Urteil des BGH vom 07.06.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 10/12
Verkündet am:
7. Juni 2013
Mayer
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 308 Nr. 1
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen das Angebot des
anderen Teils unbefristet fortbesteht und von dem Verwender jederzeit angenom-
men werden kann, sind auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar, wenn das
Angebot nicht bindend, sondern widerruflich ist.
BGH, Versäumnisurteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12 - OLG Dresden
LG Leipzig
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juni 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den Richter
Dr. Czub, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 14. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 6. Dezember 2011 aufge-
hoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notarieller Erklärung vom 30. Mai 2005 machte die Klägerin der Be-
klagten das Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung. Das Angebot enthielt
u.a. folgende Bestimmung:
„An das Angebot hält sich der Anbietende bis zum 30.06.2005 unwiderruflich
gebunden. Nach Ablauf der Frist erlischt lediglich die Bindung an das
Angebot, nicht jedoch das Angebot selbst, das dann in stets widerruflicher
Weise fortbesteht. Zur Wirksamkeit der Annahme genügt deren Erklärung zu
notariellem Protokoll, ohne dass es des Zugangs der Annahmeerklärung beim
Anbietenden bedarf.“
Mit notarieller Urkunde vom 12. Juli 2005 erklärte die Beklagte die An-
nahme des Angebots. Der Vertrag wurde durch Zahlung des Kaufpreises von
50.362,50 € sowie Auflassung und Eigentumsumschreibung vollzogen.
Die Klägerin verlangt nunmehr die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um
Zug gegen lastenfreie Rückübertragung der Wohnung, die Feststellung des An-
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nahmeverzugs der Beklagten sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsverfol-
gungs
kosten von 2.295,63 € zzgl. Zinsen. Sie ist der Ansicht, dass der Kaufver-
trag nicht zustande gekommen sei, da ihr Angebot im Zeitpunkt der Annahme-
erklärung bereits erloschen gewesen sei. Das Landgericht hat die Klage abge-
wiesen; das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträ-
ge weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1
Alt. 1 BGB, da die Klägerin den Kaufpreis mit Rechtsgrund geleistet habe. Der
Kaufvertrag sei auf Grund der Klausel über die bindungsfreie Fortgeltung des
Angebots zustande gekommen, auch wenn die Beklagte die Annahme erst
nach dem Ablauf der Bindungsfrist erklärt habe.
Die Klausel unterliege zwar nach § 310 Abs. 3 BGB den Vorschriften
über die richterliche Kontrolle des Inhalts Allgemeiner Geschäftsbedingungen
(§§ 307 bis 309 BGB), sie halte dieser aber stand. Die Bindungsfrist von einem
Monat gehe nicht wesentlich über den sich aus § 147 Abs. 2 BGB ergebenden
Zeitraum von vier Wochen hinaus und sei daher nicht nach § 308 Nr. 1 BGB
unwirksam. Die Bestimmung über die bindungsfreie Fortgeltung des Angebots
sei ebenfalls nicht nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam; denn der Verwender be-
halte sich keine Annahmefrist vor, wenn der Käufer sein Angebot stets widerru-
fen könne. Die Fortgeltungsklausel benachteilige den Käufer auch nicht unan-
gemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Interesse der Beklagten
an der Aufrechterhaltung der latenten Kundenbeziehung sei schutzwürdig. Die
Interessen des Käufers seien durch das Widerrufsrecht ausreichend gewahrt.
Dem Käufer sei es - wie sich an den Bestimmungen über andere Widerrufs-
rechte (§§ 312, 312 d, 495 BGB) zeige - zumutbar, dass er aktiv werden müsse,
wenn er den Vertrag nicht mehr wolle.
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II.
Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Begründung des Be-
rufungsgerichts trägt die Abweisung eines Anspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1
Alt. 1 BGB nicht. Der Kaufpreis kann ohne Rechtsgrund auf einen nicht zustan-
de gekommenen Vertrag gezahlt worden sein.
