Urteil des BGH vom 29.11.2012

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 21/12
vom
29. November 2012
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB §§ 631, 839 A; §§ 1, 2 VermGBln
Die Lageplanerstellung und die Gebäudeeinmessung durch Öffentlich bestellte
Vermessungsingenieure werden im Land Berlin nicht als öffentliche Aufgabe
durchgeführt. Die Haftung für Vermessungsfehler gegenüber dem Auftraggeber
bestimmt sich insoweit nach werkvertraglichen Grundsätzen und nicht nach
Maßgabe des § 839 BGB.
BGH, Beschluss vom 29. November 2012 - III ZR 21/12 - Kammergericht
Landgericht Berlin
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. November 2012 durch
den Vizepräsidenten Schlick und die Richter Dr. Herrmann, Wöstmann, Hucke
und Seiters
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der
Revision in dem Urteil des 27. Zivilsenats des Kammergerichts
vom 22. Dezember 2011 - 27 U 112/11 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97
Abs. 1 ZPO).
Streitwert: 31.228,11 €
Gründe:
I.
Die Kläger nehmen die Beklagten als Vermessungsingenieure auf Scha-
densersatz wegen fehlerhafter Einmessung des Grundstücks K. weg
12/14 in B. -F. in Anspruch.
Die Kläger planten den Bau einer Kindertagesstätte auf ihrem Grund-
stück und beauftragten die Beklagten, die beide als Öffentlich bestellte Vermes-
sungsingenieure bestellt sind, mit der Anfertigung des Lageplans und der
Durchführung der dafür notwendigen Vermessungsarbeiten. Nach Beginn der
Bauarbeiten stellte sich heraus, dass der Abstand des zu errichtenden Gebäu-
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des von der Grundstücksgrenze zu gering war. Das Bauamt verfügte daraufhin
die Einstellung der Bauarbeiten. Die Kläger trafen mit dem Nachbarn eine Ver-
einbarung, in der dieser sich gegen eine sofort zu zahlende Entschädigung in
Höhe von 30.000 € mit der Unterschreitung der Abstandsfläche einverstanden
erklärte. Der Baustopp wurde daraufhin aufgehoben.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Kammergericht hat die
Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.
Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.
II.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor,
weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung
des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Ent-
scheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
1.
Die Rüge der Beklagten, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft das
Verweisungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht angewandt und des-
halb zu Unrecht die Verantwortlichkeit (auch) des bauausführenden Unterneh-
mens und des bauaufsichtsführenden Architekten dahinstehen lassen, greift
nicht durch, weil die Beklagten ausschließlich nach (werk-)vertraglichen
Grundsätzen haften und nicht (auch) deliktisch nach Maßgabe des § 839 BGB.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss
vom 14. Januar 1993 - I ZB 24/91, BGHZ 121, 126, 129) beschränkt sich der
öffentlich-rechtlich geprägte Charakter der Tätigkeit eines Öffentlich bestellten
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Vermessungsingenieurs auf die staatlichen Aufgaben und Kompetenzen, die
der Staat als ihrer Natur nach zu seinem öffentlich-rechtlichen Aufgabenbereich
gehörend auf den Öffentlich bestellten Vermessungsingenieur delegiert hat. Im
Land Berlin werden nach § 1 des Gesetzes über das Vermessungswesen in
Berlin (VermGBln) in der Fassung vom 9. Januar 1996 (GVBl. S. 56) die Lan-
desvermessung, die Führung des Liegenschaftskatasters sowie die raumplane-
rischen und städtebaulichen Vermessungsaufgaben für Zwecke der Raumpla-
nung und der städtebaulichen Entwicklung sowie für die räumliche Abgrenzung
von Rechten an Grundstücken nach den Erfordernissen von Verwaltung, Wirt-
schaft, Recht und Wissenschaft als öffentliche Aufgaben wahrgenommen, an
deren Erfüllung nach § 2 VermGBln Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure
mitwirken.
Vorliegend waren die Beklagten im Zusammenhang mit der Stellung ei-
nes Baugenehmigungsantrags mit der Vermessung beauftragt worden. Der Sa-
che nach ging es hier um die Einmessung des Gebäudes auf dem Grundstück,
was sich aus dem eigenen Schreiben der Beklagten vom 7. Mai 2010 ergibt.
Die Beklagten haben dabei ausgeführt, dass die Absteckung des Gebäudes auf
der Grundlage des Lageplans unrichtig erfolgt sei. Die Lageplanerstellung und
die Gebäudeeinmessung sind jedoch privatrechtlicher Natur und stellen sich
nicht als hoheitliche Tätigkeit im Sinne der §§ 1, 2 VermGBln dar (vgl. BGH,
Urteil vom 9. März 1972 - VII ZR 202/70, BGHZ 58, 225, 226; zustimmend OLG
Düsseldorf, BauR 1992, 665; vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschluss vom 2. De-
zember 2003 - I-21 W 45/03, juris Rn. 4 f; OLG Hamm, NZBau 2006, 788, 789
zu den nordrhein-westfälischen Öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren;
vgl. für das Land Berlin KG, KGReport Berlin 1998, 360, 361). Die entspre-
chende Beauftragung durch die Kläger ist danach als Werkvertrag einzustufen
(BGH aaO), so dass die Beklagten allein nach werkvertraglichen Regeln haften.
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2.
Die - im Übrigen nach Auffassung des Senats auch in der Sache unbe-
gründete - weitere Rüge der Beklagten, der Haftungsausschluss des Landes
Berlin nach § 3 Abs. 7 Satz 2 VermGBln für Fehler der Öffentlich bestellten
Vermessungsingenieure bei der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben sei
wegen Verstoßes gegen Art. 34 GG nichtig, geht nach den obigen Ausführun-
gen wegen der privatrechtlichen Natur der zwischen den Parteien bestehenden
Rechtsbeziehungen ebenfalls ins Leere.
3.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halb-
satz 2 ZPO abgesehen.
Schlick
Herrmann
Wöstmann
Hucke
Seiters
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 29.06.2011 - 22 O 327/10 -
KG Berlin, Entscheidung vom 22.12.2011 - 27 U 112/11 -
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