Urteil des BGH vom 13.10.2000

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 430/99
Verkündet am:
13. Oktober 2000
K a n i k ,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
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BGB § 459 Abs. 1 Satz 1
Die Tatsache, daß eine im Gewerbegebiet gelegene Eigentumswohnung nur von
einem bestimmten Personenkreis benutzt werden darf, kann einen Sachmangel be-
gründen.
BGH, Urt. v. 13. Oktober 2000 - V ZR 430/99 - OLG Koblenz
LG Mainz
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Wenzel und die
Richter Dr. Lambert-Lang, Tropf, Schneider und Dr. Klein
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Koblenz vom 22. Oktober 1999 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notariellem Vertrag vom 14. Oktober 1994 kaufte die Klägerin von
dem Beklagten den Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden mit
dem Sondereigentum an einer Wohnung zum Preis von 350.000 DM unter
Ausschluß der Gewährleistung für Größe, Güte und Beschaffenheit des Grund-
stücks. Das Grundstück liegt im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebau-
ungsplanes, der es als Gewerbegebiet ausweist. Das Objekt, in dem sich die
verkaufte Eigentumswohnung befindet, war mit Bescheid der Kreisverwaltung
vom 31. Oktober 1990 als gewerblich genutztes Gebäude mit einer Druckerei
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im Erdgeschoß und zwei darüber liegenden, betriebsbezogenen Wohnungen
baurechtlich genehmigt worden.
Die Klägerin bezog die Wohnung. Mit Bescheid der Kreisverwaltung vom
4. November 1996 wurde ihr gemäß § 78 LBO/Rheinland-Pfalz i.V.m. § 8
Abs. 3 BauNVO die Nutzung der Wohnung zu eigenen Wohnzwecken unter-
sagt, weil sie keine betriebsbezogene Tätigkeit ausübe und deshalb nicht zu
dem Personenkreis zähle, der ausnahmsweise eine solche Wohnung selbst
nutzen dürfe. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid und der Antrag auf
Zulassung der Berufung blieben ohne Erfolg.
Nach vergeblicher Aufforderung, das Eigentum an der Wohnung frei von
diesen baurechtlichen Beschränkungen zu übertragen, hat die Klägerin Klage
erhoben, mit der sie vom Beklagten die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe
von 350.000 DM Zug um Zug gegen Rückübereignung der Wohnung verlangt
und die Feststellung des Annahmeverzugs des Beklagten begehrt. Das Land-
gericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das
Oberlandesgericht dem Zahlungsantrag - unter Abzug einer Nutzungsentschä-
digung von 36.000 DM und Klageabweisung insoweit - in Höhe von
314.000 DM sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben.
Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, er-
strebt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht sieht in dem baurechtlichen Verbot der Eigennut-
zung der Wohnung durch die Klägerin einen Rechtsmangel im Sinne von § 434
BGB. Die Klägerin könne deshalb vom Beklagten nach §§ 434, 440, 326, 346
BGB die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen, denn der Verkäufer
habe den verkauften Gegenstand frei von Rechten Dritter zu verschaffen. Der
in dem Kaufvertrag vereinbarte Gewährleistungsausschluß stehe dem nicht
entgegen, weil er nur die Haftung für Sachmängel nicht aber für Rechtsmängel
betreffe.
II.
Dagegen wendet sich die Revision mit Recht.
1. Ein Rechtsmangel nach § 434 BGB kann sich zwar nicht nur aus dem
privaten Recht eines Dritten, sondern auch aus dessen Bindung kraft öffentli-
chen Rechtes ergeben (Senatsurt. v. 27. April 1979, V ZR 204/77, NJW 1979,
949). So hat der Senat, worauf das Berufungsgericht abhebt, die bestehende
Sozialbindung einer Wohnung nach dem Wohnungsbindungsgesetz stets als
Rechtsmangel gewertet (BGHZ 67, 134; zuletzt noch Urt. v. 21. Januar 2000,
V ZR 387/98, NJW 2000, 1276). Zu Recht verweist die Revisionserwiderung
auch darauf, daß die Klägerin hier, wie in den Fällen der Wohnungsbindung, in
ihren rechtlichen Befugnissen eingeschränkt ist und zwar sowohl, was die
Eigennutzung, als auch was die Fremdnutzung angeht.
