Urteil des BGH vom 09.07.2002

BGH (gas, gegen die guten sitten, markt, uwg, abweisung der klage, vergabe von aufträgen, verhalten, öffentlich, fernwärme, gemeinde)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES V OLKES
URTEIL
KZR 30/00
Verkündet am:
9. Juli 2002
Walz
Justizamtsinspektor
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
ja
BGHR: ja
Fernwärme für Börnsen
UWG § 1; GWB § 19 Abs. 2, § 20 Abs. 1 und 4
a) Verknüpft eine Gemeinde den Verkauf von Grundstücken in einem Neubauge-
biet mit der Verpflichtung, den Heizenergiebedarf durch ein von einer gemein-
deeigenen Gesellschaft betriebenes Blockheizkraftwerk zu decken, liegt darin
weder unter dem Gesichtspunkt des Wettbewerbs der öffentlichen Hand noch
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unter dem der Kopplung verschiedener Waren oder Leistungen ein Wettbe-
werbsverstoß nach § 1 UWG.
b) Bei einer solchen Verknüpfung handelt es sich um eine Kopplung in einem
Austauschvertrag, die nicht von vornherein kartellrechtlichen Bedenken begeg-
net. Eine unbillige Behinderung der Anbieter anderer Energiequellen, die auf-
grund der Kopplungsklausel vom Wettbewerb in dem fraglichen Neubaugebiet
ausgeschlossen werden, liegt darin nicht.
BGH, Urteil vom 9. Juli 2002 – KZR 30/00 – OLG Schleswig
LG Kiel
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Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 9. Juli 2002 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs Prof. Dr. Hirsch
und die Richter Prof. Dr. Goette, Prof. Dr. Bornkamm, Dr. Raum und Dr. Meier-
Beck
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 11. Juli
2000 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Kammer für Han-
delssachen I des Landgerichts Kiel vom 10. November 1999 abgeän-
dert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Beklagte ist die Gemeinde Börnsen mit etwa 3.300 Einwohnern, die im
Osten von Hamburg liegt; sie ist Trägerin der Bauleitplanung im Gemeindegebiet.
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Als Mehrheitsgesellschafterin ist sie zusammen mit den Hamburger Gaswerken
Gesellschafterin eines Energieverteilungsunternehmens – der Gas- und Wärme-
dienst Börnsen GmbH –, das die Gemeinde Börnsen mit Erdgas versorgt. Seit
1998 unterhält der Gas- und Wärmedienst Börnsen ein eigenes auf dem Prinzip
der Kraft-Wärme-Kopplung beruhendes gasbetriebenes Blockheizkraftwerk.
Dieses Blockheizkraftwerk, dessen Bau rund 1 Mio. DM gekostet hat, soll ein
Neubaugebiet in Börnsen mit Fernwärme versorgen. Ein Teil der Grundstücke in
dem Neubaugebiet steht im Eigentum der Beklagten und wird von ihr an bauwillige
Interessenten verkauft. Beim Verkauf verpflichtet sie die Käufer zur Abnahme der
Fernwärme des Gas- und Wärmedienstes Börnsen und läßt sich diese Verpflich-
tung durch eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit sichern. Die entsprechende
Bestimmung in den Kaufverträgen hat folgenden Wortlaut:
Der Käufer verpflichtet sich, den Energiebedarf für Raumheizung und Warmwasserbe-
reitung in dem auf dem Grundstück zu errichtenden Wohngebäude ausschließlich
durch das im Bebauungsplan Nr. 11 vorgesehene Blockheizkraftwerk (Gas- und
Wärmedienst Börnsen GmbH) zu decken. Die Gemeinde kann Ausnahmen genehmi-
gen. Der Käufer verpflichtet sich darüber hinaus, eine beschränkte persönliche
Dienstbarkeit ... eintragen zu lassen.
