Urteil des BAG vom 24.03.2010
Zur Anwendung eines Spartentarifvertrags Nahverkehrsbetriebe - keine Tarifpluralität oder Tarifkonkurrenz im Fall der gleichzeitigen Geltung des TV-V und des TV-N NW
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 24.3.2010, 4 AZR 713/08
Zur Anwendung eines Spartentarifvertrags Nahverkehrsbetriebe - keine Tarifpluralität oder
Tarifkonkurrenz im Fall der gleichzeitigen Geltung des TV-V und des TV-N NW
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm
vom 10. Juni 2008 - 4 Sa 89/08 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten darüber, ob auf das Arbeitsverhältnis des Klägers der zwischen der
Vereinigung kommunaler Arbeitgeberverbände und - ab dem ersten Änderungstarifvertrag - ua.
der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft e.V.(ver.di) abgeschlossene Tarifvertrag
Versorgungsbetriebe (TV-V) vom 5. Oktober 2000 oder der zwischen dem Kommunalen
Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen (KAV NW) und der Gewerkschaft Öffentliche Dienste
Transport und Verkehr, Bezirk Nordrhein-Westfalen I und II und der Deutschen
Angestelltengewerkschaft, Landesbezirk NRW unter Bezugnahme auf § 1a BMT-G bzw. § 1a
BAT abgeschlossene Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW) vom 25. Mai 2001
anzuwenden ist.
2 Der Kläger ist bei der Beklagten auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 3. Januar 1995 als
Busfahrer beschäftigt.
3 Im Arbeitsvertrag heißt es ua.:
„§ 2
Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages
für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich
abgeschlossenen Tarifverträge - insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-
G/NRW) - in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an deren Stelle
tretenden Tarifverträge. Daneben finden die sonstigen Tarifverträge für den Bereich des
Arbeitgebers Anwendung.
§ 8
Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auch jede andere Arbeit auszuführen, wenn für ihn
berufsübliche Arbeiten nicht zu erledigen sind.“
4 Die Beklagte, die Mitglied im KAV NW ist, erfüllt zusammen mit fünf Tochterunternehmen
Aufgaben der kommunalen öffentlichen Daseinsvorsorge. Sie beschäftigt ca.
730 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sie übt die zentrale Leitung für Mutter- und
Tochterunternehmen aus, namentlich durch die kaufmännische Leitung und Abwicklung. Es
besteht ein einheitlich von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Beklagten wie auch der
Tochtergesellschaften gewählter Betriebsrat. Die Aktivitäten, die im Bereich der Aufgabenerfüllung
des öffentlichen Nahverkehrs anfallen(Fahrdienst, Buswerkstatt, Verkehrswirtschaft) sind im so
genannten Center 24 (Center Verkehr) gebündelt. Diesem Center Verkehr sind ca. 170
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer - ua. auch der Kläger - zugeordnet, die bis auf etwa
50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Arbeitnehmer der Beklagten sind.
5 Im Bereich der Versorgungsunternehmen und Nahverkehrsbetriebe war durch die Einfügung des
§ 1a BMT-G II bzw. § 1a BAT im Jahre 2001 die Möglichkeit zur Anwendung besonderer
Tarifverträge geschaffen worden. § 1a BMT-G II hat folgenden Wortlaut:
„
§ 1a Besonderer Geltungsbereich
Soweit in Betrieben für Arbeitnehmer
a) der Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V),
b) ein Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe eines Arbeitgeberverbandes, der der
Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände angehört,
gilt, ersetzt dieser Tarifvertrag den BMT-G II.“
6 Seit dem 1. April 2007 wendet die Beklagte auf die bei ihr bestehenden Arbeitsverhältnisse zwei
Tarifverträge an, nämlich den TV-N NW für die im Center Verkehr eingesetzten Beschäftigten
sowie den TV-V für die übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Grundlage hierfür sind zwei
zwischen der Beklagten und dem Kommunalen Arbeitgeberverband Nordrhein-Westfalen(KAV
NW) einerseits sowie der Gewerkschaft ver.di - Landesbezirk NRW andererseits am 26. März
2007 getroffene Vereinbarungen.
