Urteil des BAG vom 28.10.2008

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BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 28.10.2008, 3 AZR 903/07
Antragsmodifizierung in der Berufungsinstanz - Auslegung einer Protokollnotiz der Betriebsparteien -
Eintrittspflicht des Pensionssicherungsvereins - Anpassung nach billigem Ermessen - Begrenzung auf
gesetzlichen Mindestschutz unverfallbarer Versorgungsanwartschaften
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln
vom 13. April 2007 - 11 Sa 1303/06 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
1 Der Kläger nimmt den beklagten Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung
auf eine höhere Betriebsrente in Anspruch. Die ergibt sich seiner Auffassung nach aus einer bei
einer Einigungsstellensitzung niedergelegten Protokollnotiz der Betriebsparteien.
2 Der Kläger wurde am 19. Juni 1943 geboren. Er war seit dem 20. Mai 1963 bei der Firma G AG in
F zunächst als Montierer, seit dem 1. August 1973 als Meister im Angestelltenverhältnis
beschäftigt. Bei einer Umstrukturierung des G-Konzerns wurde er mit Wirkung vom 1. April 1994
der Firma G GmbH zugeordnet, die zuletzt unter P GmbH firmierte. Der Kläger war Mitglied des
Betriebsrats in F.
3 Im G-Konzern war die betriebliche Altersversorgung einheitlich durch Betriebsvereinbarung
geregelt. Für den Kläger galt zunächst die Gesamtbetriebsvereinbarung „Versorgungsleistungen
zur betrieblichen Altersversorgung“ vom 11. Mai 1979 (im Folgenden: AV I/79), die eine frühere
Versorgungsordnung abgelöst hatte. In der Gesamtbetriebsvereinbarung war vorgesehen, dass
die Versorgungsberechtigten ein betriebliches Altersruhegeld vorgezogen in Anspruch nehmen
konnten, das sich nach der bis dahin erreichten Ruhegeldanwartschaft bestimmen und keine
versicherungsmathematischen Abschläge enthalten sollte. Mit Wirkung vom 1. Juli 1983 wurde die
AV I/79 durch Gesamtbetriebsvereinbarung abgelöst. Es galt nunmehr die Versorgungsordnung
„Versorgungsleistungen zur betrieblichen Altersversorgung“ vom 24. Februar 1984 (hiernach: AV
I/84). Diese Versorgungsordnung sah geringere Steigerungsbeträge sowie einen
versicherungsmathematischen Abschlag bei vorgezogenem Rentenbezug vor. In beiden
Regelungen wurden im Zusammenhang mit der Altersversorgung Begriffe wie „Pensionär“ oder
„Pension“ verwendet. Aus Anlass der Neuregelung schlossen die Betriebsparteien eine
eigenständige Betriebsvereinbarung für die Übergangsregelungen (im Folgenden:
Übergangsbetriebsvereinbarung). Darin heißt es ua.:
„1. Die Versorgung der Pensionäre und die unverfallbaren Anwartschaften bis zum
30.6.1983 ausgeschiedener Mitarbeiter bleiben durch die Neuordnung mit Wirkung vom
1.7.1983 unberührt.
2. Bei Eintritt des Versorgungsfalles bis zum 30.6.1988 wird die Versorgungsleistung …
gewährt, die sich bei Anwendung der Versorgungsordnung vom 11.5.1979 (AV I 1979)
unter Berücksichtigung der nach Eintritt des Versorgungsfalles tatsächlich gewährten
gesetzlichen Sozialversicherungsrente ergibt.
3. Für Mitarbeiter, die am 30.6.1983 in einem festen Arbeitsverhältnis standen, wird
unabhängig von der Erfüllung der Unverfallbarkeitsvoraussetzungen des § 1 BetrAVG
die bis zum 30.6.1983 erworbene Anwartschaft auf Alters-, Invaliden- und
Hinterbliebenenrente nach der Versorgungsordnung vom 11.5.1979 (AV I 1979)
ermittelt und als Besitzstandsrente in festen DM-Beträgen garantiert.
