Urteil des BAG vom 21.11.2013
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes
Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 72/13 vom 21.11.2013
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 21.11.2013, 2 AZR 474/12
Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes
Leitsätze
Die gesetzliche Anordnung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V (juris: SGB 5), derzufolge die
Vertragsverhältnisse der "nicht nach Abs. 3 untergebrachten" Beschäftigten mit dem Tag der
Schließung einer Innungs- oder Betriebskrankenkasse (§ 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V) enden, gilt
nur für den Fall, dass den Beschäftigten zuvor eine zumutbare Dienststellung iSv. Absatz 3 Satz
3 der Vorschrift erfolglos angeboten wurde.
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. April 2012
- 5 Sa 2555/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aus Anlass der
Schließung der Beklagten.
2 Die Beklagte ist eine - in Abwicklung befindliche - sog. geöffnete Betriebskrankenkasse
mit Hauptsitz in S. Sie beschäftigte im Juni 2011 etwa 400 Arbeitnehmer. An ihren
Standorten H, B und S waren Personalräte, am Hauptsitz zudem ein Hauptpersonalrat
gebildet.
3 Die im Jahr 1959 geborene Klägerin war seit Anfang 1991 beim Land Berlin als
Sozialversicherungsfachangestellte beschäftigt. Im Jahr 1999 ging ihr Arbeitsverhältnis auf
die Beklagte über. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für
die Beschäftigten der Betriebskrankenkassen (MTV) Anwendung. Dieser enthält in § 20
Abs. 1 die Regelung, dass der Beschäftigten nach Vollendung des 50. Lebensjahres und
einer zehnjährigen Beschäftigungszeit „nur aus einem in ihrer Person oder in ihrem
Verhalten liegenden wichtigen Grund fristlos gekündigt werden“ kann. Die Klägerin
verdiente zuletzt etwa 4.400,00 Euro brutto monatlich.
4 Mit Bescheid vom 4. Mai 2011 ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der
Beklagten zum 30. Juni 2011 an. Grund war deren Überschuldung und eine damit
einhergehende dauernde Leistungsunfähigkeit.
5 Am 20. April und 4. Mai 2011 unterrichtete die Beklagte den Hauptpersonalrat über die
bevorstehende Schließung. Sie teilte ihm ferner mit, dass sie beabsichtige, alle
Arbeitsverhältnisse vorsorglich außerordentlich zum 30. Juni 2011, hilfsweise fristgemäß
bzw. außerordentlich unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zu kündigen. Der
Hauptpersonalrat erhob dagegen Einwände.
6 Mit Schreiben vom 9. Mai 2011 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr
Arbeitsverhältnis aufgrund der Schließung am 30. Juni 2011 enden werde. Ein ihr vom
Landesverband der Betriebskrankenkassen unterbreitetes Angebot auf eine anderweitige
Beschäftigung nahm die Klägerin nicht an.
7 Mit Schreiben vom 19. Mai 2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis der Parteien
„vorsorglich“ außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30. Juni 2011, hilfsweise zum
31. Dezember 2011 als dem von ihr angenommenen „nächst möglichen Termin“.
8 Am 23. Juni 2011 schlossen die Parteien einen zunächst bis zum 30. Juni 2012
befristeten, sodann bis zum 31. Dezember 2012 verlängerten Arbeitsvertrag. Auf seiner
Grundlage war die Klägerin ab dem 1. Juli 2011 als „Teamleiterin“ tätig.
9 Mit ihrer Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses
aufgrund der Schließung und - rechtzeitig - gegen die Kündigung gewandt. Die Klägerin
hat gemeint, ihr Arbeitsverhältnis sei nicht nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V beendet
worden. Die Vorschrift müsse dahin ausgelegt werden, dass nur die Arbeitsverhältnisse
derjenigen Arbeitnehmer beendet würden, die ein zumutbares Angebot auf anderweitige
Unterbringung ausgeschlagen hätten. Ein solches sei ihr nicht unterbreitet worden. Die
vorsorglich erklärte Kündigung sei unwirksam. Die Schließung habe nicht zur Stilllegung
des Betriebs geführt. Die Beklagte habe über den Schließungszeitpunkt und den
31. Dezember 2011 hinaus Abwicklungsarbeiten durchgeführt. Auch sei der Personalrat
nicht ordnungsgemäß beteiligt worden.
10 Die Klägerin hat beantragt
1. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis nicht am 30. Juni 2011 beendet
worden ist;
2. festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten
vom 19. Mai 2011 nicht beendet worden ist.
11 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, mit ihrer Schließung
habe sie ihre Rechtspersönlichkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts verloren. Sie
sei damit als Arbeitgeberin „untergegangen“. Schon dies habe unmittelbar zur Beendigung
sämtlicher Arbeitsverhältnisse geführt. Zumindest habe das Arbeitsverhältnis der Parteien
kraft gesetzlicher Anordnung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V sein Ende gefunden. Die
Regelung sei verfassungskonform. Durch die unterschiedliche Behandlung der
Beschäftigten einer Innungskrankenkasse und der einer Betriebskrankenkasse werde
Art. 3 GG nicht verletzt. Die Unterscheidung sei nicht willkürlich. Die Sicherung eines
funktionierenden gesetzlichen Gesundheitssystems stelle ein überragend wichtiges
Gemeinschaftsgut dar. Das Interesse der Arbeitnehmer am Bestand ihrer
Arbeitsverhältnisse müsse dahinter zurücktreten. Ein zumutbares Angebot auf
anderweitige Unterbringung habe die Klägerin abgelehnt. Falls es darauf ankomme, sei
die vorsorglich erklärte Kündigung wirksam. Aufgrund ihrer Schließung seien sämtliche
Beschäftigungsmöglichkeiten entfallen. Die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin
ändere daran nichts. Das Gesetz überantworte die Abwicklung dem Vorstand. Sie beginne
ganz ohne eigenes Personal. Auf der Grundlage konkreter Prognosen zum
Beschäftigungsbedarf für die Dauer der Abwicklung würden sodann - wie mit der
Klägerin - befristete Arbeitsverträge geschlossen.
12 Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte
ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
13 Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage zu Recht
stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete am 30. Juni 2011 weder
unmittelbar dadurch, dass mit der Schließung der Beklagten die Arbeitgeberin der
Klägerin erloschen wäre, noch von Gesetzes wegen gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V
iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V. Es ist auch nicht durch die Kündigung(en) der Beklagten
vom 19. Mai 2011 aufgelöst worden.
14 A. Die Revision der Beklagten ist hinsichtlich aller Streitgegenstände zulässig. Dass sie
hinsichtlich der Entscheidung über den Antrag zu 2. nicht eigens begründet worden ist, ist
unschädlich.
15 I. Nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO gehört zum notwendigen
Inhalt der Revisionsbegründung die Angabe der Revisionsgründe. Bei einer Sachrüge
muss die Revisionsbegründung den vermeintlichen Rechtsfehler des
Landesarbeitsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des
Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss dazu eine Auseinandersetzung mit den
tragenden Argumenten des angefochtenen Urteils enthalten. Dies erfordert die konkrete
Darlegung der Gründe, aus denen das Urteil rechtsfehlerhaft sein soll (BAG 23. Mai 2013 -
2 AZR 120/12 - Rn. 17; 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - Rn. 12). Bei mehreren
Streitgegenständen muss im Fall einer unbeschränkt eingelegten Revision grundsätzlich
für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand,
ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine eigenständige Begründung ist nur dann
nicht erforderlich, wenn die Entscheidung über den einen Streitgegenstand notwendig von
der Entscheidung über den anderen abhängt. Mit der Begründung der Revision über den
einen Streitgegenstand ist dann zugleich dargelegt, dass die Entscheidung über den
anderen unrichtig ist (BAG 27. September 2012 - 2 AZR 811/11 - aaO; 9. April 1991 -
1 AZR 488/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 1).
16 II. In Anwendung dieser Grundsätze ist die Revision auch gegen die Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts über den Kündigungsschutzantrag zu 2. zulässig. Zwar fehlt es
insoweit an einer Auseinandersetzung der Beklagten mit dem Berufungsurteil. Dessen
bedurfte es jedoch nicht. Erwiese sich die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über
den Antrag zu 1. als unrichtig, hätte also das Arbeitsverhältnis der Parteien schon
aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, wäre damit zugleich die Entscheidung
über den Kündigungsschutzantrag hinfällig.
