Urteil des BAG vom 18.03.2008

BAG (arbeitszeit, ordentliche kündigung, anspruch auf beschäftigung, arbeit auf abruf, aufstockung, dauer, arbeitgeber, grund, schuljahr, umfang)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.3.2008, 9 AZR 72/07
Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 14.08.2007, 9 AZR 59/07.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sächsischen
Landesarbeitsgerichts vom 3. November 2006 - 2 Sa 869/05 - aufgehoben.
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom
22. September 2005 - 13 Ca 2910/05 - wird zurückgewiesen. Der
Hauptausspruch wird klarstellend wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit der
Klägerin während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses 8,5 Unterrichtsstunden
beträgt.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen mit Ausnahme der
Mehrkosten, die durch die Anrufung des Arbeitsgerichts Dresden entstanden
sind. Diese hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über den Umfang der wöchentlichen Unterrichtsverpflichtung während der
Altersteilzeit.
2 Die im Juni 1944 geborene Klägerin steht seit 1964 in einem Arbeitsverhältnis mit dem beklagten
Freistaat bzw. seinem Rechtsvorgänger. Sie wurde zuletzt an einer Grundschule beschäftigt. Auf
das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der BAT-
O in der für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder geltenden Fassung und die ihn
ergänzenden Tarifverträge Anwendung. Dazu gehört auch der Tarifvertrag zur Regelung der
Altersteilzeitarbeit (TV ATZ) vom 5. Mai 1998 in der am 1. Juli 2000 in Kraft getretenen Fassung
des Änderungstarifvertrags Nr. 2 vom 30. Juni 2000.
3 Die Parteien schlossen am 4. Juli 1997 einen Änderungsvertrag, mit dem sie von der
ursprünglichen Vollzeitbeschäftigung auf eine Teilzeitbeschäftigung übergingen. §§ 1 und 4 des
Änderungsvertrags lauten auszugsweise wie folgt:
“§ 1
Änderung des Beschäftigungsumfanges
(1) Die Vertragsparteien vereinbaren eine Teilzeitbeschäftigung zur Sicherung einer
ausgewogenen Personalstruktur
d) für die Dauer der Schuljahre 2000/2001 bis 2008/09 in Höhe von 57,14 Prozent einer
vergleichbaren Vollzeitkraft (= 16 Wochenstunden Unterrichtsverpflichtung);
(2) Die Parteien sind sich darüber einig, daß bei der unter Absatz 1 genannten
Teilzeitbeschäftigung nur volle Unterrichtsstunden gehalten und vergütet werden. Die
geltende individualvertragliche Unterrichtsverpflichtung wird nach dem jeweils vertraglich
vereinbarten Prozentsatz rechnerisch ermittelt und auf- bzw. abgerundet.
(3) Die Lehrkraft erklärt sich damit einverstanden, daß der unter Absatz 1 vereinbarte
Beschäftigungsumfang durch den Arbeitgeber aus bedarfsbedingten Gründen jeweils für die
Dauer eines Schuljahres befristet aufgestockt werden kann. Die Aufstockung und der
Umfang des Beschäftigungsumfanges ist der Lehrkraft spätestens vor Beginn der
Sommerferien schriftlich anzuzeigen.
§ 4
Zeitlich befristete Beschäftigungsgarantie
(1) Bis zum Abschluß des Schuljahres 2009/10 ist eine ordentliche Kündigung aus
betriebsbedingten Gründen ausgeschlossen.
…”
4 Die vertragliche Regelung beruht auf einer Vereinbarung des Beklagten mit dem Landesverband
Sachsen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dem Sächsischen Lehrerverband und
dem Verband Bildung und Erziehung vom 21. Februar 1997 über die Gestaltung eines
sozialverträglichen Personalabbaus an Grundschulen des Freistaats. Diese sog.