Berechnungsmodus ist das ratierliche Verfahren des § 2 BetrAVG.
…“
4 Außerdem unterzeichneten der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberseite eine „Protokollnotiz
zur Sitzung der Einigungsstelle vom 23. und 24. Februar 1984“ (im Folgenden: Protokollnotiz), die
folgenden Wortlaut hat:
„1.
Die Betriebsparteien sind darüber einig:
a) daß im Falle von Frühpensionierungen einzelner Mitarbeiter, die auf Wunsch des
Arbeitgebers erfolgen, etwaige Verluste in der Altersversorgung, die aufgrund der
Versorgungsordnungen AV I 1979/1984 eintreten, ermittelt und angemessen
ausgeglichen werden,
b) daß in einem Zeitraum von jeweils 3 Jahren, erstmals am 1.7.1988, über
Anhebung der Steigerungsbeträge des Leistungsplanes der Versorgungsordnung
in der Fassung vom 1.7.1983 in Anlehnung an § 16 BetrAVG unter Offenlegung der
wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens verhandelt wird. Das gleiche gilt
für die per 30.6.1983 festgeschriebenen DM-Beträge.
2. Scheidet ein Mitarbeiter vor Erreichen der Altersgrenze wegen Bezugs einer
Invalidenrente auf Zeit aus dem Arbeitsverhältnis aus, so ist er bei Ablauf der Zeitrente
vorrangig wieder einzustellen. In diesem Falle gelten die Jahre der Zeitrente als
anrechnungsfähige Dienstjahre im Sinne der Versorgungsordnung.“
5 Der Übergang von der AV I/79 zur AV I/84 wurde für Führungs- und Schlüsselkräfte, Mitarbeiter
der „Leitungsebene“ nicht vollzogen. Diese erhielten vielmehr Individualzusagen, wonach weiter
die AV I/79 anzuwenden war.
6 Die Arbeitgeberin kündigte mit Schreiben vom 22. Oktober 1997 die AV I/84 „nebst Protokollnotiz
vom 24.02.1984“ zum 31. Januar 1998.
7 Das Arbeitsverhältnis des Klägers endete bereits vorher mit einer auf den 21. Juni 1994 datierten
Aufhebungsvereinbarung „aus dringenden betrieblichen Gründen auf Veranlassung des
Arbeitgebers im gegenseitigen Einvernehmen“ mit dem 31. Dezember 1995. Danach erhielt der
Kläger eine Abfindung, einen Ausgleich für Nachteile beim Arbeitslosengeld und einen teilweisen
Ausgleich auch für den Fall der berechtigten Teil- oder Nichtbewilligung von Arbeitslosenhilfe. Ihm
war ferner ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. In dem danach erteilen Zeugnis vom 17. Januar
1996 hieß es ua., der Kläger scheide „im Rahmen unserer Vorruhestandsregelung“ aus dem
Unternehmen aus.
8 Ob - wie der Kläger behauptet - die Aufhebungsvereinbarung sich in Wirklichkeit an der am
16. August 1994 geschlossen „Gesamtbetriebsvereinbarung Vorruhestandsregelung“ orientierte
und erst am 9. Oktober 1995 von ihm unterschrieben, jedoch zur Vermeidung von Nachteilen in
der Arbeitslosenversicherung zurückdatiert wurde, ist zwischen den Parteien streitig geblieben.
Der persönliche Geltungsbereich dieser Gesamtbetriebsvereinbarung erfasst ausschließlich
Arbeitnehmer, die das 54. Lebensjahr vollendet haben und bei Austritt noch keine 56 Jahre alt sind.
Zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers war diese Regelung immer
noch in Kraft. Hinsichtlich der Altersversorgung enthält sie folgende Bestimmung:
7. Altersversorgung
Bei der Berechnung eines unverfallbaren Betriebsrentenanspruchs wird die Zeit des
Bezugs von Arbeitslosengeld als Betriebszugehörigkeitszeit angerechnet.“
9 Im G-Geschäftsbericht 1994 heißt es unter der Überschrift „Mitarbeiter“ unter anderem:
„…
Wir haben die Instrumente Qualifizierung und Umschulung genutzt sowie ein
„Seniorenprogramm“ umgesetzt, mit dem wir über 54jährigen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern den Eintritt in den vorgezogenen Ruhestand ermöglichten. Darüber hinaus
wurden Aufhebungsvereinbarungen auf Basis unseres Beschäftigungsplans abgeschlossen.
