Urteil des BGH vom 10.10.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 40/13
vom
10. Oktober 2013
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO §§ 203, 207, 211 Abs. 3
Die Anordnung einer Nachtragsverteilung ist auch im Anschluss an eine Einstellung
des Insolvenzverfahrens aufgrund des Fehlens einer die Verfahrenskosten decken-
den Masse zulässig.
BGH, Beschluss vom 10. Oktober 2013 - IX ZB 40/13 - LG Kassel
AG Eschwege
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Richter Vill, die Richte-
rin Lohmann, die Richter Dr. Fischer, Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 10. Oktober 2013
beschlossen:
Dem vormaligen Insolvenzverwalter wird Wiedereinsetzung in die
versäumten Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbe-
schwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landge-
richts Kassel vom 22. März 2013 gewährt.
Auf die Rechtsmittel des vormaligen Insolvenzverwalters werden
der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom
22. März 2013 und der Beschluss des Amtsgerichts Eschwege
vom 4. März 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Entscheidung - auch über die Kosten
der Rechtsmittel - an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.
Der Wert des Verfahrens der Rechtsbeschwerde wird auf 3.500
festgesetzt.
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Gründe:
I.
Der weitere Beteiligte war Insolvenzverwalter in dem am 18. Juni 2002
eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, in dem er
am 8. August 2002 Masseunzulänglichkeit anzeigte. Mit Beschluss vom 4. Juli
2006 behielt das Insolvenzgericht auf seinen Antrag sämtliche Rechte, die sich
aus einer titulierten Forderung gegen einen der beiden Geschäftsführer der
Schuldnerin ergeben, einer Nachtragsverteilung vor. Erfasst werden sollten ins-
besondere die Rechte aus aufgrund eines Titels eingetragenen Zwangssiche-
rungshypotheken an verschiedenen Grundstücken des Geschäftsführers. Am
6. Juli 2007 stellte das Insolvenzgericht das Verfahren mangels einer die Kos-
ten des Verfahrens deckenden Masse ein.
Mit Schriftsatz vom 19. Dezember 2012 beantragte der vormalige Insol-
venzverwalter, die Nachtragsverteilung wegen eines Betrages von 3.500
€ an-
zuordnen, der als Gegenleistung für die Erteilung einer Löschungsbewilligung
für die auf dem Grundstück des Geschäftsführers lastende Zwangssicherungs-
hypothek an die frühere Insolvenzmasse gezahlt werden solle. Das Insolvenz-
gericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 4. März 2013 zurückgewiesen. Die
sofortige Beschwerde des vormaligen Insolvenzverwalters ist erfolglos geblie-
ben. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde be-
gehrt der vormalige Insolvenzverwalter die Aufhebung der Entscheidungen der
Vorinstanzen und die Anordnung der Nachtragsverteilung.
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II.
Dem Rechtsbeschwerdeführer ist Wiedereinsetzung in die versäumten
Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu gewähren,
weil er vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch den Senat ohne Ver-
schulden daran gehindert war, diese Fristen einzuhalten, § 233 Abs. 1 ZPO. Die
Wiedereinsetzungsfristen nach § 234 ZPO sind gewahrt.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statt-
haft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist begründet und führt zur Aufhebung
der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das
Insolvenzgericht.
1. Bedenken gegen die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde ergeben
sich nicht. Das Beschwerdegericht hat diese in den Gründen seines Beschlus-
ses zumindest konkludent zugelassen. Zwar ergibt sich die Zulassung der
Rechtsbeschwerde nicht aus dem Tenor der angefochtenen Entscheidung. Die
Zulassung gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO kann aber auch in den Grün-
den erfolgen (BGH, Beschluss vom 29. April 2013 - VII ZB 54/11, WM 2013,
1078 Rn. 8 mwN; MünchKomm-ZPO/Lipp, 4. Aufl., § 574 Rn. 11; Zöller/Heßler,
ZPO, 30. Aufl., § 574 Rn. 14). Dies ist hier durch den Satz: "Die Zulassung der
Rechtsbeschwerde beruht auf § 4 InsO, § 574 ZPO." am Schluss der Gründe
geschehen. Das Beschwerdegericht hat es im Blick auf diesen Satz nicht für
erforderlich gehalten, den vom Beschwerdeführer beantragten Berichtigungs-
beschluss, der aufgrund des letzten Satzes der Gründe, in dem das Beschwer-
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degericht zu erkennen gegeben hat, dass es die Rechtsbeschwerde zulassen
wollte, zulässig gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 29. April 2013, aaO
Rn. 10 mwN), zu erlassen. Eines entsprechenden Berichtigungsbeschlusses
bedurfte es wegen des eindeutig aus dem letzten Satz der Gründe zu entneh-
menden Willens des Beschwerdegerichts, die Rechtsbeschwerde zuzulassen,
aber auch nicht.
2. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, § 211 Abs. 3 InsO eröffne die
Möglichkeit einer Nachtragsverteilung nur in solchen Verfahren, in denen es zu
einer Einstellung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit gemäß § 211 Abs. 1,
§ 208 InsO gekommen sei; der Fall der Einstellung des Verfahrens nach § 207
InsO werde von der Vorschrift nicht erfasst. Die bei fehlender Kostendeckung
eingetretene Situation sei mit der Einstellung nach Anzeige der Masseunzu-
länglichkeit nicht vergleichbar, weil der Verwalter zur Verwertung von Massege-
genständen nicht mehr verpflichtet sei. Diese fielen vielmehr zurück in den Ver-
fügungsbereich des Schuldners. Damit werde in Kauf genommen, dass dieser
Teile der Insolvenzmasse unverwertet zurück erhalte. § 207 InsO komme ledig-
lich die Funktion zu, ein Verfahren, dessen Eröffnung schon nach § 26 InsO
hätte abgelehnt werden müssen, nachträglich einzustellen, weil die Prognose
hinsichtlich der voraussichtlichen Kostendeckung unzutreffend gewesen sei.
Soweit in einem derartigen Verfahren bezüglich bestimmter Gegenstände ein
Vorbehalt hinsichtlich der Anordnung einer Nachtragsverteilung gemacht wor-
den sei, komme dem keine Bedeutung zu. Die Begründung neuer Rechte sei
mit einem derartigen Vorbehalt nicht verbunden.
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
Eine Nachtragsverteilung entsprechend § 211 Abs. 3, §§ 203 ff InsO kann auch
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im Anschluss an eine Verfahrenseinstellung nach § 207 InsO angeordnet wer-
den.
a) Gemäß § 211 Abs. 3 Satz 1 InsO ordnet das Insolvenzgericht im Fall
der Einstellung des Verfahrens auf Antrag des Insolvenzverwalters, eines Mas-
segläubigers oder von Amts wegen eine Nachtragsverteilung an, sofern nach
der Einstellung des Verfahrens Gegenstände der Insolvenzmasse ermittelt wer-
den. Für das Verfahren der Nachtragsverteilung gelten gemäß § 211 Abs. 3
Satz 2 InsO § 203 Abs. 3 und die §§ 204, 205 InsO entsprechend. Wegen des
Regelungszusammenhangs gilt die Bestimmung für Fälle nach Anzeige der
Masseunzulänglichkeit. Nach ständiger Rechtsprechung erfasst § 211 Abs. 3
InsO auch Gegenstände, die der Verwalter zunächst nicht für verwertbar gehal-
ten und deswegen nicht zur Masse gezogen hat (BGH, Beschluss vom
1. Dezember 2005 - IX ZB 17/04, ZInsO 2006, 33 f; vom 21. September 2006
- IX ZB 287/05, ZInsO 2006, 1105 Rn. 9). Zwar beschränkt § 211 Abs. 3 Satz 1
InsO die Anwendung der Vorschriften über die Nachtragsverteilung seinem
Wortlaut nach auf Gegenstände, die erst nach Einstellung des Verfahrens er-
mittelt werden. Dieser Wortlaut wird aber nach einhellig vertretener Auffassung
als zu eng angesehen. § 211 Abs. 3 Satz 1 InsO soll auch auf nach Verfah-
renseinstellung zurückfließende oder im Hinblick auf einen anhängigen Rechts-
streit zunächst zurückbehaltene Beträge anwendbar sein, so dass die Vorschrift
als Verweisung auf sämtliche Fälle des § 203 Abs. 1 InsO verstanden wird (FK-
InsO/Kießner, 7. Aufl. § 211 Rn. 24; Henning in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier,
InsO, § 211 Rn. 14; Hess, InsO, 2. Aufl., § 212 Rn. 15; HK-InsO/Landferman,
6. Aufl., § 211 Rn. 8; HmbKomm-InsO/Weitzmann, 4. Aufl., § 211 Rn. 5; Jae-
ger/Windel, InsO, § 211 Rn. 17; Schmidt/Jungmann, InsO, 18. Aufl., § 211
Rn. 19;
MünchKomm-InsO/Hefermehl,
2. Aufl.,
§ 211
Rn. 20;
Ner-
lich/Römermann/Westphal, InsO, 2012, § 211 Rn. 15; Pape in Küb-
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ler/Prütting/Bork, InsO, 2001, § 211 Rn. 5 ff; Uhlenbruck/Ries, InsO, 13. Aufl.,
§ 211 Rn. 12; Bork, ZIP 2009, 2077, 2080; Uhlenbruck, NZI 2001, 408, 409).
