen aufgeführt. In ihrer Revisionsbegründung haben sie darge-
legt, den ursprünglich in erster Linie geforderten Schaden wegen Verlustes der
Eigenheimzulage nicht weiter geltend zu machen. Sie wenden sich allein gegen
die Abweisung der Ansprüche auf Ersatz des Mietausfalls (9.600 DM) und ihres
hilfsweise geltend gemachten Anspruchs auf Ersatz entgangener Abschrei-
bungsvorteile (insgesamt: 9.134,54 DM).
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3. a) Das Berufungsgericht bejaht dem Grunde nach eine Schadenser-
satzpflicht des Beklagten aus Verzug mit der Übergabe der Wohnung in der
H.-Straße nach § 286 BGB. Das läßt Rechtsfehler nicht erkennen.
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts scheitern die An-
sprüche der Kläger nicht an einem fehlenden Zurechnungszusammenhang. Bei
rechtzeitiger Fertigstellung der Wohnung in der H.-Straße hätten die Kläger
nach ihrem Vortrag, von dem in der Revision auszugehen ist, die Wohnung in
der S.-Straße ab Januar 1998 für monatlich 800 DM und damit für 9.600 DM
jährlich vermieten können. Ferner hätten sie für die Jahre 1997 und 1998 ins-
gesamt Abschreibungsvorteile von 9.134,54 DM erzielt. Damit haben die Kläger
die Kausalität des Verzugs des Beklagten für die von ihnen geltend gemachten
Schadenspositionen schlüssig dargelegt. Der Zurechnungszusammenhang wird
nicht durch die Entscheidung der Kläger beseitigt, Ende 1997 aus der Wohnung
in der S.-Straße nicht auszuziehen, um diese sofort zu vermieten, sondern mit
dem Umzug bis zur Fertigstellung der Wohnung in der H.-Straße zu warten.
Das Verhalten der Kläger stellt nach den bisherigen Feststellungen auch keinen
Verstoß gegen ihre Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB dar.
Die durch die Vertragsuntreue des Beklagten geschädigten Kläger waren nicht
gehalten, ab Ende 1997 auf die Wochenend- und Ferienwohnung in der
S.-Straße auf ungewisse Dauer zu verzichten.
Das Argument des Berufungsgerichts, der geltend gemachte Schaden
sei nicht zu ersetzen, weil lediglich eine vorübergehende Gebrauchsbeeinträch-
tigung der von den Klägern selbst zu nutzenden Wohnung in der H.-Straße vor-
liege, überzeugt schon im Ansatz nicht. Die Kläger fordern keine abstrakte Nut-
zungsentschädigung für den vorübergehenden Ausfall des Eigengebrauchs
dieser Wohnung. Sie machen vielmehr einen konkret berechneten Vermögens-
schaden infolge der nicht rechtzeitigen Erfüllung des Beklagten geltend.
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III.
Danach kann das Urteil in bezug auf den Mietausfallschaden und den
Verlust steuerlicher Abschreibungsvorteile nicht bestehenbleiben. Es ist inso-
weit aufzuheben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
um die erforderlichen Feststellungen zur Schadenshöhe zu treffen.
Dressler Haß Hausmann
Wiebel Kniffka