7 Dabei handelt es sich zum Einen um den Tarifvertrag vom 26. März 2007 zur Einführung des TV-
V bei der Stadtwerke Hamm GmbH (TV Stadtwerke Hamm/TV-V). Dieser ergänzt den § 1 des
zwischen der Gewerkschaft ver.di - Landesbezirk NRW - sowie dem KAV NW abgeschlossenen
Bezirklichen Tarifvertrag vom 16. Januar 2001 gemäß § 1 Abs. 2 und § 24 Abs. 1 Tarifvertrag
Versorgungsbetriebe (TV-V) vom 5. Oktober 2000 (BezirksTV NW/TV-V) dahingehend, dass mit
Wirkung zum 1. April 2007 auch der Betrieb der Beklagten in den Geltungsbereich des TV-V
gemäß § 1 Abs. 2 TV-V mit folgender Maßgabe einbezogen werden soll:
„I. Ergänzung des ‚Landesbezirklichen Tarifvertrages Nr. 1 zum TV-V’
In § 1 wird eingefügt:
„- Stadtwerke Hamm GmbH, Hamm - mit Wirkung vom 1. April 2007. Abschnitt II TV-
Stadtwerke Hamm/TV-V bleibt unberührt.“
II. Sonderregelungen für das Center ‚Verkehr’ der Stadtwerke Hamm GmbH
Die Beschäftigten der Stadtwerke Hamm GmbH, die im Center ‚Verkehr’ (Fahrdienst,
Buswerkstatt und Verkehrswirtschaft) beschäftigt sind, fallen nicht in den Geltungsbereich
des TV-V. Sie werden ab dem 1. April 2007 vom TV-N NW erfasst. Eine
Anwendungsvereinbarung (unter Angabe des in den TV-N NW überzuleitenden Personals
in der Anlage zu dieser AWV) hierzu wurde zwischen den Parteien dieses Tarifvertrages
unter gleichem Datum vereinbart.“
8 Zum Zweiten schlossen die genannten Tarifvertragsparteien eine Anwendungsvereinbarung vom
26. März 2007 zur Herbeiführung der betrieblichen Geltung des Spartentarifvertrages
Nahverkehrsbetriebe NW (TV-N NW). Diese sieht vor dem Hintergrund sich abzeichnender
existenzieller Risiken für das Center Verkehr der Beklagten sowie zur betrieblichen Inkraftsetzung
des neuen Tarifrechts (TV-N NW) - in § 1 Folgendes vor:
„§ 1
Betrieblicher Geltungsbereich des TV-N NW
Mit Inkraftsetzung dieser AWV tritt für die in der Anlage genannten Arbeitnehmer/innen
(AN), die im Center ‚Verkehr’ der Stadtwerke Hamm GmbH am 1. April 2007 beschäftigt
sind, sowie für AN, die in diesem Bereich nach den 1. April 2007 neu eingestellt werden, an
die Stelle der bisher geltenden Tarifverträge, nämlich des
(a) Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe
(BMT-G II) einschließlich der ihn ergänzenden Tarifverträge
(b) Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) einschließlich der ihn ergänzenden
Tarifverträge
der Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe (TV-N NW von 25. Mai 2001) mit seinen
eigenständigen oder abweichenden Regelungen.“
9 In der Anlage zu § 1 ist ein Verzeichnis der überzuleitenden Mitarbeiter/innen mit 128 aufgeführten
Namen enthalten, unter denen sich auch der des Klägers findet.
10 Nachdem die Beklagte den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Center Verkehr schon am
6. März 2007 mitgeteilt hatte, dass zum 1. April 2007 eine Anwendung des TV-N NW erfolgen
werde, gab sie dem Kläger mit Schreiben vom 29. März 2007 bekannt, er sei künftig in die
Entgeltgruppe EG 6, Endstufe 5 des TV-N NW mit einem im Einzelnen dargestellten Entgelt
eingereiht. Dem Kläger wurde eine Leistungszulage weitergewährt sowie eine persönliche Zulage
erbracht, welche den Differenzbetrag zwischen der monatlichen Tabellenvergütung nach dem
vormaligen Tarifrecht und dem TV-N NW ausglich. Für die Arbeitnehmer der Beklagten, die
außerhalb des Center Verkehr beschäftigt wurden, wandte diese seit dem 1. April 2007 die
Arbeitsbedingungen nach dem TV-V an.
11 Mit seiner am 27. August 2007 zugestellten Klage hat der Kläger die Anwendung des TV-V auf
sein Arbeitsverhältnis geltend gemacht und für die Monate April bis Juni 2007 eine sich daraus
ergebende Zahlung von jeweils 133,63 Euro brutto verlangt. Er hat die Ansicht vertreten, der TV-V
sei aus Gründen der Tarifeinheit im Betrieb auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden. Der TV-V und
der TV-N NW seien unterschiedliche Tarifverträge, welche innerhalb eines Betriebes nicht
gleichzeitig zur Anwendung gelangen könnten. Andernfalls bestünden Rechtsunsicherheiten
bezüglich der geltenden Arbeitsbedingungen, insbesondere wenn die Beklagte von ihrem
Versetzungsrecht Gebrauch mache. Dass im Betrieb für dieselben Tätigkeiten und gegebenenfalls
nach erfolgter Versetzung sogar für dieselben Arbeitnehmer unterschiedliche Bedingungen gälten,
sei nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz zu vereinbaren.