17 1. Stehen mehrere Beendigungstatbestände in Rede und macht der Kläger die
Unwirksamkeit der einzelnen Maßnahmen mittels Haupt- und unechten Hilfsantrags
geltend, besteht zwischen den Anträgen ein prozessuales Abhängigkeitsverhältnis. Ein
uneigentlicher Hilfsantrag wird gestellt für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags. Die
Rechtshängigkeit des Hilfsantrags ist demnach auflösend bedingt durch den Misserfolg
des Hauptantrags (BAG 10. März 2009 - 1 ABR 93/07 - Rn. 50, BAGE 130, 1). Sie endet
mit Bedingungseintritt rückwirkend, ohne dass es dafür eines besonderen gerichtlichen
Ausspruchs bedürfte. Ein über den Hilfsantrag bereits ergangenes, noch nicht formell
rechtskräftiges Urteil wird wirkungslos (BAG 12. August 2008 - 9 AZR 620/07 - Rn. 15,
BAGE 127, 214). Auch wenn sich der Revisionsangriff nur gegen die - stattgebende -
Entscheidung über den Hauptantrag richtet, tritt in einem solchen Fall bei erfolgreicher -
zur Abweisung dieses Antrags führender - Revision die auflösende Bedingung ein. Der
erfolgreiche Angriff gegen die Entscheidung über den Hauptantrag reicht damit aus, um
das angefochtene Urteil auch hinsichtlich des Hilfsantrags zu Fall zu bringen.
18 2. So liegt der Fall hier. Der Kündigungsschutzantrag zu 2. ist als unechter Hilfsantrag zu
verstehen. Die Klägerin will sich gegen die Kündigung nur zur Wehr setzen, falls das
Arbeitsverhältnis nicht schon durch die Schließung der Beklagten geendet hat.
19 a) Eine solchermaßen - auflösend - bedingte Antragstellung entspricht bei mehreren, zu
unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten erklärten Kündigungen dem (Kosten-
)Interesse des Kündigungsempfängers. Sie trägt überdies der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts Rechnung, nach der die Sozialwidrigkeit bzw. Unwirksamkeit einer
Kündigung dann nicht festgestellt werden kann, wenn die Auflösung des
Arbeitsverhältnisses aufgrund eines anderen - vor oder gleichzeitig mit Ablauf der
Kündigungsfrist wirkenden - Beendigungstatbestands zwischen den Parteien unstreitig
oder sie rechtskräftig festgestellt ist (vgl. BAG 11. Februar 1981 - 7 AZR 12/79 - zu B II 1
der Gründe). Gegen die Zulässigkeit eines entsprechend bedingten Antrags bestehen
keine Bedenken. Bei der fraglichen Bedingung handelt es sich um eine rein
innerprozessuale Rechtsbedingung. Unter eine solche Rechtsbedingung kann jeder
Klageantrag gestellt werden. Da der Antrag iSv. § 158 Abs. 2 BGB auflösend - und nicht
etwa aufschiebend - bedingt ist, vermag er, rechtzeitig gestellt, auch die Klagefrist des § 4
Abs. 1 KSchG ohne Weiteres zu wahren.
20 b) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Beklagte ihrerseits die Kündigung(en) vom 19. Mai
2011 nur „vorsorglich“ für den Fall erklärt hat, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht
bereits aufgrund der Schließung zum 30. Juni 2011 aufgelöst worden ist. Ihre
Kündigungserklärung steht damit unter der - ebenfalls zulässigen - auflösenden
Rechtsbedingung (§ 158 Abs. 2 BGB), dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
schon kraft Gesetzes eingetreten ist (vgl. für den Fall zweier Kündigungen BAG 23. Mai
2013 - 2 AZR 54/12 - Rn. 44). Tritt diese Bedingung ein, liegt schon eine
Kündigungserklärung als solche nicht mehr vor. Eine gleichwohl aufrechterhaltene
Kündigungsschutzklage ginge ins Leere und wäre unbegründet (vgl. BAG 16. Januar 1987
- 7 AZR 546/85 -). Auch aus diesem Grund ist der Kündigungsschutzantrag zu 2. als
unechter Hilfsantrag zu verstehen, mit dem die Klägerin sich gegen die „vorsorglich“
erklärte(n) Kündigung(en) ihrerseits nur „vorsorglich“ wehrt (vgl. für das Ergebnis auch
HaKo-KSchR/Gallner 4. Aufl. § 4 KSchG Rn. 64).
21 c) Falls schon die Schließung der Beklagten das Arbeitsverhältnis der Parteien beendet
hat, fallen somit - materiell-rechtlich - die Kündigungserklärung und - prozessrechtlich - der
Feststellungsantrag zu 2. samt der zu ihm ergangenen Entscheidung des
Landesarbeitsgerichts fort. Es genügt damit ein - zulässiger - Revisionsangriff der
Beklagten gegen die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, das Arbeitsverhältnis habe
nicht schon kraft Gesetzes sein Ende gefunden, um das Berufungsurteil auch hinsichtlich
der Entscheidung über den Kündigungsschutzantrag in Frage zu stellen.
22 3. Unabhängig vom Stufenverhältnis der Klageanträge ist ein erfolgreicher Angriff der
Beklagten gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über den Antrag zu 1. auch
aus materiell-rechtlichen Gründen ausreichend, um die Entscheidung über den
Kündigungsschutzantrag hinfällig werden zu lassen. Hat das Arbeitsverhältnis schon
aufgrund der Schließung der Beklagten geendet, kann die Kündigungsschutzklage gegen
die - zum selben bzw. einem späteren Termin erklärte(n) - Kündigung(en) keinen Erfolg
haben.
23 B. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht für
zulässig und begründet erachtet.
24 I. Die Klage ist zulässig.
25 1. Die Zulässigkeit der Klage setzt die Parteifähigkeit des Beklagten voraus. Die Beklagte
ist parteifähig.
26 a) Parteifähig ist, wer rechtsfähig ist (§ 50 Abs. 1 ZPO). Betriebskrankenkassen wie die
Beklagte sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung
(§ 29 SGB IV, § 4 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V). Sie sind damit - im Rahmen der ihnen
zugewiesenen Aufgaben (vgl. Krauskopf/Baier SGB IV § 29
Rn. 5) - parteifähig (vgl. MüKoZPO/Lindacher 4. Aufl. § 50 Rn. 21). Streiten die Parteien
gerade über die Existenz oder die Parteifähigkeit eines Prozessbeteiligten oder über die
sich aus deren Erlöschen ergebenden Folgen, ist die Parteifähigkeit als
Prozessvoraussetzung zu unterstellen (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR 215/03 - zu B I 1 b der
Gründe; 31. August 1983 - 4 AZR 104/81 -; für eine Gebietskörperschaft BGH 21. Oktober
1971 - II ZR 90/68 - zu A I der Gründe). Das Zivilprozessrecht sieht für die Klärung von
Rechtsansprüchen stets einen Prozess mit mindestens zwei Parteien vor.
