Urteil des BGH vom 25.02.2014

BGH: video, stand der technik, bildschirm, beschwerdekammer des europäischen patentamts, patentgericht, computer, hersteller, patentanspruch, same, erfindung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X Z R 8 4 / 1 2
Verkündet am:
25. Februar 2014
Wermes
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 25. Februar 2014 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-
Beck, die Richter Dr. Grabinski, Dr. Bacher, Hoffmann und die Richterin
Schuster
für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 9. Februar 2012 verkündete Urteil
des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird
auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 817 158 (Streitpatents), das aus
der Stammanmeldung 543 089 vom 13. August 1992 hervorgegangen ist und
eine Priorität vom 22. November 1991 in Anspruch nimmt. Das nach Erlass des
angefochtenen Urteils durch Zeitablauf erloschene Streitpatent umfasst
13 Patentansprüche; die Ansprüche 1 bis 9 betreffen eine Bildanzeigevorrich-
tung und die Ansprüche 10 bis 13 ein Verfahren zum Erzeugen einer Bild-
schirmanzeige. Die Patentansprüche 1 und 10 lauten in der erteilten Fassung in
der Verfahrenssprache:
"1.
Video display device of the multi-frequency type, said video display
device being apt to be attached to a wide variety of video adaptor
cards of computer systems and having a screen and means for ad-
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justing video display controls, c h a r a c t e r i z e d b y an on-screen
generation means capable of generating visual representations of
adjusted video display controls of said video display device where-
in the size of said displayed visual representations is controlled
across different frequency modes of said video display device and
the size of said visual representations is kept substantially the
same across said different frequency modes, wherein said display
device comprises an on-screen display block (16) including a
character size control block (36) for controlling the size of said dis-
played visual representations across different frequency modes of
said multi-frequency video display.
10. A method for generating an on-screen-display of adjusted video
display controls in a multi-frequency video display arranged to be
attached to a wide variety of video adaptor cards of computer sys-
tems, comprising the steps of:
- receiving adjustments inputs from a user;
- adjusting a set of video display parameters, said adjusting cor-
responding to said adjustment inputs, and said adjusted video
display parameters adjusting said video display controls;
c h a r a c t e r i z e d b y the steps of:
- providing said adjusted video display parameters to said multi-
frequency video display; and
- displaying visual representations of adjustments of said video
display controls on a screen of said video display across differ-
ent frequency modes of said video display
wherein the size of said visual representations is controlled across
different frequency modes of the multi-frequency video display de-
vice and the size of said visual representations is kept substantially
the same across said different frequency modes."
Die aus dem Streitpatent in Anspruch genommenen oder abgemahnten
Klägerinnen haben geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
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nicht neu und beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Er gehe über den Inhalt
der ursprünglich eingereichten Stammanmeldung hinaus und sei zudem nicht
ausführbar. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfs-
weise mit 36 geänderten Anspruchsfassungen verteidigt. Das Patentgericht hat
das Streitpatent in vollem Umfang für nichtig erklärt. Nach Verkündung des Ur-
teils hat die Klägerin zu 3 die Klage zurückgenommen.
Gegen das Urteil des Patentgerichts wendet sich die Berufung der Be-
klagten, die das Streitpatent in der erteilten Fassung und den erstinstanzlich
hilfsweise geltend gemachten Anspruchssätzen I bis III, VII bis XXI sowie weite-
ren Fassungen, jeweils in deutscher Sprache, verteidigt.
Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet.
I.
Das Streitpatent betrifft Bildanzeigesysteme und die Verwendung
von Bildschirmmenüs zum Einstellen der Bildanzeige von Mehrfrequenz-
Kathodenstrahlröhren (Braunschen Röhren, englisch
).