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2. Das Berufungsgericht hat jedoch verkannt, daß nach der ständigen
Rechtsprechung des Senats für die Unterscheidung, ob ein Rechts- oder ein
Sachmangel im Sinne des § 459 BGB vorliegt, die Frage ausschlaggebend ist,
ob der zu beurteilende Mangel aus der Beschaffenheit der Sache erwächst und
damit einen Sachmangel darstellt (vgl. insbes. Senatsurt. v. 27. April 1979,
aaO und BGHZ 67, 134 ff). Öffentlich-rechtliche Beschränkungen, die auf bau-
ordnungs- oder planungsrechtlichen Bestimmungen beruhen, hat der Senat
deshalb im Anschluß an das Reichsgericht in seinen späteren Entscheidungen
(z.B. RGZ 131, 343, 348; 137, 294, 295) als Sachmängel angesehen, für die
der Verkäufer nur unter den Voraussetzungen der §§ 459 ff BGB haftet (BGHZ
96, 385, 387 m.N.). Denn der Sachmangel im Sinne des § 459 BGB ist nicht
auf solche Fehler beschränkt, die der Sache selbst in ihrer natürlichen Be-
schaffenheit anhaften. Vielmehr kann er auch in Eigentümlichkeiten bestehen,
die in der Beziehung der Sache zur Umwelt begründet sind, wenn sie nach der
Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache bedeut-
sam sind (Senat, BGHZ 34, 32, 41 m.N.; BGHZ 67, 134 ff; Urt. v. 27. April
1979, V ZR 204/77, WM 1979, 949; v. 19. November 1999, V ZR 321/98, NJW
2000, 803). Diese Beziehungen können tatsächlicher, wirtschaftlicher oder
rechtlicher Natur sein; sie müssen nur in der Beschaffenheit der Sache selbst
ihren Grund haben (BGZ 67, 134, 136). Dies ist für öffentlich-rechtliche Baube-
schränkungen, sofern sie ihre Grundlage in bauordnungs- und planungsrechtli-
chen Vorschriften haben, regelmäßig der Fall (vgl. Senatsurt. v. 27. April 1979,
aaO, m.w.N. S. 950); denn in diesen Fällen knüpft die Beschränkung, der die
Nutzung der Immobilie unterliegt, regelmäßig an die Lage der Sache, also an
ihre Beziehung zur Umwelt, an.
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3. Dementsprechend hat der Senat auch in Fällen der nahezu oder gar
vollständigen Unbenutzbarkeit des Kaufobjektes zu dem vertraglich vorausge-
setzten Gebrauch einen Sachmangel bejaht, so z.B. bei Versagung der Bauge-
nehmigung aus bauplanungsrechtlichen Gründen (Urt. v. 22. Juli 1979,
V ZR 25/77, NJW 1979, 2200, 2201 m.N.; Urt. v. 17. März 1989, V ZR 245/87,
NJW 1989, 2388), bei der fehlenden öffentlich-rechtlichen Bebaubarkeit wegen
unwirksamen Bebauungsplanes (Urt. v. 17. März 1989, V ZR 245/87, NJW
1989, 2388), bei der Unbenutzbarkeit einer Jagdhütte als Wochenendhaus
(BGH, Urt. v. 6. Juni 1986, V ZR 67/85, NJW 1986, 2824) oder bei einem un-
genehmigten Wochenendhaus (Urt. v. 7. Dezember 1984, V ZR 141/83, WM
1985, 230, 231). Dem liegt die Überlegung zugrunde, daß der Käufer jedenfalls
Grundstück und Eigentum dauerhaft erhält, es nur nicht vertragsgemäß nutzen
kann (vgl. Hagen, WM 1986, Beilage 6, S. 2; Hagen/Brambring, Der Grund-
stückskauf, RWS Skript, 7. Aufl. S. 177 Rdn. 329). Danach ist auch hier die
eingeschränkte Benutzbarkeit der übereigneten Wohnung zu dem vertraglich
vorausgesetzten Gebrauch als Sachmangel zu werten.
4. Angesichts des im notariellen Vertrag enthaltenen Gewährleistungs-
ausschlusses könnten der Klägerin auf dem Sachmangel beruhende Ansprü-
che gegen den Beklagten nur zustehen, wenn die Vereinbarung über den Ge-
währleistungsausschluß den hier vorliegenden Fehler nicht erfaßt. Insoweit
fehlt es jedoch an Tatsachenvortrag, aus dem sich ergeben könnte, die Ver-
tragspartner hätten übereinstimmend den vorliegenden Fehler von dem, sei-
nem Wortlaut nach umfassenden, Gewährleistungsausschluß ausnehmen
wollen. Gleiches gilt für die Frage, ob hier die Grundsätze anwendbar wären,
die der VII. Zivilsenat in seinem Urteil vom 5. April 1984 (VII ZR 21/83, NJW
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1984, 2094) zum Ausschluß der Gewährleistung für Sachmängel beim Erwerb
neu errichteter oder noch zu errichtender Eigentumswohnungen aufgestellt hat.
5. Das Berufungsurteil kann danach mit der gegebenen Begründung
nicht bestehenbleiben; es ist aufzuheben. Die Sache ist nicht entscheidungs-
reif.
Die Revisionserwiderung hat in der mündlichen Verhandlung zutreffend
auf Vortrag in der Berufungsinstanz verwiesen, aus dem sich ein arglistiges
Verschweigen des Mangels durch den Beklagten im Sinne des § 476 BGB er-
geben könnte. Das Berufungsgericht hat - aus seiner rechtlichen Sicht vom
Vorliegen eines Rechtsmangels zu Recht - hierzu weder Beweis erhoben noch
die notwendigen Feststellungen getroffen. Dies wird nachzuholen sein. Die Sa-
che ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Wenzel
Lambert-Lang
Tropf
Schneider
Klein