1. Der Kaufvertrag ist mit der Beurkundung der Annahmeerklärung der
Beklagten nach § 152 Satz 1 BGB nur dann zustande gekommen, wenn die
Erklärung der Klägerin wirksam ist, dass ihr Antrag über die Bindungsfrist von
einem Monat hinaus als widerrufliches Angebot fortbesteht.
a) Andernfalls wäre das Angebot im Zeitpunkt der Annahme bereits erlo-
schen gewesen. Nach der gesetzlichen Regelung in § 146 BGB erlischt ein An-
trag, wenn er abgelehnt oder nach den §§ 147 bis 149 BGB nicht rechtzeitig
angenommen wird. So wäre es hier, da bei der Annahme sowohl die Zeitspan-
ne von vier Wochen, innerhalb derer der Antragende auf sein Angebot zum
Kauf einer Eigentumswohnung nach § 147 Abs. 2 BGB den Eingang der Ant-
wort des Empfängers unter regelmäßigen Umständen erwarten darf (Senat,
Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873, 2874 Rn. 12) als auch
die in dem Angebot bestimmte Bindungsfrist von einem Monat verstrichen wa-
ren. Soweit der Antragende nichts anderes äußert, deckt sich eine von ihm er-
klärte Bindungsfrist mit der dem Empfänger für die Annahme seines Angebots
eingeräumten Frist (§ 148 BGB), mit der Folge, dass das Angebot mit dem Ab-
lauf der Bindungsfrist erlischt (Senat, aaO, Rn. 15).
b) Die Wirksamkeit der Erklärung der Klägerin über die Fortgeltung ihres
Angebots, hängt jedoch davon ab, ob - wie es das Berufungsgericht annimmt -
eine von der Beklagten vorformulierte Klausel vorliegt, die den Vorschriften über
die richterliche Kontrolle des Inhalts Allgemeiner Geschäftsbedingungen
(§§ 307 bis 309 BGB) unterliegt.
2. Wirksam wäre die Erklärung über die Fortgeltung ihres Angebots ge-
wesen, wenn das Angebot von der Klägerin selbst formuliert oder von den Par-
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teien im Einzelfall ausgehandelt worden wäre. Dann hätte die Beklagte das An-
gebot auch noch nach mehr als sechs Wochen nach dessen Abgabe anneh-
men können. Die gesetzlichen Regelungen in §§ 145, 146 BGB schließen näm-
lich Modifikationen der Wirksamkeit und der Dauer des Angebots nicht aus. Ein
Angebot kann danach auch unbefristet, jedoch widerruflich ausgestaltet werden
(Senat, Urteil vom 26. März 2004 - V ZR 90/03, NJW-RR 2004, 952, 953; BGH,
Urteil vom 8. März 1984 - VII ZR 177/82, NJW 1984, 1885, 1886).
3. Unwirksam wäre die Erklärung im Angebot der Klägerin dagegen
dann, wenn es sich dabei um eine Fortgeltungsklausel, also um eine von der
Beklagten gemäß § 305 Abs. 1 BGB gestellte oder von ihr als Unternehmerin
nach § 310 Abs. 3 BGB als gestellt geltende vorformulierte Vertragsbedingung
handeln sollte.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus,
dass die Vorschriften über die AGB-rechtliche Inhaltskontrolle auch auf vor-
formulierte Erklärungen im Vorfeld des Vertragsschlusses anzuwenden sind.
Die Vorschriften der §§ 307 bis 309 BGB erstrecken sich auf sog. Vertragsab-
schlussklauseln, zu denen die von dem Verwender vorformulierten einseitigen
Erklärungen des anderen Teils zur Geltung seines Angebots gehören (vgl. Se-
nat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873 Rn. 8; BGH, Urteil
vom 23. März 1988 - VIII ZR 175/87, BGHZ 104, 95, 98 f.).