Teilzeitvereinbarung sieht in einem Stufenplan die Verringerung der Wochenstunden für
Grundschullehrer vor, die sich am prognostizierten Absinken der Schülerzahlen orientiert. Nach
ihrer Präambel verpflichten sich die Unterzeichner der Vereinbarung, den in den nächsten Jahren
erforderlichen Stellenabbau auf Grund eines “gravierenden Schülerrückgangs” durch die im
Folgenden genannten Maßnahmen sozialverträglich zu gestalten. In Ziff. 2 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4
Unterabs. 1, Abs. 5 und Abs. 6 der Teilzeitvereinbarung ist bestimmt:
“Den Lehrkräften wird bis zum Ende des Schuljahres 1996/1997 ein unbefristeter
Änderungsvertrag mit folgendem Arbeitszeitumfang eines vergleichbaren
Vollzeitbeschäftigten angeboten:
vom Schuljahr 2000/2001
bis Schuljahr 2008/2009
57,14 %
(= 16 Wochenstunden Unterrichtsverpflichtung)
In dem Änderungsvertrag erklärt sich die Lehrkraft damit einverstanden, daß ihr
individualvertraglich vereinbarter Beschäftigungsumfang im Bedarfsfalle einseitig durch den
Arbeitgeber aufgestockt wird. Der zusätzliche Beschäftigungsumfang wird im Rahmen der
zugewiesenen Stellen des Stellenplanes aufgrund einer Bedarfsanalyse des Sächsischen
Staatsministeriums für Kultus für das jeweilige Schuljahr durch eine Erklärung der
personalführenden Stelle gegenüber der Lehrkraft verbindlich festgelegt. Eine Änderung des
Arbeitsvertrages erfolgt nicht.
Bis zum Ablauf des Schuljahres 2009/10 ist eine ordentliche Kündigung aus
betriebsbedingten Gründen ausgeschlossen. ...
Die für ein Schuljahr bedarfsbedingte Aufstockung des Beschäftigungsumfanges endet mit
Ablauf des Schuljahres, ohne daß es insoweit einer Kündigung bedarf. Die Parteien sind sich
darüber einig, daß § 625 BGB keine Anwendung findet. Das Recht zum Widerruf der
Aufstockung nach Satz 1 dieses Absatzes aus wichtigem Grund bleibt unberührt.”
5
5 In den Jahren 2000 und 2002 gab der Beklagte der Klägerin jeweils befristete Aufstockungen ihres
Beschäftigungsumfangs bekannt. Mit Wirkung vom 1. August 2000 teilte er für die Dauer des
laufenden Schuljahres einen Beschäftigungsumfang von 19/28 Unterrichtswochenstunden mit.
Von August 2001 bis 6. Januar 2002 wurde die Klägerin mit 16 Unterrichtswochenstunden
beschäftigt. Zuletzt gab der Beklagte ihr mit Schreiben vom 7. Januar 2002 und mit Wirkung vom
selben Tag einen Beschäftigungsumfang von 17/28 Unterrichtswochenstunden für die Dauer des
laufenden Schuljahres bekannt. Beide Mitteilungsschreiben sehen in § 2 Abs. 2 Folgendes vor:
“(2) Die bedarfsbedingte Aufstockung des Beschäftigungsumfanges endet mit Ablauf des
Schuljahres, ohne dass es insoweit einer Kündigung bedarf. § 625 BGB findet keine
Anwendung.”
6 Das Schuljahr beginnt nach § 33 Satz 1 des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen am
1. August und endet am 31. Juli des folgenden Kalenderjahres.
7 Am 17. Juni 2002 und 13. April 2005 schlossen die Parteien Altersteilzeitarbeitsverträge im
Blockmodell. Nach der früher getroffenen Vereinbarung sollte die Arbeitsphase vom 1. August
2002 bis 31. Juli 2005 dauern, die Freistellungsphase vom 1. August 2005 bis 31. Juli 2008. Der
später geschlossene Vertrag sieht eine Arbeitsphase vom 1. August 2002 bis 28. August 2005 und
eine Freistellungsphase vom 29. August 2005 bis 31. Juli 2008 vor. In § 2 1. Halbs. beider
Altersteilzeitarbeitsverträge ist geregelt:
“Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt 8/28 Stunden (Hälfte der bisherigen wöchentlichen
Arbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ); …”
8 In § 3 Abs. 1 TV ATZ ist bestimmt:
“§ 3
Reduzierung und Verteilung der Arbeitszeit
(1) Die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt die Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit.