Außerdem macht die Beklagte die Vergabe von Aufträgen für die Erschlie-
ßung des Neubaugebiets davon abhängig, daß der Erschließungsträger eigene
Grundstücke in diesem Gebiet ebenfalls nur mit einer entsprechenden dinglich
abgesicherten Verpflichtung zur Abnahme von Fernwärme des Gas- und Wärme-
dienstes Börnsen verkauft.
Der Kläger, der als Verband die Interessen der angeschlossenen Brennstoff-
und Mineralölhändler vertritt, hat dieses Verhalten der Gemeinde als wettbe-
werbswidrig nach § 1 UWG beanstandet. Die Beklagte beeinträchtige den Wett-
bewerb auf diesem Markt in erheblicher und unzulässiger Weise dadurch, daß sie
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ihre Stellung dazu mißbrauche, die Nachfrage der Bauplatzerwerber in den Neu-
baugebieten gezielt auf das in ihrem Mehrheitsbesitz stehende Fernwärmeversor-
gungsunternehmen zu lenken. Von den etwa 100 Wohneinheiten in dem fragli-
chen Neubaugebiet stünden fast alle im Eigentum entweder der Beklagten oder
der Erschließungsträgerin. In dem Neubaugebiet finde daher kaum noch Wettbe-
werb zwischen den Anbietern fossiler Brennstoffe und dem Gas- und Wärme-
dienst statt, zumal die Beklagte zugunsten fossiler Brennstoffe auch keine Aus-
nahmen vom Anschluß- und Benutzungszwang genehmige.
Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung des beanstandeten Verhaltens
in Anspruch genommen. Ferner hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, die
in der Vergangenheit gebundenen Erwerber aus dieser Verpflichtung zu entlas-
sen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat behauptet, von den im
Gemeindegebiet belegenen 80 Baugrundstücken stünden lediglich 26 in ihrem Ei-
gentum. Sie hat darauf hingewiesen, daß sie mit der Kopplung des Verkaufs an
den Bezug der Fernwärme übergeordnete kommunale Ziele verfolge. Denn die
Belange des Klima- und Umweltschutzes ließen es als geboten erscheinen, daß
bei der Schaffung von Neubaugebieten der Zuwachs umweltschädlicher Emissio-
nen auf ein Minimum reduziert werde.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung und Be-
seitigung verurteilt. Die Berufung hatte keinen Erfolg (OLG Schleswig NJWE-
WettbR 2000, 253 = ZfIR 2000, 956 mit krit. Anm. Jaeger).
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageab-
weisungsantrag weiterverfolgt. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuwei-
sen.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat das Verhalten der Beklagten in Übereinstim-
mung mit dem Landgericht als nach § 1 UWG wettbewerbswidrig und als nach
§ 20 Abs. 4 und 5 GWB kartellrechtswidrig eingestuft. Zur Begründung hat es
ausgeführt:
Die Beklagte handele bei dem beanstandeten Verhalten im geschäftlichen
Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs. Zum Nachteil der Mitglieder des Klägers
fördere sie objektiv den Wettbewerb des Blockheizkraftwerks, und dies entspreche
auch ihrer Absicht; denn es sei ihr daran gelegen, andere Energielieferanten vom
Markt fernzuhalten, damit das Blockheizkraftwerk rentabel betrieben werden kön-
ne.