12 Der Kläger hat zuletzt beantragt
1. festzustellen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ab dem 1. April 2007 der
Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V) Anwendung findet,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 400,89 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 133,63 Euro brutto seit
dem 1. Mai 2007, 1. Juni 2007 und 1. Juli 2007 zu zahlen.
13 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie ist der Auffassung, es liege weder ein Fall der
Tarifkonkurrenz, noch ein Fall der Tarifpluralität vor. Der TV-V und der TV-N NW seien von den
selben Tarifvertragsparteien geschlossen worden. Auch liege kein Gleichheitsverstoß vor, da die
Geltung des TV-N NW auf Gründen der Wirtschaftlichkeit beruhe. Nur die im Center Verkehr
beschäftigten Personen seien in den Geltungsbereich des TV-N NW einbezogen. Sofern eine
Umsetzung einzelner Beschäftigter erfolge, könne diese nur zu unveränderten
Arbeitsvertragsbedingungen in Betracht kommen.
14 Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
15 Die Revision ist nicht begründet. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der TV-V keine
Anwendung.
16 A. Das Landesarbeitsgericht hat gegen die Anwendung der beiden Tarifverträge TV-V und TV-N
NW im Unternehmen der Beklagten und gegen die tariflich vereinbarte Zuordnung der
Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Center Verkehr zum Geltungsbereich des TV-N NW keine
durchgreifenden rechtlichen Bedenken erhoben. Die Geltung beider Tarifverträge beziehe sich auf
unterschiedliche Arbeitnehmergruppen und entspreche dem ausdrücklichen Willen der
Tarifvertragsparteien. Der Kläger könne sich deshalb nicht auf den Grundsatz der Tarifeinheit
berufen. Es liege auch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor. Die Tarifvertragsparteien
seien berechtigt, unterschiedliche Ordnungsbereiche unterschiedlich zu regeln. Das Center
Verkehr sei eine selbständige Betriebsabteilung, in der abweichend vom Hauptbetrieb ein anderer
Tarifvertrag existieren könne.
17 B. Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers ist erfolglos. Das Landesarbeitsgericht ist zu
Recht davon ausgegangen, dass der TV-V auf das Arbeitsverhältnis des Klägers keine
Anwendung findet.
18 I. Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat auch ein hinreichendes Feststellungsinteresse nach § 256
Abs. 1 ZPO an der Feststellung der auf sein Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifverträge. Dies ist
nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dann der Fall, wenn die Frage des
anwendbaren Tarifvertrages für eine Mehrzahl von Rechtsansprüchen bedeutsam ist(vgl. BAG
22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 11, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 =
EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 39; 13. September 2006 - 4 AZR 803/05 - Rn. 10,
ZTR 2007, 151; 25. September 2002 - 4 AZR 294/01 - BAGE 103, 9). Die hier in Betracht
kommenden Tarifverträge weichen in zahlreichen, zwischen den Parteien teilweise auch aktuell
streitigen Punkten voneinander ab, namentlich im Bereich der Urlaubs-, Entgelt- und
Kündigungsregelungen.
19 II. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Das vom Kläger im Feststellungsantrag bezeichnete
Rechtsverhältnis besteht nicht. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist der TV-V nicht
anzuwenden. Deshalb kann der Kläger auch keine Vergütungsansprüche auf den TV-V stützen.
20 1. Der TV-V gilt nicht normativ nach § 4 Abs. 1, § 3 Abs. 1 TVG für das Arbeitsverhältnis der
Parteien. Der Kläger ist nicht an den TV-V gebunden. Er ist nicht Mitglied einer tarifschließenden
Gewerkschaft.
21 2. Der TV-V findet im Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht aufgrund der von den Parteien
vereinbarten arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel Anwendung.
22 a) Nach dem Wortlaut des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem BMT-G
und den zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Das gleiche
soll für die an deren Stelle tretenden Tarifverträge gelten. Daneben finden die für den Bereich der
Beklagten geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung.
23 Bei der Bezugnahme auf das für die tarifgebundene Beklagte geltende Tarifwerk handelt es sich
um eine sog. Gleichstellungsabrede im Sinne der früheren Senatsrechtsprechung. Danach waren
bei Tarifbindung des Arbeitgebers - anders als bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern -
Verweisungsklauseln auf Tarifverträge in aller Regel als sog. Gleichstellungsabreden auszulegen.
