Urteil des BGH vom 03.05.2000

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, arbeit, wiedereinsetzung, stand, beschwerde, verpachtung, kapitalvermögen, frist, vermietung, zpo)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 21/00
vom
3. Mai 2000
in der Familiensache
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. Mai 2000 durch den Vor-
sitzenden Richter Dr. Blumenröhr und die Richter Dr. Krohn, Gerber, Sprick
und Weber-Monecke
beschlossen:
I. Dem Antragsgegner wird mit Wirkung ab 17. Februar 2000 für
das Verfahren der sofortigen Beschwerde Prozeßkostenhilfe
- ohne Ratenzahlungspflicht - bewilligt und Rechtsanwalt Jor-
dan beigeordnet.
II. Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Be-
schluß des 16. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin als
Senat für Familiensachen vom 5. Januar 2000 aufgehoben.
Dem Antragsgegner wird gegen die Versäumung der Frist zur
Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts
- Familiengericht - Pankow/Weißensee vom 8. Juli 1999 Wie-
dereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Wert: 31.554 DM.
Gründe:
Zu I.:
Der Antragsgegner ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen
Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten für die Durchführung der sofortigen
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Beschwerde aufzubringen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet auch hin-
reichende Aussicht auf Erfolg (vgl. zu II.).
Zu II.:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, auch des
Senats, ist einer Partei nach der Ablehnung eines innerhalb der Frist für die
Einlegung eines Rechtsmittels angebrachten Prozeßkostenhilfegesuchs Wie-
dereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise
nicht mit einer Verweigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftig-
keit rechnen mußte, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, daß
sie die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Prozeßko-
stenhilfe genügend dargetan habe (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Oktober
1993 - XII ZB 133/93 -, vom 15. November 1989 - IVb ZR 70/89 - und vom 11.
November 1992 - XII ZB 118/92 = BGHR ZPO § 233 Prozeßkostenhilfe 8, 6
und 7, jeweils m.N.). Das hat auch das Kammergericht nicht verkannt.
Entgegen der Auffassung des Kammergerichts waren die dargelegten
Voraussetzungen unter den hier gegebenen besonderen Umständen jedoch
erfüllt. Der Antragsgegner hatte zwar den am letzten Tag der Berufungsfrist,
am (Montag) 30. August 1999, mit dem Prozeßkostenhilfegesuch für die Beru-
fung eingereichten Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Ver-
hältnisse in der Tat nicht "vollständig" ausgefüllt. Denn er hatte in Abschnitt E
bei den "Bruttoeinnahmen" nur die Angabe "Einnahmen aus nichtselbständiger
Arbeit" ausgefüllt, bei den Fragen nach den Einnahmen aus "selbständiger Ar-
beit ... Vermietung und Verpachtung, Kapitalvermögen, Kindergeld, Wohngeld,
andere Einnahmen" jedoch weder das Kästchen "ja" noch das Kästchen "nein"
angekreuzt. Gleichwohl durfte er nach den Umständen davon ausgehen, die
wirtschaftlichen Voraussetzungen für die beantragte Prozeßkostenhilfe genü-
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gend dargetan zu haben. Er hatte nämlich zum selben Verfahren bereits Erklä-
rungen gemäß § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO vom 10. Dezember 1996, vom
15. Januar 1997 und vom 12. Februar 1998 eingereicht, in denen jeweils bei
den Fragen nach den sonstigen Einnahmen alle "nein" Kästchen angekreuzt
waren. Damit hatte er von Ende 1996 bis Anfang 1998 insgesamt dreimal dar-
getan, daß er keine Einnahmen aus selbständiger Arbeit, Vermietung und Ver-
pachtung, Kapitalvermögen, Kindergeld, Wohngeld oder aus sonstigen Quellen
hatte. In Verbindung mit seiner Erklärung in dem Prozeßkostenhilfeantrag vom
30. August 1999, daß sich seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse
seit der im ersten Rechtszug am 1. Juli 1994 vorgelegten Erklärung noch ver-
schlechtert hätten, bestand unter diesen besonderen Umständen kein begrün-
deter Anlaß zu der Annahme, der Antragsgegner könnte inzwischen über wei-
tere Einnahmen verfügen, die bei der Beurteilung seiner wirtschaftlichen Ver-
hältnisse zu berücksichtigen wären.
Soweit das Kammergericht in dem angefochtenen Beschluß zusätzlich
darauf hinweist, daß auch in Abschnitt G des Vordrucks eine Frage, nämlich
die nach vorhandenen Bausparkonten, nicht beantwortet sei, vermag der Senat
aus diesem Umstand keinen Grund für eine Versagung der beantragten Wie-
dereinsetzung in den vorigen Stand zu entnehmen. Der Antragsgegner hatte in
Abschnitt G ersichtlich die Zeilen verwechselt und die Frage nach Bauspar-
konten versehentlich mit Hinweis auf das Konto bei der Berliner Sparkasse
bejaht und die Frage nach einem Kraftfahrzeug verneint, obwohl in der darüber
stehenden Zeile der Pkw Fiat Panda angegeben war. Auch in diesem Punkt
ließen sich letzte Zweifel durch einen Vergleich mit den Erklärungen vom
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10. Dezember 1996, 15. Januar 1997 und vom 12. Februar 1998 dahin beant-
worten, daß die Frage nach dem Bestehen eines Bausparkontos erkennbar
verneint werden sollte.
Blumenröhr Krohn Gerber
Sprick Weber-Monecke