Als bisherige wöchentliche Arbeitszeit ist die wöchentliche Arbeitszeit zugrunde zu legen, die
mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war. Zugrunde
zu legen ist höchstens die Arbeitszeit, die im Durchschnitt der letzten 24 Monate vor dem
Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbart war. Bei der Ermittlung der durchschnittlichen
Arbeitszeit nach Satz 2 dieses Unterabsatzes bleiben Arbeitszeiten, die die tarifliche
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit überschritten haben, außer Betracht. Die ermittelte
durchschnittliche Arbeitszeit kann auf die nächste volle Stunde gerundet werden.”
9 Die Klägerin meint in ihrer vom Arbeitsgericht Dresden an das Arbeitsgericht Chemnitz
verwiesenen Klage, für die Berechnung der während der Arbeitsphase des
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses geltenden wöchentlichen Arbeitszeit sei der
Beschäftigungsumfang mit 16 Unterrichtsstunden zu niedrig angesetzt. Maßgeblich für die
Bemessung der Arbeitszeit seien die zuletzt gehaltenen 17 Unterrichtsstunden. Daraus
errechneten sich für die Arbeits- und Freistellungsphase durchschnittlich 8,5 Unterrichtsstunden.
Der Beklagte sei nur auf Grund der in § 1 Abs. 3 des Änderungsvertrags vom 4. Juli 1997
enthaltenen Zustimmung der Klägerin berechtigt gewesen, das Arbeitszeitvolumen befristet
aufzustocken. Ziff. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 der Vereinbarung des Beklagten mit den Lehrerverbänden
vom 21. Februar 1997 sehe zwar vor, dass eine Änderung des Arbeitsvertrags nicht erfolge. Der
beklagte Freistaat habe sich aber gerade des Mittels einer Änderungsvereinbarung bedient.
10 Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit während ihres
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses 8,5/28 Unterrichtsstunden beträgt.
11 Der beklagte Freistaat hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Ansicht, die vereinbarte
wöchentliche Arbeitszeit iSd. § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ sei die dem Änderungsvertrag
vom 4. Juli 1997 entsprechende Arbeitszeit und nicht die in der letzten Aufstockungsmitteilung
genannte und zuletzt tatsächlich geleistete Arbeitszeit. Mit der Aufstockung habe der Beklagte
lediglich sein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB ausgeübt. Der auf der sog.
Teilzeitvereinbarung beruhende Änderungsvertrag unterscheide klar zwischen vereinbarter
Arbeitszeit und möglicher künftiger Aufstockung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 3
Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 TV ATZ. Die dort vorgesehene Durchschnittsberechnung solle nur
verhindern, dass die Altersteilzeitleistungen durch eine Erhöhung der Arbeitszeit unmittelbar vor
Beginn der Altersteilzeit “nach oben” beeinflusst würden.
12 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das
Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer
vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des
erstinstanzlichen Urteils. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
13 A. Die Revision der Klägerin ist begründet.
14 I. Die Klage ist zulässig. Eine allgemeine Feststellungsklage (§ 256 Abs. 1 ZPO) muss sich nicht
notwendig auf das gesamte Rechtsverhältnis erstrecken. Sie kann sich auch auf einzelne
Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder
Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken (st. Rspr. vgl. Senat
14. August 2007 - 9 AZR 18/07 - Rn. 15, AP ATG § 6 Nr. 2 = EzA ATG § 6 Nr. 2; 14. August 2007
- 9 AZR 59/07 - Rn. 14, ZTR 2008, 150; BAG 25. Mai 2005 - 5 AZR 566/04 - BAGE 115, 12, zu II 1
der Gründe) . Die Parteien streiten hier über den Umfang der Beschäftigungspflicht, aus der sich
auch nach dem Ende der Arbeitsphase vergütungsrechtliche Folgen ergeben. Für die begehrte
Feststellung besteht deshalb ein berechtigtes Interesse.
