Urteil des BAG vom 13.02.2007

BAG (kläger, abschluss des vertrages, schutz der gläubiger, stgb, haftung, bedingter vorsatz, unerlaubte handlung, geschütztes rechtsgut, absolutes recht, verhältnis zu)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.2.2007, 9 AZR 106/06
Persönliche Haftung wegen unterbliebener Insolvenzsicherung eines Wertguthabens
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-
Württemberg vom 26. Oktober 2005 - 17 Sa 56/05 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die persönliche Haftung des Beklagten für ein nicht abgesichertes
Wertguthaben aus einem Altersteilzeitarbeitsverhältnis.
2 Der Beklagte war der Geschäftführer der O GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Der Kläger war
seit dem 1. Oktober 1974 bei der Schuldnerin und ihrer Rechtsvorgängerin, der O GmbH & Co. KG,
als Verkaufsleiter beschäftigt. In § 1 des Anstellungsvertrages vom 30. Januar 1984 wurde
bestimmt, dass der Kläger “Leitender Angestellter im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes und
Kündigungsschutzgesetzes” ist. Ihm unterstanden alle Mitarbeiter der Verkaufs-/Vertriebsabteilung.
Bei Abschluss des Vertrages wurde ihm Prokura für die Schuldnerin erteilt. Im März 1997 wurde
der Kläger in das Geschäftsleitungsbeiratsgremium der Schuldnerin berufen.
3 Am 11. Dezember 2002 schloss der Kläger mit der Schuldnerin einen Altersteilzeitarbeitsvertrag,
nach welchem sein Arbeitsverhältnis ab 1. Januar 2003 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt
und am 31. Dezember 2008 ohne Kündigung enden sollte. Als Beginn der Freistellungsphase war
der 1. Januar 2006 vereinbart. § 5 Nr. 2 des Altersteilzeitarbeitsvertrages lautet:
“Die Aufstockung muß mindestens so hoch sein, daß der Arbeitnehmer dadurch 70 % des
pauschalierten Nettoentgelts erhält, das er erhalten würde, wenn er die Vollarbeitszeit nicht im
Rahmen der Altersteilzeit vermindert hätte. Die Aufstockung wird auf 82 % des vorherigen
monatlichen Nettoentgeltes erhöht in Anlehnung an die Betriebsvereinbarung vom 11.09.2000
und den Tarifvertrag der IG Metall.”
4 In der am 11. September 2000 mit dem Betriebsrat abgeschlossenen Betriebsvereinbarung über
Altersteilzeitarbeitsverhältnisse heißt es unter Nr. 16:
“Der Arbeitgeber berät geeignete Maßnahmen mit dem BR und stellt sicher, daß im Falle der
vorzeitigen Beendigung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses durch Insolvenz des
Arbeitgebers alle bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Ansprüche, einschließlich der darauf
entfallenen Arbeitgeberanteile der Sozialversicherung, gesichert sind. Die ausreichende
Sicherung dieser Ansprüche läßt sich aufgrund der von uns zu bezahlenden Sozialabgaben
durch Belege nachweisen.”
5 Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 30. Juli 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der
Insolvenzverwalter kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. November 2004. Im
Rahmen der Insolvenz wurde der Betrieb der Schuldnerin durch die A GmbH übernommen. Am
12. November 2004 schloss der Kläger mit dem Insolvenzverwalter der Schuldnerin, der F GmbH
und der A GmbH einen gerichtlichen Vergleich. Danach sollte das Arbeitsverhältnis auf Grund
ordentlicher Kündigung des Arbeitgebers mit Ablauf des 30. November 2004 enden. Der
Insolvenzverwalter verpflichtete sich, dass Altersteilzeitarbeitsverhältnis für den Zeitraum vom
31. Juli 2004 bis zum Beendigungszeitpunkt am 30. November 2004 auf der Basis eines
Vollzeitarbeitsverhältnisses rückabzuwickeln. Außerdem verpflichtete er sich, Auskunft über die
Höhe des Wertguthabens auf Grund der erbrachten Teilzeit in dem Zeitraum von 1. Januar 2003 bis
30. Juli 2004 zu erteilen, damit der Kläger diese der Höhe nach zur Insolvenztabelle anmelden
kann. Eine Insolvenzsicherung seines Wertguthabens durch die Schuldnerin war nicht erfolgt.
6 Der Kläger verlangt vom Beklagten die Erstattung des Schadens, der ihm durch die unterbliebene
Insolvenzsicherung entstanden ist.
