Urteil des BGH vom 03.12.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZB 116/08
vom
25. März 2010
in der Rechtsbeschwerdesache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
ZPO § 890; JBeitrO § 1 Abs. 1 Nr. 3; EuVTVO Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 4 Nr. 2,
Art. 6 Abs. 1 lit. c, Art. 16, 17, 18
a) Die Justizbeitreibungsordnung steht der Vollstreckung eines Ordnungsgeldes
gemäß § 890 ZPO im Ausland nicht entgegen.
b) Die Vollstreckung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890
ZPO ergangenen Beschlusses stellt eine Zivil- und Handelssache i.S. des
Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO dar.
c) Der Antrag auf Bestätigung eines in einem Ordnungsmittelverfahren gemäß
§ 890 ZPO ergangenen Beschlusses als Europäischer Vollstreckungstitel
kann auch vom Gläubiger gestellt werden, der den Beschluss erwirkt hat.
d) Das für die Heilung von Belehrungsmängeln gemäß Art. 16 und 17 EuVTVO
nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO bestehende Erfordernis einer Rechtsmit-
telbelehrung gilt auch für in Beschlussform ergangene Entscheidungen.
e) Die Möglichkeiten einer Heilung der Nichteinhaltung der in den Art. 13 bis 17
EuVTVO festgelegten verfahrensrechtlichen Erfordernisse sind in Art. 18
EuVTVO abschließend geregelt.
BGH, Beschluss vom 25. März 2010 - I ZB 116/08 - OLG München
LG Landshut
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. März 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bornkamm und die Richter Pokrant, Prof.
Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Koch
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts München vom 3. Dezember 2008 wird auf
Kosten der Gläubigerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 60.000 €
festgesetzt.
Gründe:
I. Die Gläubigerin produziert und vertreibt Pflanzenschutzmittel. Sie steht
insoweit in Wettbewerb mit der in den Niederlanden ansässigen Schuldnerin,
die Pflanzenschutzmittel nach Deutschland einführt und hier an Händler und
Landwirte veräußert.
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Die Gläubigerin hat wegen verschiedener von ihr geltend gemachter
Wettbewerbsverstöße gegen die Schuldnerin eine ohne deren vorherige Anhö-
rung ergangene einstweilige Verfügung erwirkt. Die Schuldnerin hat ihr bean-
standetes Verhalten auch nach Zustellung der Unterlassungsverfügung fortge-
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setzt. Auf Antrag der Gläubigerin hat das Landgericht deswegen gegen die
Schuldnerin ein Ordnungsgeld in Höhe von 30.000 € und für den Fall seiner
Nichtbeitreibbarkeit je 1.000 € einen Tag Ordnungshaft verhängt.
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Die Gläubigerin hat im Weiteren beantragt, den Ordnungsmittelbeschluss
gemäß der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen
Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Ver-
ordnung - EuVTVO) als Europäischen Vollstreckungstitel zu bestätigen und ihr
eine entsprechende Bestätigung gemäß Formblatt nach Anhang I der EG-Voll-
streckungstitel-Verordnung auszustellen. Das Landgericht hat den Antrag zu-
rückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Gläubigerin, mit der
diese zuletzt allein noch die Bestätigung des Ordnungsgeldanspruchs begehrt
hat, ist ohne Erfolg geblieben (OLG München IPRax 2009, 342 = OLG-Rep
2009, 152).
Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die
Schuldnerin beantragt, verfolgt die Gläubigerin ihren im Beschwerdeverfahren
zuletzt gestellten Antrag weiter.
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II. Die Rechtsbeschwerde ist, da sie vom Beschwerdegericht zugelassen
worden ist, statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch
ansonsten zulässig. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
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1. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist der von der Gläubigerin ge-
stellte Antrag schon mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Die für die
von Amts wegen erfolgende Vollstreckung von Ordnungsmittelbeschlüssen
maßgebliche Justizbeitreibungsordnung wirke nur auf dem Gebiet der Bundes-
republik Deutschland und regele nicht, was gelte, wenn sich der Schuldner im
Ausland aufhalte und auf inländisches Vermögen nicht zugegriffen werden kön-
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ne. Es gebe soweit ersichtlich keine zwischenstaatliche Vereinbarung über die
Beitreibung von Ordnungsgeldern im Rahmen eines Zivilprozesses und auch
keine gesetzliche Befugnis des Antragstellers, anstelle der Vollstreckungsbe-
hörde über die Eintreibung eines Ordnungsgeldes im Ausland zu entscheiden.