Das Verhalten der Beklagten verstoße auch gegen die guten Sitten i.S. von
§ 1 UWG. Die Beklagte schließe durch ihr Verhalten den Leistungswettbewerb
unter Ausnutzung ihrer öffentlich-rechtlichen Vorteile zu Lasten der Mineralöl-
händler aus. Zwar seien die Kommunen nicht gehindert, sich wirtschaftlich zu be-
tätigen. Dabei dürften sie sich aber nur der Wettbewerbsmittel bedienen, die auch
privaten Mitbewerbern zur Verfügung stünden. Wettbewerbswidrig sei dagegen
der mißbräuchliche Einsatz ihrer Sonderstellung. Danach erweise sich die Kopp-
lung eines Grundstücksverkaufs mit einem privatrechtlichen Anschluß- und Benut-
zungszwang als eine unter Mißbrauch ihrer hoheitlichen Sonderstellung bewirkte
Behinderung des freien Leistungswettbewerbs; denn der Gas- und Wärmedienst
Börnsen erziele ohne echte eigene Leistung Vorteile am Markt, insbesondere
müsse er sich weder einem Preis- noch einem Leistungswettbewerb mit den An-
bietern fossiler Brennstoffe stellen. Diese vorteilhafte Stellung könne die Beklagte
dem Gas- und Wärmedienst Börnsen nur deswegen verschaffen, weil sie aufgrund
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ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung gezielt Neubaugebiete ausweise, über die Ver-
gabeentscheidung Einfluß auf die Erschließungsträger nehme, Grundstücke gün-
stig kaufen und verkaufen könne, über vielfältige Kontakte zu bauwilligen Interes-
senten verfüge und schließlich keinen Gewinn erzielen müsse.
Die Verknüpfung zwischen dem Verkauf gemeindeeigener Grundstücke und
dem privatrechtlichen Anschluß- und Benutzungszwang könne auch nicht damit
gerechtfertigt werden, daß die Gemeinde auf diese Weise ihre öffentlichen Aufga-
ben erfülle. Denn Klimaschutz und Energieversorgung gehörten nicht zu den Auf-
gaben kommunaler Daseinsvorsorge. Im übrigen könne die Beklagte, soweit sie
am Wettbewerb teilnehme, unter Berufung auf ihre hoheitlichen Befugnisse für
sich keine Sonderstellung in Anspruch nehmen. Daher sei durch das Verbot der
Verwendung fossiler Brennstoffe im Bebauungsplan (§ 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB),
das von der Gemeindevertretung der Beklagten inzwischen beschlossen worden
sei, keine Erledigung des Rechtsstreits eingetreten.
Der Unterlassungsanspruch des Klägers sei darüber hinaus auch aus §§ 33,
20 Abs. 4 GWB begründet. Im Rahmen der Prüfung der Unbilligkeit kämen diesel-
ben Erwägungen zum Zuge, die bereits bei § 1 UWG angestellt worden seien.
Neben Unterlassung könne der Kläger auch Beseitigung beanspruchen, und
zwar in der Form, daß der durch die Kopplung bewirkte, noch fortdauernde Stö-
rungszustand zu beseitigen sei, was im Streitfall dadurch geschehen könne, daß
die Beklagte die Käufer der Grundstücke aus der übernommenen Verpflichtung
entlasse und in die Löschung der eingetragenen Dienstbarkeit einwillige.
II.
Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg. Sie führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der
Klage.
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1.
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist die von der Beklagten
praktizierte Kopplung des Verkaufs gemeindeeigener Grundstücke mit der Be-
zugsverpflichtung zugunsten des Gas- und Wärmedienstes Börnsen weder wett-
bewerbsrechtlich noch kartellrechtlich zu beanstanden.
a) Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch aus § 13 Abs. 2
Nr. 2 i.V. mit § 1 UWG zu.
aa) Das Handeln der Beklagten im geschäftlichen Verkehr ist nicht zweifel-
haft. Die Revision wendet sich jedoch gegen die Annahme des Berufungsgerichts,
die Beklagte habe zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Mit dieser Rüge
dringt sie indessen nicht durch.
Das Merkmal des Handelns zu Zwecken des Wettbewerbs ist nicht abstrakt,
sondern in Bezug auf denjenigen zu beurteilen, der den wettbewerbsrechtlichen
Anspruch geltend macht (vgl. BGH, Urt. v. 30.4.1997 – I ZR 154/95, GRUR 1997,
914, 915 = WRP 1997, 1051 – Die Besten II; Urt. v. 20.2.1997 – I ZR 12/95,
GRUR 1997, 907, 908 = WRP 1997, 843 – Emil-Grünbär-Klub). Danach ist im
Streitfall maßgeblich, daß die Beklagte durch ihr Verhalten den Wettbewerb des
Gas- und Wärmedienstes Börnsen zu Lasten anderer Energielieferanten – so
auch zu Lasten der Mineralölhändler, deren Interessen der Kläger vertritt – fördert.