7 Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.924,71 Euro nebst 5 % Zinsen über dem
Basiszinssatz seit dem 18. Januar 2005 zu bezahlen,
2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger denjenigen Schaden zu
ersetzen, der durch die fehlende Insolvenzsicherung des Wertguthabens des Klägers bei
der Firma O GmbH auf Grund erbrachter Arbeitsleistung in der Zeit vom 1. Januar 2003
bis 30. Juli 2004 nach dem Altersteilzeitvertrag des Klägers mit der O GmbH vom
11. Dezember 2002 zukünftig entsteht.
8 Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
9 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete
Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt
der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
10 A. Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen unterbliebener
Insolvenzsicherung seines Wertguthabens aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis mit der
Schuldnerin.
11 I. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten scheidet aus. Der
Kläger beruft sich nicht darauf, dass der Beklagte bei der Vereinbarung eines
Altersteilzeitarbeitsverhältnisses im Dezember 2002 dem Kläger gegenüber erklärt oder
zumindest den Anschein erweckt habe, er werde - in Abweichung von der gesellschaftsrechtlichen
Haftungsbeschränkung nach § 13 Abs. 2 GmbHG - persönlich für Verbindlichkeiten der
Schuldnerin aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis einstehen.
12 II. Der Beklagte haftet weder wegen Verletzung einer Offenbarungspflicht noch wegen der
unterlassenen Insolvenzsicherung von Ansprüchen aus dem Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf
Schadensersatz.
13 1. Letztlich kann dahinstehen, ob eine Insolvenzsicherungspflicht der Schuldnerin nach § 7d
Abs. 1 SGB IV bestanden oder ob der Kläger als leitender Angestellter Anspruch auf die
Insolvenzsicherung nach Nr. 16 der Betriebsvereinbarung vom 11. September 2000 hatte. Auch
bei Bestehen einer solchen hätte der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten auf
Schadensersatz.
14 2. Geschäftsführer einer GmbH haften für deren Verbindlichkeiten nur dann persönlich, wenn ein
besonderer Haftungsgrund gegeben ist (BAG 24. November 2005 - 8 AZR 1/05 - EzA BGB 2002
§ 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 2) . Dieser liegt nicht vor.
15 a) Eine Haftung des Beklagten nach § 311 Abs. 3 BGB wegen des Verhaltens des Beklagten bei
der Begründung des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses scheidet aus. Nach dieser Vorschrift
entsteht ein haftungsbegründendes Schuldverhältnis auch mit dem Dritten, wenn er in
besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen
oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst (vgl. zur Rechtslage vor Inkrafttreten des § 311
BGB: Senat 13. Dezember 2005 - 9 AZR 436/04 - AP ATG § 8a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 823
Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen mwN) . Der Kläger hat nicht behauptet, die
Vertrauenswürdigkeit des Beklagten habe bei Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrages eine ihn
beeinflussende Rolle gespielt.
16 b) Der Beklagte haftet nicht nach § 823 Abs. 1 BGB.
17 Die unterbliebene Absicherung des Wertguthabens gegen Insolvenz durch die Schuldnerin, deren
Geschäftsführer der Beklagte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsvertrages
war, kann keine unerlaubte Handlung iSd. § 823 Abs. 1 BGB darstellen. Diese Norm dient lediglich
dem Schutz absoluter Rechte und Rechtsgüter, wie Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder
sonstiger Rechte. Ein Wertguthaben, das ein Arbeitnehmer in Altersteilzeit anspart, ist kein
sonstiges Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB.
18 “Sonstige Rechte” sind im Hinblick auf die Nennung hinter “Eigentum” nur diejenigen Rechte, die
denselben rechtlichen Charakter wie das Eigentumsrecht besitzen und die ebenso wie Leben,
Gesundheit und Freiheit von jedermann zu beachten sind, also nur die sogenannten absoluten
oder ausschließlichen Rechte. Ein absolutes Recht iSd. § 823 Abs. 1 BGB wird dadurch
gekennzeichnet, dass es nicht nur relativ in Bezug auf einzelne andere, sondern im Verhältnis zu
allen anderen Personen existiert und von diesen zu beachten ist (BAG 4. Juni 1998 - 8 AZR
786/96 - BAGE 89, 80) . Gerade daran fehlt es bei einem Wertguthaben, das während der
Arbeitsphase angespart und während der Freistellungsphase “entspart” werden soll. Dieses
begründet lediglich den schuldrechtlichen Anspruch des Arbeitnehmers in Altersteilzeit gegen
seinen Arbeitgeber, ihm während der Freistellungsphase das während der Arbeitsphase
erarbeitete Arbeitsentgelt auszuzahlen (Senat 16. August 2005 - 9 AZR 79/05 - AP TVG § 1
Altersteilzeit Nr. 24 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 3) .