15 II. Die Klage ist begründet. Die durchschnittliche wöchentliche Unterrichtsverpflichtung der
Klägerin während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses beträgt 8,5 Stunden.
16 1. Dem steht nicht entgegen, dass in § 2 1. Halbs. der Altersteilzeitarbeitsverträge vom 17. Juni
2002 und 13. April 2005 die Anzahl von “8/28 Stunden” als “durchschnittliche wöchentliche
Arbeitszeit während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses” festgelegt ist. Wie der Klammerzusatz
“Hälfte der bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit gemäß § 3 Abs. 1 TV ATZ” zum Ausdruck bringt,
wollten die Vertragsparteien mit der Angabe der Unterrichtsstundenzahl keine konstitutive
Regelung treffen, sondern nur in Anwendung des § 3 Abs. 1 TV ATZ gemeinsam feststellen,
welche Unterrichtsstundenzahl der Hälfte der bisherigen durchschnittlichen Arbeitszeit entspricht.
Ergibt sich bei richtiger Berechnung eine höhere Stundenzahl, kann der Teilzeitarbeitnehmer in der
Arbeitsphase der Altersteilzeit auch eine Beschäftigung mit der höheren Stundenzahl der
Arbeitszeit verlangen.
17 2. Als Arbeitszeit in der Arbeitsphase der im Blockmodell durchgeführten Altersteilzeit war weder
der im Teilzeitvertrag festgelegte Mindestbeschäftigungsumfang noch die in den letzten Jahren vor
Beginn der Altersteilzeitarbeit geleistete durchschnittliche Zahl der wöchentlichen
Unterrichtsstunden zugrunde zu legen. Nach dem in den Altersteilzeitarbeitsverträgen in Bezug
genommenen § 3 Abs. 1 Unterabs. 1 TV ATZ ist die Hälfte der bisherigen durchschnittlichen
wöchentlichen Arbeitszeit maßgebend. Das ist die Arbeitszeit, die bei einer wöchentlichen
Unterrichtsverpflichtung von 8,5 Stunden anfällt. Da der Durchschnitt der wöchentlichen
Arbeitszeit im Blockmodell aus der ungeminderten Arbeitszeitverpflichtung während der
Arbeitsphase und der vollständigen Freistellung in der Blockfreizeit gebildet wird, bedeutet dies für
den Streitfall, dass die Klägerin in der Arbeitsphase Anspruch auf Beschäftigung mit
17 Unterrichtswochenstunden hatte.
18 a) Zu berücksichtigen ist nach § 3 Abs. 1 TV ATZ nicht die Zahl der Pflichtunterrichtsstunden,
sondern die Arbeitszeit. Sie umfasst über den Unterricht hinaus die Zeit, die zur Erfüllung aller
anderen im Schulbetrieb für Lehrkräfte anfallenden Aufgaben entsprechend dem Umfang ihrer
Lehrtätigkeit benötigt wird. Mit der Angabe der Unterrichtsstundenzahl wollten die Parteien
übereinstimmend den zeitlichen Beschäftigungsumfang einschließlich der Vor- und Nebenarbeiten,
die gewöhnlich mit dem Unterricht verbunden sind, festlegen. Das zeigt sich insbesondere an § 1
Abs. 1 Buchst. d des Änderungsvertrags vom 4. Juli 1997, den die Altersteilzeitarbeitsverträge
ablösten. Dort legten die Parteien die geschuldete Arbeitszeit der Klägerin auf 57,14 % einer
Vollzeitkraft fest. Die im Klammerzusatz genannte Unterrichtsverpflichtung von
16 Wochenstunden sollte nur ausdrücken, welche Unterrichtsverpflichtung mit dieser Arbeitszeit
verbunden war.
19 b) Die Einräumung des Aufstockungsrechts in § 1 Abs. 3 Satz 1 des Änderungsvertrags bewirkt
nicht, dass als vereinbarte Arbeitszeit die Arbeitszeit gilt, die der Arbeitgeber in Ausschöpfung der
Ermächtigung einseitig hätte festlegen können. Ebenso wenig ist die Zeit zugrunde zu legen, die
der Arbeitgeber im Durchschnitt der Jahre vor dem Übergang in die Altersteilzeit tatsächlich durch
Aufstockung festgelegt hatte. Maßgeblich ist nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ allein die
wöchentliche Arbeitszeit, die mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit
vereinbart war.