Dies beruhte auf der Vorstellung, dass mit einer solchen von einem tarifgebundenen Arbeitgeber
gestellten Vertragsklausel lediglich die möglicherweise fehlende Gebundenheit des Arbeitnehmers
an die im Arbeitsvertrag genannten Tarifverträge ersetzt werden sollte, um jedenfalls so zu einer
vertraglichen Anwendung des einschlägigen Tarifvertrages zu kommen und damit zu dessen
Geltung für alle Beschäftigten(vgl. nur BAG 23. Januar 2008 - 4 AZR 602/06 - Rn. 21 mwN, AP
TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 63 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag
Nr. 38). An dieser Auslegungsregel hält der Senat zwar nicht mehr uneingeschränkt fest. Er
wendet sie aus Gründen des Vertrauensschutzes aber weiterhin auf Verweisungsklauseln in
Arbeitsverträgen an, die vor Inkrafttreten der Schuldrechtsreform zum 1. Januar 2002
abgeschlossen worden sind (vgl. nur BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 28 ff., BAGE 122,
74, 81 ff.).
24 b) Danach kommt eine Anwendung des TV-V auf das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht in
Betracht. Der TV-V ist zwar ein zusätzlicher Tarifvertrag zum BMT-G II im Sinne der
Verweisungsklausel. Das Arbeitsverhältnis des Klägers fiele jedoch auch dann nicht unter dessen
Geltungsbereich, wenn der Kläger normativ an den TV-V gebunden wäre.
25 aa) Der TV-V wurde am 5. Oktober 2000 zwischen den Tarifvertragsparteien des BMT-G II
vereinbart. Am 25. Mai 2001 schlossen die regionalen Organisationen derselben
Tarifvertragsparteien für den Nahverkehrsbereich in Nordrhein-Westfalen den TV-N NW.
Hierdurch wurden die Arbeitsverhältnisse im Energie- und Wasserversorgungsbereich sowie im
Nahverkehrsbereich Nordrhein-Westfalen, die bisher allein unter den BMT-G II bzw. BAT fielen,
teilweise auch vom TV-V und vom TV-N NW erfasst. Deshalb wurde - parallel zu einer
entsprechenden Regelung im BAT ua. - zunächst durch den 49. Ergänzungstarifvertrag vom
29. Juni 2001 in den BMT-G II ein neuer § 1a eingefügt. Dieser regelte ua., dass der BMT-G II
ersetzt wird, soweit der TV-V und/oder der TV-N NW gilt. Nachdem sich die Notwendigkeit des
Abschlusses weiterer regionaler Spartentarifverträge im Bereich des Nahverkehrs aus Gründen
der Konkurrenzfähigkeit im Hinblick auf Änderungen des EU-Rechts zur Aufnahme von
Verkehrsleistungen abzeichneten(vgl. dazu Schart ZTR 2002, 13), ist durch den
50. Ergänzungstarifvertrag vom 29. Oktober 2001 § 1a BMT-G II insoweit geändert worden, als
nicht mehr nur der TV-N NW, sondern jeder Spartentarifvertrag Nahverkehrsbetriebe eines
Arbeitgeberverbandes, der der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände angehört, den
BMT-G II ersetzt.
26 bb) Das Arbeitsverhältnis des Klägers unterfällt nach Maßgabe der tariflich geregelten und
voneinander abgegrenzten Geltungsbereiche des TV-V und des TV-N NW nicht dem TV-V.
27 (1) Der Geltungsbereich des TV-V ist in dessen § 1 Abs. 1 zunächst dahingehend bestimmt, dass
er Arbeitnehmer in rechtlich selbständigen Versorgungsbetrieben erfasst. Als solche definiert der
TV-V Unternehmen, die Energie- und Wasserversorgung betreiben, wenn mindestens 90 Prozent
des Gesamtpersonals in diesem Bereich tätig sind.
28 Dies ist bei der Beklagten nicht der Fall. Einer genauen Zuordnung aller Mitarbeiter der Beklagten
bedarf es nicht, da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass die Beklagte ca. 730 Arbeitnehmer
beschäftigt, von denen 128, darunter der Kläger, im Center Verkehr tätig sind. Diese Tätigkeit ist
weder der Energie- noch der Wasserversorgung zuzurechnen, so dass bereits aufgrund dieser
Feststellungen eine Zuordnung von mindestens 90 Prozent der von der Beklagten beschäftigten
Arbeitnehmer zu diesem Bereich ausgeschlossen ist.
29 (2) Nach § 1 Abs. 2 TV-V können ferner Betriebe durch einen landesbezirklichen Tarifvertrag ganz
oder teilweise in den Geltungsbereich einbezogen, aber auch hiervon ausgenommen werden.
Auch dies führt jedoch für den Kläger nicht zu einer Anwendung des TV-V. Denn ein
landesbezirklicher Tarifvertrag, der einen für das Arbeitsverhältnis des Klägers maßgebenden
Betrieb oder Teil eines Betriebes in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen hätte, ist nicht
abgeschlossen worden.
30 (a) Die von § 1a BMT-G II eröffnete Möglichkeit, einerseits für den Bereich der
Versorgungsunternehmen und andererseits - in Nordrhein-Westfalen - für den Bereich der
Nahverkehrsunternehmen vom BMT-G II abweichende tarifliche Regelungen zu vereinbaren, ist
vom KAV NRW und der Gewerkschaft ver.di mit dem Abschluss der Tarifverträge TV-V und TV-N
NW wahrgenommen worden.