Dies wird auch von einer entsprechenden Absicht getragen. Dabei muß noch nicht
einmal mit dem Berufungsgericht darauf abgestellt werden, daß die Beklagte
durch ihr Verhalten andere Energielieferanten vom Markt fernhalten möchte, damit
das Blockheizkraftwerk des Gas- und Wärmedienstes rentabel betrieben werden
kann. Es reicht aus, daß die Beklagte durch die Vereinbarung einer Bezugsver-
pflichtung den Wettbewerb des Blockheizkraftwerks fördern möchte. Daß sie dabei
auch umweltpolitische Ziele verfolgt, steht dieser Beurteilung in keiner Weise ent-
gegen.
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bb) Den Wettbewerbsverstoß hat das Berufungsgericht darin gesehen, daß
die Beklagte unter Ausnutzung der Vorteile, die ihr aus ihrer öffentlich-rechtlichen
Stellung erwachsen, mit ihrem Verhalten den Leistungswettbewerb unter den
Energielieferanten zu Lasten der Mineralölhändler ausschließt. Diese Beurteilung
hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Weder die öffentlich-rechtliche Stellung
der Beklagten noch die beanstandete Kopplung des Baugrundstücks mit der Be-
zugsverpflichtung hinsichtlich der Fernwärme rechtfertigen die Annahme eines
Wettbewerbsverstoßes nach § 1 UWG. Auch ein Verstoß unter dem Gesichts-
punkt des Rechtsbruchs kommt nicht in Betracht.
(1) Auch das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß allein der Um-
stand, daß die beklagte Gemeinde in ihrem Eigentum stehende Grundstücke ver-
kauft und sich als öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft über eine Beteiligungs-
gesellschaft am Wettbewerb der Energieversorger beteiligt, ihr Verhalten noch
nicht wettbewerbswidrig macht. Durch ihre Beteiligung an einem zur Erzeugung
von Fernwärme bestimmten Blockheizkraftwerk nimmt die Beklagte in privatwirt-
schaftlicher Form eine Aufgabe der Daseinsvorsorge wahr, auch wenn sie zur Er-
füllung dieser Aufgabe öffentliche Sach- oder Finanzmittel einsetzt (BGH, Urt. v.
19.6.1986 – I ZR 54/84, GRUR 1987, 116, 118 = WRP 1987, 22 – Kommunaler
Bestattungswirtschaftsbetrieb I; Urt. v. 26.3.1998 – I ZR 222/95, GRUR 1999, 256,
257 = WRP 1998, 857 – 1.000 DM Umwelt-Bonus). Entsprechendes gilt für ihre
Tätigkeit als Grundstückseigentümerin. Sie hat dabei im Wettbewerb grundsätzlich
keine Vorzugsstellung, ist aber auch nicht generell strengeren Verhaltensregeln
unterworfen als ein privater Grundstückseigentümer und ein privates Energiever-
sorgungsunternehmen in gleicher Lage (Köhler in Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1
Rdn. 560).
Die für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Beschränkungen (vgl. §§ 56,
59 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, § 11 Abs. 2 Satz 2 BauGB) finden danach im Streitfall
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ebensowenig Anwendung wie die Grundsätze, nach denen unter Ausnutzung ei-
ner hoheitlichen Stellung geschlossene Kopplungsgeschäfte nach § 138 BGB un-
ter bestimmten Voraussetzungen nichtig sein können (dazu BGH, Urt. v.