Auch wenn § 211 Abs. 3 Satz 1 InsO ausdrücklich nur auf den Fall des § 203
Abs. 1 Nr. 3 InsO verweist, ist auch hinsichtlich der übrigen Fälle eine Nach-
tragsverteilung nach Anzeige der Masseunzulänglichkeit anzuordnen. Das prak-
tische Bedürfnis für die Zulassung entsprechender Nachtragsverteilungen ist in
diesen Fällen ebenso hoch, wie im Fall des nachträglichen Auffindens von
Massegegenständen. Durch Anordnung von Nachtragsverteilungen kann ver-
hindert werden, dass die Anhängigkeit von Prozessen um das Bestehen von
Masseverbindlichkeiten oder von Anfechtungsprozessen die Einstellung des
masseunzulänglichen Verfahrens um Jahre verzögert (HK-InsO/Landfermann,
aaO; Pape, aaO; Uhlenbruck, aaO).
b) Hinsichtlich der Einstellung des Verfahrens wegen fehlender Masse-
kostendeckung gemäß § 207 InsO stellt sich die Situation nicht anders dar.
Auch insoweit besteht im Fall der nachträglichen Ermittlung von Massegegen-
ständen oder des Freiwerdens von Gegenständen der Insolvenzmasse für eine
Verteilung das Bedürfnis, eine Nachtragsverteilung zuzulassen, um die Einlei-
tung und Durchführung eines neuerlichen Insolvenzverfahrens zu vermeiden.
aa) Zwar wird in Teilen der Literatur und der Rechtsprechung die Auffas-
sung vertreten, eine Nachtragsverteilung entsprechend § 211 Abs. 3, § 203
Abs. 1 InsO komme im Fall des § 207 InsO nicht in Betracht, weil der Gesetz-
geber eine entsprechende Anwendung der Vorschrift für den Fall der Masse-
kostenarmut nicht getroffen habe, obwohl ihm das Problem bekannt gewesen
sei. Der Verwalter habe im Fall des § 207 InsO, anders als im Einstellungsver-
fahren nach §§ 208, 211 InsO, nicht mehr die Aufgabe, die Masse zu verwer-
ten, sondern allenfalls noch einzelne Abwicklungsmaßnahmen vorzunehmen
(vgl. LG Marburg, ZInsO 2003, 288, 289; HK-InsO/Landfermann, aaO § 207
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Rn. 25; Jaeger/Windel, aaO § 207 Rn. 114; MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO,
§ 207 Rn. 87; Nerlich/Römermann/Westphal, aaO § 207 Rn. 39; Dinstühler, ZIP
1998, 1697, 1707). Dieser Auffassung ist jedoch nicht zu folgen.
bb) Nach der Begründung zu § 211 Abs. 3 InsO (BT-Drucks. 12/2443,
S. 221 zu § 324) wollte der Gesetzgeber mit der Regelung der Kritik am früher
geltenden Konkursrecht Rechnung tragen, dass nach einer Einstellung mangels
Masse die Verteilung nachträglich ermittelter Masse nicht möglich ist. Er wollte
mithin nicht nur den Fall der nachträglichen Ermittlung von Massegegenständen
nach einer Einstellung gemäß §§ 208, 211 InsO regeln, sondern vielmehr sämt-
liche Fälle, in denen die fehlende Möglichkeit einer Nachtragsverteilung kritisiert
worden ist (vgl. Pape, ZIP 1992, 747, 749 ff; Uhlenbruck, ZIP 1993, 241, 244).
