Urteil des BGH vom 03.12.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 336/08 Verkündet
am:
23. September 2009
Ring,
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 551 Abs. 3, § 273; ZVG § 152 Abs. 2
Zum Zurückbehaltungsrecht des Mieters gegenüber dem Zwangsverwalter wegen
einer vom Vermieter nicht gemäß BGB § 551 Abs. 3 angelegten Kaution.
BGH, Urteil vom 23. September 2009 - VIII ZR 336/08 - LG Lüneburg
AG
Lüneburg
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im schriftlichen Verfahren
gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis 3. August 2009 durch den Vor-
sitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterinnen Dr. Milger
und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 6. Zivilkammer
des Landgerichts Lüneburg vom 3. Dezember 2008 wird zurück-
gewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger hat am 19. Januar 2004 eine Wohnung gemietet und an den
Vermieter eine Kaution in Höhe von 480 € entrichtet; eine vom Vermögen des
Vermieters getrennte Anlage der Kaution unterblieb.
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Über das Vermögen des Vermieters wurde im April 2007 das Insolvenz-
verfahren eröffnet. Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Lüne-
burg vom 5. Oktober 2007 zum Zwangsverwalter des u.a. vom Kläger bewohn-
ten Hausgrundstücks bestellt. Der Beklagte hat die Kaution nicht erhalten.
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Der Kläger hat Feststellung seiner Befugnis begehrt, die Miete bis zu ei-
nem Betrag von 480 € nebst Zinsen einzubehalten, bis der Beklagte ihm die
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Anlage der Mietkaution auf einem Treuhandkonto zugunsten des Klägers
nachweist. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landgericht hat
die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zu-
gelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Ziel der Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
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I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-
führt:
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Dem Kläger stehe ein Zurückbehaltungsrecht an der laufenden Miete bis
zur Höhe des Kautionsbetrages nebst Zinsen zu, bis der Beklagte die vom Klä-
ger geleistete Kaution gemäß § 551 Abs. 3 BGB angelegt habe.
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Der Mieter sei bei nicht ordnungsgemäßer Anlage der Kaution zum Ein-
behalt der Miete berechtigt; dies gelte auch gegenüber dem Zwangsverwalter,
der gemäß § 152 ZVG anstelle des Schuldners die Vermieterrechte zu verfol-
gen und dessen Pflichten zu erfüllen habe. Der Verwalter werde im Hinblick auf
die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag wie ein Vermieter behandelt und
trete in sämtliche Pflichten des Vermieters aus dem Mietverhältnis ein. Diese
Einstandspflicht erstrecke sich auch auf die Vermieterpflichten, die sich im Hin-
blick auf die Mietsicherheit aus vertraglichen Abreden oder gesetzlichen Be-
stimmungen ergäben. Hierzu gehöre auch die Pflicht, sich um die getrennte
Anlage der Kaution zu kümmern, selbst wenn der Beklagte sie nicht ausgehän-
digt erhalten habe. Der Mieter werde durch die Zubilligung eines Zurückbehal-
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tungsrechts auch nicht in unzulässiger Form gegenüber den übrigen Gläubigern
der Zwangsverwaltung privilegiert; vielmehr sei die Besserstellung vom Gesetz-
geber gewollt.
II.
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Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist.
1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Entgegen der Auffassung der Re-
vision handelt es sich bei dem vom Kläger geltend gemachten Zurückbehal-
tungsrecht nach § 273 BGB um ein Rechtsverhältnis, dessen Bestehen grund-
sätzlich im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 256 ZPO überprüft werden
kann (RGZ 74, 292, 294 zu § 478 BGB aF; Assmann in: Wieczorek/Schütze,
ZPO, 3. Aufl., § 256 Rdnr. 79; MünchKommZPO/Becker-Eberhard, 3. Aufl.,
§ 256 Rdnr. 15). Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen
Feststellung seines Rechtes, weil es vom Beklagten bestritten wird und ihm
deshalb eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht. Zu Unrecht meint die
Revision, der Kläger müsse sich im Rahmen seines Feststellungsbegehrens
bereits festlegen, gegenüber welchen Mietforderungen er sein Zurückbehal-
tungsrecht geltend machen wolle. Entgegen der Auffassung der Revision ist ein
Rechtsschutzinteresse des Klägers auch nicht wegen der Möglichkeit einer
(Leistungs-)Klage auf Anlage der Kaution zu verneinen. Der Vorrang der Leis-
tungsklage gegenüber der Feststellungsklage wird damit begründet, dass bei
Bestehen des bestrittenen Anspruchs das Rechtsschutzziel der Leistungsklage
- Erlangung eines vollstreckungsfähigen Titels - mit der Feststellungsklage nicht
erreicht werden kann (BGHZ 134, 201, 209). Hier benötigt der Kläger jedoch
keinen vollstreckungsfähigen Titel, weil er den Anspruch auf Anlage der Kaution
im Wege eines Zurückbehaltungsrechts verfolgt.