2.10.1998 – V ZR 45/98, NJW 1999, 208;
Mayer-Maly/Armbrüster in
MünchKomm.BGB, 4. Aufl., § 138 Rdn. 88). Die öffentliche Hand, die sich privat-
wirtschaftlich betätigt, darf sich allerdings bei der Wahrnehmung ihrer erwerbswirt-
schaftlichen Betätigung nicht dadurch einen unsachlichen Vorsprung vor ihren
Mitbewerbern verschaffen, daß sie ihre hoheitlichen Befugnisse zur Verbesserung
ihrer privatwirtschaftlichen Interessen und zur Förderung ihres Wettbewerbs ein-
setzt oder die privaten Mitbewerber mit Mitteln verdrängt, die diesen nicht zugäng-
lich sind, ihr dagegen aufgrund ihrer öffentlich-rechtlichen Sonderstellung zur
Verfügung stehen, etwa indem sie eine öffentlich-rechtliche Monopolstellung aus-
nutzt (vgl. BGH GRUR 1987, 116, 118 – Kommunaler Bestattungswirtschaftsbe-
trieb I; GRUR 1999, 256, 257 – 1.000 DM Umwelt-Bonus).
Derartige Umstände sind im Streitfall entgegen der Ansicht des Berufungsge-
richts nicht gegeben. Die Beklagte macht lediglich von Gestaltungsmöglichkeiten
Gebrauch, über die ein privater Grundstückseigentümer ebenso verfügt. Sie un-
terscheidet sich insofern nicht von einem privaten Erschließungsunternehmen, das
für ein Neubaugebiet eine Fernwärmeversorgung vorsieht und – damit sich die für
eine Fernwärmeversorgung erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen rentieren – in
die Grundstückskaufverträge eine entsprechende Bezugsverpflichtung aufnimmt.
Soweit die Beklagte aufgrund ihrer hoheitlichen Befugnisse in der Lage ist, eine
solche Maßnahme durch eine entsprechende Gestaltung der Bauleitplanung zu
unterstützen (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 23 BauGB), liegt darin für sich genommen kein
Mißbrauch hoheitlicher Befugnisse. Vielmehr bietet es sich an, daß eine Gemein-
de, die die Verwendung fossiler Brennstoffe in einem bestimmten Gebiet durch ei-
ne Bestimmung des Bebauungsplans untersagt, für alternative Energiequellen
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Sorge trägt. Die Beklagte mißbraucht ihre Stellung auch nicht dadurch, daß sie –
wie die Revisionserwiderung geltend macht – Grundstücke günstig erwerben kann
und über vielfältige Kontakte zu bauwilligen Käufern verfügt.
(2) Die Unlauterkeit des beanstandeten Verhaltens liegt auch nicht in dem
gekoppelten Angebot von zwei verschiedenen Wirtschaftsgütern: dem Baugrund-
stück auf der einen und der Versorgung mit Fernwärme auf der anderen Seite.
Daß ein Anbieter ein kombiniertes Angebot unterbreitet, indem er eine bestimmte
Ware oder Leistung nur gekoppelt mit einer anderen Ware oder Leistung abgibt,
ist für sich genommen lauterkeitsrechtlich nicht zu beanstanden. Lauterkeitsrecht-
lich von Bedeutung ist bei derartigen Vertragsgestaltungen im allgemeinen nicht
das Geschäft selbst, sondern die Werbung für das Angebot, und zwar immer
dann, wenn die Gefahr besteht, daß die Verbraucher über den Wert des tatsächli-
chen Angebots, namentlich über den Wert der Teilleistungen, getäuscht oder
sonst unzureichend informiert werden (vgl. BGH, Urt. v. 13.6.2002 – I ZR 173/01,
Umdruck S. 10 ff. – Kopplungsangebot I, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
Ob die gekoppelte Abgabe selbst zulässig ist, richtet sich dagegen in erster Linie
nach den kartellrechtlichen Bestimmungen, insbesondere bei Verträgen nach § 16
GWB. Danach unterliegen Kopplungsgeschäfte zwischen Unternehmen einer
kartellrechtlichen Mißbrauchskontrolle und können unter bestimmten Vorausset-
zungen für unwirksam erklärt werden; Ansprüche Dritter können sich in diesem
Fall aber erst ergeben, nachdem die Kartellbehörde eingeschritten ist. Darüber
hinaus kann in der Verwendung solcher Vertragsklauseln – etwa dann, wenn sie
nicht diskriminierungsfrei verwendet werden – der Mißbrauch einer marktbeherr-
schenden Stellung oder ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Diskriminierungs-
und Behinderungsverbot liegen (§§ 19, 20 GWB). Schließlich kann eine Kopplung
aufgrund des – hier nicht einschlägigen – Verbots der Kopplung von Grundstücks-
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kaufverträgen mit Ingenieur- und Architektenverträgen nach Art. 10 § 3 MRVerbG
verboten sein (dazu Hesse, BauR 1985, 30 ff.).
