Urteil des BGH vom 24.10.2007

BGH (gesetzliche grundlage, kürzung, eigenkapital, höhe, gewerbesteuer, wettbewerb, ergebnis, unternehmen, verzinsung, vergleich)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
EnVR 79/07
Verkündet am:
3. März 2009
Bott
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
SWU
Netze
EnWG § 21 Abs. 2; GasNEV § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4, § 4 Abs. 5
a) Die Regulierungsbehörde darf im Rahmen der Eigenkapitalverzinsung Um-
laufvermögen des Betreibers eines Energieversorgungsnetzes nur insoweit
in Ansatz bringen, als dieses betriebsnotwendig ist. Der Antragsteller hat die
für die Prüfung der Betriebsnotwendigkeit maßgeblichen Umstände darzule-
gen.
b) Zur Berechnung der Netzkosten bei verpachtetem Netzbetrieb.
BGH, Beschluss vom 3. März 2009 - EnVR 79/07 - OLG Düsseldorf
- 2 -
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3.
März 2009 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof. Dr. Tolksdorf und die Richter Dr. Raum, Prof. Dr. Meier-Beck, Dr. Strohn
und Dr. Grüneberg
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerden der Antragstellerin und der Bun-
desnetzagentur wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des
Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 24. Oktober 2007 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an
das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Streitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf
740.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist eine mittelbare Tochtergesellschaft der Städte Ulm
und Neu-Ulm. Sie hat von einer weiteren Konzerngesellschaft das örtliche Gas-
versorgungsnetz gepachtet.
1
- 3 -
Die Bundesnetzagentur genehmigte mit Beschluss vom 19. Dezember
2006 – unter Zurückweisung des weitergehenden Genehmigungsantrags – für
den Zeitraum ab Zustellung des Beschlusses bis zum 31. März 2008 um etwa
21% niedrigere als von der Antragstellerin beantragte Netzentgelte. Dies be-
gründete sie mit Kürzungen bei den Positionen kalkulatorische Eigenkapitalver-
zinsung, kalkulatorische Abschreibung und kalkulatorische Gewerbesteuer.
2
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
Das Beschwerdegericht hat den Bescheid der Bundesnetzagentur aufgehoben
und diese verpflichtet, den Antrag unter Beachtung seiner Rechtsauffassung
erneut zu bescheiden, weil dieser hinsichtlich der Berechnung der kalkulatori-
schen Eigenkapitalverzinsung und der kalkulatorischen Gewerbesteuer der
Netzbetreiberin sowie hinsichtlich der Kürzung der kalkulatorischen Abschrei-
bungen bei der Anlagengruppe "Rohrleitungen/Hausanschlussleitungen Stahl
kathodisch geschützt" beim Netzeigentümer rechtswidrig sei. Die weitergehen-
de Beschwerde der Antragstellerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen.
Hiergegen richten sich die vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbe-
schwerden der Antragstellerin und der Bundesnetzagentur.
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II.
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin ist nur im Hinblick auf die Hö-
he der angesetzten Fremdkapitalzinsen begründet. Im Übrigen bleiben ihre Be-
anstandungen erfolglos.
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1. Umlaufvermögen
Die Kürzungen des Umlaufvermögens bei der kalkulatorischen Eigenka-
pitalverzinsung begegnen keinen rechtlichen Bedenken.
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a) Das Beschwerdegericht hat diese Kürzungen damit begründet, dass
bei der Ermittlung des betriebsnotwendigen Eigenkapitals gemäß § 7 GasNEV
(in der bis zum 5. November 2007 geltenden Fassung; im Folgenden: a.F.)
zwar grundsätzlich die Bilanzwerte des Umlaufvermögens zu berücksichtigen
seien. Dies schließe aber eine Kürzung des Umlaufvermögens wegen man-
gelnder Wettbewerbskonformität gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG nicht aus.
Die Bundesnetzagentur habe das Umlaufvermögen zulässigerweise unter Zuhil-
fenahme der Kennzahlen der Deutschen Bundesbank über die Ertrags- und
Finanzierungsverhältnisse im Wettbewerb stehender deutscher Unternehmen
auf ein wettbewerbsanaloges Maß zurückgeführt. Danach habe der ermittelte
Durchschnittswert für den Anteil der Forderungen am Umsatz 19,82% betragen,
so dass der von der Bundesnetzagentur unter Hinzurechnung eines Sicher-
heitszuschlags anerkannte Anteil der Forderungen am Umsatz von 25% nicht
zu beanstanden sei. Dies werde auch durch einen Vergleich mit dem nationalen
Netzbetreiber in Großbritannien gestützt, bei dem dieser Anteil 15,1% ausma-
che. Da es sich um eine hypothetische Vergleichsbetrachtung handele, könne
der Bundesnetzagentur keine weitergehende Nachweispflicht auferlegt werden.
Dabei dürfe der Vergleich nicht auf andere Gasverteiler beschränkt werden,
weil diese ebenfalls Monopolisten seien und ein Vergleich von Monopolunter-
nehmen untereinander nicht die fiktive Wettbewerbssituation darstellen könne.
Die Bundesnetzagentur habe insoweit zu Recht auf den Umsatz abgestellt, weil
dieser die Zahlungseingänge abbilde, die der Schaffung von Liquidität zur Fi-
nanzierung des operativen Geschäfts und damit dem Umlaufvermögen dienten.