19 c) Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB scheitert daran, dass der Beklagte gegen
kein Schutzgesetz iSd. Norm verstoßen hat.
20 aa) Einen Betrug iSd. § 263 StGB, der in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB einen
Schadensersatzanspruch begründen würde (st. Rspr. BAG 24. September 1974 - 3 AZR 589/73 -
AP GmbHG § 13 Nr. 1) , hat der Beklagte gegenüber dem Kläger nicht begangen.
21 Die Erfüllung des Betrugstatbestandes würde voraussetzen, dass der Beklagte beim Kläger durch
die Vorspiegelung falscher oder durch die Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen
Irrtum erregt oder unterhalten hätte, der diesen zum Abschluss des Altersteilzeitarbeitsvertrages
veranlasst hätte. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen lassen keinen Schluss
auf eine solche bewusste Täuschungshandlung zu.
22 (1) Der Kläger hat hierzu behauptet, der Beklagte habe aus Kostengründen schon seit dem Jahre
2000 niemals vorgehabt, eine Insolvenzsicherung des Wertguthabens vorzunehmen. Er habe
deshalb sämtliche Altersteilzeitbeschäftigten, die einen Anspruch auf Insolvenzsicherung gehabt
hätten, bewusst geschädigt.
23 (2) Für die Annahme des subjektiven Tatbestandes des § 263 Abs. 1 StGB ist notwendig, dass
der Täter das Bewusstsein hatte, durch Täuschung einen Irrtum zu erregen und durch die
Irrtumserregung jemanden unmittelbar in seinem Vermögen zu schädigen (Cramer/Perron in
Schönke/Schröder StGB 27. Aufl. § 263 Rn. 165) . Eine bewusste Täuschung durch den
Beklagten hätte deshalb vorausgesetzt, dass er bei Vertragsschluss von einer Verpflichtung der
Schuldnerin zur Insolvenzsicherung ausgehen musste. Ob eine derartige Verpflichtung bestand,
ist zwischen den Parteien streitig. Der Kläger meint, die Betriebsvereinbarung vom 11. September
2000, die in Nr. 16 die Insolvenzsicherung regelt, sei wegen seiner Funktion als leitender
Angestellter (§ 5 Abs. 3 BetrVG) nur auf Grund einzelvertraglicher Vereinbarung im
Altersteilzeitarbeitsvertrag anzuwenden. Diese Auslegung der Bezugnahmeklausel ist zweifelhaft.
In § 5 Nr. 2 Satz 2 des Altersteilzeitarbeitsvertrages der Parteien ist lediglich die Anlehnung an
diese Betriebsvereinbarung hinsichtlich der Höhe der Aufstockung vereinbart. Das spricht gegen
den Willen zu einer umfassenden Bezugnahme. Wegen dieser Unklarheit kann nicht unterstellt
werden, der Beklagte sei bei Vertragsschluss von einer Verpflichtung zur Insolvenzsicherung
ausgegangen. Er hatte vielmehr Grund zu der Annahme, eine Pflicht zur Insolvenzsicherung
bestehe nicht. Ist somit zumindest ungewiss, ob die Pflicht zur Insolvenzsicherung dem Beklagten
bewusst war, fehlt es für einen Betrug am erforderlichen Vorsatz. Der Täter muss die
vorgespiegelte Tatsache für unwahr halten (Tröndle/Fischer StGB 53. Aufl. § 263 Rn. 106). Nur
wer weiß, dass er verpflichtet ist, kann dem anderen einen Erfüllungswillen vorspiegeln.
24 Soweit der Kläger meint, der Beklagte sei dennoch selbst von einer Verpflichtung zur
Insolvenzsicherung ausgegangen, weil er nach einer geeigneten Sicherung gesucht und die
Betriebsvereinbarung abgeschlossen habe, ist das nicht zwingend. Der Beklagte hat für die
Schuldnerin einschließlich des Vertrages mit dem Kläger insgesamt drei
Altersteilzeitarbeitsverträge abgeschlossen. Er konnte durchaus davon ausgegangen sein, nur in
den zwei Fällen verpflichtet gewesen zu sein, in denen er mit Arbeitnehmern, die nicht leitende
Angestellte waren, die Altersteilzeit vereinbart hatte.
25 bb) Der Beklagte haftet nicht nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 Abs. 1 StGB. Zwischen dem
Kläger und dem Beklagten als Geschäftsführer der Schuldnerin bestand kein
Vermögensbetreuungsverhältnis iSd. § 266 StGB.