Soweit nicht nur ein Ordnungsgeld ausgesprochen, sondern für den Fall seiner
Nichtbeitreibbarkeit auch Ordnungshaft angeordnet worden sei, dürfe die Voll-
streckung schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in die Hände einer Par-
tei gelegt werden können. Das Ordnungsgeld sei auch keine Forderung i.S. des
Art. 4 Nr. 2 EuVTVO, jedenfalls aber keine Forderung, die der Gläubigerin zu-
stehe.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung zwar nicht aus den
im angefochtenen Beschluss angeführten Gründen, aber im Ergebnis stand.
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a) Das Beschwerdegericht hat zu Unrecht angenommen, dass es der
Gläubigerin für ihren Antrag auf Anerkennung des Ordnungsmittelbeschlusses
als Europäischer Vollstreckungstitel am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis
fehle. Vom Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses könnte nur dann ausgegan-
gen werden, wenn die Gläubigerin das mit ihrem Antrag verfolgte Ziel auf einfa-
cherem Weg erreichen könnte. Dies ist hier nicht der Fall.
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b) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die
Justizbeitreibungsordnung, nach deren § 1 Abs. 1 Nr. 3 Ordnungsmittelbe-
schlüsse von Amts wegen vom Staat vollstreckt werden, diese Vollstreckung
- nach dem Territorialitätsprinzip - auf Vollstreckungsmaßnahmen im Inland be-
schränkt. Die Justizbeitreibungsordnung beantwortet damit aber nicht die Fra-
ge, ob solche Vollstreckungsmaßnahmen im Ausland auf anderer Grundlage
vorgenommen werden können. Die Zulässigkeit der Vollstreckung eines Ord-
nungsgeldes gemäß § 890 ZPO im Ausland auf Betreiben des Unterlassungs-
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gläubigers lässt sich insbesondere auch nicht mit der Begründung verneinen,
es fehle in dieser Hinsicht an einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung
des Unterlassungsgläubigers. Eine solche Betrachtungsweise, von der das Be-
schwerdegericht ausgegangen ist, vernachlässigt zum einen, dass eine Voll-
streckung von Ordnungsmittelbeschlüssen außerhalb des durch die Justizbei-
treibungsordnung für Inlandssachverhalte eröffneten Rahmens keiner besonde-
ren Rechtfertigung bedarf, weil solche Beschlüsse in § 794 Abs. 1 Nr. 3 ZPO
allgemein und ohne Einschränkungen für vollstreckbar erklärt werden (vgl.
Giebel, IPRax 2009, 324, 325; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangs-
geld, 1992, S. 323). Zum Anderen ließe eine nach dem nationalen Recht beste-
hende Beschränkung einer solchen Vollstreckung eine nach dem vorrangig an-
zuwendenden Gemeinschaftsrecht gegebene Vollstreckungsmöglichkeit unbe-
rührt.
c) Das Beschwerdegericht hat ferner zu Unrecht angenommen, dass der
Ordnungsgeldanspruch keine von der Gläubigerin geltend zu machende Forde-
rung i.S. der Art. 4 Nr. 2, Art. 6 Abs. 1 EuVTVO darstellt.