20 aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landesarbeitsgericht die dem Beklagten in § 1 Abs. 3
des Änderungsvertrags vom 4. Juli 1997 eingeräumte Aufstockungsbefugnis als
Leistungsbestimmungsrecht iSv. § 315 BGB, § 106 Satz 1 GewO verstanden.
21 Die Auslegung des Berufungsgerichts betrifft einen vom beklagten Freistaat vorformulierten
Vertrag, den er für eine Vielzahl von Teilzeitverträgen verwendet hat. Der Vertrag enthält über die
persönlichen Daten der Klägerin und die Daten der vorangegangenen Arbeitsverträge hinaus keine
individuellen Besonderheiten. Der Inhalt eines solchen Mustervertrags ist uneingeschränkt
revisibel (Senat 14. August 2007 - 9 AZR 59/07 - Rn. 21, ZTR 2008, 150; 11. April 2006 - 9 AZR
369/05 - Rn. 28, BAGE 118, 1; 15. März 2005 - 9 AZR 97/04 - AP BGB § 157 Nr. 33 = EzA TVG
§ 4 Altersteilzeit Nr. 14, zu I 2 der Gründe) .
22 § 1 Abs. 3 Satz 1 des Änderungsvertrags begründet ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht.
Nach der am 1. Januar 2003 in Kraft getretenen Regelung des § 106 Satz 1 GewO kann der
Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen,
soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer
Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt
sind. Gegenstand einer solchen Leistungsbestimmung kann grundsätzlich der Umfang einer im
Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflicht sein (Luczak in Leinemann GewO
Stand Januar 2008 § 106 Rn. 61 ff.; Neumann in Landmann/Rohmer GewO Stand November
2007 § 106 Rn. 8; ErfK/Preis 8. Aufl. § 611 BGB Rn. 387; Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 105
f.; Wank in Tettinger/Wank GewO 7. Aufl. § 106 Rn. 4, 12 und 27) . Diese Grundsätze galten nach
§ 315 BGB auch schon für die Bedarfsaufstockungen des Beklagten, die vor Inkrafttreten des
§ 106 Satz 1 GewO in den Jahren 2000 und 2002 vorgenommen wurden. Die Verlängerung der
Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit auf Grund höheren Bedarfs ist eine Festlegung des Umfangs
der Arbeitspflicht im Sinne einer Leistungsbestimmung (zu einer bedarfsbedingten
Arbeitszeitaufstockung Senat 3. Dezember 2002 - 9 AZR 457/01 - BAGE 104, 55, zu A II 2 a cc
(2) und dd der Gründe; im Zusammenhang mit Abrufarbeit BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR
535/04 - Rn. 27 ff. und 39, BAGE 116, 267; zu vorübergehenden Herabsetzungen der
regelmäßigen Arbeitszeit 28. Juni 2001 - 6 AZR 114/00 - BAGE 98, 175, zu B III 2 b der Gründe) .
23 bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die vom Beklagten bis 31. Juli 2002
vorgenommene Aufstockung des Beschäftigungsumfangs, die noch unmittelbar vor dem
Übergang in die am 1. August 2002 beginnende Altersteilzeit andauerte, als “bisherige
wöchentliche Arbeitszeit” nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ anzusehen. Anknüpfend an
den wortgleichen § 6 Abs. 2 Satz 1 AltTZG ist gemäß § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ die
wöchentliche Arbeitszeit zugrunde zu legen, die mit dem Arbeitnehmer vor dem Übergang in die
Altersteilzeitarbeit “vereinbart” war. Vereinbart iSd. in den Sätzen 1 und 2 deckungsgleichen
gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen ist die tatsächlich geschuldete Arbeitszeit, wie sie sich
aus den anzuwendenden arbeitsvertraglichen Regelungen ergibt.
