Urteil des BGH vom 13.02.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VIII ZR 110/08 Verkündet
am:
4. März 2009
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 554 Abs. 2, 3, § 242 Be
a) Bauliche Maßnahmen, die der Vermieter aufgrund einer behördlichen Anordnung
oder gesetzlichen Verpflichtung durchzuführen hat, fallen nicht unter § 554 Abs. 2
BGB und unterliegen deshalb auch nicht den in § 554 Abs. 3 dem Vermieter aufer-
legten Mitteilungspflichten. Derartige Maßnahmen muss der Mieter vielmehr nach
§ 242 BGB dulden.
b) Auch derartige Maßnahmen sind, soweit es sich nicht um Notmaßnahmen han-
delt, vom Vermieter vorher anzukündigen, so dass sich der Mieter nach Möglich-
keit darauf einstellen kann. Der Mieter ist nach Treu und Glauben verpflichtet, an
einer baldigen Terminsabstimmung mitzuwirken.
BGH, Versäumnisurteil vom 4. März 2009 - VIII ZR 110/08 - LG Darmstadt
AG
Langen
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richter Dr. Wolst
und Dr. Frellesen sowie die Richterinnen Dr. Milger und Dr. Hessel
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 21. Zivilkammer
des Landgerichts Darmstadt vom 13. Februar 2008 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts
Langen vom 24. September 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten der Rechtsmittelverfahren zu tra-
gen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung im ersten Obergeschoss eines
Mehrfamilienhauses in L. . Die Klägerin ist Vermieterin dieser und der wei-
teren Wohnungen des Hauses, das sie im Auftrag der Eigentümerin verwaltet.
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Im April 2005 stellte der Bezirksschornsteinfeger fest, dass die Gasein-
zelöfen in den Wohnungen unter und über der Wohnung der Beklagten die Ab-
gasgrenzwerte nicht einhielten. Das Umweltamt des zuständigen Landkreises
forderte die Klägerin daraufhin auf, für Abhilfe zu sorgen und eine neue Hei-
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zungsanlage einzubauen. Die Klägerin entschloss sich zum Einbau einer Zent-
ralheizung und zum Anschluss aller Wohnungen an die neue Heizungsanlage.
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Im Auftrag der Klägerin informierte die Firma H. GmbH
die Beklagten mit Schreiben vom 16. November 2005, dass auch ihre noch mit
Gaseinzelöfen ausgestattete Wohnung an die bereits eingebaute Zentralhei-
zung angeschlossen werden solle und dass für die Durchführung der dazu er-
forderlichen Arbeiten der Zeitraum vom 5. bis 9. Dezember 2005 vorgesehen
sei. Mit Schreiben vom 22. November 2005 teilten die Beklagten der Klägerin
über den örtlichen Mieterbund mit, dass sie in dem angegebenen Zeitraum kei-
nerlei Arbeiten dulden würden. Mit Schreiben vom 2. Juni 2006 wandte sich die
Klägerin erneut an die Beklagten und bat diese, der Heizungsfirma am 19. Juni
2006 Zutritt zu ihrer Wohnung zu gewähren, damit diese die Rohre für den An-
schluss der über der Wohnung der Beklagten gelegenen Wohnung im zweiten
Obergeschoss verlegen könne. Die Klägerin wies dabei darauf hin, dass der
Gaskachelofen der Wohnung im zweiten Obergeschoss die vom Gesetzgeber
vorgegebenen Grenzwerte nicht mehr einhalte und diese Wohnung deshalb an
die Zentralheizung angeschlossen werden müsse. Hierzu sei es erforderlich,
die Heizungsrohre von der Erdgeschosswohnung durch die Wohnung der Be-
klagten zu der Wohnung im zweiten Obergeschoss zu führen.
Nachdem die Beklagten die Duldung der Arbeiten weiterhin ablehnten,
übersandte die Klägerin schließlich mit Schreiben vom 21. August 2006 einen
Grundrissplan, aus dem sich die Lage der vorgesehenen Rohrleitungen ergab,
und bat die Beklagten vergeblich, selbst einen ihnen genehmen Termin zur
Durchführung der Arbeiten zu benennen.
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Zwischenzeitlich hatte der Landkreis der Klägerin einen Bußgeldbe-
scheid für den Fall angedroht, dass nicht unverzüglich der Anschluss der Woh-
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nungen im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss an die Zentralheizung
und die Stilllegung der dort noch vorhandenen, die Abgaswerte nicht einhalten-
den Gaseinzelöfen erfolge.