Dies wird letztlich auch von den Stimmen anerkannt, die sich für eine entspre-
chende Anwendung der Fälle des § 203 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO im Anwen-
dungsbereich des § 211 Abs. 3 Satz 1 InsO aussprechen, diese für den Fall des
§ 207 InsO jedoch ablehnen. Wäre § 211 Abs. 3 Satz 1 InsO abschließend zu
verstehen, dürfte die Vorschrift auch auf die Fälle des § 203 Abs. 1 Nr. 1 und 2
InsO nicht entsprechend anzuwenden sein. Wie bereits ausgeführt, soll die
Verweisung des § 211 Abs. 3 Satz 1 InsO aber auch diese Fälle erfassen.
cc) Die Beschränkung der Aufgaben des Insolvenzverwalters im Fall der
Einstellung nach § 207 InsO steht einer entsprechenden Anwendung der Vor-
schriften über die Nachtragsverteilung nicht entgegen. Sowohl im Fall der Ein-
stellung nach §§ 208, 211 InsO als auch im Fall der Einstellung nach § 207
InsO ist Folge des Mangels an liquiden Mitteln, dass nicht sämtliche Massever-
bindlichkeiten befriedigt werden können. Dieser Mangel ist letztlich der Grund
dafür, dass eine Nachtragsverteilung stattfinden muss, mittels derer Gegen-
stände der Insolvenzmasse zur Befriedigung der Gläubiger auch nach Aufhe-
bung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens weiter verwendet werden kön-
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nen. Die Situation der Gläubiger unterscheidet sich insoweit nicht voneinander.
Unabhängig von der Frage, welche Aufgaben der Insolvenzverwalter noch zu
erfüllen hat, besteht weiterhin das Bedürfnis, die Forderungen der Gläubiger zu
befriedigen. Dies kann auch im Anschluss an eine Einstellung nach § 207 InsO
am einfachsten und kostengünstigsten durch die Anordnung einer Nachtrags-
verteilung geschehen. Die Eröffnung eines weiteren Insolvenzverfahrens über
die nachträglich ermittelten oder frei gewordenen Massegegenstände, wie sie
teilweise für angebracht gehalten wird (vgl. Jaeger/Windel, aaO Rn. 117;
MünchKomm-InsO/Hefermehl, aaO), erscheint demgegenüber nicht erforderlich
und wäre mit zusätzlichen Kosten verbunden.
Eine schlüssige Begründung, aus welchen Gründen in dem Fall des
Massemangels, in dem selbst die Kosten des Verfahrens nicht gedeckt sind, im
Nachhinein aufgefundene oder frei gewordene Masse dem Schuldner zufallen
soll, während sie für den Fall, dass wenigstens die Neumassegläubiger des
§ 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Quote erhalten haben, Gegenstand einer Nach-
tragsverteilung werden kann, ist nicht zu erkennen. In beiden Fällen geht es
darum, dass nachträglich Masse aufgefunden oder frei geworden ist, die zur
Befriedigung der Gläubiger eingesetzt werden muss. Die Frage, ob eine
Schlussverteilung der Insolvenzmasse stattgefunden hat, kann nicht entschei-
dend sein. Eine Schlussverteilung erfolgt weder im Fall der Einstellung nach
§§ 208, 211 InsO noch im Fall der Einstellung nach § 207 InsO. Die entspre-
chende Anwendung des § 203 Abs. 1 InsO auf das Verfahren bei Massekos-
tenarmut kann mithin auch nicht von der Frage der Durchführung einer
Schlussverteilung abhängen (Wagner in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO
§ 203 Rn. 15).
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Im Fall der Verfahrenskostenstundung, in dem eine die Verfahrenskosten
deckende Masse zwar nicht vorhanden ist, im Hinblick auf die Stundung eine
Einstellung nach § 207 Abs. 1 Satz 2 InsO aber ausscheidet, käme man zur
Zulässigkeit der Nachtragsverteilung, während diese ohne die Stundung nicht
stattfinden dürfte, obwohl sich die Vermögenslage des Schuldners nicht von der
des Stundungsverfahrens unterscheidet (vgl. Zimmer, KTS 2009, 199, 217).