1. Die Streitpatentschrift erläutert, Kathodenstrahlröhrenbildschirme
fänden bei Computersystemen weitverbreitet Anwendung, da sie vielseitig ein-
setzbar seien und Daten auf vielfältige Art anzeigen könnten. Bei den ersten
Geräten, die Einzelfrequenz-Kathodenstrahlröhren gewesen seien, verwende
die den Bildschirm betreibende Videoadapterkarte (, im Fol-
genden: Grafikkarte) eine bestimmte einzelne horizontale Abtastfrequenz, die
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auf diejenige des Monitors abgestimmt sei. Eine für einen bestimmten Ein-
zelfrequenzbildschirm hergestellte Karte arbeite aber häufig nicht mit anderen
Bildschirmen zusammen. Mehrfrequenzbildschirme stellten deshalb eine we-
sentliche Verbesserung dar, da der Monitor an eine große Vielfalt von Grafik-
karten anschließbar sei. Der Mehrfrequenzbildschirm könne sich selbsttätig auf
die Horizontalfrequenz der Grafikkarte abstimmen und die Bildanzeige mit der
von der Grafikkarte gesendeten Information synchronisieren.
Auch wenn Mehrfrequenzbildschirme flexible Verbindungen von
Monitoren und Grafikkarten erlaubten, verschärften sie jedoch ein verbreitetes
Problem. Die meisten Bildschirmgeräte böten verschiedene Formen von
Einstellungen für Benutzer an, typischerweise ein Feld von Drehknöpfen oder
Tasten, die dem Benutzer erlaubten, verschiedene Bildanzeigemerkmale wie
Kontrast, Helligkeit und horizontale und vertikale Bildpositionen einzustellen.
Diese Einstellungen würden mittels elektromechanischer Vorrichtungen manuell
vorgenommen
und
könnten
sich
durch
Bewegungen
des
Geräts,
Schwankungen der Umgebungstemperatur und Vibrationen verändern (Beschr.
Abs. 3). Zudem müssten, wenn ein Benutzer den von dem Monitor verwendeten
Frequenzmodus verändere, sämtliche vorher vorgenommene Einstellungen
nachgestellt werden, um Änderungen in der Anzeige auszugleichen. Weiter sei
die Herstellung aufwendig, weil beim Hersteller manuelle Voreinstellungen für
eine Vielzahl von Frequenzbändern erforderlich seien.
Die Streitpatentschrift nennt und beschreibt mehrere Verfahren zum
Einstellen von Bildschirmen und mehrere Bildschirmanzeigesysteme (Abs. 6 bis
11), die allerdings kein vollständiges und flexibles System für eine schnelle und
zuverlässige Einstellung der Bildschirmsteuerungen durch Hersteller und
Benutzer böten. Durch die Erfindung solle ermöglicht werden, bei der
Herstellung des Geräts schnell sämtliche inneren Steuerungen ohne
Bedienereingriff einzustellen. Anzeigemerkmale sollten leicht zu verändern und
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die Merkmale auf die vom Hersteller festgelegten zurückzusetzen sein; gegen
äußere Einflüsse sollten die Einstellungen unempfindlich sein. Schließlich solle
die Lösung für einen breiten Bereich von Bildschirmen, einschließlich CRT-,
LCD- und Elektroluminiszenzanzeigen, anwendbar sein (Abs. 12).
2. Das Streitpatent schlägt eine Bildanzeigevorrichtung des Mehrfre-
quenztyps mit folgenden Merkmalen vor (Merkmalsgliederung des Patentge-
richts in eckigen Klammern):
1. Die Bildanzeigevorrichtung
1.1 ist geeignet, an eine Vielzahl von Grafikkarten von Com-
putersystemen angeschlossen zu werden, [1.1] und
1.2 weist auf
1.2.1 einen Bildschirm, [1.1]
1.2.2 Mittel zum Einstellen einer Bildanzeigesteuerung
() [1.1] und
1.2.3 Mittel zur Erzeugung einer visuellen Darstellung
der eingestellten Bildanzeigesteuerung auf dem
Bildschirm (
) [1.2]
2. Die Bildanzeigevorrichtung umfasst einen Anzeigeblock (16)
mit einem Zeichengrößensteuerblock (36) zum Steuern der
Größe der angezeigten Darstellung [1.5]
2.1 in den verschiedenen Frequenzmodi [1.3]
2.2 derart, dass die Größe unabhängig vom Frequenzmodus
im Wesentlichen gleich bleibt [1.4].