Betriebsbedingte Kündigungen konnten bis auf wenige Einzelfälle vermieden werden.
…“
10 Am 1. Mai 2003 wurde über das Vermögen der letzten Arbeitgeberin des Klägers das
Insolvenzverfahren eröffnet. Seit dem 1. Juli 2004 nimmt der Kläger gesetzliche Altersrente in
Anspruch. Der Beklagte als Träger der Insolvenzsicherung gewährt dem Kläger auf der Basis der
AV I/84 eine Betriebsrente in Höhe von monatlich 117,70 Euro, deren Berechnung zwischen den
Parteien nicht in Streit steht.
11 Der Kläger hat die Differenz zwischen den Leistungen, die ihm nach der AV I/79 und der AV I/84
zustehen verlangt. Hilfsweise hat er einen angemessenen Verlustausgleich geltend gemacht, der
nach § 315 Abs. 3 BGB zu ermitteln sei.
12 Diese Forderung hat er aus der Protokollnotiz hergeleitet. Ziff. 1a dieser Protokollnotiz habe
Mitarbeiter bei Austritt schützen wollen, die nicht unter Ziff. 2 der Übergangsbetriebsvereinbarung
gefallen seien. Die Protokollnotiz sei Ergebnis des Drucks des Gesamtbetriebsrats gewesen:
Mitarbeiter, bei denen sich schon abzeichnet habe, dass sie auf Veranlassung des Arbeitgebers in
den vorzeitigen Ruhestand gehen sollten, hätten ähnlich abgesichert werden sollen, wie diejenigen,
deren Versorgungsfall noch bis zum 30. Juni 1988 eingetreten sei. Der Begriff „Pensionierung“
habe nach dem bei G üblichen Sprachgebrauch jedes vorzeitige Ausscheiden aufgrund sog.
Seniorenprogramme oder Vorruhestandsregelungen gemeint. Die Protokollnotiz habe für alle
Arbeitnehmer und nicht nur für Führungs- und Schlüsselkräfte, also solche der „Leitungsebene“
gelten sollen.
13 Ergänzend hat der Kläger mehrere ausgeschiedene Angestellte der Leitungsebene benannt, die
nach dem 30. Juni 1988 ausgeschieden sind und bei denen weiterhin die AV I/79 angewandt
wurde. Zumindest in einem Fall sei - ebenso wie bei ihm - ein 52-jähriger in den Ruhestand
getreten. In diesem Zusammenhang stützt sich der Kläger auch auf Gleichbehandlung.
14 Der Kläger hat erstinstanzlich noch eine monatliche Differenz seiner Betriebsrente in Höhe von
558,30 Euro geltend gemacht und sich auf einen bezifferten Klageantrag beschränkt. Im
Berufungsverfahren ist er dann noch von einer monatlichen Differenz in Höhe von 418,65 Euro
ausgegangen. Diesen Betrag hat er seit dem 1. Dezember 2005 laufend und für die Zeit vom
1. Juli 2004 bis zum 1. November 2005 Rückstände in Höhe von insgesamt 7.117,05 Euro geltend
gemacht. Er hat zuletzt sinngemäß beantragt:
1. den Beklagten zu verurteilen, an ihn wie folgt zu zahlen:
a) für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 1. November 2005 eine rückständige
Altersrente in Höhe von 7.117,05 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit,
b) ab dem 1. Dezember 2005 monatlich über die bereits geleistete Betriebsrente in
Höhe von 117,70 Euro hinaus einen weiteren Betrag in Höhe von 418,65 Euro,
insgesamt also 536,35 Euro.
2. hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, die Differenz zwischen der Betriebsrente nach
der Versorgungsordnung AV I/79 zur Versorgungsordnung AV I/84 iVm. der
Protokollnotiz vom 24. Februar 1984 nach Schätzung des Gerichts angemessen
auszugleichen.