b) Das Berufungsgericht bejaht jedoch rechtsfehlerhaft die Wirksamkeit
einer vorformulierten Angebotserklärung, nach der das Angebot des anderen
Teils (über den Ablauf einer Bindungsfrist von einem Monat hinaus) als wider-
rufliches, stets annehmbares Angebot fortbesteht. Unbefristete Fortgeltungs-
klauseln halten nämlich einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle an der Verbots-
norm des § 308 Nr. 1 Halbs. 1 BGB nicht stand. Nach dieser Vorschrift ist eine
Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, durch die sich
der Verwender unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen
für die Annahme oder Ablehnung eines Angebots vorbehält. Ob und unter wel-
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chen Voraussetzungen das auch für vorformulierte Fortgeltungsklauseln zu An-
geboten gilt, die der andere Teil widerrufen kann, ist allerdings streitig.
aa) Nach der von dem Berufungsgericht (OLG Dresden, NotBZ 2012,
105) sowie im Schrifttum (Cremer/Wagner, NotBZ 2004, 331, 335; Walter,
NotBZ 2012, 81, 83; BeckOK-BGB/Becker, Edition 26, § 308 Nr. 1 Rn. 4) vertre-
tenen Ansicht, ist § 308 Nr. 1 BGB schon nicht einschlägig, weil der Verwender
sich keine Annahmefrist vorbehalte, wenn der andere Teil sein Angebot jeder-
zeit widerrufen könne. Wegen der Widerrufsmöglichkeit verstoße es nicht ge-
gen § 308 Nr. 1 BGB, dass der Verwender das Angebot auch noch nach meh-
reren Monaten oder gar Jahren annehmen könne (OLG Dresden, aaO; Cremer/
Wagner, aaO; ebenso Walter, NotBZ 2012, 81, 84, der allerdings nach Ablauf
von zwölf Monaten von einer verspäteten und nach § 242 BGB unzulässigen
Annahme ausgeht).
bb) Nach anderer Auffassung (OLG Celle, Urteil vom 5. Oktober 2012
- 3 U 42/21, unveröffentlicht; die Gründe sind auszugsweise wiedergegeben im
Aufsatz von Herrler, notar 2013, 71, 80 f.; Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883,
891, Müller/Klühs, RNotZ 2013, 81, 89; Thode, ZNotP 2005, 162, 165) sind da-
gegen auch die widerrufliche Angebote betreffenden Fortgeltungsklauseln an
§ 308 Nr. 1 BGB zu messen. Unterschiedlich sind jedoch die Meinungen dazu,
ob und unter welchen Voraussetzungen solche Klauseln einer Prüfung an die-
ser Vorschrift standhalten.
(1) Nach einer Ansicht sollen Fortgeltungsklauseln für widerrufliche An-
gebote dann mit § 308 Nr. 1 BGB vereinbar sein, wenn ein Endzeitpunkt für das
Erlöschen des Angebots bestimmt ist und dem Anbietenden der Widerruf er-
leichtert wird. Bis zu welchem Zeitpunkt das Angebot nach seiner Abgabe an-
nahmefähig gehalten werden kann und ob und welche Erleichterungen für den
Widerruf durch den anderen Teil nötig sind (Hertel, Würzburger Notarhandbuch,
3. Aufl., Teil 2 Kap. 3 Rn. 33; ders. in Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf,
10. Aufl., Rn. 1285; Herrler/Suttmann, DNotZ 2010, 883, 891; Herrler, notar
2013, 71, 85; DNotI-Gutachten, DNotI-Report 2010, 181, 184; Krauß, Immobili-
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enkaufverträge in der Praxis, 6. Aufl., Rn. 2955; Müller/Klühs, RNotZ 2013, 81,
89), wird jedoch unterschiedlich beurteilt.