Patentanspruch 10 enthält, wie bereits das Patentgericht zutreffend und
von der Berufung unangefochten angenommen hat, in der Sache im Wesentli-
chen dieselbe technische Lehre in Verfahrensform.
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3. Die Bildanzeigevorrichtung kann sich, wie das Patentgericht unange-
fochten ausgeführt hat, selbst auf die Horizontalfrequenz der angeschlossenen
Grafikkarte abstimmen und die Bildanzeige mit der von der Grafikkarte gesen-
deten Information synchronisieren (vgl. Beschr. Abs. 2 letzter Satz: "
"). Anhand der Darstellung auf dem Bildschirm (Merkmal 1.2.3)
kann der Benutzer die eingestellte oder von ihm gewählte Einstellung auf dem
Bildschirm nachvollziehen. Dabei wird die Größe der Darstellung über die ver-
schiedenen Frequenzmodi hinweg im Wesentlichen gleich gehalten, so dass es
nicht darauf ankommt, mit welcher Grafikkarte der Monitor verbunden ist
(Merkmal 2.2).
Die erwähnten Angaben der Beschreibung (Abs. 12) zu dem, was mit der
Erfindung erreicht werden soll, bezeichnen hiernach nicht das technische Prob-
lem, das durch den Gegenstand des Patentanspruchs 1 tatsächlich gelöst wird.
Denn in diesem sind keine Mittel angegeben, die es erlaubten, bei der Herstel-
lung des Geräts reproduzierbare Einstellungen für eine Vielzahl von Frequenz-
modi vorzunehmen oder Herstellereinstellungen wiederherzustellen. Patentan-
spruch 1 verlangt auch nicht, dass von der in der Beschreibung als bei Compu-
terbildschirmen üblich bezeichneten Einstellung von Anzeigeparametern über
Drehknöpfe am Bildschirm abgewichen wird. Erforderlich ist lediglich, dass das
Ergebnis der Einstellung auf dem Bildschirm selbst sichtbar gemacht wird. Das
vom Gegenstand der Patentansprüche 1 und 10 tatsächlich gelöste Problem
kann hiernach (lediglich) darin gesehen werden, den Bedienungskomfort für
den Bildschirmnutzer zu verbessern. Es wird dadurch gelöst, dass gewählte
Einstellungen, etwa zum Kontrast, auf dem Bildschirm selbst sichtbar gemacht
werden, und zwar in einer dem jeweiligen Frequenzmodus hinsichtlich der Grö-
ße der Darstellung angepassten Weise.
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II. Das Patentgericht hat den Gegenstand des Streitpatents als nicht
patentfähig angesehen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
Dem Fachmann - einem mit der Entwicklung von Anzeigevorrichtungen
betrauten Elektrotechnikingenieur mit Hochschulabschluss und mehrjähriger
Berufserfahrung auf diesem Gebiet - sei aus der japanischen Offenlegungs-
schrift Hei 2-287392 (D34) ein Zeichengenerator bekannt, der sich in einer
Multifrequenzkathodenstrahlröhre befinde; die Bildanzeigevorrichtung könne
demgemäß an eine Vielzahl von Grafikkarten angeschlossen werden. Die
Schrift beschreibe die Optimierung der Darstellung der alphanumerischen
Zeichen - und mithin einer visuellen Darstellung - durch eine mittels eines
Anzeigeblocks mit Zeichengrößensteuerungsblock bewirkte, im wesentlichen
gleichbleibende Zeichenhöhe unabhängig von der horizontalen Abtastfrequenz.