15 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
16 Das Arbeitsgericht hat die noch auf den höheren Differenzbetrag gerichtete Klage abgewiesen. Auf
die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht auch die hinsichtlich des Differenzbetrages
beschränkte und um den Hilfsantrag erweiterte Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der
Kläger seinen zuletzt gestellten Klageantrag weiter, macht aber rückständig nur noch
7.107,05 Euro geltend. Er stützt sein Begehren nunmehr ergänzend darauf, dass er wegen seiner
Betriebsratstätigkeit nicht zu dem Kreis der leitenden bzw. Angestellten mit Schlüsselfunktion, also
solchen der „Leitungsebene“ habe aufrücken können, die von der Arbeitgeberin Einzelzusagen auf
Weiteranwendung der AV I/79 erhalten haben. Der Beklagte begehrt die Zurückweisung der
Revision.
Entscheidungsgründe
17 I. Die Revision ist unzulässig, soweit sich der Kläger erstmals in der Revisionsinstanz darauf
beruft, ohne seine Betriebsratstätigkeit hätte auch er eine Position auf „Leitungsebene“ erreicht, mit
der Folge, dass auch ihm eine Zusage nach der AV I/79 gemacht worden wäre. Dieses Vorbringen
war bislang nicht Gegenstand des Verfahrens und der Entscheidung der Vorinstanzen. Es stellt
einen neuen Streitgegenstand dar, da es gegenüber der Frage, wie die Protokollnotiz auszulegen
ist, um einen anderen Tatsachenkomplex geht. Der Sache nach handelt es sich deshalb um eine
Klageerweiterung. Klageerweiterungen sind in der Revisionsinstanz grundsätzlich unzulässig, da
das Revisionsgericht an Tatsachenvorbringen und Feststellungen im Berufungsverfahren
gebunden ist (§ 559 ZPO; vgl. BAG 9. November 2005 - 5 AZR 105/05 - AP TVG § 1
Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 196 = EzA TVG § 4 Metallindustrie Nr. 132, zu I 1 der Gründe) .
Daher ist der vom Kläger nunmehr erstmals zur gerichtlichen Beurteilung gestellte
Tatsachenkomplex auch nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.
18 II. Soweit die Revision danach zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg.
19 1. Prozessuale Bedenken stehen einer Sachentscheidung auch über den Hilfsantrag nicht
entgegen.
20 a) Die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden (BAG 12. Juni 2007 - 3 AZR
186/06 - AP BetrAVG § 1 Nr. 47 = EzA BetrAVG § 1 Nr. 90, zu A I der Gründe) Voraussetzungen
für die Zulässigkeit der Berufung sind gegeben. Bedenken dagegen, dass der Hilfsantrag erst in
der Berufungsinstanz gestellt wurde, bestehen nicht.
21 aa) Im Ergebnis zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass § 533 ZPO der
Ergänzung des Antrages um den Hilfsantrag nicht entgegensteht. Diese Vorschrift legt besondere
Zulassungsvoraussetzungen ua. für Klageänderungen in der Berufungsinstanz fest. Sie ist jedoch
dann nicht anzuwenden, wenn ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO vorliegt und daher nach
ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmung eine Antragsänderung nicht als Klageänderung
anzusehen ist. Diese gesetzliche Definition des Begriffs der Klageänderung gilt auch in der
Berufungsinstanz (BAG 11. April 2006 - 9 AZN 892/05 - BAGE 117, 370, zu II 3 b der Gründe;
BGH 19. März 2004 - V ZR 104/03 - BGHZ 158, 295, zu II 2 der Gründe) . § 264 Nr. 2 ZPO
bestimmt, dass keine Klageänderung ua. dann vorliegt, wenn ohne Änderung des Klagegrundes
der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. So liegt der Fall hier. Der Kläger begehrt
aufgrund desselben Tatsachenkomplexes - Heranziehung der Protokollnotiz - lediglich eine andere
Rechtsfolge und er erweitert seinen Antrag entsprechend (vgl. BAG 21. Februar 2006 - 3 AZR
77/05 - AP BetrAVG § 1 Auslegung Nr. 4, zu I der Gründe mwN) .