(3) Verstößt die Vereinbarung gegen ein derartiges gesetzliches Verbot –
hier kommt ohnehin nur eine Zuwiderhandlung gegen ein kartellrechtliches Verbot
in Betracht –, kann darin unter dem Gesichtspunkt eines Rechtsbruchs gleichzeitig
auch ein Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG liegen. Wie sich aus den nachste-
henden Ausführungen ergibt, scheidet ein solcher Verstoß im Streitfall aus.
b) Kartellrechtliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte sind nicht
gegeben.
aa) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein An-
spruch aus §§ 33, 20 Abs. 4 GWB zu.
(1) § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB enthält ein Behinderungsverbot, das – anders
als § 20 Abs. 1 GWB – nur zwischen Wettbewerbern, also im Horizontalverhältnis,
gilt. Bei § 20 Abs. 4 GWB müssen daher das behindernde und das behinderte
Unternehmen im selben Markt tätig sein (vgl. Markert in Immenga/Mestmäcker,
GWB, 3. Aufl., § 20 Rdn. 282 f.; Schultz in Langen/Bunte, Kartellrecht, 9. Aufl.,
§ 20 GWB Rdn. 229). In ihrer Eigenschaft als Verkäuferin von Bauland tritt die Be-
klagte nicht in demselben Markt auf, in dem die Mitglieder des Klägers tätig sind.
Ein einheitlicher Markt für Wärmeenergie – unterstellt, die Beklagte wäre in einem
solchen Markt tätig – besteht nicht, weil für die Marktgegenseite, also die Hausbe-
sitzer, die sich entweder für Fernwärme oder für eine Ölheizung entschieden ha-
ben, die beiden Formen der Wärmeenergie nicht austauschbar sind. In den Blick
zu fassen wäre allenfalls der Markt, in dem sich die verschiedenen Anbieter von
Heizsystemen um die Bauherren und um die Hauseigentümer bemühen, die sich
erstmals oder im Zuge einer fälligen Neuinstallation für eine bestimmte Wärme-
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quelle entscheiden müssen. Auf diesem allgemeinen Markt der Heizsysteme ver-
fügt die Beklagte oder der mit ihr verbundene Gas- und Wärmedienst Börnsen im
Verhältnis zu den Mitgliedern des Klägers jedoch nicht über eine überlegene
Marktmacht im Sinne von § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB.
Das Bundeskartellamt hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu
Bedenken gegeben, ob nicht von einem räumlich eng begrenzten Markt auszuge-
hen sei, der sich auf die Installation von Heizsystemen in dem fraglichen Neubau-
gebiet beschränke. Eine solche Marktabgrenzung kommt indessen nicht in Be-
tracht. Denn die Nachfrage nach einem Heizsystem ist im Streitfall dem Grund-
stückserwerb nicht nachgeschaltet. Vielmehr entscheidet sich die Marktgegenseite
mit dem Erwerb des Grundstücks für ein bestimmtes Heizsystem. Die von der Be-
klagten und dem Gas- und Wärmedienst Börnsen angebotenen Leistungen sind
für diese Nachfrager mit einer Fülle anderer Grundstücksangebote im Osten
Hamburgs und in anderen Nachbargemeinden austauschbar. Für eine überlegene
Marktmacht der Beklagten oder des Gas- und Wärmedienstes Börnsen auf die-
sem Markt ist nichts ersichtlich.