Sie beziehe sich gleichermaßen auf Fernseh- wie auf Computerbildschirme, wie
auch die Ausführungsbeispiele verdeutlichten.
Nicht offenbart in D34 sei lediglich, dass die Vorrichtung Mittel zum
Einstellen der Bildanzeigesteuerung (Merkmal 1.2.2) aufweise und dass die
visuelle Darstellung auch die aktuelle Einstellung der Bildanzeigesteuerung auf
dem Bildschirm umfasse (Merkmal 1.2.3). Dies könne jedoch erfinderische
Tätigkeit nicht begründen. Der Druckschrift entnehme der Fachmann die
allgemeine Lehre, in Multifrequenzröhrenbildschirmen die Zeichengeneratoren
so auszubilden, dass die auf dem Bildschirm wiedergegebenen Zeichen zur
Darstellung beliebiger (Zusatz-)Informationen unabhängig von der Horizontal-
frequenz mit im Wesentlichen konstanter Größe angezeigt würden. Da eine
hohe Bedienungsfreundlichkeit von grundsätzlicher Bedeutung sei, werde der
Fachmann diese allgemeine Lehre auf die ihm bekannte Bildschirmanzeigen für
Helligkeit, Kontrast und dergleichen übertragen. Als Beispiel führt das
Patentgericht das in Figur 1 der US-Patentschrift 4 745 402 (D33), die der
deutschen Offenlegungsschrift 38 05 108 entspricht, dargestellte On-Screen-
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Display-Menü (OSD-Menü) zum Einstellen von Kontrast, Helligkeit und
Lautstärke an und verweist weiter auf die in der britischen Patentanmeldung
2 155 714 (D2, entsprechend der deutschen Offenlegungsschrift 35 07 787, im
Folgenden: D2a) offenbarte Anzeigevorrichtung mit einer Fernbedienung und
einer Tastatur und einem Zeichengenerator, der die eingestellten Parameter
wie Kontrast und Helligkeit visuell auf dem Bildschirm darstelle. Dass OSD-
Menüs ausschließlich für Fernsehgeräte belegt seien, sei unerheblich; die von
der Beklagten angenommene Trennung von "TV-Welt" und "PC-Welt" existiere
nicht, wie die Entgegenhaltung D34 zeige; auch die in D33 beschriebene
Anzeigevorrichtung sei zudem zum Anschluss an einen Computer geeignet.
In den Ausgestaltungsformen der abhängigen Ansprüche seien keine
Merkmale zu erkennen, die die Patentfähigkeit begründen könnten. Die hilfs-
weise verteidigten Anspruchsfassungen seien entweder unzulässig (Hilfsanträ-
ge XXI bis XXIV) oder ihr Gegenstand beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren
jedenfalls im Ergebnis stand.
1. Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass der Gegenstand
des Patentanspruchs 1 dem Fachmann durch den Stand der Technik nahege-
legt war (Art. 56 EPÜ).
a) Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Berufung gegen die Be-
stimmung des vom technischen Problem des Streitpatents angesprochenen
Fachmanns.
Zum Prioritätszeitpunkt mag zwar die Entwicklung von Fernsehbildschir-
men einerseits und Computermonitoren andererseits von unterschiedlichen Un-
ternehmen oder unterschiedlichen Bereichen eines Unternehmens betreut und
vorangetrieben worden sein, so dass ein Entwicklungsingenieur in der Regel
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nicht mit der Weiterentwicklung beider Arten von Monitoren gleichzeitig befasst
war. Dies schließt aber nicht aus, dass die mit den verschiedenen Bildschirmen
befassten Ingenieure die Entwicklung der jeweils anderen Monitortechnik jeden-
falls dann verfolgt und beachtet haben, wenn sich vergleichbare Probleme stell-
ten.