Demgegenüber habe die Antragstellerin nicht aufgezeigt, dass sich bei funktio-
nierendem Wettbewerb im geltend gemachten Umfang verzinsbare Forderun-
gen eingestellt hätten. Diese Kürzung dürfe auch nicht einem späteren Miss-
brauchsverfahren vorbehalten bleiben (§ 30 EnWG), weil nach § 21 Abs. 2
EnWG der Grundsatz der Kostenorientierung schon im Verfahren über die Ge-
nehmigung der Entgelte zu berücksichtigen sei. Ob die angesetzten Werte
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wettbewerbsanalog seien, könne nicht nur aufgrund eines Vergleichsverfahrens
nach § 21 Abs. 3 und 4 EnWG festgestellt werden.
b) Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.
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aa) Für die Berechnung der kalkulatorischen Eigenkapitalverzinsung
nach § 7 Abs. 1 GasNEV a.F. ist das Umlaufvermögen nicht stets mit seinem
bilanziellen Wert in Ansatz zu bringen. Vielmehr ist eine Überprüfung und gege-
benenfalls Korrektur dieses Wertes nach dem Maßstab der Betriebsnotwendig-
keit vorzunehmen. Berücksichtigungsfähig ist im Rahmen der Eigenkapitalver-
zinsung gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GasNEV a.F. das Umlaufvermögen nur
insoweit, als es betriebsnotwendig ist.
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(1) Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut dieser Vorschrift. Danach
kommt es unter anderem für das Eigenkapital und das Sachanlagevermögen
auf dessen Betriebsnotwendigkeit an. Da auch das Umlaufvermögen Bestand-
teil des Eigenkapitals ist, muss das Merkmal der Betriebsnotwendigkeit auch
hierfür gelten.
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(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gebietet auch die
Entstehungsgeschichte der Gasnetzentgeltverordnung kein anderes Verständ-
nis des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GasNEV a.F. Die Begründung des Regierungs-
entwurfs zu dieser Norm (BR-Drucks. 247/05, S. 29) beschränkt sich auf eine
abstrakte Darstellung des § 7 Abs. 1 und 2 GasNEV a.F. In der Entwurfsfas-
sung des § 7 GasNEV fand sich das Merkmal der Betriebsnotwendigkeit nur in
Satz 1 und im Obersatz des Satzes 2, so dass diese Voraussetzung ohne wei-
teres bei allen Einzelpositionen des Eigenkapitals gelten sollte. Dass der Ver-
ordnungsgeber durch die im weiteren Gesetzgebungsverfahren erfolgte zusätz-
liche Einfügung des Adjektivs "betriebsnotwendig" in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und
2 GasNEV a.F. eine Beschränkung dieser Tatbestandsvoraussetzung auf Altan-
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- 6 -
lagen vornehmen wollte, lässt sich den Materialien nicht entnehmen. Im Gegen-
teil spricht gegen einen solchen Willen des Verordnungsgebers die mit der Ver-
ordnung zum Erlass und zur Änderung von Rechtsvorschriften auf dem Gebiet
der Energieregulierung vom 29. Oktober 2007 (BGBl. I S. 2529) erfolgte Ände-
rung des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und 4 GasNEV a.F., wonach auch vor den
Wörtern "Neuanlagen", "Finanzanlagen" und "Umlaufvermögen" jeweils das
Wort "betriebsnotwendig" eingefügt wurde. Diese nach der Begründung des
Bundesrates "Korrektur eines redaktionellen Versehens" sollte klarstellen, dass
nur Restwerte bzw. Bilanzwerte betriebsnotwendiger Vermögensgegenstände
verzinst werden können (BR-Drucks. 417/07
(Beschluss)
, S. 20).
(3) Schließlich legen auch der Normzweck des § 7 GasNEV und die für
seine Auslegung maßgebliche gesetzliche Grundlage eine Begrenzung der
Verzinsung auf das betriebsnotwendige Umlaufvermögen nahe.
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Die Bemessung der Netzentgelte richtet sich gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1
i.V.m. § 24 EnWG nach den Regelungen der Gasnetzentgeltverordnung. Sie
erfolgt kostenorientiert, soweit die Verordnung nicht selbst Abweichungen vor-
sieht. Damit ist für die Entgeltbestimmung auch § 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG an-
wendbar, der die kostenorientierte Entgeltbildung näher umschreibt.
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Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lässt sich dem im Absatz 2
Satz 1 genannten Verweis auf die Rechtsverordnung nach § 24 EnWG nicht
entnehmen, dass die Regelung des Satzes 2 unberücksichtigt bleiben müsste.
Dies verdeutlicht schon die Regelung des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnWG, die
den Verordnungsgeber verpflichtet, Methoden zur Bestimmung der Entgelte für
die Netzzugänge gemäß §§ 20 bis 23 EnWG festzulegen. Deshalb finden auf
die Entgeltgenehmigung § 21 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EnWG gleichermaßen
Anwendung.
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- 7 -
Im Übrigen bedingen sich beide Sätze und stehen in einem untrennbaren
Zusammenhang. Aus ihnen ergibt sich der Grundsatz der Wettbewerbsanalogie
(vgl. Salje, EnWG § 21 Rdn. 3; Groebel in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG
§ 21 Rdn. 11). Nach § 21 Abs. 2 EnWG ist nämlich in zweifacher Hinsicht eine
Grenze für die Ansatzfähigkeit von wirtschaftlichen Kennziffern des Netzbetrei-
bers zu beachten. Eine Grenze gilt sowohl für die Kostenseite, die nur die Be-
rücksichtigung solcher Kosten oder Kostenbestandteile erlaubt, die sich ihrem
Umfang nach bei (fiktiver) Zugrundelegung wettbewerblicher Bedingungen ein-
stellen würden (§ 21 Abs. 2 Satz 2 EnWG). Das Korrektiv wettbewerbskonfor-
mer Verhältnisse gilt aber auch für die anzusetzenden Vermögenswerte, die die
Grundlage für die Eigenkapitalverzinsung bilden. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1
EnWG ist eine angemessene, wettbewerbsfähige und risikoangepasste Verzin-
sung zu gewährleisten. Dies bezieht sich nicht nur auf die Zinshöhe, sondern
auch auf den Ansatz des – verzinslichen – Eigenkapitals selbst.