Dementsprechend muss auch die Frage, ob eine der Parteien rechtlich existent ist, inter
partes geklärt werden können. Andernfalls wäre eine mit materieller Rechtskraft
ausgestattete Entscheidung dieser Frage nicht möglich (BAG 24. Juni 2004 - 2 AZR
215/03 - aaO).
27 b) Danach ist hier die Parteifähigkeit der Beklagten jedenfalls zu fingieren. Die Parteien
streiten über die Rechtsfolgen der Schließung der Beklagten für ihr Arbeitsverhältnis und
über die Wirksamkeit der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Kündigung. Diese
Fragen können einer der materiellen Rechtskraft fähigen Entscheidung nur zugeführt
werden, wenn die Beklagte unabhängig davon, ob und ggf. inwieweit sie gem. § 155
Abs. 1 Satz 2 SGB V weiterhin rechtsfähig ist, als parteifähig gilt.
28 2. Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen keine Bedenken.
29 a) Der Antrag zu 1. ist ein allgemeiner Feststellungsantrag iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. In der
Sache begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten
über den 30. Juni 2011 hinaus fortbesteht. Ob auch ein punktueller, dem
Kündigungsschutzantrag iSv. § 4 Satz 1 KSchG nachgebildeter Antrag zulässig wäre,
bedarf keiner Entscheidung (verneinend BAG 10. November 2011 - 6 AZR 357/10 -
Rn. 13, BAGE 139, 376; 28. November 2007 - 6 AZR 1108/06 - Rn. 15, BAGE 125, 70).
30 b) Das auf Seiten der Klägerin erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben.
31 aa) Der Antrag betrifft den durch die Beklagte mit Verweis auf ihre Schließung in Frage
gestellten Bestand des Arbeitsverhältnisses und damit das Bestehen eines
Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Er ist geeignet, den zwischen den
Parteien bestehenden Streit umfassend zu klären.
32 bb) Der Antrag ist auch nicht lediglich auf die Klärung einer Frage gerichtet, die im
Rahmen der Begründetheit des ebenfalls gestellten Kündigungsschutzantrags als
Vorfrage ohnehin beantwortet werden müsste; ein rechtliches Interesse an einem
eigenständigen Feststellungsbegehren wäre andernfalls nicht zu erkennen. Zwar kann der
Kündigungsschutzantrag der Klägerin nur Erfolg haben, wenn das Arbeitsverhältnis
jedenfalls bis zum Ablauf der mit der Kündigung verbundenen Auslauffrist(en) bestanden
hat. Dies wiederum kann positiv nur festgestellt werden, wenn das Arbeitsverhältnis nicht
schon am 30. Juni 2011 durch Schließung geendet hat. Das ist folglich auch im Rahmen
des Kündigungsschutzantrags zu prüfen. Jedoch ist hier der allgemeine
Feststellungsantrag als Haupt-, der Kündigungsschutzantrag als unechter Hilfsantrag
gestellt worden. In diesem Fall kann ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO für
den Hauptantrag nicht mit der Erwägung verneint werden, der mit ihm angegriffene
Auflösungstatbestand sei auch im Rahmen des - möglicherweise gar nicht zu
bescheidenden - Hilfsantrags zu überprüfen.
33 II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, das
Arbeitsverhältnis der Parteien sei weder aufgrund der Schließung der Beklagten noch
durch die außerordentliche(n) Kündigung(en) vom 19. Mai 2011 beendet worden.
34 1. Die Anträge sind nicht deshalb unbegründet, weil die Parteien bereits am 23. Juni 2011
einen für die Zeit vom 1. Juli 2011 bis zum 30. Juni 2012 befristeten Arbeitsvertrag
geschlossen und diesen später bis zum 31. Dezember 2012 verlängert haben. Damit
haben sie weder ihr unbefristetes Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. Juni 2011 -
konkludent - aufgehoben, noch hat die Klägerin auf ihr Recht verzichtet, den Fortbestand
des Arbeitsverhältnisses über den 30. Juni 2011 bzw. 31. Dezember 2011 hinaus geltend
zu machen. Ebenso wenig kann - umgekehrt - davon ausgegangen werden, die Parteien
hätten sich mit den Befristungsabreden zugleich über eine einvernehmliche Fortsetzung
ihres Arbeitsverhältnisses über den Schließungszeitpunkt bzw. die Kündigungstermine
hinaus verständigen wollen, so dass der Klage schon aus diesem Grund stattzugeben
wäre. Ihr Wille war vielmehr darauf gerichtet, losgelöst vom Streitgegenstand der bereits
anhängigen Klage eine Regelung über die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin
zum Zwecke anstehender Abwicklungsarbeiten zu treffen. Das ergibt die Auslegung der
Vereinbarungen. Diese kann der Senat - obgleich das Landesarbeitsgericht sie
unterlassen hat - selbst vornehmen. Der Sachverhalt ist vollständig festgestellt, weiteres
tatsächliches Vorbringen der Parteien steht nicht zu erwarten (vgl. dazu BAG 24. August
2011 - 7 AZR 228/10 - Rn. 53, BAGE 139, 109; 1. September 2010 - 5 AZR 700/09 -
Rn. 24 mwN, BAGE 135, 255).
35 a) Die Vereinbarungen über eine befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin sollten nicht
zur Aufhebung des zwischen den Parteien möglicherweise über den 30. Juni 2011 hinaus
bestehenden Arbeitsverhältnisses führen. Sie wurden erst getroffen, nachdem die Klägerin
die vorliegende Klage erhoben hatte. Die Klageschriften in den zunächst getrennt
geführten Verfahren waren der Beklagten bei Vertragsschluss am 23. Juni 2011 bereits
zugestellt. Sie musste deshalb - auch wenn dies nicht ihrer Auffassung entsprach - in
Rechnung stellen, dass das unbefristete Arbeitsverhältnis über die im
Kündigungsschreiben bezeichneten Auflösungstermine hinaus fortbestehen könnte. Die
Klägerin durfte das Angebot auf Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags bzw. dessen
Verlängerung deshalb so verstehen, dass damit das ursprüngliche Arbeitsverhältnis nicht
aufgehoben werden sollte (für ähnliche Sachverhalte BAG 24. August 2011 - 7 AZR
228/10 - Rn. 51, BAGE 139, 109; 18. Juni 2008 - 7 AZR 214/07 - Rn. 12).
36 b) Umgekehrt konnte die Klägerin den ihr angetragenen Vereinbarungen nicht entnehmen,
die Beklagte habe das ursprüngliche Arbeitsverhältnis über die strittigen
Auflösungszeitpunkte hinaus einvernehmlich fortsetzen wollen. Dem widerspricht neben
den Gesamtumständen die Präambel des befristeten Vertrags vom 23. Juni 2011. Dort hat
die Beklagte ihre Auffassung zum Ausdruck gebracht, weder Rechtsnachfolgerin der
geschlossenen Betriebskrankenkasse noch mit dieser identisch zu sein.
37 2. Die Klage ist auch nicht deshalb - zumindest teilweise - unbegründet, weil der Klägerin
für den Fall der Schließung der Beklagten ein „Rückkehrrecht“ zum Land Berlin zustünde.