31 (aa) Die Geltung des TV-V hängt - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Bereich der im TV-
V selbst definierten Versorgungsbetriebe - davon ab, dass weitere Betriebe durch einen
landesbezirklichen Tarifvertrag ganz oder teilweise in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen
worden sind. Dies ist in Bezug auf die Beklagte durch den Bezirkstarifvertrag zum TV-V vom
16. Januar 2001 iVm. dem TV-Stadtwerke Hamm/TV-V vom 26. März 2007 geschehen.
32 (bb) Der TV-N NW vom 25. Mai 2001 setzt für die Ersetzung der Regelungen des BMT-G II eine
Anwendungsvereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien und dem Unternehmen voraus.
Wenn der Nahverkehrsbetrieb Teil eines selbständigen Versorgungsunternehmens ist, kann der
betriebliche Geltungsbereich des TV-N NW nach dessen § 1 Abs. 3 Satz 2 von den Beteiligten der
Anwendungsvereinbarung festgelegt werden. Auch insoweit haben der KAV NW, die
Gewerkschaft ver.di und die Beklagte selbst mit ihrer Anwendungsvereinbarung vom 26. März
2007 die Voraussetzungen für die tarifliche Geltung des TV-N NW im Unternehmen der Beklagten
geschaffen.
33 (b) Aus dieser Tariflage ergibt sich, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers, das dem Center
Verkehr als dem betrieblichen Nahverkehrsbereich der Beklagten zugeordnet ist, nicht dem TV-V
unterfällt. Zwar haben der KAV, die Gewerkschaft ver.di und die Beklagte mit dem TV Stadtwerke
Hamm/TV-V einen Tarifvertrag abgeschlossen, mit dem zunächst die Beklagte insgesamt in den
TV-V einbezogen werden sollte. Der TV Stadtwerke Hamm/TV-V trifft jedoch für die
Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter des Center Verkehr Sonderregelungen dahingehend, dass
diese nicht in den Geltungsbereich des TV-V einbezogen werden sollen, sondern ihrerseits dem
TV-N NW zuzuordnen sind. Eine auf § 1a Buchst. b BMT-G II iVm. mit § 1 Abs. 3 TV-N NW
ausdrücklich Bezug nehmende Anwendungsvereinbarung entsprechenden Inhalts wurde für den
Bereich der Nahverkehrsbetriebe zeitgleich geschlossen. Damit haben die Beteiligten an diesen
Vereinbarungen die jeweiligen tariflichen Vorgaben für eine Anwendung des TV-N NW im Center
Verkehr erfüllt.
34 (c) Gegen diese gemeinsamen Festlegungen des Arbeitgeberverbandes, der Gewerkschaft und
des Arbeitgebers selbst bestehen keine rechtlichen Bedenken.
35 (aa) Tarifvertragsparteien sind im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit frei, den Geltungsbereich ihrer
Vereinbarungen eigenständig festzulegen(st. Rspr., vgl. nur BAG 22. März 2005 - 1 ABR 64/03 -
BAGE 114, 162, 172 mwN). An der tarifrechtlichen Zulässigkeit der von den Tarifvertragsparteien
des öffentlichen Dienstes vorgenommenen Differenzierung durch die Einfügung des § 1a BMT-G II
bzw. BAT und durch die Abschlüsse des TV-V und des TV-N NW bestehen keine Zweifel. Auch
das Bundesarbeitsgericht ist insoweit von einem wirksamen, den BMT-G II im konkreten
Arbeitsverhältnis ablösenden TV-N NW ausgegangen (BAG 14. Dezember 2004 - 9 AZR 33/04 -
EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 38). Es steht Tarifvertragsparteien grundsätzlich frei, die von ihnen
vereinbarten Mindestarbeitsbedingungen für verschiedene betriebliche oder branchen- oder
tätigkeitsbezogene Bereiche im Rahmen ihrer Tarifzuständigkeit unterschiedlich zu regeln.
Hiervon haben zuletzt die tarifschließenden Parteien im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst
(TVöD) vom 13. September 2005 mit den Tarifverträgen zu dessen Besonderen Teilen für die
Bereiche Verwaltung, Pflege- und Betreuungseinrichtungen, Krankenhäuser, Entsorgung und
Sparkassen Gebrauch gemacht. Mit dem Abschluss des TV-V und der Spartentarifverträge
Nahverkehr, ua. in Nordrhein-Westfalen haben die Tarifvertragsparteien in den Jahren 2000 und
2001 in zulässiger Weise vor allem auf eine sich verändernde Marktlage reagieren wollen, die
besonders in den hiervon erfassten Bereichen von einem zunehmenden Wettbewerb mit privaten
Anbietern gekennzeichnet war (Hoffmann ZTR 2001, 54, 55, 57). Zugleich wurden in diesen beiden
Bereichen aber auch die Unterscheidungen zwischen Arbeitern und Angestellten zugunsten eines
einheitlichen Arbeitnehmerbegriffs mit einer einheitlichen Entgeltordnung aufgehoben. Im
bundesweiten TV-V sind überdies keine unterschiedlichen Regelungen für die Tarifgebiete Ost und
West mehr enthalten.