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(4) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde werden die "Über-
hänge" des Umlaufvermögens nicht durch die Begrenzung der Eigenkapitalquo-
te auf 40% aufgefangen, die nach § 6 Abs. 2 Satz 4 GasNEV für die kalkulatori-
sche Bestimmung der Netzentgelte maßgeblich ist. Dieser Wert gibt lediglich
an, bis zu welchem Prozentsatz Eigenkapital als Eigenkapital und ab welchem
es als Fremdkapital verzinst wird. Damit trägt der Verordnungsgeber dem Um-
stand Rechnung, dass es nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen nicht sinn-
voll erscheint, wenn Unternehmen langfristig eine höhere Eigenkapitalquote als
40% aufweisen (BGH, Beschl. v. 14.8.2008 - KVR 35/07 Tz. 65 – Stadtwerke
Neustadt an der Weinstraße).
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Der Frage, ob Teile des Eigenkapitals kalkulatorisch als Fremd- oder als
Eigenkapital verzinst werden, ist jedoch die Frage vorgelagert, ob und in wel-
cher Form das Eigenkapital überhaupt in die Verzinsung einbezogen werden
kann.
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(5) Anders als die Antragstellerin meint, sind Kürzungen des Umlaufver-
mögens auf das betriebsnotwendige Maß auch bereits im Entgeltgenehmi-
gungsverfahren zu berücksichtigen. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb eine
solche Prüfung einem späteren Missbrauchsverfahren nach § 30 EnWG vorbe-
halten bleiben soll. Wie bereits dargelegt, stellt die grundlegende Vorschrift des
§ 21 Abs. 2 EnWG für die Entgeltbildung auf ein Unternehmen ab, das in seinen
wirtschaftlichen Grundlagen so zu behandeln ist, als ob es im Wettbewerb
stünde. Dies schließt ein, auch entsprechende Überhänge beim Umlaufvermö-
gen zu kürzen. Eine solche Kürzung des Umlaufvermögens auf das unter Wett-
bewerbsbedingungen zu erwartende Maß dient unmittelbar der Festlegung an-
gemessener Netzentgelte. Darüber hinaus könnte im Missbrauchsverfahren
eine entsprechende Preisbeanstandung nicht mehr erfolgen. Entgelte, die die
Obergrenzen der erteilten Genehmigung nach § 23a EnWG nicht überschreiten,
gelten nämlich gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EnWG als sachlich gerechtfer-
tigt. Dies verdeutlicht, dass die angemessenen Netzentgelte allein im hierfür
vorgesehenen "ex ante"-Genehmigungsverfahren zu bestimmen sind.
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(6) Entgegen der Auffassung der Antragstellerin dürfen Kürzungen des
Umlaufvermögens nicht nur auf der Grundlage eines in § 21 Abs. 3 und 4
EnWG vorgesehenen Vergleichsverfahrens erfolgen. Diese Regelungen bilden
die gesetzliche Grundlage für entsprechende Datenerhebungen der Regulie-
rungsbehörden, hindern diese aber nicht, anderweitig verfügbare Vergleichsda-
ten zu verwerten, die auf die Wirksamkeit nicht wettbewerbskonformer Parame-
ter schließen lassen. Eine Ausschließlichkeit des besonderen Vergleichsverfah-
rens nach § 21 Absätze 3 und 4 EnWG besteht nicht.
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bb) Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis zu Recht die von der Bun-
desnetzagentur vorgenommenen Kürzungen des Umlaufvermögens gebilligt.
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(1) Da die Betriebsnotwendigkeit des Umlaufvermögens tatbestandliche
Voraussetzung für dessen Berücksichtigung im Rahmen der Eigenkapitalver-
zinsung ist, obliegt es dem Netzbetreiber, die Betriebsnotwendigkeit des von
ihm in Ansatz gebrachten Umlaufvermögens nachvollziehbar darzulegen. Hier-
zu gehört auch, dass er plausibel erläutert, warum der angesetzte Forderungs-
bestand in dieser Höhe für den Netzbetrieb notwendig ist.
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Im Verwaltungsverfahren ist zwar grundsätzlich die Behörde verpflichtet,
den Sachverhalt in eigener Verantwortung aufzuklären (§ 24 VwVfG). Dieser
Pflicht der Behörde stehen jedoch Obliegenheiten der Beteiligten gegenüber,
die bei der Ermittlung des Sachverhalts mithelfen und insbesondere die ihnen
bekannten Tatsachen und Beweismittel angeben sollen (vgl. § 26 Abs. 2
VwVfG). Die Mitwirkungslast begrenzt die Amtsaufklärungspflicht der Verwal-
tungsbehörde. Diese braucht entscheidungserhebliche Tatsachen nicht zu er-
mitteln, die der Betroffene ihr zu unterbreiten hat (vgl. BVerwG, Urt. v.
7.11.1986 – 5 C 27/85, NVwZ 1987, 404, 405).