22 bb) Die Berufung ist auch nicht lediglich deswegen eingelegt worden, um die Modifizierung der
Klageanträge zu ermöglichen und aus diesem Grund unzulässig (vgl. BAG 12. September 2006 -
9 AZR 271/06 - BAGE 119, 238, zu A I 3 der Gründe) . In erster Linie hat der Kläger seinen
Hauptantrag weiterverfolgt.
23 b) Der Hilfsantrag ist auch nicht zu unbestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Allerdings sind
Geldforderungen grundsätzlich durch bezifferten Klageantrag geltend zu machen. Ein unbezifferter
Klageantrag ist aber zulässig, wenn sich der auszuurteilende Betrag erst aus einer Entscheidung
des Gerichts ergibt, wie dies bei der Festlegung einer angemessenen Geldleistung nach § 315
Abs. 3 BGB der Fall ist. Ein solcher unbezifferter Klageantrag muss allerdings die Tatsachen, die
das Gericht für die Festlegung heranziehen soll, benennen und die Größenordnung der geltend
gemachten Forderung klarstellen (vgl. BAG 31. Juli 2007 - 3 AZR 810/05 - AP BetrAVG § 16
Nr. 65 = EzA BetrAVG § 16 Nr. 52, zu I der Gründe; 3. September 1998 - 8 AZR 14/97 - zu A der
Gründe) . So verhält es sich hier. Der Kläger hat die aus seiner Sicht maßgeblichen Tatsachen für
die Bestimmung der angemessenen Leistung benannt und durch den Bezug auf die Differenz
zwischen den Ansprüchen nach der AV I/84 und der AV I/79 auch die maximale Größenordnung
der Forderung klargestellt.
24 2. Weder die Auslegung der Protokollnotiz noch Gleichbehandlungsgesichtspunkte geben dem
Kläger einen Anspruch auf weitere Anwendung der AV I/79. Ebenso wenig steht ihm ein Anspruch
auf Anpassung nach § 313 BGB zu, für den der Beklagte als Träger der Insolvenzsicherung
einzustehen hätte. Daher bleiben Haupt- und Hilfsantrag erfolglos.
25 a) Dem Kläger steht kein Anspruch auf Anwendung der AV I/79 zur Seite.
26 aa) Dahingestellt bleiben kann, ob es sich bei der Protokollnotiz um eine Betriebsvereinbarung
handelt und ob, falls man dies bejaht, auch die Regelung in Ziff. 1a den Arbeitnehmern unmittelbar
Rechte einräumt, also normative Wirkung (§ 77 Abs. 4 BetrVG) hat. Ebenso kann dahingestellt
bleiben, ob es sich bei dem Ausscheiden des Klägers um eine Frühpensionierung eines einzelnen
Mitarbeiters auf Wunsch des Arbeitgebers im Sinne dieser Regelung handelt. Das
Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine Frühpensionierung liege nicht vor. Das ist insoweit
bedenklich, als es auf den allgemeinen Sprachgebrauch abgestellt hat. Es hat dabei übersehen,
dass es für das Verständnis von Betriebsvereinbarungen auf den Sprachgebrauch in ihrem
Geltungsbereich ankommt (BAG 24. Januar 2006 - 3 AZR 479/04 - AP BetrVG 1972 § 77
Betriebsvereinbarung Nr. 27, zu II 2 der Gründe) . Die für die Auslegung einer
Betriebsvereinbarung notwendigen Feststellungen obliegen dabei nach § 293 ZPO dem
Tatsachengericht (vgl. BAG 15. April 2008 - 9 AZR 159/07 - zu B I 4 b bb der Gründe), ohne dass
es auf Beweisantritte ankäme. Als Indiz dafür, dass danach nicht nur der unmittelbare Eintritt in
den Ruhestand als Frühpensionierung anzusehen ist, könnte der G-Geschäftsbericht 1994
anzusehen sein.