(2) Dem steht die Auffassung gegenüber, dass jede vorformulierte Er-
klärung des Antragenden, mit der sich der Verwender die Annahme auch noch
nach Ablauf der Bindungsfrist für das Angebot vorbehalte, die Dispositionsfrei-
heit des andern Teils ohne hinreichenden sachlichen Grund einschränke und
daher gegen § 308 Nr. 1 BGB verstoße. Die Widerrufsmöglichkeit ändere daran
nichts, da sie ein aktives Tätigwerden des Anbietenden voraussetze und den
Kunden überdies - angesichts der Bestimmung in § 152 Satz 1 BGB - nicht da-
vor schütze, dass sein Widerruf eventuell zu spät komme (OLG Celle, Urteil
vom 5. Oktober 2012 - 3 U 42/21, aaO; Thode, ZNotP 2005, 162, 165).
cc) Diese Rechtsfrage ist dahin zu entscheiden, dass in Allgemeinen Ge-
schäftsbedingungen vorformulierte Antragserklärungen, nach denen das Ange-
bot des anderen Teils unbefristet fortbesteht und von dem Verwender jederzeit
angenommen werden kann, auch dann mit § 308 Nr. 1 BGB unvereinbar sind,
wenn das Angebot nicht bindend, sondern widerruflich ist.
(1) Die Vorschrift ist einschlägig. Sie ist auf alle vorformulierten Erklärun-
gen über die Fortgeltung von Vertragsangeboten anzuwenden, mit denen sich
der Verwender über den in § 147 Abs. 2 BGB bestimmten Zeitpunkt hinaus die
Annahme vorbehält (vgl. NK-BGB/Kollmann, 2. Aufl., § 308 Rn. 2). Dies gilt
auch dann, wenn ein Angebot nicht (mehr) bindend, sondern widerruflich ist.
Die hier zu beurteilende Fortgeltungsklausel wird zwar von dem Wortlaut
der Vorschrift nicht unmittelbar erfasst, weil sie keine Frist für die Annahme des
Angebots nach § 148 BGB bestimmt, sondern dem Verwender eine zeitlich un-
begrenzte Möglichkeit zur Annahme des Angebots eröffnet. Ihre Anwendung ist
aber nach dem mit der Norm verfolgten Zweck geboten, den Anbieter vor den
Nachteilen übermäßig lang andauernder Schwebezustände zu schützen
(BeckOK BGB/Becker, 26. Edition, § 308 Rn. 2; Erman/Roloff, BGB, 13. Aufl.,
§ 308 Rn. 1; Walchshöfer, WM 1986, 1041, 1042). Danach ist § 308 Nr. 1 BGB
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erst recht auf Klauseln anzuwenden, die keine Frist für die Annahme durch den
Verwender bestimmen, sondern diesem eine zeitlich unbeschränkte Annahme
auch noch Monate oder Jahre nach der Abgabe der Angebotserklärung ermög-
lichen. Der mit der Vorschrift beabsichtigte Schutz des anderen Teils könnte
andernfalls leicht dadurch umgangen werden, dass nach der von dem Verwen-
der vorformulierten Erklärung der andere Teil nicht ein lang befristetes, sondern
ein unbefristet annehmbares Angebot abgibt.
(2) Die hier verwendete Fortgeltungsklausel ist danach schon wegen des
unbegrenzten Zeitraums, in dem der Verwender das Angebot noch annehmen
kann, ungeachtet der Widerrufsmöglichkeit für den anderen Teil, nach § 308
Nr. 1 BGB unwirksam. Die richterliche Prüfung, ob die für die Annahme vorbe-
haltene Zeit angemessen ist, erfordert allerdings eine wertende Betrachtung der
Interessen beider Vertragsteile unter Berücksichtigung der für den Vertragsge-
genstand typischen Umstände (vgl. BGH, Urteile vom 6. März 1986 - III ZR
234/84, NJW 1986, 1807, 1808 und vom 24. März 1988 - III ZR 21/87, NJW
1988, 2106, 2107). Diese fällt hier jedoch eindeutig zu Ungunsten einer unbe-
fristeten Fortgeltungsklausel aus.