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In welchem Umfang einen Verfahrensbeteiligten über die allgemeine Mit-
wirkungslast hinausgehende Mitwirkungspflichten treffen, bestimmt sich nach
den zugrunde liegenden Fachgesetzen (vgl. BVerwGE 74, 222, 224 f.). Dort
wird der von den Beteiligten beizubringende Tatsachenstoff im Einzelnen fest-
gelegt (vgl. Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl., § 26 Rdn. 57 f.;
Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. Aufl., § 26 Rdn. 44a). Solche Pflichten treffen
nach dem Energiewirtschaftsgesetz in Verbindung mit der Gasnetzentgeltver-
ordnung die Netzbetreiber, die um eine Genehmigung der von ihnen beantrag-
ten Netzentgelte nachsuchen. So hat der Netzbetreiber nach § 23a Abs. 3
Satz 4 EnWG die von ihm geltend gemachten Entgelte auf der Grundlage einer
Kalkulation darzustellen (Nr. 1) und die Änderung der Entgelte unter Berück-
sichtigung der Rechtsvorschriften der Gasnetzentgeltverordnung zu begründen
(Nr. 3). Die Regulierungsbehörde kann nach § 23a Abs. 3 Satz 6 EnWG weitere
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Angaben des Antragstellers anfordern, wenn sie diese für die Prüfung der Ge-
nehmigungsvoraussetzungen für erforderlich hält. Daraus ergibt sich, dass der
Netzbetreiber die seinen Antrag rechtfertigenden Umstände – gegebenenfalls
nach Aufforderung durch die Regulierungsbehörde – vortragen und erläutern
muss. Ist er – wie die Antragstellerin – Pächter des Netzes, hat er gemäß § 4
Abs. 5 Satz 2 GasNEV auch nachzuweisen, dass keine größeren Kosten anfal-
len, als wenn der Betreiber selbst Eigentümer des Netzes wäre.
Zusammengefasst obliegt dem Netzbetreiber im Entgeltgenehmigungs-
verfahren nach § 23a EnWG aufgrund seiner Mitwirkungspflicht die Darlegung,
dass die im Rahmen der Eigenkapitalverzinsung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
GasNEV a.F. beantragten Wertansätze hinsichtlich des Finanz- und Umlauf-
vermögens gerechtfertigt sind. Seine Darlegungslast erstreckt sich auch auf die
Betriebsnotwendigkeit der geltend gemachten Wertansätze. Dabei kann aller-
dings die Regulierungsbehörde auf eine nähere Darlegung durch den Netz-
betreiber verzichten, soweit sie die Betriebsnotwendigkeit ohne weiteres als
plausibel ansieht.
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(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die von der Bundesnetz-
agentur vorgenommenen Kürzungen des Umlaufvermögens nicht zu beanstan-
den. Die Antragstellerin ist durch sie jedenfalls nicht beschwert.
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(a) Die Antragstellerin hat – trotz entsprechender Aufforderung durch die
Bundesnetzagentur – nicht dargelegt, dass ein Umlaufvermögen in der von ihr
angesetzten Höhe und insbesondere der hohe Forderungsbestand für den
Netzbetrieb notwendig sind. Dies gilt sowohl für ihren eigenen Forderungsbe-
stand als auch für denjenigen der Netzeigentümerin. Die Antragstellerin hat sich
darauf beschränkt, Besonderheiten des Gasversorgungsmarktes aufzuzeigen,
ohne ausreichend darzulegen, dass die Führung ihres Netzbetriebs ein Umlauf-
vermögen in der von ihr angesetzten Höhe erfordert. Soweit die Antragstellerin
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erhebliche jahreszeit- und wetterbedingte Einnahmeschwankungen geltend
macht, fehlt es an konkreten, mit Zahlenmaterial aus früheren Gaswirtschafts-
jahren unterlegten Berechnungen, welche die Höhe des von ihr für betriebsnot-
wendig gehaltenen Umlaufvermögens nachvollziehbar erklären würden. Auch
sonst ist nicht ersichtlich, dass den behaupteten Einnahmeschwankungen kurz-
fristig zu bedienende Verbindlichkeiten gegenüberstehen, die ein überdurch-
schnittlich hohes Umlaufvermögen als betriebsnotwendig erscheinen lassen.
Vielmehr gilt insoweit, dass die Antragstellerin in den Zeitspannen, in denen
größere Mengen Gas durchgeleitet werden, auch höhere Einnahmen erzielt.
Auf der Ausgabenseite werden in dem Zeitraum höherer Durchleitung
– abgesehen von einem möglicherweise höheren Überwachungs- und War-
tungsbedarf der Leitungen – keine wesentlichen Zusatzausgaben erforderlich.
Die laufenden Kosten des Netzbetreibers betreffen ansonsten nur die allgemei-
ne Verwaltung seiner Netze. Die aus dem Umlaufvermögen zu bestreitenden
Aufwendungen sind eher niedriger als in anderen Wirtschaftszweigen. Anhalts-
punkte dafür, warum abhängig von der Durchleitungsmenge ein überdurch-
schnittliches Umlaufvermögen vorzuhalten sein könnte, zeigt die Antragstellerin
nicht auf.
Die Betriebsnotwendigkeit des hohen Forderungsbestands des Netzei-
gentümers lässt sich auch nicht aus dem von der Antragstellerin vorgelegten
Investitionsplan entnehmen. Die dort genannten Investitionen können die Höhe
des Forderungsbestands nicht rechtfertigen. Der vorgelegte Investitionsplan
sieht zwischen den Jahren 2007 bis 2012 Investitionen in einer Gesamthöhe
von über 35 Mio. Euro vor, die zu einem Teil aus den verdienten Abschreibun-
gen, im Übrigen aber aus Eigenkapital (in Höhe von über 18 Mio. Euro) bestrit-
ten werden sollen. Dieser Investitionsplan beruht im Wesentlichen auf dem Ein-
satz von Eigenkapital und entspricht schon deshalb nicht dem Wirtschaften ei-
nes im Wettbewerb stehenden Unternehmens. Damit würde das mit der Eigen-
kapitalquote nach § 6 Abs. 2 Satz 4 GasNEV festgelegte Ziel verfehlt, das ein-
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gesetzte Eigenkapital auf höchstens 40% zu begrenzen, weil sich eine höhere
Eigenkapitalquote unter Wettbewerbsbedingungen nicht einstellen würde (vgl.