Insbesondere wenn sich ihm die Aufgabe stellte, den Bedienungskomfort
eines Computermonitors zu verbessern, hatte der Fachmann Anlass, auch die
Funktionsweise eines Fernsehmonitors in den Blick zu nehmen, bei dem, wie
die Beklagte selbst anführt, der Gesichtspunkt der komfortablen, möglichst
transparenten und "narrensicheren" Bedienung von jeher größere Bedeutung
hatte. Hiervon geht auch die Beschwerdekammer des Europäischen Patent-
amts in ihrer Entscheidung vom 20. Mai 2003 (T 158/01) betreffend das
Stammpatent 543 089 aus. Dort ist ausgeführt, dass das Problem, die Größe
von auf On-Screen-Displays angezeigten Zeichen an TV-Standards anzupas-
sen, am Prioritätstag bereits erkannt gewesen sei. Dies habe zwar eher für TV-
Standards als für Computerstandards gegolten, aber die Technik sei die gleiche
("
…"
S. 7).
b) Wenn der mit der Weiterentwicklung eines Computermonitors be-
fasste Fachmann Bildschirmeinstellungen für den Nutzer komfortabler gestalten
wollte, bot es sich an, auf die auf dem Bildschirm sichtbaren ()
Einstellungsmenüs zurückzugreifen, die es für Fernsehmonitore bereits gab und
die die Beklagte selbst als Standard für diese Geräte bezeichnet.
Zwar mag es zunächst gegen ein Naheliegen dieses Rückgriffs spre-
chen, dass OSD-Menüs bei Fernsehern verbreitet waren, bei Computermonito-
ren hingegen Anwendungsbeispiele nicht nachweisbar sind. Dies erscheint aber
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nicht, wie die Beklagte meint, als geradezu widersinnig und nur aufgrund von
Blindheit der Fachwelt gegenüber der Möglichkeit der Übertragung von einem
Typs eines Kathodenstrahlmonitors auf einen anderen nachvollziehbar, sondern
lässt sich dadurch erklären, dass das Bedürfnis für eine entsprechende Darstel-
lung auf dem Bildschirm bei Computermonitoren nicht oder jedenfalls kaum
empfunden worden ist. Insbesondere bestand bei Computermonitoren keine
Notwendigkeit zur Verwendung einer Fernbedienung, wie sie bei Fernsehgerä-
ten zum Prioritätszeitpunkt zum Standard gehörte, und damit keine Notwendig-
keit, dem Nutzer auf dem Bildschirm zu signalisieren, dass die Eingaben, die er
mittels der Fernbedienung vorgenommen hat, bei dem Anzeigegerät "ange-
kommen" sind. Hinzu kommt, dass sich die Notwendigkeit einer Einstellung von
Darstellungsparametern beim Fernsehgerät wesentlich häufiger stellt, insbe-
sondere weil der Nutzer typischerweise von Zeit zu Zeit den empfangenen Ka-
nal wechseln und in diesem Zusammenhang gegebenenfalls auch weitere Ein-
stellungen vornehmen, insbesondere die Lautstärke dem geänderten Emp-
fangskanal anpassen will. Bei einem Computermonitor stellt sich hingegen die
Notwendigkeit einer - in irgendeiner Form anzuzeigenden - Einstellung von An-
zeigeparametern nicht nur wesentlich seltener. Vielmehr vollzieht sich auch die
Erkennbarkeit einer Veränderung des Formats der Bildschirmanzeige sozusa-
gen von selbst, weil der Benutzer Veränderungen der Bildrahmenlage unmittel-
bar auf dem Bildschirm erkennen kann. Dass OSD-Menüs bei Computermonito-
ren nicht praktiziert worden sind, lässt deshalb nicht den Schluss zu, dass sich
dem Fachmann, der die Einstellung weiterer Parameter wie etwa des Kontras-
tes oder der Helligkeit (optisch) besser nachvollziehbar machen wollte, nicht die
Möglichkeit angeboten hätte, auf das hierfür für Fernsehgeräte entwickelte
OSD-Menü zurückzugreifen.