Das gilt auch dann, wenn die Klägerin - wozu das Landesarbeitsgericht Feststellungen
nicht getroffen hat - einen Anspruch auf Abschluss eines neuen Arbeitsvertrags gegenüber
dem Land bereits erhoben haben sollte (vgl. dazu BAG 15. Oktober 2013 - 9 AZR 572/12 -
Rn. 28 ff.). Zum einen führte selbst die Realisierung dieses Anspruchs nicht ohne Weiteres
zur Beendigung eines mit der Beklagten fortbestehenden unbefristeten
Arbeitsverhältnisses. Zum anderen fehlt es an tatsächlichen Anhaltspunkten für die
Annahme, dass es zur Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Land Berlin
schon vor dem Wirksamwerden der Schließung der Beklagten oder dem Ende der
Auslauffristen hätte kommen können. Das sieht die Beklagte offenbar selbst nicht anders.
Sie beruft sich für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien nicht etwa auf
eine der Klägerin erteilte Rückkehrzusage.
38 3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht dadurch am 30. Juni 2011 geendet, dass
die Beklagte zu diesem Zeitpunkt wegen ihrer Schließung nach § 153 SGB V erloschen
und damit als Arbeitgeberin ipso iure weggefallen wäre.
39 a) Wird eine Betriebskrankenkasse gem. § 153 SGB V geschlossen, verliert sie ihre
rechtliche Existenz als mit öffentlich-rechtlichen Befugnissen ausgestatteter
Sozialversicherungsträger iSv. § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V (vgl. Krauskopf/Baier SGB V
als auch die Ämter der Selbstverwaltungsorgane, etwa des Verwaltungsrats (vgl.
Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 12; Krauskopf/Baier SGB V
jedoch nicht zum sofortigen Verlust ihrer Rechtspersönlichkeit als solcher. Gemäß § 155
Abs. 1 Satz 2 SGB V gilt die Betriebskrankenkasse vielmehr als fortbestehend, soweit es
der Zweck der Abwicklung erfordert. In diesem Rahmen ist sie uneingeschränkt
handlungsfähig und kann beispielsweise, wenn dieser Zweck es verlangt, auch neue
Arbeitsverhältnisse begründen (Becker/Kingreen/Mühlhausen aaO Rn. 13, 14; Hänlein
aaO Rn. 5; Krauskopf/Baier aaO Rn. 5). Erst mit vollständigem Abschluss der Abwicklung
geht sie endgültig unter (vgl. LPK-SGB V/Hänlein 4. Aufl. § 155 Rn. 2).
40 aa) Bereits der Wortlaut des § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V macht deutlich, dass die
Schließung der Betriebskrankenkasse nicht ihren sofortigen Untergang als Rechtssubjekt
zur Folge hat. Die Vorschrift geht ersichtlich davon aus, dass es nach der Schließung noch
der Abwicklung der Kasse bedarf. Sie fingiert zu diesem Zweck den Fortbestand der
juristischen Person und damit ihre Fähigkeit, in diesem auf die Abwicklung beschränkten
Rahmen weiterhin Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Offenkundig geht der
Gesetzgeber davon aus, dass derjenige Rechtsträger, der die Abwicklungsaufgaben
wahrnimmt, mit dem ursprünglichen identisch ist. Andernfalls könnte von einem
„Fortbestehen“ nicht die Rede sein (vgl. Rolfs GuP 2013, 8, 11; dens. NZA 2013, 529, 532;
Krauskopf/Baier SGB V § 155 Rn. 5). Die Auffassung, es entstehe mit
der Schließung der Betriebskrankenkasse eine eigenständige „neue Körperschaft des
öffentlichen Rechts in Abwicklung“ (Bohlen-Schöning KrV 2012, 101, 103; ähnlich Gutzeit
NZS 2012, 361, 365), ist mit dem Gesetzeswortlaut nicht vereinbar (so im Ergebnis auch
Rolfs NZA 2013, 529, 533; Wolter FS Bepler S. 675, 680).
41 bb) Auch aus dem Regelungszusammenhang ergibt sich, dass der Gesetzgeber von einer
Kontinuität und Identität der juristischen Person ausgegangen ist. Gemäß § 155 Abs. 1
Satz 1 SGB V wickelt der bisherige Vorstand die Geschäfte ab. Er bleibt dabei bis zur
vollständigen Abwicklung der Geschäfte im Amt. Die Aufsichtsbehörde bestellt gem. § 155
Abs. 1 Satz 3 SGB V einen Abwicklungsvorstand nur, wenn der alte Vorstand nicht mehr
tätig wird.
42 cc) Der Fortbestand der juristischen Person für die Dauer ihrer Abwicklung entspricht
zudem Sinn und Zweck von § 155 SGB V. Die Vorschrift soll die geordnete Beendigung
der bestehenden Rechtsbeziehungen und die Erfüllung offener Verbindlichkeiten
ermöglichen (Hauck/Noftz/Engelhard SGB V Bd. 4 K § 155
Rn. 9a). Beides setzt voraus, dass die ursprüngliche juristische Person jedenfalls für diese
Zwecke fortbesteht. Andernfalls bedürfte es der Übertragung der verbliebenen
Rechtsverhältnisse auf einen anderen Rechtsträger. Einen solchen Rechtsakt sieht das
Gesetz nicht vor.
43 dd) Die Entstehungsgeschichte von § 155 SGB V belegt ebenfalls, dass die
Betriebskrankenkasse als juristische Person erst nach ihrer vollständigen Abwicklung
erlischt. Die Vorschrift wurde durch Art. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im
Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz - GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I
S. 2477) eingeführt. § 155 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB V entspricht der Vorgängerregelung
in § 301 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 RVO (vgl. BT-Drucks. 11/2237 S. 211). Nach § 302 Abs. 1
RVO wiederum endeten die Vertragsverhältnisse der Angestellten, Ärzte und Zahnärzte
drei, nach dem Einführungsgesetz zur RVO teilweise zwölf Monate nach Mitteilung der
bevorstehenden Schließung, frühestens aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Schließung
der Betriebskrankenkasse. Dementsprechend konnte die Beendigung der
Vertragsverhältnisse ggf. auch erst nach der Schließung eintreten. Sie sollten bis zum
Zeitpunkt ihrer Beendigung nach normalen Grundsätzen abgewickelt werden (Kühne
Krankenversicherung 2. Aufl. § 302 RVO Nr. 2; Stier-Somlo Komm. zur RVO Bd. 1 § 302
Nr. 1). Daraus folgt, dass jedenfalls der Gesetzgeber der RVO nicht davon ausgegangen
ist, die Rechtspersönlichkeit einer Betriebskrankenkasse erlösche ipso iure im Zeitpunkt
ihrer Schließung. Dafür, dass der Gesetzgeber des SGB V dies anders gesehen hätte, gibt
es keinen Anhaltspunkt. Im Übrigen bliebe andernfalls unerklärlich, warum es einer
Regelung wie der des § 164 Abs. 4 SGB V bedurfte.