26 Voraussetzung für die Erfüllung des Tatbestandes der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB und damit
einer privatrechtlichen Haftung wegen unerlaubter Handlung wäre, dass der Beklagte die in
Betracht kommende zweite Alternative des § 266 Abs. 1 StGB, den sogenannten
Treubruchstatbestand, erfüllt hätte. Dieser Straftatbestand knüpft an die tatsächliche
Einwirkungsmacht des Täters an, wenn dieser ein besonderes, schützenswertes Vertrauen in die
Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zugrunde liegt. Die vorausgesetzte
Vermögensbetreuungspflicht muss auf einer besonders qualifizierten Pflichtenstellung zu dem
fremden Vermögen beruhen, die über allgemeine Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten ebenso
wie über eine allein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit deutlich hinausgeht. Die
Vermögensbetreuungspflicht muss sich als Hauptpflicht, dh. als das Vertragsverhältnis zumindest
mitbestimmende - und nicht nur beiläufige - Pflicht darstellen. Eine Treuepflicht ergibt sich in aller
Regel nur aus einem fremdnützig typisierten Schuldverhältnis, in welchem der Verpflichtung des
Täters Geschäftsbesorgungscharakter zukommt. Dementsprechend ist anerkannt, dass dem
Arbeitgeber grundsätzlich keine Vermögensbetreuungspflicht hinsichtlich der Lohnzahlungen und
sonstiger Leistungen im Austauschverhältnis zukommt. Durch § 266 StGB geschütztes
Rechtsgut ist das individuelle Vermögen des Geschäftsherrn oder Treugebers. Insbesondere dient
der Untreuetatbestand nicht dem Schutz der Gläubiger einer Gesellschaft (Senat 13. Dezember
2005 - 9 AZR 436/04 - AP ATG § 8a Nr. 1 = EzA BGB 2002 § 823 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung
in BAGE vorgesehen mwN) . Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber zusätzlich § 266a in das
StGB eingeführt, der dem Schutzinteresse des Arbeitnehmers an der treuhänderischen
Verwaltung von Teilen seines Arbeitseinkommens dient. Dabei sind aber nicht sämtliche Pflichten
des Arbeitgebers im Zusammenhang mit der Auszahlung und Verwaltung erdienter
Arbeitsvergütungen in den Schutzbereich des Gesetzes aufgenommen worden.
27 cc) Der Beklagte würde als Geschäftsführer auch dann nicht persönlich nach § 823 Abs. 2 BGB
iVm. § 7d SGB IV haften, wenn der zur Absicherung des Insolvenzrisikos für erarbeitete
Wertguthaben verpflichtende § 7d SGB IV Anwendung fände und der Beklagte gegen diese
Verpflichtung verstoßen hätte.
28 § 7d Abs. 1 SGB IV ist kein Schutzgesetz iSd. § 823 Abs. 2 BGB, dessen Verletzung zu einer
deliktischen Haftung des Beklagten wegen unterbliebener Insolvenzsicherung des vom Kläger
erworbenen Wertguthabens führen könnte. § 7d Abs. 1 SGB IV verpflichtet die Vertragsparteien
des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses dazu, im Rahmen ihrer Vereinbarungen Vorkehrungen zu
treffen, die der Erfüllung des Wertguthabens des Arbeitnehmers einschließlich des darauf
entfallenden Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag bei Zahlungsunfähigkeit
des Arbeitgebers dienen. Damit zielt diese Norm auf die Absicherung von Wertguthaben im Falle
der Zahlungsunfähigkeit eines Arbeitgebers und hat den Zweck, den einzelnen Arbeitnehmer vor
dem Verlust seines Wertguthabens wegen Insolvenz seines Arbeitgebers zu schützen.
29 Als Schutzgesetze kommen solche gesetzlichen Gebote oder Verbote in Betracht, durch die das
geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen
hinreichend klargestellt und bestimmt sind. Eine Rechtsnorm kann nur dann ein Schutzgesetz
sein, wenn sie - sei es auch neben dem Schutz der Gesamtheit - gerade dazu dienen soll, den
Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines Rechtsgutes oder eines
bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Nur so kann die Entscheidung des Gesetzgebers
verwirklicht werden, dass es grundsätzlich keine allgemeine Haftung für Vermögensschäden
geben soll. Für die Annahme eines Schutzgesetzes reicht es aus, dass die Gewährung von
Individualschutz wenigstens eines der vom Gesetzgeber mit der Norm verfolgten Anliegen ist,
selbst wenn auf die Allgemeinheit gerichtete Schutzzwecke ganz im Vordergrund stehen.