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Das Amtsgericht hat der auf Duldung des Einbaus der Steigleitungen ge-
richteten Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landge-
richt das Urteil des Amtsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wieder-
herstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils. Über das Rechtsmittel
ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, da die Beklagten in
der Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich ver-
treten waren. Inhaltlich beruht das Urteil indessen nicht auf der Säumnis der
Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt:
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Die Beklagten seien gegenwärtig nicht zur Duldung der von der Klägerin
begehrten Baumaßnahmen in ihrer Wohnung verpflichtet, weil die Klägerin die
Arbeiten nicht gemäß § 554 BGB ordnungsgemäß angekündigt habe. § 554
BGB sei auch auf Maßnahmen anzuwenden, die nur in anderen Wohnungen in
demselben Gebäude zu einer Verbesserung führten. Auch die Durchlegung von
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Steigleitungen zur Modernisierung einer anderen Wohnung müsse wie eine
Modernisierungsankündigung in der betroffenen Mietwohnung selbst angekün-
digt werden. Eine Differenzierung der Anforderungen an die Ankündigungs-
pflicht danach, ob die Arbeiten zu einer Verbesserung nur der Nachbarwoh-
nung oder auch der durch die Bauarbeiten beeinträchtigten Wohnung des Mie-
ters führe, sei nicht sachgerecht. Der Mieter sei nicht deswegen weniger
schutzbedürftig oder sein Informationsinteresse nicht deswegen geringer, weil
die von ihm innegehaltene Wohnung nicht verbessert werde; dadurch werde
lediglich die Mitteilung der zu erwartenden Mieterhöhung entbehrlich.
Voraussetzung für die Duldungspflicht des Mieters gemäß § 554 Abs. 2
BGB sei gemäß § 554 Abs. 3 BGB eine formell ordnungsgemäße Ankündigung
der Baumaßnahme, welche spätestens drei Monate vor deren Beginn zu erfol-
gen habe und den Mieter über Art, Beginn, voraussichtlichen Umfang und Dau-
er der Baumaßnahmen sowie gegebenenfalls über die voraussichtliche Höhe
einer etwaigen Mieterhöhung informieren müsse. Eine ungefähre stichwortarti-
ge Beschreibung der Arbeiten werde dem Informationsbedürfnis des Mieters
regelmäßig nicht gerecht. Das Schreiben müsse detaillierte Angaben dazu ent-
halten, in welchem Zimmer an welcher Stelle Wanddurchbrüche für die zu ver-
legenden Rohre und Leitungen vorgenommen werden sollen. Die geplanten
Maßnahmen, ihre Bedeutung und Auswirkungen müssten so konkret beschrie-
ben werden, dass der Mieter seine Duldungspflicht überprüfen und sich hinrei-
chend genaue Vorstellungen über seine neue Wohnsituation während der Maß-
nahmen machen könne, um sein Verhalten darauf einzustellen. Er müsse ins-
besondere in den Stand versetzt werden, seine Entscheidung über ein Festhal-
ten am Vertrag zu treffen oder seine Zeiten der Abwesenheit an den Arbeiten
orientieren zu können.
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Diesen Anforderungen genügten die von der Klägerin übersandten
Schreiben nicht. Das Schreiben vom 16. November 2005 habe noch den An-
schluss der Wohnung des Beklagten an die Heizungsanlage umfasst, aber kei-
ne Angaben zur Mieterhöhung für diese Modernisierung der Wohnung der Be-
klagten enthalten. Bei dem Schreiben vom 2. Juni 2006 hätten die detaillierten
Angaben der geplanten Wanddurchbrüche für die zu verlegenden Rohre und zu
der voraussichtlichen Dauer der Arbeiten gefehlt, außerdem sei die Drei-
Monats-Frist nicht eingehalten. Mit Schreiben vom 21. August 2006 habe die
Klägerin zwar einen Grundriss übersandt, aus dem die Lage der Wanddurch-
brüche ersichtlich gewesen sei, der vorgesehene Beginn der Arbeiten sei aber
nicht mitgeteilt worden. Diese Mitteilung habe auch nicht durch die Aufforderung
der Verwalterin ersetzt werden können, die Beklagten möchten einen ihnen ge-
nehmen Termin selbst bestimmen. Denn die Baumaßnahme betreffe noch zwei
weitere Wohnungen, deren Mieter zu beteiligen seien. Eine Terminsbestim-
mung seitens der Beklagten sei sinnlos, solange keine ordnungsgemäße An-
kündigung der Modernisierungsmaßnahmen gegenüber den anderen betroffe-
nen Mietern stattgefunden habe.
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II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Beklag-
ten sind verpflichtet, den Einbau der Heizungsrohre (Steigleitungen) zwecks
Anschluss der Wohnungen im Erdgeschoss und im zweiten Obergeschoss an
die bereits vorhandene Zentralheizung zu dulden. Die Auffassung des Beru-
fungsgerichts, dass es einer Ankündigung dieser Baumaßnahmen gemäß § 554
Abs. 3 BGB bedürfe, und die den Beklagten erteilten Informationen diese An-
forderungen nicht erfüllten, ist von Rechtsfehlern beeinflusst.