44 ee) Auch der zum Vergleich herangezogenen Vorschrift des § 49 Abs. 2 BGB - an die sich
der Gesetzgeber bei der Schaffung der Regelungen zur Abwicklung von
Betriebskrankenkassen angelehnt hat (vgl. Peters in HandB KV Bd. 4
1996> § 155 SGB V Rn. 4 unter Bezugnahme auf S. 194 der Begründung zu § 314 RVO) -
ist nicht zu entnehmen, dass Arbeitsverhältnisse mit dem Eintritt in das
Liquidationsstadium „automatisch“ ihr Ende fänden. Durch § 49 Abs. 2 BGB wird die
Rechtsfähigkeit des Vereins nicht bezüglich bestehender Rechte, sondern allenfalls für
den Erwerb neuer Rechte eingeschränkt (BGH 22. März 2011 - IX ZR 373/98 - zu III 2 a aa
der Gründe; Wolter FS Bepler S. 675, 680). An die Pflichten aus gegenseitigen Verträgen
ist der Verein weiterhin so gebunden wie vor dem Eintritt in die Liquidationsphase. Die
Kündbarkeit von Dauerschuldverhältnissen richtet sich in diesem Stadium nach
allgemeinen Grundsätzen (MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. § 49 Rn. 2 mwN; für die Beendigung
von Tarifverträgen bei Auflösung einer Tarifvertragspartei vgl. BAG 23. Januar 2008 -
4 AZR 312/01 - Rn. 23, BAGE 125, 314).
45 ff) Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Betriebskrankenkassen privatrechtlicher
Arbeitgeber, sondern auch für die Betriebskrankenkassen öffentlich-rechtlicher
Verwaltungen (§ 156 SGB V). Beide unterliegen denselben Regeln. § 156 SGB V
bestimmt, dass die §§ 147 bis 155 Abs. 4 SGB V für Dienstbetriebe von Verwaltungen des
Bundes, der Länder, der Gemeindeverbände oder der Gemeinden entsprechende
Anwendung finden. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Beklagte trotz ihrer Fusion mit
den Betriebskrankenkassen Ba und Be noch die Betriebskrankenkasse einer öffentlich-
rechtlichen Verwaltung - wie wohl ursprünglich - ist.
46 gg) Aus dem Umstand, dass das Amt des Datenschutzbeauftragten bei der Fusion von
Krankenkassen endet (BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 - Rn. 22 ff., BAGE 135,
327), folgt nichts anderes. Das Amtsende beruht auf den Besonderheiten des
Datenschutzrechts und der Verpflichtung der aus der Fusion hervorgegangenen
Krankenkasse, als „neue“ öffentliche Stelle einen Beauftragten für den Datenschutz
schriftlich zu bestellen. Im Übrigen führt die freiwillige Vereinigung von Krankenkassen
nicht etwa zu einer automatischen Beendigung der mit ihnen begründeten
Rechtsverhältnisse. Gemäß § 144 Abs. 4 SGB V bestehen diese vielmehr mit der aus der
Fusion hervorgegangenen Kasse fort (vgl. BAG 29. September 2010 - 10 AZR 588/09 -
Rn. 25, BAGE 135, 327; BSG 2. Dezember 2004 - B 12 KR 23/04 R - zu 2 a der Gründe;
jurisPK-SGB V/Koch 2. Aufl. § 144 Rn. 28).
47 b) Zur „Abwicklung der Geschäfte“ iSv. § 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V gehört die „Versorgung“
des Personals einer geöffneten Betriebskrankenkasse iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB
V (Becker/Kingreen/Mühlhausen SGB V 3. Aufl. § 155 Rn. 13; Hauck/Noftz/Engelhard
SGB V Bd. 4 K § 155 Rn. 9). Bei den Arbeitsverhältnissen der
betroffenen Mitarbeiter handelt es sich um - privatrechtliche - Rechtsbeziehungen, deren
ordnungsgemäßer Beendigung oder Überleitung die Vorschrift dient. Dabei kommt es
nicht darauf an, ob der einzelne Arbeitnehmer für die Durchführung der
Abwicklungsarbeiten benötigt wird oder nicht (aA Gutzeit NZS 2012, 361, 365). Bei den
Regelungen in § 301, § 302 Abs. 1 RVO ging der Gesetzgeber davon aus, dass ggf.
sämtliche Arbeitsverhältnisse über den Zeitpunkt der Schließung hinaus fortbeständen.
§ 301 RVO war nicht auf die Vertragsverhältnisse von Mitarbeitern beschränkt, die für die
Abwicklung benötigt wurden. Dass der Gesetzgeber des SGB V eine solche
Differenzierung hätte einführen wollen, ist nicht erkennbar.
48 4. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht mit Ablauf des 30. Juni 2011 kraft Gesetzes
nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V geendet. Es war zum
Schließungszeitpunkt gem. § 20 Abs. 1 MTV ordentlich nicht mehr kündbar. Bei
sachgerechtem Verständnis der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 3,
Abs. 4 SGB V hätte es deshalb allenfalls bei Ablehnung eines den Vorgaben des § 164
Abs. 3 Satz 4 SGB V genügenden Angebots geendet. Diese Voraussetzung ist im Streitfall
nicht erfüllt. Die Beklagte hat nicht ausreichend dargetan, dass der Klägerin ein
entsprechendes Angebot unterbreitet worden wäre. Das geht zu ihren Lasten.
49 a) Die Abwicklung der Geschäfte einer von der Aufsichtsbehörde geschlossenen
Betriebskrankenkasse richtet sich nach § 155 SGB V. Gemäß § 155 Abs. 4 Satz 9 SGB V
gilt - jedenfalls nach Schließung einer iSv. § 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V für
Betriebsfremde geöffneten Betriebskrankenkasse - § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V
entsprechend. Allerdings gilt § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V nur für Beschäftigte, deren
Arbeitsverhältnis nicht durch ordentliche Kündigung beendet werden kann. Da die
Klägerin zu diesem Personenkreis zählt, kommt es im Streitfall auf die gesetzliche
Einschränkung nicht an.
50 b) Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V enden die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten von
Innungskrankenkassen, die nicht nach Abs. 3 der Regelung untergebracht werden, mit
dem Tag der Auflösung oder Schließung der Kasse. Vertragsgemäße Rechte, zu einem
früheren Zeitpunkt zu kündigen, bleiben nach § 164 Abs. 4 Satz 2 SGB V unberührt.
51 aa) Gemäß § 164 Abs. 3 Satz 1 SGB V sind die Dienstordnungsangestellten verpflichtet,
eine vom Landesverband der Innungskrankenkassen nachgewiesene
dienstordnungsmäßige Stellung bei ihm oder einer anderen Innungskrankenkasse
anzutreten, wenn die Stellung nicht in auffälligem Missverhältnis zu den Fähigkeiten der
Angestellten steht.
52 bb) Den übrigen Beschäftigten ist nach § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V bei dem
Landesverband der Innungskrankenkassen oder einer anderen Innungskrankenkasse
eine Stellung anzubieten, die ihnen unter Berücksichtigung ihrer Fähigkeiten und
bisherigen Dienststellung zuzumuten ist.
53 cc) In § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V ist bestimmt, dass jede Innungskrankenkasse verpflichtet
ist, entsprechend ihrem Anteil an der Zahl der Versicherten aller Innungskrankenkassen
„dienstordnungsmäßige Stellungen“ nach Satz 1 nachzuweisen und „Anstellungen“ nach
Satz 3 anzubieten; die Nachweise und Angebote sind den Beschäftigten in geeigneter
Form zugänglich zu machen.
54 c) Die Beendigung der Arbeitsverhältnisse mit Schließung der Kasse tritt nur ein, wenn
den Betroffenen bei dem Landesverband der Betriebskrankenkassen oder einer
Betriebskrankenkasse eine Stellung angeboten wurde, die den Vorgaben des § 164
Abs. 3 SGB V genügt, und sie ein solches Angebot abgelehnt haben. Nur in einem
solchen Fall sind sie iSv. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V „nicht untergebracht“ worden. Das
ergibt die Auslegung.
55 aa) Im Schrifttum werden die Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1,
Abs. 3 Satz 3 SGB V insoweit uneinheitlich interpretiert.