24 (1) Geschuldet iSd. vereinbarten Arbeitszeit des § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ ist auch
die verlängerte Arbeitszeit, die auf Grund des einseitig ausgeübten Gestaltungsrechts geleistet
werden muss. Das verbindende vertragliche Element ist § 1 Abs. 3 Satz 1 des Änderungsvertrags
vom 4. Juli 1997, der dem Beklagten das Leistungsbestimmungsrecht einräumte. Nur auf dieser
geänderten vertraglichen Grundlage war er zur einseitigen Leistungsbestimmung berechtigt. Mit
der Begründung des Leistungsbestimmungsrechts delegierten die Arbeitsvertragsparteien einen
Teil der Hauptleistungspflichten - die bedarfsbedingte Anhebung der Arbeitszeit -
vertragsersetzend in die Kompetenz des Beklagten (vgl. Staudinger/Rieble (2004) § 315 Rn. 89 f.)
. Sonst hätte er die regelmäßige Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nur im Einvernehmen mit der
Klägerin erhöhen können.
25 (2) In Ziff. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 der sog. Teilzeitvereinbarung zwischen dem Beklagten und
den Lehrerverbänden vom 21. Februar 1997 ist keine tarifliche oder tarifvertragsgleiche
Leistungsbestimmung zu sehen. Dabei kann offenbleiben, ob es sich bei der Teilzeitvereinbarung
um einen Tarifvertrag oder eine sog. Koalitionsvereinbarung zugunsten Dritter handelt. Derartige
Koalitionsvereinbarungen haben zwar ebenso wie Tarifverträge die Vermutung ihrer materiellen
Richtigkeit für sich, weil beide Seiten jederzeit inhaltsgleiche Tarifverträge fordern können (Senat
3. Dezember 2002 - 9 AZR 457/01 - BAGE 104, 55, zu A II 2 a cc (2) der Gründe) . Ziff. 2 Abs. 4
Unterabs. 1 Satz 1 der Teilzeitvereinbarung verleiht dem Arbeitgeber aber nicht unmittelbar ein
einseitiges Leistungsbestimmungsrecht. Vielmehr setzt die Leistungsbestimmung einen
Änderungsvertrag voraus. Er muss der Lehrkraft nach Ziff. 2 Abs. 2 der Teilzeitvereinbarung
angeboten werden. Die Leistungsbestimmung hat demnach keine tarifliche, sondern eine
vertragliche Grundlage. Der vom Berufungsgericht zitierte letzte Satz in Ziff. 2 Abs. 4 Unterabs. 1
der Teilzeitvereinbarung, wonach eine Änderung des Arbeitsvertrags nicht erfolgt, steht dem nicht
entgegen. Dieser Passus drückt nur die Rechtsnatur des zuvor beschriebenen einseitigen
Leistungsbestimmungsrechts aus. Dessen Grundlage muss jedoch erst durch Änderungsvertrag
geschaffen werden. Gemeint ist: “Eine dauerhafte Änderung des Arbeitsvertrags erfolgt nicht.”
26 Insofern unterscheidet sich Ziff. 2 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 der Teilzeitvereinbarung von dem
Arbeitsplatzsicherungstarifvertrag, den der Sechste Senat in seiner Entscheidung vom 28. Juni
2001 zu behandeln hatte und der selbst die Voraussetzungen eines Leistungsbestimmungsrechts
des Arbeitgebers regelte (- 6 AZR 114/00 - BAGE 98, 175, zu B III 2 b der Gründe) . Daher kann
auf sich beruhen, ob auch ein tariflich begründetes Leistungsbestimmungsrecht dem Begriff der
vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AltTZG, § 3 Abs. 1 Unterabs. 2
Satz 1 TV ATZ unterfiele.