BGH, Beschl. v. 14.8.2008 – KVR 35/07 Tz. 65 – Stadtwerke Neustadt an der
Weinstraße). Die von der Antragstellerin beabsichtigte Finanzierung ihrer Inves-
titionen würde vielmehr im Ergebnis dazu führen, dass die Eigenkapitalquote
noch weiter anstiege, mithin also ein Ergebnis entstünde, das sich noch weiter
von dem Leitbild des § 21 Abs. 2 EnWG entfernen würde.
Hinzu kommt, dass langfristige und erhebliche Investitionen bei einem im
Wettbewerb stehenden Unternehmen nicht aus dem Umlaufvermögen finanziert
werden. Eigenkapital im Blick auf zukünftige Investitionen bildet – worauf das
Beschwerdegericht zutreffend hingewiesen hat – ein im Wettbewerb stehendes
Unternehmen über das Anlagevermögen, indem es Finanzanlagen bildet, die
eine Verzinsung des eingesetzten Kapitals ermöglichen. Dies gilt im besonde-
ren Maße für Finanzmittel, die erst in der folgenden Kalkulationsperiode benö-
tigt werden. Bei entsprechend langfristigen Investitionen wird ein im Wettbe-
werb stehendes Unternehmen eine möglichst lukrative Verzinsung des Eigen-
kapitals anstreben. Die Zinsen wären dann nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Gas-
NEV kostenmindernd gegenzurechnen. Der Netzeigentümer kann nicht, um
sich eine Anrechnung von Zinsen zu ersparen, Umlaufvermögen ansammeln
und dafür eine Eigenkapitalverzinsung geltend machen.
27
Da hier weder dargetan noch ersichtlich ist, dass aus dem hohen Forde-
rungsbestand überhaupt Zinseinnahmen entstehen, scheidet die von der An-
tragstellerin erörterte Möglichkeit aus, den Forderungsbestand als Finanzanlage
einer Eigenkapitalverzinsung nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Alt. 1 GasNEV zu
unterwerfen.
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(b) Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob den Durchschnittswer-
ten der Deutschen Bundesbank für die Feststellung des betriebsnotwendigen
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- 13 -
Umlaufvermögens der ihnen vom Beschwerdegericht beigelegte Indizwert zu-
kommen kann.
Hiergegen könnten allerdings Bedenken bestehen. Zwar sind solche
Vergleichsbetrachtungen grundsätzlich ein geeignetes Instrument, um nicht
wettbewerbskonforme Strukturen aufzudecken (vgl. BGHZ 163, 282, 287
– Stadtwerke Mainz; BGHSt 52, 1 Tz. 13, 19 – Papiergroßhandel). Die vom Be-
schwerdegericht zugrunde gelegten Bundesbankdaten beziehen sich aber auf
eine Gesamtbetrachtung über alle Branchen und lassen vor allem die Schwan-
kungsbreite und die Verteilungshäufigkeit von Abweichungen von dem statisti-
schen Mittelwert nicht erkennen. Um die Aussagekraft der Durchschnittswerte
zu erhöhen, wären ergänzende Erhebungen dazu sinnvoll, welche strukturellen
Rahmendaten ein höheres Umlaufvermögen bedingen können und in welchem
Umfang diese Faktoren branchentypisch auf einen Netzbetrieb zutreffen.
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Diese Bedenken können hier jedoch dahinstehen. Nimmt die Bundes-
netzagentur die Wertansätze hin, die über die Durchschnittswerte der Statistik
der Deutschen Bundesbank hinausgehen und sich im Bereich eines von ihr ak-
zeptierten "Sicherheitszuschlags" bewegen, wird die Antragstellerin hierdurch
jedenfalls nicht beschwert. Vielmehr wird sie hierdurch bis zu einer gewissen
Grenze lediglich von ihrer Mitwirkungspflicht, die Betriebsnotwendigkeit des von
ihr in Ansatz gebrachten Betriebsvermögens zu begründen, entlastet.
31
c) Die Kürzung des Wertansatzes des Umlaufvermögens führt nicht zu
einer Kürzung der Position Abzugsvermögen. Was als Abzugskapital anzuse-
hen ist, ergibt sich abschließend aus § 7 Abs. 2 GasNEV. Kürzungen des Um-
laufvermögens i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 Alt. 1 GasNEV rechtfertigen des-
halb keine Kürzung des Abzugskapitals.
32
- 14 -
Allerdings kann ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Umlaufver-
mögens und dem Abzugskapital bestehen. Ist das Abzugskapital nämlich hoch,
kann dies dazu führen, dass mehr an Umlaufvermögen vorgehalten werden
muss. Dies mag etwa der Fall sein, wenn demnächst unverzinsliche Verbind-
lichkeiten zu tilgen sind (§ 7 Abs. 2 Nr. 3, 5 GasNEV). Weiterhin kann das Um-
laufvermögen sich durch vereinnahmte Anzahlungen erhöhen. Dies hat freilich
keine Kürzung des Abzugskapitals im Rahmen der kalkulatorischen Eigenkapi-
talverzinsung zur Folge. Zu überprüfen ist dann vielmehr, ob ein erhöhtes Ab-
zugskapital gegebenenfalls ein erhöhtes Umlaufvermögen rechtfertigt (vgl.
Fülbier, ET 2009, 150, 151 ff.). In diesem Falle wäre eine Kürzung der Positio-
nen des Umlaufvermögens nicht mehr oder nur in geringerem Umfang zulässig.
Aber auch dafür sind Anhaltspunkte weder dargetan noch ersichtlich.