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aa) Die EG-Vollstreckungstitel-Verordnung ist im Streitfall anwendbar,
weil die Vollstreckung eines Ordnungsmittelbeschlusses eine Zivil- und Han-
delssache i.S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO darstellt. Der Umstand, dass
bei der Ordnungsmittelvollstreckung nach deutschem Recht eine öffentliche
Stelle zum Zwecke der Durchsetzung einer eigenen Forderung mittels Aus-
übung hoheitlicher Befugnisse tätig wird, legt zwar an sich die Annahme nahe,
dass es sich um eine vom sachlichen Anwendungsbereich der EG-Voll-
streckungstitel-Verordnung ausgeschlossene öffentlich-rechtliche Angelegen-
heit handelt (so - zum Klauselerteilungsverfahren - Geimer in Geimer/Schütze,
Internationale Urteilsanerkennung, 1983, Bd. I/1, S. 1169 Fn. 3; zu Art. 49
EuGVVO anders aber nunmehr ders. in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilver-
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fahrensrecht, 2. Aufl., Art. 49 EuGVVO Rdn. 2 sowie Rauscher/Mankowski, Eu-
ropäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Bd. 2, Art. 49 Brüssel-I-VO Rdn. 4, je-
weils m.w.N.). Um aber sicherzustellen, dass sich nach den gemeinschafts-
rechtlichen Bestimmungen für die Mitgliedstaaten und die betroffenen Personen
soweit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben, ist
der Begriff "Zivil- und Handelssachen" nach der ständigen Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 1 Abs. 1 Satz 1 EuGVÜ
autonom auszulegen; dabei müssen die Zielsetzungen und die Systematik der
gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen sowie die allgemeinen Rechtsgrund-
sätze berücksichtigt werden, die sich aus der Gesamtheit der nationalen
Rechtsordnungen ergeben (grundlegend EuGH, Urt. v. 14.10.1976 - 29/76, Slg.
1976, 1541 = NJW 1977, 490 Tz. 3 und 5 - LTU/Eurocontrol; zuletzt EuGH, Urt.
v. 15.2.2007 - C-292/05, Slg. 2007, I-1519 = IPRax 2008, 250 Tz. 29
- Lechouritou u.a./Bundesrepublik Deutschland, m.w.N.). Dementsprechend
können auch Verfahren, in denen sich eine Behörde und eine Privatperson ge-
genüberstehen, im Hinblick auf die Natur der zwischen den Parteien bestehen-
den Rechtsbeziehungen oder wegen des Gegenstandes des Rechtsstreits als
Zivil- und Handelssachen im Sinne der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmun-
gen anzusehen sein (vgl. EuGH NJW 1977, 490 Tz. 4 - LTU/Eurocontrol; EuGH
IPRax 2008, 250 Tz. 30 f. - Lechouritou u.a./Bundesrepublik Deutschland). Die-
se Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Auslegung des Begriffs der "Zi-
vil- und Handelssachen" i.S. des Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO (Rauscher/
Pabst, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Bd. 2, Art. 1 EG-VollstrTitelVO
Rdn. 4; Hüßtege, Festschrift für Jayme, 2004, Bd. I, S. 371, 372).
Im vorliegend zu beurteilenden Fall spricht danach insbesondere der
Umstand für die Einordnung als Zivil- und Handelssache, dass die Streitsache
ihren Ursprung nicht in einer hoheitlichen Tätigkeit, sondern in einer zivilrechtli-
chen Auseinandersetzung zwischen der Gläubigerin und der Schuldnerin um
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die Ahndung eines von der Gläubigerin geltend gemachten Verstoßes der
Schuldnerin gegen einen Unterlassungstitel hat, den die Gläubigerin auf zivil-
rechtlicher Grundlage gegen diese erwirkt hat (vgl. EuGH, Urt. v. 16.12.1980
- 814/79, Slg. 1980, 3807 = IPRax 1981, 169 Tz. 15 - Rüffer; Giebel, IPRax
2009, 324, 325 f.; Remien aaO S. 318 ff.). Es kommt hinzu, dass das Ord-
nungsmittelverfahren gemäß § 890 ZPO ein Parteiverfahren ist, das nur auf
Antrag des Unterlassungsgläubigers eingeleitet und durchgeführt wird, und
dass auch die Vollziehung des Ordnungsmittelbeschlusses den rechtlichen Be-
stand des zugrunde liegenden Unterlassungstitels voraussetzt (vgl. Zöller/
Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 890 Rdn. 9a und 25; Giebel, IPRax 2009, 324, 326). In
dieser Hinsicht unterscheidet sich das Ordnungsmittelverfahren gemäß § 890
ZPO maßgeblich von anderen Ordnungsmittelverfahren wie etwa dem gemäß
§ 141 Abs. 3 ZPO, in dem ein Ordnungsgeld gegen eine im EU-Ausland ansäs-
sige Partei nicht durchgesetzt werden kann (vgl. OLG Hamm NJW 2009, 1090;
Giebel, IPRax 2009, 324, 326).
