Urteil des BGH vom 24.10.2005

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 129/04
Verkündet am:
24. Oktober 2005
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
GmbHG §§ 11, 13
Die nach Eintragung der GmbH in das Handelsregister eingreifende Unter-
bilanzhaftung ist auch dann als reine Innenhaftung ausgestaltet, wenn die
GmbH vermögenslos ist oder nur einen Gesellschafter hat.
BGH, Urteil vom 24. Oktober 2005 - II ZR 129/04 - OLG Zweibrücken
LG Landau in der Pfalz
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche
Verhandlung vom 24. Oktober 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Kurzwelly, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Strohn
und Caliebe
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten zu 1 wird das Grundurteil des
7. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken
vom 17. Mai 2004 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Teilurteil der zweiten Zivil-
kammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 12. Dezember
2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Rechtsmittelzüge. Die Entschei-
dung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleibt dem
Schlussurteil des Landgerichts vorbehalten.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte zu 1 errichtete durch notarielle Urkunde vom 16. März 2000
als deren Alleingesellschafterin die Beklagte zu 2, ein in der Rechtsform einer
GmbH geführtes Bauunternehmen. Am 7. April 2000 schloss der Kläger mit der
- als GmbH in Gründung bezeichneten - Beklagten zu 2 einen Generalunter-
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nehmervertrag über die Erstellung eines Mehrfamilienhauses und einer land-
wirtschaftlichen Gerätehalle. Das von der Beklagten zu 2, die am 13. Juni 2000
in das Handelsregister eingetragen wurde, Ende Mai 2000 begonnene Bauwerk
ist mit verschiedenen - ihrer Ursache nach streitigen - Mängeln behaftet. Ein
Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklag-
ten zu 2 wurde durch Beschluss des Amtsgerichts W. vom 27. September 2002
mangels Masse abgelehnt.
Der Kläger nimmt die Beklagten auf Zahlung von Schadensersatz in
Höhe von 62.417,47 € in Anspruch. Das Landgericht hat durch Teilurteil die ge-
gen die Beklagte zu 1 gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klä-
gers hat das Oberlandesgericht die Klage gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde
nach für gerechtfertigt erklärt. Dagegen richtet sich die - von dem Berufungsge-
richt zugelassene - Revision der Beklagten zu 1.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten zu 1 hat Erfolg und führt zur Wiederherstel-
lung des Urteils des Landgerichts.
I.
Das Oberlandesgericht hat gemeint, der Anspruch gegen die Beklagte
zu 1 sei unter dem Gesichtspunkt der Unterbilanzhaftung begründet. Sie sei in
dem hier vorliegenden Fall einer vermögenslosen Einpersonengesellschaft
nicht als Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft, sondern als Außenhaftung
gestaltet.
II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
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1. Im Ausgangspunkt zutreffend unterwirft das Berufungsgericht die Be-
klagte zu 1 nach Eintragung der Beklagten zu 2 in das Handelsregister der Un-
terbilanzhaftung, die - wie es richtig sieht - nach der gefestigten Rechtspre-
chung des Senats (BGHZ 134, 333, 339 m.w.Nachw.) als Innenhaftung gestal-
tet ist. Verfehlt ist aber die Ansicht des Berufungsgerichts, bei einer GmbH, die
vermögenslos ist oder nur einen Gesellschafter besitzt, könnten die Gläubiger
die Gesellschafter unmittelbar in Anspruch nehmen. Zu Unrecht glaubt das Be-
rufungsgericht, es könne die von dem Senat bei der Entwicklung der Verlust-
deckungshaftung anerkannte Durchbrechung des Innenhaftungsprinzips (vgl.
BGHZ 134, 333, 341) auch auf die Unterbilanzhaftung übertragen. Es verkennt
dabei, dass sich beide Haftungsinstrumente, auch wenn sie von dem Senat als
Erscheinungsformen einer einheitlichen Gründerhaftung bezeichnet worden
sind, grundlegend dadurch unterscheiden, dass mit der Eintragung die GmbH
als solche und damit ein von seinem Gesellschafter zu trennender Vermögens-
träger entstanden ist. Dieses gerade in der Insolvenz der Gesellschaft wirksam
werdende Trennungsprinzip (§ 13 Abs. 2 GmbHG) darf nicht dadurch durchbro-
chen werden, dass dem Gesellschaftsgläubiger der unmittelbare Zugriff - und
sei es auch nur in Höhe einer auszugleichenden Unterbilanz - gestattet wird.
Ebenso wenig rechtfertigt die Tatsache, dass die Gesellschaft nur einen Gesell-
schafter besitzt, dessen unmittelbare Inanspruchnahme. Denn für die eingetra-
gene GmbH gilt nach § 1 GmbHG das sonst für die GmbH anwendbare Haf-
tungsregime auch dann, wenn nur ein Gesellschafter vorhanden ist (vgl. auch
Art. 2 der 12. Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts vom 21. De-
zember 1989, ABl. EG Nr. L 395, S. 40 = EuZW 1990, 57). Dementsprechend
ist der Kläger als Gläubiger der Gesellschaft darauf verwiesen, im Wege der
Forderungspfändung den Anspruch der Beklagten zu 2 gegen die Beklagte zu 1
aus der Unterbilanzhaftung geltend machen bzw. einen Antrag auf Durchfüh-
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rung des Insolvenzverfahrens gegen die Beklagte zu 2 zu stellen (vgl. BGH,
Beschl. v. 16. Dezember 2004 - IX ZB 6/04, NZG 2005, 278).
2. Es kommt danach nicht darauf an, dass auch auf der Grundlage der
Rechtsauffassung des Berufungsgerichts der Erlass eines Teilgrundurteils ge-
gen die Beklagte zu 1 rechtsfehlerhaft war. Wegen der im ersten Rechtszug
gegen die Beklagte zu 2 anhängigen Klage könnte die Gefahr einander wider-
sprechender Entscheidungen nicht ausgeschlossen werden (BGH, Urt. v.
12. Januar 1999 - VI ZR 77/98, NJW 1999, 1035 m.w.Nachw.).
Goette
Kurzwelly
Gehrlein
Strohn
Caliebe
Vorinstanzen:
LG Landau, Entscheidung vom 12.12.2002 - 2 O 297/02 -
OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 17.05.2004 - 7 U 13/03 -
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