33
2. Fremdkapitalzinssatz
Die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin hat hingegen Erfolg, soweit
sie den vom Beschwerdegericht angesetzten Fremdkapitalzinssatz angreift.
34
a) Das Beschwerdegericht hat – der Bundesnetzagentur folgend – für
das wie Fremdkapital zu verzinsende Eigenkapital einen Zinssatz von 4,8% p.a.
für angemessen erachtet. Dieser Zinssatz, der sich aus der durchschnittlichen
Umlaufrendite der letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre aller festver-
zinslichen Wertpapiere inländischer Emittenten ergebe, lasse sich ohne weite-
res der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank entnehmen und sei für
das als Fremdkapital zu behandelnde Eigenkapital anzusetzen. Für einen dar-
über hinausgehenden Risikozuschlag bestehe kein Raum.
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b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Wie der Senat mit Be-
schluss vom 14. August 2008 (KVR 42/07, WuW/E 2395 Tz. 50 ff. – Rhein-
hessische Energie) bereits zu der inhaltsgleichen Bestimmung des § 7 Abs. 1
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- 15 -
Satz 3 a.F. (Satz 5 n. F.) i.V.m. § 5 Abs. 2 StromNEV entschieden hat, ist die
Obergrenze für den anzuerkennenden Fremdkapitalzinssatz nach der Höhe des
Zinssatzes zu ermitteln, zu dem sich der Netzbetreiber auf dem Kapitalmarkt
langfristig Fremdkapital hätte beschaffen können; das hat für § 5 Abs. 2
Halbs. 2 GasNEV gleichermaßen zu gelten. Ein Beurteilungsspielraum kommt
den Regulierungsbehörden hierbei nicht zu. Die Höhe des Fremdkapitalzinssat-
zes kann dabei nach dem auf die letzten zehn abgeschlossenen Kalenderjahre
bezogenen Durchschnitt der von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten
Umlaufrendite festverzinslicher Anleihen der öffentlichen Hand zuzüglich eines
angemessenen Risikozuschlags bemessen werden. Entgegen der Auffassung
der Bundesnetzagentur wird dieser Risikozuschlag nicht bereits in der ebenfalls
von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Umlaufrendite festverzinslicher
Wertpapiere inländischer Emittenten berücksichtigt, weil es sich hierbei um ei-
nen gewichteten Durchschnittswert von Anleihen der öffentlichen Hand, Bank-
schuldverschreibungen und Industrieobligationen handelt, der für die Risikobe-
wertung eines Netzbetreibers nicht aussagekräftig ist.
Für die Bemessung dieses Risikozuschlags sind noch weitere Feststel-
lungen des Beschwerdegerichts erforderlich. Dabei muss auf die Sicht des Kre-
ditgebers abgestellt und eine Risikobewertung vorgenommen werden. Diese
braucht nicht unternehmensscharf zu sein. Aus Gründen der Vereinfachung und
Praktikabilität ist die Bildung sachgerecht begrenzter Risikoklassen geboten
(BGH aaO Tz. 60).
37
III.
Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur hat im Hinblick auf den
Ansatz des "negativen Eigenkapitals" und der "negativen Gewerbesteuer" Er-
folg. Dagegen hält die Entscheidung des Beschwerdegerichts zur kalkulatori-
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- 16 -
schen Abschreibung der "Rohrleitungen/Hausanschlussleitungen kathodisch
geschützt" rechtlicher Überprüfung stand.
1. Eigenkapital im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 GasNEV
Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist der Berechnungs-
ansatz der Bundesnetzagentur hinsichtlich des zu verzinsenden Eigenkapitals
aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
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a) Die Bundesnetzagentur hat bei der kalkulatorischen Berechnung den
Pächter und den Verpächter getrennt erfasst. Dies hat sie für erforderlich gehal-
ten, um eine nach § 4 Abs. 5 GasNEV nicht zu berücksichtigende Kostenerhö-
hung durch die Verpachtung auszuschließen. Bei der Antragstellerin als Pächte-
rin hat die Bundesnetzagentur wegen des Fehlens von Sach- und Finanzanla-
gevermögen lediglich das (allerdings gekürzte) Umlaufvermögen als Eigenkapi-
tal i.S. des § 7 Abs. 1 Satz 2 GasNEV angesetzt. Aufgrund dessen hat sich
nach Abzug des Abzugskapitals und des verzinslichen Fremdkapitals ein nega-
tives Eigenkapital ergeben. Aus diesem negativen Eigenkapital hat die Bundes-
netzagentur auch die kalkulatorische Gewerbesteuer nach § 8 GasNEV ermit-
telt.
40
Das Beschwerdegericht hat diese getrennte Berechnung im Ansatz gebil-
ligt. Es hat jedoch die Auffassung vertreten, dass auch bei dem Pächter des
Netzbetriebs das Eigenkapital nicht unter Null festgelegt werden dürfe. Sei kein
Eigenkapital vorhanden, fehle es an einer Basis für eine Verzinsung. Ein nega-
tives Eigenkapital sei in den Netzentgeltverordnungen nicht vorgesehen und
könne auch nicht auf § 4 Abs. 5 GasNEV gestützt werden.
41
b) Gegen diese Auffassung wendet sich die Bundesnetzagentur mit Er-
folg.