Für die Einordnung des Ordnungsmittelverfahrens gemäß § 890 ZPO als
Zivil- und Handelssache i.S. von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 EuVTVO spricht weiterhin
die in Art. 49 Brüssel-I-VO enthaltene Regelung. Diese geht von der Vollstreck-
barkeit von Zwangsgeld- und Ordnungsgeldentscheidungen durch private
Gläubiger aus und setzt damit deren Charakter als Zivil- und Handelssache
voraus. Eine Anwendung des Art. 49 Brüssel-I-VO allein auf Zwangsgelder im
Sinne des in Frankreich und den Benelux-Staaten geltenden Systems der
"astreinte", bei der Urteile, die zur Vornahme von Handlungen oder zu Unter-
lassungen anhalten, einen Zusatz enthalten, der für den Fall der Zuwiderhand-
lung eine bestimmte Geldsumme androht bzw. festsetzt, die an den Gläubiger
zu zahlen ist (vgl. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht, 3. Aufl., Art. 49 EuGVVO
Rdn.1 und 2), liefe demgegenüber dem in der Rechtsprechung des Gerichts-
hofs der Europäischen Gemeinschaften (vgl. EuGH NJW 1977, 490 Tz. 4
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- LTU/Eurocontrol; EuGH IPRax 1991, 169 Tz. 14 - Rüffer) anerkannten Ausle-
gungsgrundsatz zuwider, dass die Bestimmungen des EU-Zivilprozessrechts
den Rechtsschutzsuchenden in allen Mitgliedstaaten möglichst gleiche und ein-
heitliche Rechte gewährleisten sollen (vgl. Schlosser aaO Art. 49 EuGVVO
Rdn. 8 f.; Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 49 EuGVO
Rdn. 1; MünchKomm.ZPO/Gottwald, 3. Aufl., Art. 49 EuGVO Rdn. 4; Giebel,
IPRax 2009, 324, 326, jeweils m.w.N.; a.A. Hess, Europäisches Zivilprozess-
recht, 2009, § 6 IV Rdn. 219).
bb) Der Begründetheit des streitgegenständlichen Bestätigungsantrags
steht auch nicht entgegen, dass der Gläubigerin hinsichtlich des Zwangsgeld-
anspruchs die Sachbefugnis fehlt.
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(1) Die Gläubigerin weist hierzu mit Recht darauf hin, dass die Bestim-
mung des Art. 4 Nr. 2 EuVTVO zum einen autonom auszulegen ist und zum
anderen auch schon nach ihrem Wortlaut nicht voraussetzt, dass der Anspruch,
der in der als Europäischer Vollstreckungstitel zu bestätigenden Entscheidung
tituliert ist, notwendig der Person zusteht, die die Bestätigung beantragt.
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(2) Nicht unberücksichtigt bleiben darf des Weiteren, dass auch im deut-
schen Recht die Durchsetzung von Ordnungsmittelansprüchen i.S. des § 890
ZPO nicht allein dem Staat obliegt. Vielmehr ist es Sache des Unterlassungs-
gläubigers, die dem Staat insoweit zustehenden Ansprüche für diesen geltend
zu machen und eine Titulierung herbeizuführen. Erst die Vollstreckung der An-
sprüche obliegt dann dem Staat. Dieser Ausgangssachverhalt legt es nahe, den
Unterlassungsgläubiger auch als berechtigt anzusehen, dem von ihm erwirkten
Titel durch die Beantragung seiner Bestätigung als Europäischer Vollstre-
ckungstitel eine größere Effizienz zu verschaffen.
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(3) Das Beschwerdegericht hat schließlich nicht berücksichtigt, dass der
Antrag auf Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel gemäß Art. 6 Abs. 1
EuVTVO jederzeit und damit auch schon im verfahrenseinleitenden Schriftsatz
gestellt werden kann (Kropholler aaO Art. 6 EuVTVO Rdn. 2; Rauscher/Pabst
aaO Art. 6 EG-VollstrTitelVO Rdn. 2; Schlosser aaO Art. 6 VTVO Rdn. 1; Bach,
Grenzüberschreitende Vollstreckung in Europa, 2008, S. 186 m.w.N.). Die
Gläubigerin hätte den Bestätigungsantrag daher auch schon zusammen mit
ihrem Ordnungsmittelantrag stellen können und konnte ihn auch noch später
- jederzeit - nachholen.