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1. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision mit Recht rügt, verkannt,
dass bauliche Maßnahmen, die der Vermieter aufgrund einer behördlichen An-
ordnung oder gesetzlichen Verpflichtung durchzuführen hat, nicht unter § 554
Abs. 2 BGB fallen und deshalb auch nicht den in § 554 Abs. 3 BGB dem Ver-
mieter auferlegten Mitteilungspflichten unterliegen. Sie sind vielmehr - soweit
es sich nicht schon um ohnehin gemäß § 554 Abs. 1 BGB hinzunehmende Er-
haltungsmaßnahmen handelt - vom Mieter gemäß § 242 BGB zu dulden
(MünchKommBGB/Bieber, 5. Aufl., § 554 Rdnr. 6; Staudinger/Emmerich, BGB
(2006), § 554 Rdnr. 2; Blank/Börstinghaus, Miete, 3. Aufl., § 554 Rdnr. 1; Ster-
nel, NZM 2001, 1058, 1060).
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Bei der Einführung des § 554 BGB im Rahmen des Mietrechtsreformge-
setzes ist davon abgesehen worden, in Abs. 3 der Vorschrift entsprechend der
Regelung in § 3 MHG (bzw. jetzt § 559 Abs. 1 BGB) auch Maßnahmen "auf-
grund von Umständen, die der Vermieter nicht zu vertreten hat", aufzunehmen;
die mit einer derartigen Regelung verbundene Konsequenz, dass der Mieter bei
Vorliegen von Härtegründen der Durchführung solcher Maßnahmen widerspre-
chen könnte, obwohl der Vermieter nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften da-
zu verpflichtet ist, erschien dem Gesetzgeber nicht sachgerecht (vgl. BT-Drs.
14/4553, S. 49).
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2. Um derartige bauliche Maßnahmen, zu deren Durchführung die Kläge-
rin öffentlich-rechtlich verpflichtet ist, geht es hier. Nach den Feststellungen des
Berufungsgerichts, die auch die Beklagten nicht in Zweifel ziehen, hat der Land-
kreis als zuständige Umweltbehörde der Klägerin unter Androhung eines Buß-
geldes aufgegeben, die Wohnungen im Erdgeschoss und im zweiten Oberge-
schoss an die vorhandene Zentralheizung anzuschließen. Dass zu diesem
Zweck die Heizungsrohre durch die zwischen diesen beiden Wohnungen lie-
gende Wohnung der Beklagten geführt werden müssen und deshalb in der
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Wohnung der Beklagten entsprechende Bauarbeiten durchzuführen sind, liegt
auf der Hand. Die Durchführung dieser Arbeiten müssen die Beklagten daher
jedenfalls gemäß § 242 BGB grundsätzlich dulden.
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3. Aus dieser grundsätzlichen Duldungspflicht der Beklagten folgt aller-
dings noch nicht, dass die Bauarbeiten ohne jede Rücksichtnahme auf die Be-
lange der Beklagten durchgeführt werden könnten. Auch bei einer sich aus
§ 554 Abs. 1 BGB oder § 242 BGB ergebenden Duldungspflicht sind die beab-
sichtigten Maßnahmen, soweit es sich nicht um Notmaßnahmen (Wasserrohr-
bruch u. ä.) handelt, vom Vermieter vorher anzukündigen, so dass sich der Mie-
ter nach Möglichkeit darauf einstellen kann. Die Anforderungen an die Ankündi-
gung des Vermieters richten sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls,
der Dringlichkeit und dem Umfang der Maßnahme; der Mieter seinerseits ist
nach Treu und Glauben verpflichtet, an einer baldigen Terminsabstimmung mit-
zuwirken, damit die erforderlichen baulichen Maßnahmen zeitnah durchgeführt
werden können. Hier hat die Klägerin im August 2006 die Maßnahmen durch
die Übersendung eines Grundrisses, aus dem sich die Position der einzubau-
enden Steigleitungen ergibt, genau bezeichnet und den Beklagten die Möglich-
keit eingeräumt, selbst einen Termin für die Durchführung der Bauarbeiten zu
benennen. Bis zur Erhebung der Duldungsklage hat sie fast ein Jahr zugewar-
tet, ohne dass die Beklagten einen Termin für die Durchführung der Arbeiten
benannt oder auch nur ihre Bereitschaft bekundet hätten, an einer Terminsab-
sprache mit den weiteren betroffenen Wohnungsmietern mitzuwirken. Damit hat
die Klägerin alles ihr Mögliche getan, um die Belange der Beklagten zu wahren.
III.
Nach alledem kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben; es ist
daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da es keiner weiteren Feststellungen
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bedarf, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts ist zurückzuwei-
sen.
Ball
Dr. Wolst
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Langen (Hessen), Entscheidung vom 24.09.2007 - 57 C 195/07 (07) -
LG Darmstadt, Entscheidung vom 13.02.2008 - 21 S 174/07 -