27 (3) Bei den Bedarfsaufstockungen handelt es sich ferner um regelmäßige Arbeitszeit und nicht um
Überarbeit. Überarbeit ist Arbeit, die die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit im Rahmen eines auf
Grund bestimmter Umstände vorübergehenden zusätzlichen Arbeitsbedarfs überschreitet (vgl. zu
der Abgrenzung von Überstunden und Arbeit auf Abruf BAG 7. Dezember 2005 - 5 AZR 535/04 -
Rn. 23, BAGE 116, 267) . Diesen punktuellen situativen Bezug weisen die grundsätzlich auf die
Dauer eines Schuljahres ausgerichteten Bedarfsaufstockungen nicht auf, obwohl der
Beschäftigungsumfang im konkreten Fall einmal für einen kürzeren Zeitraum als für die Dauer
eines Schuljahres aufgestockt wurde.
28 (4) Die Berücksichtigung der aufgestockten Anzahl der Unterrichtsstunden bei der Bemessung der
“bisherigen wöchentlichen Arbeitszeit” setzt nach § 6 Abs. 2 Satz 1 AltTZG, § 3 Abs. 1 Unterabs. 2
Satz 1 TV ATZ voraus, dass die Leistungsbestimmung vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit
noch wirkte. Das trifft hier unmittelbar vor dem 1. August 2002 zu. Zuletzt gab der Beklagte der
Klägerin mit Wirkung vom 7. Januar 2002 einen Beschäftigungsumfang von 17/28
Unterrichtsstunden für die Dauer des laufenden Schuljahres bekannt. Nach § 33 Satz 1 des
Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen begann das Schuljahr 2001/2002 am 1. August 2001
und endete am 31. Juli 2002. Bis zu diesem Zeitpunkt war zwischen den Parteien ein
aufgestockter wöchentlicher Beschäftigungsumfang von 17 Unterrichtsstunden vereinbart.
29 3. Die Befristung der Bedarfsaufstockung bis 31. Juli 2002 steht dem nicht entgegen. Die
vereinbarte Arbeitszeit iSv. § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ muss nicht fiktiv in die am
1. August 2002 beginnende Altersteilzeitarbeit hineinreichen. Zugrunde zu legen ist nach § 6 Abs. 2
Satz 1 AltTZG, § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ die mit dem Arbeitnehmer vor dem
Übergang in die Altersteilzeitarbeit vereinbarte bisherige wöchentliche Arbeitszeit. Maßgeblich sind
hier im ersten Berechnungsschritt die bis 31. Juli 2002 vereinbarten 17 Unterrichtswochenstunden.
Die logische Sekunde zwischen dem Ende der Befristung am 31. Juli 2002, 24.00 Uhr, und dem
Beginn der Altersteilzeitarbeit am 1. August 2002, 0.00 Uhr, ist unschädlich. Auf die Wirksamkeit
der Befristung der Aufstockung kommt es also nicht an.
30 4. Der nach § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 TV ATZ errechnete Wert von 17 Unterrichtsstunden ist
in einem zweiten Berechnungsschritt mit dem Höchstwert des § 3 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 TV
ATZ zu vergleichen, der die Berechnungsbasis der vereinbarten Arbeitszeit begrenzt. Mit § 3
Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 TV ATZ folgten die Tarifpartner dem Vorbild der gesetzlichen Regelung
des § 6 Abs. 2 Satz 2 AltTZG, indem sie die gesetzliche Formulierung wörtlich übernahmen. Die
im Rahmen des Gesetzes zur Fortentwicklung der Altersteilzeit vom 20. Dezember 1999
geschaffene Vorschrift des § 6 Abs. 2 Satz 2 AltTZG soll Missbräuche durch eine vorübergehende
Anhebung der Arbeitszeit vor Beginn der Altersteilzeitarbeit ausschließen (BT-Drucks. 14/3392 S.
7; vgl. auch Senat 1. Oktober 2002 - 9 AZR 278/02 - BAGE 103, 54, zu II 2 a aa der Gründe) .