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d) Das Beschwerdegericht hat ferner zu Unrecht angenommen, dass es
dem Staat im Hinblick auf seine Stellung als Vollstreckungsorgan nach der Jus-
tizbeitreibungsordnung überlassen bleiben müsse zu entscheiden, ob der Ord-
nungsmittelbeschluss als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden sol-
le. Es hat in diesem Zusammenhang unberücksichtigt gelassen, dass eine be-
reits vom Unterlassungsgläubiger erwirkte Bestätigung des Beschlusses es
dem Staat lediglich erspart, eine solche Bestätigung gegebenenfalls selbst zu
beantragen. Dagegen ist die Beantragung einer solchen Bestätigung durch den
Unterlassungsgläubiger nicht geeignet, die Interessen des Staates als Vollstre-
ckungsbehörde in irgendeiner Hinsicht zu beeinträchtigen.
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e) Der von der Gläubigerin gestellte Bestätigungsantrag betraf, soweit er
sich zunächst auch auf den Ordnungshaftausspruch bezogen hat, keine auf
Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtete Forderung i.S. des Art. 4
Nr. 2 EuVTVO. Er wäre aus diesem Grund aber nicht, wie das Beschwerdege-
richt gemeint hat, im vollen Umfang, sondern, wie sich aus Art. 8 EuVTVO er-
gibt, nur in diesem von einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel
ausgeschlossenen Umfang abzulehnen gewesen. Nachdem die Gläubigerin
ihren Bestätigungsantrag im Beschwerdeverfahren zudem auf den Ordnungs-
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geldausspruch beschränkt hat, verbleibt nunmehr aber auch für eine nur teil-
weise Ablehnung des Bestätigungsantrags kein Raum.
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f) Die Rechtsbeschwerde ist gleichwohl zurückzuweisen, weil das Verfah-
ren, in dem der hier zu beurteilende Ordnungsmittelbeschluss ergangen ist, den
im Kapitel III der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung (Art. 12 bis 19) geregelten
besonderen Vorgaben nicht entspricht, eine Bestätigung des Beschlusses als
Europäischer Vollstreckungstitel daher gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. c EuVTVO aus-
scheidet und sich die Entscheidung des Beschwerdegerichts deshalb aus ande-
ren Gründen als richtig darstellt (§ 577 Abs. 3 ZPO).
aa) Nicht zu entscheiden ist in diesem Zusammenhang die Frage, ob ei-
ne Forderung immer schon dann als unbestritten i.S. des Art. 3 Abs. 1 lit. b
EuVTVO anzusehen ist, wenn sie im Verfahren des einstweiligen Rechtsschut-
zes ohne vorangegangenes kontradiktorisch angelegtes Verfahren tituliert wor-
den ist (so - zu Art. 32, 34 Nr. 2 Brüssel-I-VO - BGH, Beschl. v. 21.12.2006
- IX ZB 150/05, NJW-RR 2007, 1573 Tz. 15 ff. = GRUR 2007, 813 = WRP
2007, 330; kritisch dazu etwa Mankowski, EWiR 2007, 329, 330; a.A. OLG
Stuttgart NJW-RR 2007, 1583, 1584 unter Hinweis auf EuGH, Urt. v.
14.10.2004 - C-39/02, Slg. 2004, I-9657 = IPRax 2006, 262 Tz. 44, 46 und 50
- Maersk Olie & Gas A/S/M. de Haan in W. de Boer). Denn die im Streitfall in
Rede stehende Geldforderung ist nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung
ohne Anhörung der Schuldnerin tituliert worden. Ihr liegt vielmehr ein eigen-
ständiges Ordnungsmittelverfahren zugrunde, in dem der Schuldnerin von An-
fang an rechtliches Gehör gewährt worden ist (vgl. Hess aaO § 10 I Rdn. 13
zum Verhältnis zwischen Kostenfestsetzungsbeschluss und der ihm zugrunde
liegenden Entscheidung).