(a) Ausgangspunkt für die Prüfung der Angemessenheit nach § 308 Nr. 1
BGB ist der in § 147 Abs. 2 BGB bezeichnete Zeitraum, in der ein Antragender
üblicherweise die Entscheidung des Angebotsempfängers über sein Angebot
erwarten darf (Walchshöfer, WM 1986, 1041, 1043). Ist die Zeit für die Ent-
scheidung des Verwenders über die Annahme wesentlich länger, so ist die
Klausel nur dann wirksam, wenn der Verwender daran ein schutzwürdiges Inte-
resse hat, hinter dem das Interesse des Kunden an dem Wegfall seiner Bin-
dung zurückstehen muss (BGH, Urteile vom 6. März 1986 - III ZR 234/84, aaO;
vom 13. Dezember 1989 - VIII ZR 94/89, BGHZ 109, 359, 361; vom 13. Sep-
tember 2000 - VIII ZR 34/00, BGHZ 145, 139, 143). Eine Klausel, nach der das
Angebot des anderen Teils auch nach dem Ablauf einer für die Entscheidung
des Verwenders über die Annahme oder Ablehnung des Angebots angemesse-
nen Frist nicht erlischt, sondern stets annahmefähig bleibt, bestimmt das Ge-
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genteil von dem, was sich nach § 147 Abs. 2, § 146 BGB ergäbe. Die gesetzli-
che Regelung, die im Interesse des Verkehrs auf zügige Entscheidungen zur
raschen und glatten Abwicklung der Geschäfte angelegt ist (vgl. Motive I,
S. 166 = Mugdan, Materialien, Bd. I, S. 443; Flume, Allgemeiner Teil des Bür-
gerlichen Rechts, Zweiter Band, 3. Aufl., S. 640), verlangt von dem Angebots-
empfänger, sich kurzfristig zu entscheiden, wenn er das Angebot des anderen
Teils annehmen will.
(b) An der Unangemessenheit der Fortgeltungsklausel ändert es - anders
als es das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf Äußerungen im Schrifttum
(Herrler/Suttman, DNotZ 200, 883, 892; Müller/Klühs, RNotZ 2013, 81, 89)
meint - nichts, dass dem Bürgerlichen Gesetzbuch unbefristete Schwebezu-
stände nicht fremd sind. Maßstab für die Prüfung der Angemessenheit einer
das Angebot betreffenden Fortsetzungsklausel sind allein die Vorschriften über
den Vertragsschluss in §§ 145 ff. BGB. Dass § 177 BGB keine Frist für die Ge-
nehmigung eines von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgeschlossenen
Vertrags bestimmt, ist für die Prüfung der Fortgeltungsklausel dagegen irrele-
vant, weil der Anbietende nicht als Vertreter ohne Vertretungsmacht (auch) im
Namen des Vertragspartners bereits den Vertrag abgeschlossen, sondern le-
diglich ein Angebot abgegeben hat und daher von dem Angebotsempfänger
dessen baldige Annahme erwarten darf, wenn dieser mit ihm kontrahieren will.
(c) Vor diesem Hintergrund vermag schließlich auch die dem anderen
Teil eingeräumte Möglichkeit zum Angebotswiderruf einer zeitlich unbefristeten
Fortgeltungsklausel nicht zur Wirksamkeit zu verhelfen. Richtig ist allerdings,
dass der andere Teil dadurch nicht in gleicher Weise wie bei einem nach § 145
BGB bindenden Angebot in seiner Dispositionsfreiheit beschränkt ist, weil er
sich durch einen Widerruf von seinem Angebot lösen kann, sofern dieser dem
Angebotsempfänger noch rechtzeitig (vor der Beurkundung einer Annahmeer-
klärung nach § 152 Satz 1 BGB) zugeht. Damit werden aber die mit einer unbe-
fristeten Fortgeltungsklausel für den Antragenden verbundenen Nachteile nicht
annähernd ausgeglichen. Diese bestehen einmal darin, dass der Antragende
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möglicherweise auch sehr lange Zeit nach der Abgabe seines Angebots noch
nicht weiß, ob der von ihm gewünschte Vertrag zustande kommt oder nicht.