56 (1) Zum Teil wird angenommen, das Arbeitsverhältnis ende, wenn eine
Weiterbeschäftigung tatsächlich nicht erfolge. Die Vorschrift unterscheide nicht danach, ob
und aus welchen Gründen es an einer Anschlussbeschäftigung fehle. Sie knüpfe lediglich
an dieses Faktum an (Engelhard in Hauck/Noftz SGB V Bd. 4 K
§ 164 Rn. 36, 37; Peters in HandB KV Bd. 2 § 164 SGB V Rn. 12;
Grau/Sittard KrV 2012, 6, 8; wohl auch Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87; Hänlein in
LPK-SGB V 4. Aufl. § 164 Rn. 9).
57 (2) Überwiegend wird die Ansicht vertreten, den Beschäftigten müsse erfolglos eine
zumutbare Unterbringung nach § 164 Abs. 3 SGB V angeboten worden sein, um die Folge
einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V auszulösen.
Das Arbeitsverhältnis ende allenfalls bei Ablehnung der Weiterbeschäftigung auf einer
solchen Stelle (Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272; Rolfs GuP 2013, 8, 9; ders.
NZA 2013, 529, 531; Wolter FS Bepler S. 675, 677; Dalichau SGB V Bd. 3
1. Dezember 2012> § 155 S. 21; ders. SGB V Bd. 3 § 164 S. 11;
Székely in Brall/Kerschbaumer/Scheer/Westermann §§ 146a, 153, 155, 163, 164, 170, 171
SGB V Rn. 10; wohl auch Krauskopf/Baier SozKV Bd. 2 § 164 SGB V
Rn. 22).
58 bb) Die zuletzt genannte Auffassung trifft im Ergebnis zu.
59 (1) Der Wortlaut des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist für die zu beantwortende Frage
allerdings wenig ergiebig. Dass die Vertragsverhältnisse der Beschäftigten, „die nicht nach
§ 164 Abs. 3 SGB V untergebracht werden“, mit dem Tag der Schließung der Kasse
enden, lässt offen, ob nur die Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten enden sollen, denen
ein Angebot iSv. § 164 Abs. 3 SGB V erfolglos unterbreitet worden ist, oder auch die
derjenigen, die ein solches Angebot nicht erhalten haben. Es ist sprachlich nicht
ausgeschlossen, einen Beschäftigten auch dann als „nicht untergebracht“ anzusehen,
wenn ihm eine Unterbringung gar nicht oder nicht zumutbar angeboten wurde. Der
Wortsinn gibt beides her (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 677).
60 (2) Schon der systematische Zusammenhang von Absatz 3 und Absatz 4 des § 164
SGB V spricht aber dafür, dass eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse aufgrund
Gesetzes nur dann eintreten soll, wenn dem Beschäftigten zuvor eine zumutbare
anderweitige Stellung erfolglos angeboten worden ist.
61 (a) § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V nimmt auf Absatz 3 der Vorschrift Bezug. Die Regelungen
stehen in einem untrennbaren Zusammenhang. Nur die Vertragsverhältnisse derjenigen
Beschäftigten, „die nicht nach Absatz 3 untergebracht werden“, enden mit dem Tag der
Schließung.
62 (b) § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V verpflichtet alle Kassen, entsprechend der Anzahl ihrer
Versicherten „Anstellungen nach Satz 3 anzubieten“. Im Wortlaut des Gesetzes findet sich
dabei kein Anhaltspunkt für die Annahme, es könnten sich einzelne Kassen unter
bestimmten Voraussetzungen weigern, Personal - übersteige dies auch ihren Bedarf -
aufzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87 mwN). Die Gesetzesbegründung
spricht für das Gegenteil. Mit § 164 Abs. 3 Satz 4 SGB V sollte der Verteilungsmodus für
Weiterbeschäftigungsangebote unter den Kassen geregelt werden. Wegen des
zunehmenden Wettbewerbs auch zwischen Krankenkassen derselben Kassenart könne
nicht davon ausgegangen werden, dass diese über ein ausreichendes
Selbstorganisationspotential verfügten, um den Beschäftigten einer behördlich
geschlossenen Kasse Arbeitsplatzangebote in ausreichender Zahl zukommen zu lassen
(BT-Drucks. 16/9559 S. 19). Der Gesetzgeber hat folglich die mögliche Überforderung
einzelner Kassen durchaus erkannt und berücksichtigt (vgl. Mühlhausen in
Becker/Kingreen SGB V 3. Aufl. § 164 Rn. 15; Klimpe-Auerbach SozSich 2011, 270, 272;
Koch in jurisPK-SGB V 2. Aufl. § 164 Rn. 15; wohl auch Baier in
Krauskopf/Baier SGB V § 164 Rn. 20). Gleichwohl hat er in § 164
Abs. 3 Satz 4 SGB V eine Verpflichtung zur Angebotsabgabe vorgesehen. Für die
Annahme, die Verpflichtung könne wegen Überforderung einzelner Kassen entfallen -
wenn auch mit der Folge, dass an ihre Stelle ein verschuldensunabhängiger
Schadenersatzanspruch des betroffenen Beschäftigten trete (vgl. Grau/Sittard KrV 2012, 6,
8) - ist angesichts dessen kein Raum (so auch Wolter FS Bepler S. 675, 681). Zur
Wahrung ihrer Wirtschaftlichkeit bleibt den Kassen nur die Möglichkeit, nach einer
Personalübernahme ggf. Anpassungsmaßnahmen mit den Mitteln des Vertrags- und des
Kündigungsrechts vorzunehmen (vgl. Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87).
63 (c) Ist danach jedem Beschäftigten, dessen Arbeitsverhältnis ordentlich unkündbar ist,
zwingend ein zumutbares Anstellungsangebot zu unterbreiten, spricht dies angesichts der
Verknüpfung zwischen Abs. 3 und Abs. 4 des § 164 SGB V für ein Verständnis,
demzufolge Beschäftigte nur dann „nicht untergebracht werden“, wenn sie ein solches
Angebot zwar bekommen, aber abgelehnt haben. Dazu, dass Beschäftigte „nicht
untergebracht werden“, kann es angesichts des Angebotszwangs typischerweise nur
kommen, wenn diese sich weigern, untergebracht zu werden.
64 (3) Die Richtigkeit dieses Verständnisses folgt ferner aus Sinn und Zweck der Regelungen
in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V.
65 (a) Die Bestimmungen in § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V (vormals § 173 Abs. 2 bis 4 SGB V idF
des GRG vom 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) tragen nach dem Willen des
Gesetzgebers den Interessen des von der Auflösung oder Schließung einer
Innungskrankenkasse betroffenen Personals Rechnung. Es soll eine Übernahme der
Beschäftigten zu denselben oder mindestens gleichwertigen Bedingungen erfolgen. Nur in
Fällen, in denen eine Weiterbeschäftigung nicht möglich ist, sollen die
Vertragsverhältnisse enden (vgl. die Begründung zu § 173 Abs. 3 bis 5 des Entwurfs, BT-
Drucks. 11/2237 S. 212). „Nicht möglich“ ist die Weiterbeschäftigung mit Blick auf die nach
§ 164 Abs. 3 Satz 3 (vormals § 173 Abs. 3 Satz 3) SGB V bestehende
Angebotsverpflichtung aber nur, wenn der Beschäftigte eine entsprechende Offerte
ausgeschlagen hat.