36 Von der Zulässigkeit der entsprechenden tariflichen Regelungen ist auch das Landesarbeitsgericht
mit überzeugender Begründung ausgegangen. Insoweit erhebt die Revision auch keine Einwände
gegen das Berufungsurteil.
37 (bb) Von den nach § 1a BMT-G II bzw. § 1a BAT eröffneten Möglichkeiten haben die
Tarifvertragsparteien des TV-V und des TV-N NW sowie des TV Stadtwerke Hamm/TV-V in nicht
zu beanstandender Weise Gebrauch gemacht. Es liegt auch ein erkennbar hinreichender
Sachgrund für die Zuordnung des Center Verkehr zum Geltungsbereich des TV-N NW vor. Die
Tarifvertragsparteien haben durch alle Regelungsebenen (bundesweiter Tarifvertrag,
landesbezirklicher Tarifvertrag, Anwendungsvereinbarung) eine Zuordnung von Betrieben oder von
Teilen von Betrieben zu den jeweils unterschiedlich und abweichend von den allgemeinen
Bestimmungen des öffentlichen Dienstes geregelten Bereichen der Versorgungsbetriebe und des
Nahverkehrs ermöglichen wollen. Dabei sollte erkennbar die bestehende Unternehmensstruktur
einheitlich berücksichtigt werden können, ohne dass jedoch eine tariflich zwingende Vorgabe zu
einer solchen einheitlichen Zuordnung erfolgen sollte. Gerade wegen der Einbindung von
kommunalen Nahverkehrsbetrieben in Unternehmen der Versorgung musste sichergestellt
werden, dass die marktbedingten Anforderungen einer anderen tariflichen Kostensituation nicht
durch eine unmittelbare Unterwerfung auch dieser Betriebe oder Betriebsteile unter den TV-V
verfehlt werden würden(Hoffmann ZTR 2001, 54, 57). Beide Tarifverträge haben die Zuordnung
von Betrieben oder Teilen von Betrieben zu dem sachlichen Geltungsbereich des jeweils anderen
Tarifwerks ermöglicht, wenn die tatsächliche betriebliche Tätigkeit eine solche Zuordnung erlaubt.
Ein Nahverkehrsbetrieb sollte danach auch dann den von den Tarifvertragsparteien für den
Bereich der Nahverkehrsunternehmen als angemessen angesehenen Mindestarbeitsbedingungen
unterworfen werden können, wenn er einem Unternehmen der Versorgungswirtschaft angehört.
Ob dem hauptsächlichen Unternehmenszweck nicht entsprechende Betriebsteile oder
Arbeitsstätten dem Tarifvertrag unterfallen sollen oder nicht, entscheiden die Tarifvertragsparteien
selbst (Wiedemann/Wank TVG 7. Aufl. § 4 Rn. 152; Jacobs/Krause/Oetker TVR § 5 Rn. 53;
ähnlich bereits BAG 3. Februar 1965 - 4 AZR 461/63 - BAGE 17, 53, 58). Die Entscheidung über
eine solche Zuordnung war den Tarifvertragsparteien des TV-V und des TV-N unter Einbeziehung
des Unternehmens selbst vorbehalten. Eine sachlich nicht begründete Ungleichbehandlung ist
damit nicht verbunden, zumal die aus dem Geltungsbereich des TV-V ausgegrenzten
Arbeitnehmer der entsprechenden Betriebe und Betriebsteile keineswegs jeglichen tariflichen
Schutz verlieren, sondern - im vorliegenden Falle - denjenigen Tarifverträgen unterliegen, die
gerade für den Bereich von Nahverkehrsunternehmen unter Berücksichtigung aller Umstände als
angemessen angesehen worden sind.