(2) Aber auch wenn die Normadressateneigenschaft der Beklagten zu beja-
hen wäre, kann das Verhalten der Beklagten nicht als eine unbillige Behinderung
angesehen werden. Auch im Rahmen des § 20 Abs. 4 GWB ist für das Merkmal
der Billigkeit auf eine Interessenabwägung abzustellen. Hierbei kommen dieselben
Erwägungen zum Tragen, die für die Verneinung eines lauterkeitsrechtlichen An-
spruchs maßgeblich sind. Insbesondere ist von einem berechtigten Interesse der
Beklagten auszugehen, in die Grundstückskaufverträge eine Bezugspflicht zugun-
sten des Gas- und Wärmedienstes Börnsen aufzunehmen.
bb) Einen Boykott nach § 21 Abs. 1 GWB hat das Berufungsgericht zu Recht
verneint. Wie bereits dargelegt, sind Kopplungen in Austauschverträgen grund-
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sätzlich kartellrechtlich zulässig (§ 16 Nr. 4 GWB). Die mit solchen Vereinbarun-
gen notwendig verbundenen Nachteile für andere Unternehmen fallen nicht unter
§ 21 Abs. 1 GWB; denn die jeder Ausschließlichkeitsbindung immanente Folge
des Ausschlusses anderer Unternehmen nimmt das Gesetz hin und unterwirft sie
lediglich einer Mißbrauchskontrolle durch die Kartellbehörden (vgl. BGH, Beschl.
v. 5.7.1973 – KVR 3/72, WuW/E 1269, 1275 f. – Fernost-Schiffahrtskonferenz).
Die restriktive Anwendung des § 21 Abs. 1 GWB auf wettbewerbsbeschränkende
Vereinbarungen in Vertikalverträgen findet jedoch dort ihre Grenze, wo die Be-
schränkung eine gegen bestimmte Dritte gerichtete Zielsetzung aufweist und wo
mit ihrer Hilfe bestimmte, individualisierbare Unternehmen getroffen oder sogar
vom Markt verdrängt oder ferngehalten werden sollen (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.1999
– KZR 18/98, WuW/E DE-R 395, 396 – Beteiligungsverbot für Schilderpräger,
m.w.N.). Die Bezugsverpflichtung, die die Beklagte zugunsten des Gas- und Wär-
medienstes Börnsen mit den Grundstückskäufern vereinbart, zeichnet sich nicht
durch eine solche Zielrichtung aus.
2.
Auch soweit die Beklagte in Verträgen mit Erschließungsträgern diese
verpflichtet, ebenfalls eine Bezugsverpflichtung zugunsten des Gas- und Wärme-
dienstes Börnsen zu vereinbaren, wenn sie Grundstücke in dem fraglichen Neu-
baugebiet verkaufen, stehen dem Kläger keine lauterkeits- oder kartellrechtlichen
Ansprüche zu.
a) Das beanstandete Verhalten der Beklagten stellt auch insofern keinen
Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG dar.
Gleichgültig, ob es sich bei den Vereinbarungen mit Erschließungsträgern
um öffentlich-rechtliche Verträge i.S. von § 124 BauGB handelt oder ob die Be-
klagte – was ebenfalls denkbar ist – insofern privatrechtliche Vereinbarungen trifft,
gilt hier ein strengerer Maßstab. Handelte es sich bei der Beteiligung der Beklag-
- 15 -
ten an dem Gas- und Wärmedienst Börnsen um eine bloße erwerbswirtschaftliche
Betätigung der Beklagten, wäre es ihr verwehrt, diese Tätigkeit mit ihren öffentli-
chen Aufgaben zu verknüpfen und die Vergabe von Erschließungsaufträgen da-
von abhängig zu machen, daß der Erschließungsträger dem kommunalen Beteili-
gungsunternehmen Kunden zuführt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofes darf die öffentliche Hand die staatliche Autorität und die damit ver-
bundene Vertrauensstellung nicht zur Erreichung von Wettbewerbsvorteilen miß-
bräuchlich nutzen. Auch eine Verquickung amtlicher und erwerbswirtschaftlicher
Interessen, die zur Interessenkollision bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben füh-
ren kann, ist unlauter (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 30.10.1963 – Ib ZR 72/62, GRUR
1964, 210, 213 = WRP 1964, 85 – Landwirtschaftsausstellung; Urt. v. 4.12.1970 –
I ZR 96/69, GRUR 1971, 168, 169 = WRP 1971, 219 – Ärztekammer; Urt. v.