66 (b) Diesen Gedanken hat der Gesetzgeber bei der Einfügung des § 155 Abs. 4 Satz 9
SGB V durch das Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der
gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG) im Jahr 2008 aufgegriffen. Durch die
entsprechende Anwendung von § 164 Abs. 2 bis 4 SGB V sollten auch im Bereich der
Betriebskrankenkassen die Beschäftigungsansprüche der Dienstordnungsangestellten -
die es bei diesen Kassen allerdings gar nicht gibt - und die der übrigen Beschäftigten in
unkündbarer Stellung insofern gesichert werden, als ihnen bei den anderen
Betriebskrankenkassen eine ihrer bisherigen Stellung entsprechende Stelle anzubieten ist
- so wie dies neben den Innungs- auch für die Ortskrankenkassen und generell als Folge
von kassenartenübergreifenden Fusionen in § 171a SGB V bereits geregelt war (BT-
Drucks. 16/9559 S. 19). Von einer „Sicherung der Ansprüche“ könnte schwerlich die Rede
sein, wenn auch ohne Erfüllung dieser Verpflichtung aus § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V die
Arbeitsverhältnisse im Schließungszeitpunkt nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4
Satz 1 SGB V endeten.
67 (c) Die Gesetzesmaterialien enthalten keine Anhaltspunkte dafür, dass gleichwohl alle
Vertragsverhältnisse unabhängig von einer Erfüllung des Unterbringungsanspruchs im
Zeitpunkt der Schließung auslaufen sollten, etwa um der behördlich geschlossenen Kasse
Planungssicherheit in der Abwicklungsphase zu geben oder die Leistungsfähigkeit des
Kassenverbunds nicht zu gefährden (ebenso Rolfs GuP 2013, 8, 9 f., 12 und NZA 2013,
529, 531; aA Grau/Sittard KrV 2012, 6, 19; Gutzeit NZS 2012, 361, 366 und NZS 2012,
410, 413 f.). Bei einem solchen Regelungsziel bliebe überdies unklar, warum § 164 Abs. 4
Satz 1 SGB V überhaupt darauf abstellt, ob die Beschäftigten „untergebracht werden“. Es
hätte dann näher gelegen, voraussetzungslos die Beendigung aller Arbeitsverhältnisse
zum Schließungszeitpunkt vorzusehen. Im Übrigen wäre die Leistungsfähigkeit der
Kassen angesichts der Haftungsregelungen in § 155 Abs. 4 SGB V auch dann betroffen,
wenn den Arbeitnehmern - wie im Schrifttum vorgeschlagen - bei Nichterfüllung der Pflicht
zur Abgabe eines zumutbaren Angebots Schadenersatzansprüche zuzubilligen wären.
Der Einwand, wenn der Gesetzgeber die Unterbreitung eines Angebots vorausgesetzt
hätte, hätte er sprachlich ebenso leicht eine Beendigung der Arbeitsverhältnisse auf
diejenigen Arbeitnehmer beschränken können, die ein zumutbares Stellenangebot nicht
annähmen, trägt demgegenüber nicht. Die Formulierung in § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V soll
ersichtlich beide Alternativen des Unterbringungsverfahrens nach § 164 Abs. 3 SGB V
erfassen: den Nachweis einer „dienstordnungsmäßigen Stellung“ gegenüber
Dienstordnungsangestellten - die diese anzunehmen verpflichtet sind - nach den Sätzen 1
und 2 der Bestimmung und das Angebot einer „Stellung“ gegenüber den übrigen
Arbeitnehmern nach Satz 3. Auf die erste Alternative passt aber die hypothetische
Formulierung nicht.
68 (d) Die andere Lesart von § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V ist auch nicht deshalb geboten, weil
der Gesetzgeber die Anregung des BKK-Bundesverbands in dessen Stellungnahme zum
GKV-OrgWG nicht aufgegriffen hat, die Regelung eben dahin zu fassen, dass die
Beendigung nur eintrete, wenn eine Beschäftigung nach § 164 Abs. 3 SGB V abgelehnt
werde (Ausschussdrucks. 16(14)0410(30) vom 17. September 2008 S. 3). Nach dem
eigenen Bekunden des Verbands sollte dies lediglich der Klarstellung dienen, nicht aber
eine sachliche Änderung der gesetzlichen Bestimmung bewirken.
69 (e) Die Verpflichtung zur Unterbringung ist zudem Ausdruck des Umstands, dass die
Schließung bei kassenübergreifender Betrachtung nicht zum Wegfall des
Beschäftigungsbedarfs führt. Die Versicherungsverträge der bei der geschlossenen Kasse
versicherten Personen müssen „im System“ der gesetzlichen Krankenkassen weiterhin
verwaltet werden. Dementsprechend sieht das Gesetz auch für andere Fälle von
Strukturänderungen im Kassenwesen unabdingbare Verpflichtungen zur Übernahme des
Personals vor, so bei freiwilligen Vereinigungen von Kassen in § 144 Abs. 4 Satz 2
SGB V, bei Ablehnung der Kostenübernahme durch den Arbeitgeber in § 147 Abs. 2
Satz 4 ff. SGB V und bei der Umwandlung der Bundesverbände in Gesellschaften des
bürgerlichen Rechts in §§ 212, 213 SGB V.
70 (4) Mögliche praktische Schwierigkeiten bei der Durchführung des Verfahrens zur
Unterbringung der Beschäftigten nach § 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V sind nicht
geeignet, das Ergebnis der Auslegung, die Beendigung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V
setze die Unterbreitung eines zumutbaren Stellenangebots voraus, in Frage zu stellen. Sie
bestehen unabhängig davon, unter welchen Voraussetzungen die Beendigung nach § 164
Abs. 4 Satz 1 SGB V eintritt, will man nicht annehmen, dass Abs. 3 Satz 3 und 4 der
Bestimmung gar nicht praktisch beachtet werden muss. Zudem hat es die
Aufsichtsbehörde bei der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Schließung wirksam
werden soll, nach § 153 Satz 2 SGB V in der Hand, auf eine ggf. „zeitkritische Dimension“
(Bohlen-Schöning KrV 2011, 85, 87) des Unterbringungsverfahrens Bedacht zu nehmen.
Durch § 172 SGB V ist ferner sichergestellt, dass der zuständige Landesverband von der
drohenden Schließung Kenntnis erlangt. Er kann damit rechtzeitig geeignete
Vorkehrungen mit Blick auf die Verpflichtungen aus § 164 Abs. 3 SGB V treffen. Im
Übrigen wäre auch der - von der Beklagten favorisierte - Weg, bei Nichterfüllung der
Verpflichtung zur Unterbreitung von Stellenangeboten zwar die Beendigung der
Arbeitsverhältnisse, aber zugleich die Entstehung von Schadenersatzansprüchen
anzunehmen, mit ähnlichen Schwierigkeiten verbunden. So wäre insbesondere fraglich,
gegen wen sich der Anspruch richten soll und wie sich ein Schaden bemisst. Die damit
verbundenen Risiken müsste der Arbeitnehmer tragen, obwohl nach dem Willen des
Gesetzgebers „eigentlich“ dessen tatsächliche Weiterbeschäftigung gesichert werden
sollte.
71 (5) Angesichts dessen kann offenbleiben, ob nicht mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG eine
verfassungskonforme Auslegung in jedem Fall zu dem Ergebnis kommen müsste, dass
nach § 155 Abs. 4 Satz 9 iVm. § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V eine Beendigung der ordentlich
unkündbaren Arbeitsverhältnisse von Kassenbeschäftigten nur eintreten soll, wenn diese
ein iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V zumutbares Angebot zur Weiterbeschäftigung bei
einer anderen Kasse oder beim zuständigen Landesverband abgelehnt haben (vgl. dazu
Boemke jurisPR-ArbR 38/2012 Anm. 2; dens. jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4).