dd) Zutreffend ist deshalb die Auffassung, nach der auch im Fall der
Massekostenarmut gemäß § 207 InsO eine Nachtragsverteilung anzuordnen
ist, wenn nachträglich Gegenstände ermittelt werden, die in die Insolvenzmasse
fallen oder entsprechende Gegenstände nachträglich frei werden (LG Darm-
stadt, RPfleger 2001, 512 m. Anm. Keller; BK-InsO/Gruber, 2007, § 207 Rn. 52;
FK-InsO/Kießner, aaO § 203 Rn. 32 f; Hess, aaO § 207 Rn. 55; HmbKomm-
InsO/Preß/Henningsmeier, aaO § 203 Rn. 20; Holzer in Kübler/Prütting/Bork,
aaO 2011, § 203 Rn. 29 f; MünchKomm-InsO/Hintzen, aaO § 203 Rn. 29; Pape
in Kübler/Prütting/Bork, aaO § 207 Rn. 39; Smid in Leonhardt/Smid/Zeuner,
InsO, 3. Aufl. § 207 Rn. 18; Uhlenbruck, aaO § 203 Rn. 28; Wagner in
Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, aaO; Kröpelin, Die massearme Insolvenz,
Rn. 16 ff; Kübler in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 3. Aufl., Kap. 18
Rn. 53; Bork, ZIP 2009, 2077, 2080; Zimmer, aaO 216 f).
ee) Würde man die entsprechende Anwendung des § 211 Abs. 3 InsO
auf die Regelung des § 207 InsO nicht zulassen, wären Fallgestaltungen der
hier vorliegenden Art, in denen das Insolvenzgericht während des laufenden
Verfahrens die Nachtragsverteilung hinsichtlich bestimmter Gegenstände dem
Insolvenzverwalter ausdrücklich vorbehalten hat, nur schwer lösbar. In diesen
Fällen, in denen nach ständiger Rechtsprechung der Insolvenzbeschlag bezüg-
lich der betroffenen Gegenstände trotz Aufhebung oder Einstellung des Insol-
venzverfahrens fortdauert (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 1973 - VI ZR
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165/71, NJW 1973, 1198, 1199; vom 10. Februar 1982 - VIII ZR 158/80, BGHZ
83, 102, 103; Beschluss vom 17. Februar 2011 - IX ZB 268/08, ZInsO 2011,
632 Rn. 12; vom 26. Januar 2012 - IX ZB 111/10, NZI 2012, 271 Rn. 16; RGZ
25, 7, 8 f; BFHE 236, 202 Rn. 13), muss für die Verteilung der vorbehaltenen
Gegenstände eine Nachtragsverteilung zur Verfügung stehen. Soweit das Be-
schwerdegericht in diesem Zusammenhang meint, auf den Beschluss des In-
solvenzgerichts vom 4. Juli 2006 komme es nicht an, weil es tatsächlich gar
nicht zu einer Verfahrenseröffnung hätte kommen dürfen, verkennt dies § 207
InsO. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt auch dann bestehen, wenn
es später zu einer Einstellung mangels kostendeckender Masse kommt. Eine
Einstellung nach § 207 Abs. 1 InsO erfolgt auch dann, wenn die fehlende Mas-
sekostendeckung nicht von vornherein ersichtlich war. Diese kann sich erst im
Laufe des Verfahrens herausstellen, ohne dass die Prognose zu Beginn des
Verfahrens, die Kosten des Verfahrens seien gedeckt, fehlerhaft sein muss.
c) Im Streitfall ist nach dem Antrag des vormaligen Insolvenzverwalters
davon auszugehen, dass aufgrund der vorbehaltenen Rechte hinsichtlich der
auf den Grundstücken des Schuldners eingetragenen Zwangssicherungshypo-
theken ein Betrag von 3.500
€ nachträglich frei wird, der zur Verteilung an die
Gläubiger zur Verfügung steht. Hinsichtlich dieses Betrags hätte das Insolvenz-
gericht auf Antrag des insoweit noch befugten vormaligen Verwalters die Nach-
tragsverteilung analog § 211 Abs. 3, § 203 Abs. 1 InsO anordnen müssen.
IV.
Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache zur
erneuten Entscheidung zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Dabei
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macht der Senat von der Möglichkeit Gebrauch, das Verfahren an das Insol-
venzgericht zurückzugeben, damit dieses die für die Durchführung eines Nach-
tragsverteilungsverfahrens erforderlichen Anordnungen treffen kann.
Vill
Lohmann
Fischer
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
AG Eschwege, Entscheidung vom 04.03.2013 - 3 IN 23/99 -
LG Kassel, Entscheidung vom 22.03.2013 - 3 T 141/13 -