Nachteilig für ihn ist es zudem, dass der Vertrag auch noch nach Monaten oder
Jahren, also in einem Zeitpunkt, in dem der Antragende (selbst wenn er sein
Angebot nicht widerrufen hat) das lange Schweigen des Angebotsempfängers
auf sein Angebot regelmäßig als dessen Nichtannahme verstehen muss, noch
mit der Annahmeerklärung des Verwenders überrascht werden kann, die den
(von dem Antragenden möglicherweise inzwischen nicht mehr gewünschten)
Vertrag noch zustande bringt.
(d) Der ersatzlose Wegfall der unwirksamen Fortgeltungsklausel führt
schließlich auch nicht zu einer Lücke, die im Wege der ergänzenden Vertrags-
auslegung durch eine Bestimmung über eine zeitlich befristete Fortgeltung des
Angebots zu ersetzen wäre. So etwas ist zwar trotz des Verbots der geltungs-
erhaltenden Reduktion unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen (vgl.
BGH, Urteile vom 24. September 1985 - VI ZR 4/84, BGHZ 96, 18, 25; vom
3. November 1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 119; vom 13. September
2000 - VIII ZR 34/00, BGHZ 145, 139, 144 jeweils mwN) nicht ausgeschlossen
(vgl. BGH, Urteile vom 1. Februar 1984 - VIII ZR 54/83, BGHZ 90, 69, 75; vom
13. November 1997 - IX ZR 289/96, BGHZ 137, 153, 157; vom 2. November
1999 - VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 120). Dafür fehlt es hier aber an den
Voraussetzungen, da das dispositive Gesetzesrecht eine Regelung für den
Konflikt des Interesses des Antragenden an der Wiedererlangung der Dispositi-
onsfreiheit und des Empfängers an einer hinreichenden Zeit für seine Entschei-
dung bereitstellt (vgl. Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010,
2873, 2874 Rn. 10), so dass die ersatzlose Streichung der unwirksamen Klau-
sel keine den typischen Interessen der Vertragsparteien unangemessene Rege-
lung zur Folge hat.
(e) Da die Fortgeltungsklausel nach dem Vorstehenden nicht um eine
Befristung ergänzt werden kann, bedarf es hier keiner Entscheidung, ob eine
solche Klausel einer Inhaltskontrolle standhält. Bedenken gegen ihre Wirksam-
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keit könnten sich ungeachtet der Dauer der Befristung daraus ergeben, dass
abweichend von der gesetzlichen Regelung über die verspätete Annahme
(§ 150 Abs. 1 BGB) nicht der andere Teil als Erstanbietender, sondern stets der
Verwender das „letzte Wort“ über das Zustandekommen des Vertrags hat,
selbst wenn er den Anbietenden eine unverhältnismäßig lange Zeit über seine
Entscheidung zur Annahme des Angebots im Unklaren gelassen hat (§ 307
Abs. 2 Nr. 1 BGB).
c) Der Vertragsschluss wäre danach gescheitert, weil die Beklagte we-
gen der Unwirksamkeit der Fortsetzungsklausel das mit dem Ablauf der Bin-
dungsfrist erloschene Angebot der Klägerin nicht mehr annehmen konnte. An-
haltspunkte für eine Annahme der nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot
geltenden verspäteten Annahmeerklärung der Beklagten durch die Klägerin
sind nicht ersichtlich. Der Senat hat bereits ausgeführt, dass eine Annahme der
nach § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot geltenden verspäteten Annahmeer-
klärung durch Schweigen bei den beurkundungsbedürftigen Grundstücksge-
schäften nicht in Betracht kommt (Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW
2010, 2873, 2874 f. Rn. 16) und dass die von dem anderen Teil zur Erfüllung
vorgenommenen Handlungen (insbesondere die Kaufpreiszahlung) grundsätz-
lich nicht als schlüssige Annahmeerklärung auszulegen sind (aaO, Rn. 14, 15).