42
- 17 -
Nach § 4 Abs. 5 GasNEV können Betreiber Kosten oder Kostenbestand-
teile, die aufgrund einer Überlassung betriebsnotwendiger Anlagegüter durch
Dritte anfallen, nur in der Höhe ansetzen, wie sie anfielen, wenn der Betreiber
Eigentümer der Anlage wäre. Damit soll verhindert werden, dass insbesondere
innerhalb eines Konzerns durch die Vereinbarung überhöhter Pachtzinsen für
den Netznutzer höhere Netzentgelte entstehen (vgl. Hölscher in Britz/Heller-
mann/Hermes, EnWG, § 7 Rdn. 14). Um in den Verpachtungsfällen die Festle-
gung überhöhter Netzentgelte zu verhindern, hat eine kalkulatorische Berech-
nung sowohl beim Verpächter als auch beim Pächter stattzufinden. Die Bun-
desnetzagentur ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass bei der Antrag-
stellerin als Pächterin zunächst der Pachtzins als aufwandsgleiche Kostenposi-
tion gemäß § 5 Abs. 1 GasNEV in das festzulegende Netzentgelt einzurechnen
war. Allerdings kann – wegen des Gebots des § 4 Abs. 5 GasNEV – der Pacht-
zins nur dann in voller Höhe berücksichtigt werden, wenn die Verpachtung für
den Netznutzer nicht zu einer Erhöhung der Netzentgelte führt. Um dies zu
überprüfen, muss auch für den Netzeigentümer eine Entgeltberechnung durch-
geführt werden. Ergibt diese, dass das ermittelte Netzentgelt bei dem Netzei-
gentümer niedriger wäre als bei dem Netzpächter, muss eine entsprechende
Kürzung erfolgen. Dies hat dadurch zu geschehen, dass der anzusetzende
Pachtzins so weit herabgesetzt wird, bis sich bei dem Netzpächter exakt diesel-
ben Netzentgeltelemente ergeben, die auch beim Netzeigentümer entstehen.
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So ist die Bundesnetzagentur auch verfahren. Im vorliegenden Fall be-
steht aber die Besonderheit, dass weiteres Abzugskapital auch bei der Antrag-
stellerin anfiel. Dieses Abzugskapital überstieg ihr berücksichtigungsfähiges
Eigenkapital, weil die Antragstellerin als Pächterin nicht über Anlagevermögen
nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 GasNEV verfügt, sondern nur Finanzanlage-
und Umlaufvermögen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 GasNEV ansetzen konnte.
Würde man – wie das Beschwerdegericht zur Vermeidung eines negativen Ei-
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genkapitals – das Abzugskapital nicht oder nicht vollständig abziehen, ergäbe
sich ein höheres Netzentgelt. Dies würde aber gegen § 4 Abs. 5 GasNEV ver-
stoßen. Deshalb muss das Abzugskapital vollständig angesetzt werden, damit
sich kein – im Vergleich zum Netzeigentümer – höheres Netzentgelt errechnet.
Dann entsteht zwar "negatives Eigenkapital". Dies stellt aber nur einen
rechnerischen Zwischenschritt dar. Tatsächlich wird der Antragstellerin über
den in Ansatz gebrachten (gekürzten) Pachtzins das Eigenkapital des Netzei-
gentümers zugute gebracht. Es ergäbe sich im Übrigen auch kein anderes Er-
gebnis, wenn man das überschießende Abzugskapital alternativ bei dem Netz-
eigentümer in Ansatz brächte. Dann würden sich bei diesem die Verzinsung
des Eigenkapitals und damit auch dessen fiktives Netznutzungsentgelt verrin-
gern. Wegen der in § 4 Abs. 5 GasNEV normierten Deckelung würde sich in
demselben Maße die Höhe des Pachtzinses reduzieren, den die Antragstellerin
in Ansatz bringen darf. Daher greift auch der Einwand der Antragstellerin nicht
durch, eine nach § 4 Abs. 5 GasNEV veranlasste Kürzung könne nur durch eine
Kürzung des in Ansatz gebrachten Pachtzinses erfolgen. Maßgeblich ist inso-
weit allein, dass die Überlassung von Netzbestandteilen nicht zu einer fehlen-
den Berücksichtigung von Abzugskapital und damit – entgegen § 4 Abs. 5
GasNEV – zu höheren Netzentgelten führen darf. Dieses Ergebnis kann – wie
dargelegt – durch den Ansatz eines negativen Eigenkapitals oder die Kürzung
des Pachtzinses gleichermaßen erreicht werden.
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Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann deshalb in diesem
Punkt keinen Bestand haben und ist auf die Rechtsbeschwerde der Bundes-
netzagentur aufzuheben. Das Beschwerdegericht wird auf der Grundlage des
Berechnungsansatzes der Bundesnetzagentur den verbleibenden Einwendun-
gen der Antragstellerin nachzugehen haben.
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2. Kalkulatorische Gewerbesteuer
Das Rechtsmittel der Bundesnetzagentur ist deshalb auch im Hinblick
auf den Ansatz der kalkulatorischen Gewerbesteuer erfolgreich. Die Bundes-
netzagentur hat bei der Antragstellerin aufgrund eines ermittelten negativen
Eigenkapitals in der Folge ebenso eine negative kalkulatorische Gewerbesteuer
zugrunde gelegt. Dieser Berechnungsansatz ist – wie oben ausgeführt – zutref-
fend, weil nach § 4 Abs. 5 GasNEV der Betreiber eines Gasversorgungsnetzes
bei der Geltendmachung von Kosten auf diejenigen Kosten beschränkt ist, die
bei dem Eigentümer auch anfallen würden. Insoweit kann bei dem vorzuneh-
menden Vergleich zugleich eine aus einem negativen Eigenkapitalansatz her-
rührende negative Gewerbesteuer in einem rechnerischen Zwischenschritt ent-
stehen. Daher kann die Entscheidung des Beschwerdegerichts in diesem Punkt
gleichfalls keinen Bestand haben.
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3. Kalkulatorische Abschreibungen
Ohne Erfolg bleibt dagegen die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagen-
tur, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Neubescheidung im Hinblick auf
die kalkulatorischen Abschreibungen richtet.