38 (d) Dagegen spricht auch nicht, dass der Teil des Betriebes der Beklagten, der von den
Tarifvertragsparteien dem Geltungsbereich des TV-N NW zugeordnet worden ist, durch die
Namen derjenigen Arbeitnehmer gekennzeichnet ist, die die entsprechenden Arbeitsplätze im
Center Verkehr besetzen. Zwar ist damit eine wirksame unmittelbare Unterordnung der
entsprechenden Arbeitsverhältnisse nicht erfolgt; eine solche tarifliche Zuordnung einzelner
Arbeitsverhältnisse kann durch einen Tarifvertrag nicht erfolgen. Dies gilt insbesondere für nicht
tarifgebundene Arbeitnehmer wie den Kläger. Tarifvertragsparteien können Rechtsnormen nur für
sich selbst und ihre Mitglieder verbindlich vereinbaren; nur so weit reicht ihre
Normsetzungsmacht(BAG 18. März 2009 - 4 AZR 64/08 - Rn. 51 mwN, AP TVG § 3 Nr. 41 = EzA
GG Art. 9 Nr. 98). Die Liste der Arbeitnehmer, die von der Beklagten dem Center Verkehr
zugeordnet worden sind, dient aber hinreichend deutlich dazu, denjenigen Teil des Betriebes, der
von dem TV-N NW erfasst und vom Geltungsbereich des TV-V ausgenommen sein soll, und der
nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Bereiche Fahrdienst, Buswirtschaft und
Verkehrswirtschaft umfasst, mithin auch den Kläger als Busfahrer, von dem sonstigen
Unternehmensbereich abzugrenzen. Dieser Zweck ergibt sich auch aus der Tatsache, dass die
Zuordnung zum Geltungsbereich des TV-N NW auch für Arbeitnehmer vorgesehen ist, die „in
diesem Bereich nach dem 1. April 2007 neu eingestellt werden“. Auch der Kläger hat den Einwand
der mangelnden Bestimmtheit der Regelungen im Tarifvertrag und in der
Anwendungsvereinbarung nicht erhoben, sondern insoweit lediglich geltend gemacht, wegen der
zentralen Geschäftsführung, Personalleitung und Buchhaltung sei „der Betrieb im Sinne des
Prinzips der Tarifeinheit“ die Beklagte (dazu unten). Es kann deshalb im Ergebnis dahinstehen, ob
- wie das Landesarbeitsgericht auf der Grundlage seiner Feststellungen angenommen hat - das
Center Verkehr eine im Rechtssinne selbständige Betriebsabteilung ist. Einen solchen Grad von
organisatorischer Verselbständigung verlangt weder § 1 Abs. 2 TV-V noch § 1 Abs. 3 TV-N NW.
39 3. Die von der Revision gegen das landesarbeitsgerichtliche Urteil erhobenen Einwendungen sind
auch ansonsten nicht durchgreifend.
40 a) Soweit sich die Revision auf das Vorliegen einer Tarifpluralität beruft, die nach der
Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter dem Gesichtspunkt der Tarifeinheit aufzulösen
wäre, geht dieses Argument ins Leere.
41 aa) Die unmittelbare Anwendung etwaiger Grundsätze zur Auflösung einer Tarifpluralität scheitert
zunächst bereits daran, dass von einer Tarifpluralität nur hinsichtlich der normativen Geltung von
Tarifverträgen ausgegangen werden kann. Da der Kläger nicht tarifgebunden ist, gilt für ihn kein
Tarifvertrag normativ, sondern allenfalls durch die arbeitsvertragliche Inbezugnahme. Die
Anwendung des Grundsatzes der Tarifeinheit führt nicht zu einer Korrektur des im Arbeitsvertrag
privatautonom gebildeten, übereinstimmenden Willens, im Arbeitsverhältnis einen bestimmten
Tarifvertrag maßgebend sein zu lassen(BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 784/07 - Rn. 28, 34, AP
TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 66 = EzA TVG § 3 Bezugnahme auf Tarifvertrag
Nr. 39), der ggf. durch Vertragsauslegung nach Maßgabe der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist.
42 bb) Aber selbst wenn man zur Auslegung der arbeitsvertraglichen Inbezugnahme eines
Tarifvertrages oder Tarifwerkes, insbesondere vor dem Hintergrund des Gleichstellungszwecks,
die Grundsätze der bisherigen Rechtsprechung zur Auflösung einer Tarifpluralität heranziehen
würde, fänden sie - ungeachtet der Tatsache, dass der Senat in seinem Beschluss vom
27. Januar 2010 davon ausgegangen ist, dass eine Tarifpluralität nicht nach dem Grundsatz der
Tarifeinheit aufzulösen ist(27. Januar 2010 - 4 AZR 549/08 (A) - Rn. 43 ff., NZA 2010, 648, 649) -
keine Anwendung. Denn die gleichzeitige Geltung des TV-V und des TV-N NW im Unternehmen
der Beklagten ist kein Fall der Tarifpluralität. Eine solche liegt nach allgemeinem Verständnis dann
vor, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen
Gewerkschaften geschlossener Tarifverträge für Arbeitsverhältnisse derselben Art erfasst wird, an
die der Arbeitgeber gebunden ist, während für den jeweiligen Teil der Arbeitnehmer je nach
Tarifgebundenheit nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet (vgl. nur BAG 27. Januar
2010 - 4 AZR 549/08 (A) - Rn. 36 mwN, aaO). Vorliegend sind jedoch beide in Frage kommenden
Tarifwerke von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden. Im Falle einer
Geltungsbereichsüberschneidung läge daher keine Tarifpluralität, sondern allenfalls eine
Tarifkonkurrenz vor.