31 Nach dieser Regelung errechnet sich ein Durchschnittswert von 17,79 Unterrichtsstunden, weil
der Beklagte das Deputat der Klägerin von August 2000 bis Juli 2001 auf 19 Unterrichtsstunden
und in der Zeit vom 7. Januar 2002 bis Juli 2002 auf 17 Stunden aufgestockt hatte. Dem liegt
folgende Berechnung zugrunde:
-
Aus 19 Unterrichtsstunden x 52 Wochen = 988 Unterrichtsstunden in der Zeit vom
1. August 2000 bis 31. Juli 2001
-
zuzüglich 16 Unterrichtsstunden x 52 Wochen : 12 Monate x 5 Monate zuzüglich
16 Unterrichtsstunden = 362,66 Unterrichtsstunden in der Zeit vom 1. August 2001 bis
6. Januar 2002
-
zuzüglich 17 Unterrichtsstunden x 52 Wochen : 12 Monate x 7 Monate abzüglich
16 Unterrichtsstunden = 499,66 Unterrichtsstunden in der Zeit vom 7. Januar 2002 bis
31. Juli 2002
-
errechnen sich 1.850,32 Unterrichtsstunden in den 24 Monaten von August 2000 bis Juli
2002 : 104 Wochen = 17,79 Unterrichtswochenstunden.
32 5. Der ermittelte durchschnittliche Beschäftigungsumfang von 17,79 Unterrichtsstunden
überschreitet den letzten Beschäftigungsumfang vor dem Übergang in die Altersteilzeitarbeit am
1. August 2002 von 17 Stunden deutlich. Maßgeblich ist deshalb dieser letzte
Beschäftigungsumfang von 17 Unterrichtsstunden, ohne dass es auf die Frage der Rundung des
Durchschnittswerts ankäme (vgl. dazu Senat 14. August 2007 - 9 AZR 59/07 - Rn. 32 f., ZTR
2008, 150).
33 a) Dass lediglich die Unterrichtsbelastung der Lehrkräfte konkret geregelt wird, erklärt sich aus
den Besonderheiten des Lehrerberufs. Exakt messbar ist nur die Erteilung von Unterricht.
Dagegen entziehen sich der unterrichtsbezogene Aufwand für Vor- und Nacharbeiten sowie die
mit dem Schulbetrieb im Übrigen verbundenen Arbeiten wie Konferenzen, Elternbesprechungen,
die Teilnahme an schulischen Veranstaltungen usw. einer im Einzelfall festzulegenden Größe
(Senat 14. August 2007 - 9 AZR 59/07 - Rn. 34, ZTR 2008, 150; 3. April 2007 - 9 AZR 283/06 -
Rn. 69, AP BAT § 2 SR 2l Nr. 21; 13. Juni 2006 - 9 AZR 588/05 - Rn. 22, AP TVG § 1 Altersteilzeit
Nr. 30 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 21) .
34 b) Die Klägerin will in Wirklichkeit nur den “Zähler” der durchschnittlichen Arbeitszeit von
8,5 Unterrichtsstunden während des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses festgestellt wissen, obwohl
sie in ihren Antrag den “Nenner” - 28 Unterrichtsstunden - aufgenommen hat. Damit fügt die
Klägerin erklärend im Sinne einer Rechengröße das aktuelle volle Deputat hinzu. Ein
eigenständiges prozessuales Ziel verfolgt sie mit diesem Teil des Antrags nicht. Die statische
Berechnung des “Zählers” schließt spätere Änderungen der Tarifarbeitszeit nicht aus. Sie können
deswegen nicht für künftige Zeiträume festgestellt werden. Erhöhungen oder Minderungen der
tariflichen Arbeitszeit wirken sich allein auf den “Nenner” der Arbeitszeitberechnung aus. Das für
die Altersteilzeitarbeit geschuldete Entgelt erhöht oder verringert sich entsprechend.
35 6. Die zuletzt mit Schriftsatz vom 11. März 2008 angeführten Argumente des beklagten Freistaats
sind bereits im Einzelnen berücksichtigt. Es bedarf keiner weiteren Stellungnahme des Senats.
36 B. Mit Ausnahme der von der Klägerin durch die Anrufung des Arbeitsgerichts Dresden
verursachten Mehrkosten hat der unterlegene Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen
(§ 17b Abs. 2 Satz 2 GVG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Düwell
Krasshöfer
Gallner
Jungermann
Ropertz