30 Durch die gesetzliche Haftungsbeschränkung des § 13 Abs. 2 GmbHG haftet eine GmbH als
Arbeitgeberin für durch Verstöße gegen gesetzliche Ver- und Gebote entstehende Schäden
ausschließlich mit ihrem Gesellschaftsvermögen. Eine Haftung der Geschäftsführer sieht das
Gesetz nicht vor. Dieses gesellschaftsrechtlich normierte Haftungssystem kann allerdings durch
den Gesetzgeber erweitert werden. Eine solche Erweiterung ist bezüglich der strafrechtlichen
Verantwortlichkeit des Geschäftsführers einer GmbH für Verstöße gegen Straftatbestände durch
§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB und für die Begehung von Ordnungswidrigkeiten durch § 9 Abs. 1 Nr. 1
OWiG erfolgt. Voraussetzung für eine solche Ausnahme von der gesellschaftsrechtlichen
Haftungssystematik ist, dass die eine Haftung des Geschäftsführers nach § 823 Abs. 2 BGB
begründende Schutznorm zweifelsfrei - so wie bei Straftatbeständen und Ordnungswidrigkeiten -
erkennen lässt, wer Adressat ihres Ge- oder Verbotes ist. Daran mangelt es bei § 7d SGB IV. So
fehlt eine klare Zuweisung der Verantwortung für den Insolvenzschutz als Voraussetzung für eine
individuelle Haftung des Geschäftsführers einer GmbH auf Schadensersatz, da auch der
Arbeitnehmer selbst durch § 7d Abs. 1 SGB IV verpflichtet wird, an der Gewährleistung seines
Schutzes mitzuwirken. Die Pflicht zur Absicherung der Wertguthaben wird durch diese Norm
damit beiden Vertragsparteien auferlegt. Dies folgt sowohl aus dem Wortlaut des Gesetzes als
auch aus dem erklärten Willen des Gesetzgebers. So heißt es in der Begründung der
Bundesregierung zu § 7a Abs. 1 SGB IV (BT-Drucks. 13/9818 S. 11) in der Fassung des
Gesetzes zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen vom 6. April 1998
(BGBl. I S. 688), der dem ab 1. Januar 1999 gültigen § 7d Abs. 1 SGB IV entspricht:
“In der derzeitigen Anlaufphase ist es zunächst eine Aufgabe der Vertragsparteien,
entsprechend diesen Erfordernissen sachgerechte Modelle zur Sicherung der Wertguthaben
zu entwickeln. Auch bei der betrieblichen Altersversorgung stand der durch den Gesetzgeber
ausgeformte Insolvenzschutz nicht am Anfang, sondern am Ende einer jahrzehntelangen
Entwicklung.”
31 Erfüllt eine Vertragspartei nicht die ihr durch Gesetz auferlegte Verpflichtung, mit dem
Vertragspartner eine Vereinbarung zur Erreichung eines bestimmten Zieles zu treffen, so kann
dies nicht zu deliktischen, allenfalls zu schuldrechtlichen Ansprüchen des anderen
Vertragspartners führen. Ein anderes Ergebnis widerspräche der klaren Trennung zwischen
Delikt- und Vertragshaftung des BGB (Senat 21. November 2006 - 9 AZR 206/06 - jurisPR-ArbR
14/2007 Anm. 1 Hamann; 13. Dezember 2005 - 9 AZR 436/04 - AP ATG § 8a Nr. 1 = EzA BGB
2002 § 823 Nr. 4, auch zur Veröffentlichung in BAGE vorgesehen mwN) .
32 3. Dem Kläger steht schließlich auch kein Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher
sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB zu.
33 Die Verwirklichung des Tatbestandes des § 826 BGB erfordert einen Schädigungsvorsatz. Dabei
reicht bedingter Vorsatz aus. Es genügt, wenn die Möglichkeit einer Schädigung erkannt wird und
diese für den Fall ihres Eintritts billigend in Kauf genommen wird (BAG 3. September 1998 - 8 AZR
189/97 - BAGE 89, 349) . Eine solche Schlussfolgerung kann auch aus den äußeren Umständen
gezogen werden. Drängt sich nach ihnen eine Schädigung Dritter geradezu auf, kann von
bedingtem Vorsatz ausgegangen werden (BAG 3. September 1998 - 8 AZR 189/97 - aaO) . In der
vorliegend unklaren Rechtslage kann schon nicht das Wissen des Beklagten unterstellt werden,
die Schuldnerin sei zur Insolvenzsicherung verpflichtet gewesen. Dann fehlt aber bereits eine
Schädigungsabsicht.
34 B. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Düwell
Reinecke
Krasshöfer
Jungermann
Kranzusch