c) Von dem Rückgriff auf ein OSD-Menü konnte den Fachmann auch
nicht der Umstand abhalten, dass er entweder hätte in Kauf nehmen müssen,
dass die Darstellung des Menüs auf dem Bildschirm von der Horizontalfrequenz
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der Grafikkarte abhing, oder einen Weg hätte finden müssen, die Größe der
Darstellung unabhängig von der Horizontalfrequenz konstant zu halten. Denn
wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, stellte die Entgegenhaltung
D34, die der Technischen Beschwerdekammer bei ihrer Entscheidung betref-
fend das Stammpatent nicht vorgelegen hat, dem Fachmann eine Lösung für
dieses Problem zur Verfügung.
Die Druckschrift offenbart, wie das Patentgericht zutreffend und von der
Berufung unbeanstandet ausgeführt hat, einen Zeichengenerator für eine Mehr-
frequenz-Kathodenstrahlröhre. Bei der einleitenden Benennung des Stands der
Technik weist die Schrift ausdrücklich darauf hin, dass solche Geräte nicht nur
als Fernsehbildschirme, sondern auch als Monitore für Computer (PC) und Ar-
beitsstationen weite Verwendung fänden. Das in D34 gesehene technische
Problem besteht darin, zu vermeiden, dass sich die Größe der auf dem Bild-
schirm dargestellten Zeichen bei unterschiedlichen Frequenzmodi ändert; die
Schrift erwähnt auch, dass es sich hierbei insbesondere um ein Monitorproblem
handele, da die Normen je nach Hersteller und Geräteart unterschiedlich seien
und es mehr als 50 unterschiedliche Normen für die Horizontalfrequenz gebe
(S. 2 unten/S. 3 oben der deutschen Übersetzung).
Die Lösung des Problems sieht D34 darin, durch mehrfaches Auslesen
von Zeilen der Zeilenmatrix die Zeichenhöhe gesteuert zu verlängern. Bei der
Anzeige eines Zeichens werden sonach die Zeichenpunkte für eine Zeile in
wiederholter Weise mit einer der Horizontalfrequenz entsprechenden
Häufigkeitsanzahl verwendet (anschaulich Figuren 4A und 4B). Die Berufung
stellt auch nicht in Abrede, dass die Entgegenhaltung D34 dem Fachmann da-
mit die Lehre vermittelte, bei Mehrfrequenzbildschirmen, wie sie sowohl für
Fernsehgeräte als auch für Computer geeignet sind, die Zeichengeneratoren so
auszubilden, dass die auf dem Bildschirm dargestellten (alphanumerischen)
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Zeichen unabhängig von der Horizontalfrequenz des Bildschirms im Wesentli-
chen mit konstanter Größe angezeigt werden.
Dann bot die Schrift aber, wie das Patentgericht zu Recht angenommen
hat, dem Fachmann auch unmittelbar eine Lösung für das Problem an, ein
OSD-Menü auf dem Bildschirm eines Computermonitors ohne durch
unterschiedliche
Horizontalfrequenzen
bedingte
Größenverzerrungen
darzustellen.