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2. Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass dem Kläger ein
Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) an der laufenden Miete zusteht, weil er aus
dem Mietverhältnis einen fälligen Gegenanspruch hat. Der Beklagte ist ver-
pflichtet, einen Betrag in Höhe der vom Kläger gezahlten Mietkaution von 480 €
gemäß § 551 Abs. 3 BGB zugunsten des Klägers anzulegen; diese Verpflich-
tung erstreckt sich auch auf die Zinsen, die bei gesetzeskonformer Anlage der
Kaution angefallen wären und die Sicherheit erhöht hätten (§ 551 Abs. 3 Satz 4
BGB).
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Der im Jahr 2004 abgeschlossene Mietvertrag ist gegenüber dem Be-
klagten als Zwangsverwalter wirksam, weil dem Kläger die Wohnung vom Ver-
mieter schon vor der Beschlagnahme des Grundstücks überlassen war. Nach
§ 152 Abs. 2 ZVG hat der Verwalter anstelle des Schuldners dessen Vermieter-
rechte zu verfolgen und dessen Pflichten zu erfüllen, weil der Schuldner dazu
aufgrund der Beschlagnahme und der damit verbundenen Entziehung der Ver-
waltung und Benutzung des Grundstücks nicht mehr in der Lage ist. Der
Zwangsverwalter wird deshalb, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, in
allen Fällen, in denen Rechte und Pflichten aus dem Mietverhältnis berührt sind,
wie ein Vermieter behandelt; dies gilt auch im Hinblick auf die Kautionsverein-
barung und selbst dann, wenn der Verwalter die Kaution vom Vermieter nicht
erhalten hat (Senatsurteile vom 16. Juli 2003 - VIII ZR 11/03, NJW 2003, 3342,
unter II 2; vom 9. März 2005 - VIII ZR 330/03, NZM 2005, 596, unter II 3, sowie
vom 11. März 2009 - VIII ZR 184/08, NZM 2009, 481, Tz. 8 f.).
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Die Pflichten des Zwangsverwalters umfassen auch die den Vermieter
gemäß § 551 Abs. 3 BGB treffende Pflicht, eine vom Mieter geleistete Barkauti-
on getrennt von seinem Vermögen bei einem Kreditinstitut anzulegen (Senats-
urteil vom 11. März 2009, aaO, Tz. 9). Diese Verpflichtung wurde vom Vermie-
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ter bisher nicht erfüllt und trifft deshalb nunmehr den Beklagten als Zwangsver-
walter.
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Entgegen der Auffassung der Revision ist dies nicht - im Hinblick auf die
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Vermieters - des-
wegen anders zu beurteilen, weil dem Mieter gegenüber dem Zwangsverwalter
keine weitergehenden Rechte als gegenüber dem ursprünglichen Vermieter
zustehen könnten. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Mieter, dessen Miet-
verhältnis gemäß § 108 Abs. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbe-
steht, im Rahmen des Insolvenzverfahrens wegen seiner Ansprüche aus der
Kaution nach § 108 Abs. 3, § 87 InsO auf eine einfache Insolvenzforderung
verwiesen ist. Denn vorliegend geht es nicht um die Rechtsstellung des Mieters
in der Insolvenz seines Vermieters, sondern um die Pflichten des Beklagten als
Zwangsverwalter gegenüber einem Mieter, dem die Wohnung schon vor der
Beschlagnahme überlassen war. Der Zwangsverwalter tritt in diesem Fall, wie
ausgeführt, nach § 152 Abs. 2 ZVG in die Rechte und Pflichten des Vermieters
ein und hat deshalb auch die aus der Kaution folgenden Pflichten des Vermie-
ters zu erfüllen. Darauf, dass der Vermieter selbst dazu während des laufenden
Insolvenzverfahrens nicht mehr in der Lage ist, kommt es nicht an. Die Bevor-
zugung des Mieters gegenüber den Gläubigern in der Zwangsverwaltung hin-
sichtlich der Kaution ist wegen des einer Treuhand ähnlichen Verhältnisses ge-
rechtfertigt und vom Gesetzgeber gewollt (Senatsurteil vom 11. März 2009,
aaO, Tz. 9). Sie wird deshalb nicht davon berührt, dass neben der Zwangsver-
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waltung über das Mietobjekt auch ein Insolvenzverfahren über das Vermögen
des Schuldners anhängig ist.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Fetzer
Dr. Bünger
Vorinstanzen:
AG Lüneburg, Entscheidung vom 28.08.2008 - 12 C 55/08 -
LG Lüneburg, Entscheidung vom 03.12.2008 - 6 S 122/08 -