43 b) Aber auch die Konstellation einer Tarifkonkurrenz liegt nicht vor. Eine Tarifkonkurrenz ist dann
gegeben, wenn für dasselbe Arbeitsverhältnis zwei verschiedene Tarifverträge normativ
gelten(BAG 22. September 1993 - 10 AZR 207/92 - BAGE 74, 238, 245). Sie kommt dagegen
nicht in Betracht, wenn bereits die Auslegung ergibt, dass nur einer von mehreren Tarifverträgen
gelten kann oder gelten soll (BAG 22. Oktober 2008 - 4 AZR 789/07 - Rn. 36, AP TVG § 4
Tarifkonkurrenz Nr. 37 = EzA TVG § 4 Nachwirkung Nr. 43). Die Tarifvertragsparteien des TV-V
und des TV-N NW haben mit der komplexen Regelungsstruktur die Geltung zweier Tarifverträge
für ein Arbeitsverhältnis gerade ausgeschlossen. Soweit die Geltung des BMT-G II betroffen ist,
haben die Tarifvertragsparteien in dessen § 1a eine eigenständige Kollisionslösungsregelung im
Sinne eines Vorrangs des TV-V bzw. des TV-N NW getroffen (BAG 14. Dezember 2004 - 9 AZR
33/04 - Rn. 18 „Ablösungsprinzip“, EzA TVG § 1 Auslegung Nr. 38). Gegen die Zulässigkeit einer
solchen „innertariflichen“ Vorrangsregelung bestehen keinerlei rechtliche Bedenken. Als
Normgeber sind die Tarifvertragsparteien frei, Ausnahmen und Kollisionslösungsregelungen
hinsichtlich des Anwendungsbereichs der von ihnen vereinbarten Tarifverträge selbst verbindlich
zu vereinbaren. Diese sind in jedem Falle gegenüber Kollisionslösungsregelungen, die sich
lediglich aus allgemeinen rechtlichen Überlegungen ergeben, vorrangig.
44 c) Der Kläger kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass es bei einer Zuordnung des Center
Verkehr allein im Belieben der Beklagten liege, ihn im Wege einer Versetzung diesem oder jenem
Tarifregime zu unterwerfen. Ausweislich seines Arbeitsvertrages ist er als Omnibusfahrer
eingestellt und wird auch seit Beginn des Arbeitsverhältnisses als solcher beschäftigt. Die
Vereinbarung in § 8 des Arbeitsvertrages, wonach der Kläger verpflichtet ist, auch jede andere
Arbeit auszuführen, wenn für ihn berufsübliche Arbeiten nicht zu erledigen sind, ändert hieran
nichts. Diese Regelung begründet kein Recht der Beklagten, den Arbeitsvertragsinhalt durch
einseitige Gestaltungsmittel zu verändern, sondern erweitert lediglich unter bestimmten
Umständen das Direktionsrecht des Arbeitgebers, das nach § 106 Satz 1 GewO allerdings
ohnehin billigem Ermessen unterliegt und zudem einer Vertragskontrolle nach §§ 305 ff. BGB
standhalten muss(vgl. zur Unwirksamkeit einer Versetzungsklausel wegen fehlender
Sicherstellung der Gleichwertigkeit beider Tätigkeiten BAG 9. Mai 2006 - 9 AZR 424/05 -
BAGE 118, 184). Eine dauerhafte Versetzung, dh. eine Änderung des vertraglichen
Aufgabenbereichs nach Art, Ort und Umfang der Tätigkeit (BAG 6. Februar 1985 - 4 AZR 155/83 -
AP TVG § 1 Tarifverträge: Textilindustrie Nr. 3 = EzA TVG § 4 Textilindustrie Nr. 1) ist
individualrechtlich ohne Änderung des Arbeitsvertrages nicht möglich. Soweit ein
Tätigkeitswechsel innerhalb der arbeitsvertraglichen Weisungsbefugnis des Arbeitgebers mit dem
Wechsel vom Geltungsbereich des einen Tarifvertrages in den eines anderen verbunden ist,
müssen sich beide Parteien an der sich hierin äußernden Bewertung der beiden Tätigkeiten durch
die von ihnen mittels der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel selbst „ausgesuchten“
Tarifvertragsparteien festhalten lassen, wenn der Arbeitsvertrag an anderer Stelle nicht eine
hiervon abweichende Regelung trifft.
45 C. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, weil sein Rechtsmittel erfolglos
ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Bepler
Winter
Creutzfeldt
Dassel
Dierßen