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bb) Das deutsche Zivilprozessrecht sieht jedoch bei Antragsgegnern
- anders als gemäß den durch Art. 1 des EG-Vollstreckungstitel-Durchführungs-
gesetzes (BGBl. 2005 I, S. 2477) den Erfordernissen der EG-Vollstreckungs-
titel-Verordnung angepassten § 215 Abs. 1, § 276 Abs. 2, § 338 ZPO bei Be-
klagten (vgl. MünchKomm.ZPO/Adolphsen aaO § 1080 Rdn. 38) - keine den
Mindestvoraussetzungen der Art. 12 ff. EuVTVO entsprechende Belehrung vor
(vgl. Hess aaO § 10 I Rdn. 13). Dementsprechend fehlte es auch im Streitfall
bei der Zustellung des Ordnungsmittelantrags an der gemäß Art. 17 EuVTVO
erforderlichen Unterrichtung der Schuldnerin über die Verfahrensschritte zum
Bestreiten der Forderung und insbesondere an der nach Art. 17 lit. b EuVTVO
gebotenen Belehrung über die Folgen des Nichtbestreitens sowie die Möglich-
keit einer Entscheidung und ihrer Vollstreckung gegen die Schuldnerin und de-
ren Verpflichtung zum Kostenersatz. Dieser Verfahrensmangel konnte weder
gemäß Art. 18 Abs. 2 EuVTVO, der allein für Zustellungsmängel gemäß Art. 13
und 14 EuVTVO, nicht dagegen für Belehrungsmängel gemäß Art. 16 und 17
EuVTVO gilt, noch gemäß Art. 18 Abs. 1 EuVTVO geheilt werden; denn dafür
hätte nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO eine - im Streitfall ebenfalls fehlende -
Rechtsmittelbelehrung erteilt sein müssen (OLG Stuttgart NJW-RR 2009, 934,
935 m.w.N.). Zwar wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, diese Bestim-
mung setze ersichtlich eine Säumnissituation voraus, die bei Entscheidungen in
Beschlussform nicht in Betracht komme (Roth, IPRax 2008, 235, 237). Diese
Ansicht widerspricht jedoch dem eindeutigen Wortlaut des Art. 18 Abs. 1 lit. b
EuVTVO. Außerdem vernachlässigt sie, dass die Anwendbarkeit der einzelnen
Bestimmungen der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung nicht davon abhängen
kann, wie die - sich im einzelnen stark unterscheidenden - nationalen Säumnis-
verfahren ausgestaltet sind; denn das führte letztlich dazu, dass diese Bestim-
mungen des Gemeinschaftsrechts vom jeweiligen nationalen Recht her und
nicht - wie zutreffend - autonom ausgelegt würden (Bittmann, Rpfleger 2009,
369, 372; Hess aaO § 10 I Rdn. 21).
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cc) Die Schuldnerin muss sich entgegen der Ansicht der Rechtsbe-
schwerde auch nicht so behandeln lassen, als seien die Mindestanforderungen
der EG-Vollstreckungstitel-Verordnung gewahrt.
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(1) Die Rechtsbeschwerde trägt hierzu vor, die Schuldnerin habe sich
absichtsvoll in neun weiteren Verfahren der einstweiligen Verfügung und drei
weiteren Ordnungsmittelverfahren je nach Bedarf anwaltlich vertreten oder nicht
vertreten lassen. Vor diesem Hintergrund sei es rechtsmissbräuchlich, wenn die
Schuldnerin sich im vorliegenden Verfahren auf eine Nichtbeachtung der
Art. 17, 18 EuVTVO berufen würde.
(2) Die Rechtsbeschwerde vernachlässigt bei diesen Ausführungen, dass
die Regelungen in Art. 17 und 18 EuVTVO nicht zur Disposition der Parteien
eines Vollstreckungsverfahrens stehen. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat die
Frage, inwieweit die Nichteinhaltung der in den Art. 13 bis 17 EuVTVO festge-
legten verfahrensrechtlichen Mindesterfordernisse geheilt werden kann, in
Art. 18 EuVTVO einer als abschließend anzusehenden speziellen Regelung
zugeführt. Dieser würde es widersprechen, wenn die Nichteinhaltung dieser
Mindestvorschriften auch nach Treu und Glauben als unbeachtlich angesehen
werden könnte.
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III. Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin ist danach mit der Kostenfolge
aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
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Bornkamm Pokrant Büscher
Schaffert
Koch
Vorinstanzen:
LG Landshut, Entscheidung vom 23.05.2008 - 2 HKO 1672/06 -
OLG München, Entscheidung vom 03.12.2008 - 6 W 1956/08 -