12.11.1998 – I ZR 173/96, GRUR 1999, 594, 597 = WRP 1999, 650 – Holsteiner
Pferd; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 1 UWG Rdn. 937 ff.;
Köhler in Köhler/Piper aaO § 1 Rdn. 572). Darüber hinaus ergibt sich aus § 124
Abs. 3 Satz 1 BauGB, daß sich die Beklagte in Erschließungsverträgen nur Lei-
stungen versprechen lassen darf, die „den gesamten Umständen nach angemes-
sen (sind) und in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen“. Die-
ses spezielle Kopplungsverbot (vgl. auch § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG; ferner Jae-
ger, ZfIR 2000, 960, 961) gilt unabhängig davon, ob die Verträge, die die Beklagte
mit Erschließungsträgern schließt, öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Na-
tur sind (vgl. dazu Jaeger, ZfIR 2000, 960, 962).
Die Verpflichtung, die die Beklagte den Erschließungsträgern auferlegt, stellt
sich auch bei Beachtung dieses strengeren Maßstabs nicht als wettbewerbswidrig
dar. Denn die Beklagte verfolgt mit den Bezugsverpflichtungen zugunsten des
Gas- und Wärmedienstes Börnsen ein berechtigtes öffentliches Interesse. Un-
streitig dient es dem Klima- und Umweltschutz, wenn die Häuser in dem fraglichen
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Neubaugebiet mit Fernwärme aus dem Blockheizkraftwerk versorgt werden und
die erforderliche Wärme nicht dezentral durch Verwendung fossiler Brennstoffe
erzeugt wird. Die Beachtung derartiger Belange des Klima- und Umweltschutzes
fügt sich ohne weiteres in die sonstige Erschließung des Neubaugebietes ein (vgl.
§ 127 Abs. 4 Satz 2 BauGB; Jaeger, ZfIR 2000, 960, 961). Ihre Durchsetzung mit
Hilfe von dinglich gesicherten Bezugsverpflichtungen, die den Erwerbern von
Bauland entweder unmittelbar oder mittelbar über die Erschließungsträger aufer-
legt werden, ist sachlich gerechtfertigt. Sie begegnet auch keinen wettbewerbs-
rechtlichen Bedenken.
b) Auch kartellrechtliche Ansprüche stehen dem Kläger gegen die Beklagte
nicht zu. Insbesondere kann sich der Kläger nicht auf § 33 i.V. mit § 20 Abs. 1
GWB stützen. Fraglich ist bereits die Normadressateneigenschaft der Beklagten.
Denn es ist nicht ersichtlich, daß die Beklagte auf dem Markt für die Vergabe von
Erschließungsarbeiten eine marktbeherrschende Stellung hätte oder die Erschlie-
ßungsträger zumindest i.S. von § 20 Abs. 2 GWB von der Beklagten abhängig wä-
ren. Im übrigen ergibt sich aus den Ausführungen zu § 1 UWG, daß eine mögliche
Behinderung der Mitglieder des Klägers im Hinblick auf die von der Beklagten
verfolgten Zwecke nicht unbillig wäre. Aus denselben Gründen scheidet auch ein
Anspruch des Klägers aus § 33 i.V. mit § 20 Abs. 4 Satz 1 GWB aus.
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III. Danach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Klage ist abzuwei-
sen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Hirsch Goette Bornkamm
Raum Meier-Beck