2. Die Hilfsanträge und Unteransprüche rechtfertigen keine andere Be-
urteilung. Auf die Ausführungen des angefochtenen Urteils wird insoweit ver-
wiesen. Ergänzend ist hierzu und zu den Änderungen der Hilfsanträge im zwei-
ten Rechtszug zu bemerken:
a) Nach Hilfsantrag I soll die Anzeigevorrichtung näher durch die
Merkmale des Patentanspruchs 4 in der erteilten Fassung des Streitpatents
gekennzeichnet werden. Sie umfassen einen Eingabesteuerungsblock zum Be-
reitstellen einer Benutzereingabe, einen Mikrocontroller, der in der Lage ist, die
Benutzereingabe zu empfangen und die Einstellung der Anzeigesteuerung zu
steuern, einen an den Mikrocontroller angeschlossenen Speicherblock sowie
einen Anzeigeeinstellungsblock. Das Patentgericht hat diese Merkmale zutref-
fend - und insoweit von der Berufung unangefochten - als aus den Druckschrif-
ten D2/D2a bekannt bezeichnet. Wenn der Fachmann nicht nur den Benut-
zungskomfort eines Computermonitors durch eine Bildschirmanzeige von Bild-
schirmeinstellungen verbessern, sondern gleichzeitig für eine programmierbare
Einstellung durch den Hersteller und die Möglichkeit einer Wiederherstellung
der Herstellereinstellungen durch den Nutzer sorgen wollte, wie in der Streitpa-
tentschrift angesprochen und vorstehend zu I.3 erörtert, hatte er Anlass, auf die
Elemente der in Patentanspruch 4 bezeichneten technischen Lehre zurückzu-
greifen, die zu eben diesem Zweck von der D2/D2a gelehrt wurden, die u.a.
jeweils die Speicherung von Werkseinstellungen und von Benutzereinstellungen
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für Helligkeit, Kontrast, Farbsättigung und Farbton (D2a S. 15 Z. 36 bis S. 16
Z. 20) und eine Wiederherstellung der Werkseinstellungen (D2a S. 20 Z. 14 bis
16) vorsehen. Das Bestreben, den Herstellungsaufwand durch eine program-
mierbare Steuerung zu vermindern, verstärkte somit die Motivation des Fach-
manns, die für den Fernsehbereich entwickelten komplexen Möglichkeiten der
Steuerung - und damit zugleich deren Sichtbarmachung auf dem Bildschirm -
auf den Computerbildschirm zu übertragen.
b) Die mit den geänderten Hilfsanträgen, deren prozessuale Zulässig-
keit nach § 116 Abs. 2 PatG dahinstehen kann, verfolgte Konkretisierung der
Bildanzeigesteuerung dahin, dass sie Kontrast, Helligkeit, horizontale Bildposi-
tion und vertikale Bildposition betreffen, kann ebenfalls die Patentfähigkeit nicht
begründen, da diese Einzelparameter entweder, wie ausgeführt, im Stand der
Technik bereits vorgeschlagen wurden oder aber sich aus der Übertragung der
Merkmalsgruppe 1.2 auf einen Mehrfrequenzbildschirm ergeben.
c) Soweit der Bildschirm in den Hilfsanträgen als Flüssigkristallbild-
schirm (LCD-Bildschirm) qualifiziert werden soll, trifft jedenfalls die Erwägung
des Patentgerichts zu, dass die Hilfsanträge deswegen nicht zulässig sind, weil
hiermit der Gegenstand der erteilten Patentansprüche und damit der von diesen
vermittelte Schutzbereich erweitert würde. Durch Patentanspruch 1 geschützt
wird eine Bildanzeigevorrichtung des Mehrfrequenztyps (
). Sie wird dadurch charakterisiert, dass sie sich selb-
ständig der Horizontalfrequenz der Grafikkarte anpassen und die Bildanzeige
damit synchronisieren kann (Beschr. Abs. 2 aE). Dies trifft, wie das Patentge-
richt ausgeführt hat, auf einen LCD-Bildschirm mit einer festen Matrix nicht zu.
Diese Feststellung ist für das Berufungsgericht bindend (§ 117 PatG i.V.m.
§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Das "Bestreiten" der Berufung ist unerheblich; eine
ordnungsgemäße Verfahrensrüge (§ 112 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b) wird in der Be-
rufungsbegründung nicht erhoben.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97
Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck
Grabinski
Bacher
Hoffmann
Schuster
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 09.02.2012 - 2 Ni 18/10 (EU) -
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