Soweit dagegen vorgebracht wird, dass das Schweigen des Erstanbietenden
auch in diesen Fällen als konkludente Annahme verstanden werden müsse
(Kanzleiter, MittBayNot 2011, 52, 53 und in 2012, 464, 465), kann dem nicht
beigetreten werden. Schweigen auf das in einer verspäteten Annahme liegende
Angebot kann im Allgemeinen deshalb als Annahme verstanden werden, weil
derjenige, der ein Angebot verspätet annimmt, nach Treu und Glauben und
nach der Verkehrssitte eine Erklärung des Erstanbieters erwarten darf (RGZ
103, 11, 13). An dieser Grundlage für eine Würdigung des Schweigens des
Erstanbietenden auf die als neues Angebot geltende verspätete Annahmeerklä-
rung fehlt es jedoch, wenn der Erstanbietende, weil er von der Unwirksamkeit
der Fortgeltungsklausel nichts weiß, davon ausgeht, dass der Vertrag bereits
mit der Annahme seines Angebots durch den Verwender zustande gekommen
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und daher von seiner Seite hierzu auch nichts mehr zu erklären ist (Lindacher,
JR 1986, 459, 463; Herrler, notar 2013, 71, 73). Zudem entspricht es dem
Schutzzweck der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, denjenigen vor einer ver-
traglichen Bindung zu schützen, der von der Wirksamkeit der Klausel ausgeht,
nach der der Vertrag bereits mit der Annahmeerklärung des Verwenders zu-
stande kommt (vgl. Lindacher, aaO).
III.
Die Sache ist jedoch nicht entscheidungsreif, weil nicht feststeht, dass
die Angebotserklärung der Klägerin der AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unter-
liegt. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
1. Die Ausführungen im Berufungsurteil zu § 310 Abs. 3 BGB sind
lücken- und rechtsfehlerhaft.
a) Das Berufungsgericht zitiert die in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB bestimmte
Rechtsfolge, prüft aber nicht die Voraussetzungen der Norm. Bei einem Ver-
brauchervertrag unterliegen zwar auch die nur zur einmaligen Verwendung be-
stimmten vorformulierten Vertragsbedingungen der AGB-rechtlichen Inhaltskon-
trolle, soweit der Verbraucher wegen der Vorformulierung auf ihren Inhalt kei-
nen Einfluss nehmen konnte. Letzteres ergibt sich aber nicht schon daraus,
dass die Klägerin eine Verbraucherin ist. Der Verbraucher muss vielmehr darle-
gen und beweisen, dass er auf Grund der Vorformulierung auf den Inhalt der
Klausel (hier zur Geltungsdauer des Angebots) keinen Einfluss nehmen konnte
(BGH, Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 126/06, BGHZ 176, 140, 145).
b) Dasselbe gilt in Bezug auf die Ausführungen des Berufungsgerichts
zur Vorschrift des § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB, wonach Allgemeine Geschäftsbe-
dingungen als von dem Unternehmer gestellt gelten. Danach werden zwar in
Verbraucherverträgen alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Ver-
tragsbedingungen - unter Verzicht auf die in § 305 Abs. 1 BGB bestimmte Vo-
raussetzung des Stellens durch den Verwender - dem Unternehmer zugerech-
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net (BGH, Urteil vom 10. März 1999 - VIII ZR 204/98, BGHZ 141, 108, 113; Ur-
teil vom 15. April 2008 - X ZR 126/06, BGHZ 176, 140, 142). Es muss sich aber
um vorformulierte Vertragsbedingungen im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB
handeln. Feststellungen dazu, dass es sich bei dem Kaufvertragsangebot mit
der Fortgeltungsklausel um eine solche Vertragsbedingung handelt, wofür der
Verbraucher die Beweislast trägt (BGH, Urteil vom 15. April 2008 - X ZR
126/06, BGHZ 176, 140, 143), fehlen in dem Berufungsurteil ebenfalls.
2. Die notwendigen Feststellungen werden - nach etwaigen Ergänzungen
des Vorbringens der Parteien zu dem Zustandekommen der Angebotserklä-
rung - von dem Berufungsgericht nachzuholen sein.
Stresemann
Czub
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 29.04.2011 - 4 O 3786/10 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 06.12.2011 - 14 U 776/11 -
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