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a) Im Rechtsbeschwerdeverfahren steht allein noch im Streit, ob die Kür-
zung hinsichtlich der Anlagengruppe "Rohrleitungen/Hausanschlussleitungen
kathodisch geschützt" gerechtfertigt ist. Die Bundesnetzagentur will die Antrag-
stellerin an ihren Angaben im Verwaltungsverfahren festhalten. Damals hatten
Mitarbeiter der Antragstellerin in den so genannten B 2-Erhebungsbögen hin-
sichtlich der Nutzungsdauer kürzere Fristen als die Mindestfristen nach der An-
lage 1 angegeben, auf die in § 32 Abs. 3 Satz 3 GasNEV Bezug genommen
wird.
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Das Beschwerdegericht hat insoweit der Beschwerde der Antragstellerin
stattgegeben und die Bundesnetzagentur zu einer Neubescheidung der Antrag-
stellerin verurteilt. Die Vermutung des § 32 Abs. 3 Satz 3 GasNEV greife hier
ein, weil der Gaspreis an den Ölpreis gekoppelt gewesen sei und deshalb keine
kostenorientierten Preise gefordert worden seien. Der Nachweis einer kürzeren
tatsächlichen Nutzungsdauer i.S. des § 32 Abs. 3 Satz 2 GasNEV sei nicht ge-
führt. Den Angaben in den Erhebungsbögen komme ein solcher Beweiswert
nicht zu. Diese Angaben bezögen sich lediglich auf fiktive Abschreibungen. Mit-
arbeiter der Antragstellerin hätten insoweit in der irrigen Annahme, dass es sich
um PVC-Rohre handele, jeweils deren (kürzere) Nutzungsdauer angesetzt.
Diese noch vor der Entscheidung der Bundesnetzagentur korrigierten Angaben
seien nicht geeignet, die Vermutung des § 32 Abs. 3 Satz 3 GasNEV zu wider-
legen, weil hierdurch kein Nachweis über den Ansatz einer kürzeren tatsächli-
chen Nutzungsdauer i.S. des § 32 Abs. 3 Satz 2 GasNEV geführt werde.
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b) Diese Begründung des Beschwerdegerichts lässt keinen Rechtsfehler
erkennen.
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Dabei kann dahinstehen, ob die Bundesnetzagentur die Kürzung ausrei-
chend begründet hat. Das Beschwerdegericht hat die Zugrundelegung einer
kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer durch die Bundesnetzagentur nicht nur
aus formellen Gründen für rechtswidrig gehalten. Vielmehr hat es den Ansatz
der kürzeren Nutzungsdauer auch in der Sache nicht für berechtigt erachtet,
weil die ursprünglichen Angaben von vornherein keine Nachweisqualität gehabt
und zudem auf einem Irrtum von Mitarbeitern der Antragstellerin beruht hätten.
Damit hält das Beschwerdegericht die Angaben hinsichtlich der Nutzungsdauer
der "Rohrleitungen/Hausanschlussleitungen kathodisch geschützt" nicht für be-
weiskräftig. Die Eintragungen in den Erhebungsbogen können schon deshalb
nicht als Nachweis i.S. des § 32 Abs. 3 Satz 2 GasNEV angesehen werden.
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Andere mögliche Erkenntnisquellen, die für eine kürzere Nutzungsdauer spre-
chen könnten, führt das Beschwerdegericht nicht an.
Die gegen diese tatrichterliche Würdigung geführten Angriffe der Bun-
desnetzagentur bleiben erfolglos. Die (begründete) tatrichterliche Wertung,
dass den Angaben der Nachweischarakter fehle, lässt keinen Rechtsfehler er-
kennen. Die Feststellung des Beschwerdegerichts, Mitarbeitern der Antragstel-
lerin sei ein tatsächlicher Fehler im Zusammenhang mit dem Ausfüllen der B 2-
Formulare unterlaufen, ist nicht mit einer Verfahrensrüge angegriffen. Die Bun-
desnetzagentur setzt insoweit lediglich ihre Würdigung der unterschiedlichen
Angaben an die Stelle derjenigen des Beschwerdegerichts. Die Annahme eines
Irrtums beim Ausfüllen des Bewertungsbogens ist plausibel begründet. Liegt
aber ein solcher Fehler vor, gehen die Beanstandungen der Bundesnetzagentur
ins Leere, die von der Richtigkeit der ursprünglichen Angaben ausgehen. Denn
sind nicht die ursprünglichen, sondern die korrigierten Angaben zugrunde zu
legen, stellt sich die von der Bundesnetzagentur in ihrer Rechtsbeschwerde an-
gesprochene Frage einer Abschreibung unter Null nicht. Da nach der Entschei-
dung des Beschwerdegerichts die Sache in diesem Punkt von der Bundesnetz-
agentur neu zu bescheiden ist, ist diese nicht gehindert, auf der Grundlage an-
derer Erkenntnisquellen noch festzustellen, dass bei den Rohrleitungen im
Rahmen der Abschreibung tatsächlich jeweils eine kürzere Nutzungsdauer an-
gesetzt wurde.
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IV.
Da die Rechtsbeschwerden der Antragstellerin wie auch der Bundes-
netzagentur jeweils wenigstens hinsichtlich einer Rechnungsposition einen
Rechtsfehler aufzeigen, war der Beschluss des Beschwerdegerichts auf die
beiderseitigen Rechtsmittel aufzuheben. Dies führt, weil über die verfahrensge-
genständliche Genehmigung nur einheitlich entschieden werden kann, zu einer
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umfassenden Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht, dem
auch die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu
übertragen ist.
Tolksdorf Raum Meier-Beck
Strohn
Grüneberg
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 24.10.2007 - VI-3 Kart 8/07 (V) -