72 d) Der Klägerin wurde ein zumutbares Angebot iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V vor
Schließung der Beklagten nicht unterbreitet. Es kann deshalb dahinstehen, ob die
gesetzliche Anordnung der Beendigung von ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnissen
der Kassenbeschäftigten jedenfalls in solchen Fällen verfassungsgemäß ist, in denen
diese ein zumutbares Angebot nicht angenommen haben (dazu Rolfs GuP 2013, 8, 10;
ders. NZA 2013, 529, 531, 534 ; Wolter FS
Bepler S. 675, 686; Gutzeit NZS 2012, 410, 414: zur generellen Verfassungskonformität
der Regelungen in § 155 Abs. 4 Satz 9, § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Zwar wurde der
Klägerin die Weiterbeschäftigung bei einem der nach § 164 Abs. 3 SGB V infrage
kommenden Träger der Sozialversicherung angeboten. Keine der Parteien hat aber
vorgetragen, welchen Inhalt das Angebot hatte. Dies geht zu Lasten der Beklagten. Das
Landesarbeitsgericht durfte aus diesem Grund ohne weitere Sachprüfung vom Fehlen der
Voraussetzungen für eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 164 Abs. 4 Satz 1
SGB V ausgehen.
73 aa) Die Darlegungs- und Beweislast für die Unterbreitung eines zumutbaren Angebots iSv.
§ 164 Abs. 3 Satz 3, Satz 4 SGB V trifft die Krankenkasse, soweit sie sich - wie hier die
Beklagte - auf die Beendigungswirkung des § 164 Abs. 4 Satz 1 SGB V berufen will.
74 (1) Dies folgt aus den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts. Danach trägt die
Darlegungslast diejenige Partei, die sich auf eine für sie günstige Rechtsfolge beruft. Es
folgt ferner aus dem Ausnahmecharakter der fraglichen Regelung: Es enden lediglich die
Vertragsverhältnisse derjenigen Beschäftigten, „die nicht nach Abs. 3 untergebracht
werden“.
75 (2) Schutzwürdige Belange der Beklagten stehen dem nicht entgegen. Als die von der
Schließung betroffene Krankenkasse steht sie in einem engen und unmittelbaren Kontakt
mit den infrage kommenden Arbeitgebern, insbesondere dem zuständigen
Landesverband. Diesem obliegt es, die Angebote zu koordinieren. Die Verpflichtung aus
§ 164 Abs. 3 Satz 4 Halbs. 2 SGB V, das Angebot „den Beschäftigten in geeigneter Form
zugänglich zu machen“, nimmt - jedenfalls auch - die Beklagte als die von der Schließung
betroffene Kasse in den Blick. Sie muss deshalb darlegen, dass der gesetzlichen
Anforderung Genüge getan ist. Erst wenn sie dieser Obliegenheit nachgekommen ist,
kann eine prozessuale Verpflichtung des Arbeitnehmers in Betracht kommen aufzuzeigen,
in welchen Punkten das Angebot den Vorgaben des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V - etwa mit
Blick auf vorteilhaftere Beschäftigungsmöglichkeiten beim Landesverband oder anderen
Betriebskrankenkassen - unzumutbar sein soll, sofern nicht die Unzumutbarkeit offen
zutage tritt (zur abgestuften Darlegungslast vgl. BAG 27. September 2012 - 2 AZR 516/11 -
Rn. 28, BAGE 143, 177).
76 bb) Die Beklagte hat ihrer Darlegungslast nicht genügt. Zwar steht fest, dass die Klägerin
ein ihr unterbreitetes Angebot ausgeschlagen hat. Sie hatte sich jedoch auf dessen
Unzumutbarkeit berufen. Es war deshalb Sache der Beklagten, zunächst den konkreten
Inhalt des Angebots darzutun. Dieser Verpflichtung ist sie - obwohl in den Vorinstanzen
ausdrücklich hierzu aufgefordert - nicht nachgekommen. Das Landesarbeitsgericht hat
angenommen, die entsprechende Darlegung sei der Beklagten möglich gewesen. Es hat
in diesem Zusammenhang auf § 2 Abs. 2 Nr. 1 und § 3 Abs. 1 der Satzung des BKK-
Landesverbands Baden-Württemberg und die sich daraus ergebende Auskunftspflicht
gegenüber der Beklagten verwiesen. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten.
77 cc) Damit kann offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen eine angebotene Stellung
den Beschäftigten iSv. § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V „unter Berücksichtigung ihrer
Fähigkeiten und bisherigen Dienststellung zuzumuten ist“ (dazu Grau/Sittard KrV 2012, 6,
7; Peters in HandB KV Bd. 4 § 164 SGB V Rn. 10; Boemke
jurisPR-ArbR 25/2012 Anm. 4) und bis wann das Angebot zu erfolgen hat (dazu
Jahn/Klose SGB V § 164 Rn. 26).
78 dd) Auf die befristete Weiterbeschäftigung der Klägerin kommt es nicht an. Eine solche
Beschäftigung genügt nicht den Anforderungen des § 164 Abs. 3 Satz 3 SGB V. Ein
Angebot im Sinne dieser Vorschrift liegt auch nicht in dem Hinweis der Beklagten, die
Klägerin könne von einem Rückkehrrecht zum Land Berlin Gebrauch machen. Die
Regelungen in § 164 Abs. 3 SGB V zielen nicht auf eine Weiterbeschäftigung bei einem
anderen Arbeitgeber als einer gesetzlichen Krankenkasse.
79 5. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat weder aufgrund der außerordentlichen
Kündigung vom 19. Mai 2011 mit Wirkung zum 30. Juni 2011 noch aufgrund der zeitgleich
erklärten außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist bis zum 31. Dezember 2011 bzw.
„nächst möglichen Termin“ geendet.
80 a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem
ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unwirksam. Sie setzt voraus, dass dem
Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar ist.
Das ist bei einer betriebsbedingten Kündigung regelmäßig nicht der Fall. Dem Arbeitgeber
ist es, wenn eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer aus betrieblichen
Gründen entfällt, selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG
24. Januar 2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22 mwN). Ist die Möglichkeit zur ordentlichen
Kündigung - wie im Streitfall - ausgeschlossen, kann der Arbeitgeber aber berechtigt sein,
eine außerordentliche Kündigung mit einer der ordentlichen Kündigungsfrist
entsprechenden Auslauffrist zu erklären, wenn er den Arbeitnehmer andernfalls trotz
Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für erhebliche Zeiträume vergüten müsste,
ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 24. Januar
2013 - 2 AZR 453/11 - Rn. 22; 18. März 2010 - 2 AZR 337/08 - Rn. 17).
81 b) Danach liegt hier ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB iVm. § 20 Abs. 1 MTV nicht
vor. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe im
Kündigungszeitpunkt nicht von einem Wegfall des Beschäftigungsbedarfs für die Klägerin
ausgehen dürfen. Dies zeige schon deren am 23. Juni 2011 vereinbarte befristete
Weiterbeschäftigung. Die Beschäftigung sei sogar auf eine Zeit über den 31. Dezember
des Jahres 2012 hinaus ausgerichtet gewesen. Diese Würdigung lässt keinen
Rechtsfehler erkennen. Wegen der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung fehlt es bereits
an den Voraussetzungen, unter denen eine ordentliche Kündigung iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1
KSchG als sozial gerechtfertigt angesehen werden könnte. Umso weniger kann eine
außerordentliche Kündigung - selbst bei Einhaltung einer Auslauffrist - Bestand haben.
82 C. Als unterlegene Partei hat die Beklagte gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der
Revision zu tragen.
Kreft
Rachor
Berger
Bartz
Grimberg