27 bb) Der Klärung der damit zusammenhängenden Fragen bedarf es jedoch deshalb nicht, weil sich
ein möglicher Anspruch des Klägers aus Ziff. 1a der Protokollnotiz nicht auf die weitere
Anwendung der AV I/79 richtete, selbst wenn auch insoweit eine normativ wirkende
Betriebsvereinbarung vorläge.
28 (1) Die Auslegung von Betriebsvereinbarungen richtet sich nach den Grundsätzen der
Gesetzesauslegung. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch
ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die
Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner Sinn und Zweck der
Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem
Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der
Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und
gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (vgl. BAG 11. Dezember 2007 - 1 AZR
824/06 - EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 21, zu II 2 b aa der Gründe und ständig) .
29 (2) Nach der Protokollnotiz sind für die ausscheidenden Arbeitnehmer auszugleichen „etwaige
Verluste in der Altersversorgung, die aufgrund der Versorgungsordnung AV I 1979/1984 eintreten“.
Schon der Wortlaut enthält keine Regelung dahingehend, dass die Verluste aufgrund der Änderung
der Versorgungsordnung auszugleichen sind. Auch die Systematik der Regelung deutet nicht auf
eine derartige Rechtsfolge hin. Anknüpfungspunkt für den Verlustausgleich ist die
Frühpensionierung. Es geht also um das vorzeitige Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis. Wenn
daran geknüpft ein Verlustausgleich angeordnet wird, so spricht dies dafür, dass gerade der
dadurch entstehende Verlust ausgeglichen wird. Das sind die Nachteile, die aufgrund der
Anwendung der maßgeblichen Versorgungsordnung entstehen, weil der Arbeitnehmer wegen
seiner geringeren Betriebszugehörigkeit keine weitere Rente aufbauen kann und wegen der
vorgezogenen Inanspruchnahme Rentenkürzungen hinnehmen muss, nicht jedoch die
Unterschiede zwischen beiden Versorgungsordnungen.
30 Nur ein derartiges Verständnis der Protokollnotiz führt zu einem praktisch brauchbaren Ergebnis.
Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass sich andernfalls die Übergangsregelung in
Ziff. 2 der Übergangsbetriebsvereinbarung im Ergebnis unbegrenzt ausdehnen würde. Derart
weitreichenden Konsequenzen steht jedoch die Detailgenauigkeit der
Übergangsbetriebsvereinbarung entgegen.
31 Etwas Anderes folgt entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht daraus, dass in der
Protokollnotiz beide Versorgungsordnungen genannt sind. Vielmehr hat diese Formulierung ihren
Grund darin, dass vor dem Hintergrund der Regelung in Ziff. 3 der Übergangsbetriebsvereinbarung
die AV I/79 für die Berechnung der Betriebsrente auch der Mitarbeiter teilweise maßgeblich bleibt,
auf die nach dem 30. Juni 1983 an sich die neue Regelung anzuwenden ist.
32 Unerheblich ist die Behauptung des Klägers, die Betriebsparteien oder jedenfalls der
Gesamtbetriebsrat hätten in Wirklichkeit das gewollt, was er der Protokollnotiz entnimmt. Ein
derartiger Wille der Betriebsparteien hätte jedenfalls keinen ausreichenden Niederschlag in der
Protokollnotiz gefunden und könnte deshalb nicht zur Auslegung herangezogen werden.
33 cc) Die von ihm begehrte Rechtsfolge kann der Kläger auch nicht aus dem allgemeinen
arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Er hat kein generalisierendes Prinzip
dargelegt, aufgrund dessen ihm Ansprüche entstehen könnten, sondern sich nur auf Einzelfälle
berufen (vgl. BAG 22. Mai 2007 - 3 AZR 357/06 - AP BetrAVG § 1 Auskunft Nr. 5, zu 5 der
Gründe) .
34 b) Der Kläger hat auch mit seinem Begehren auf Anpassung nach billigem Ermessen keinen
Erfolg, da im vorliegenden Fall der Beklagte als Träger der Insolvenzsicherung nicht für
Anpassungspflichten der ehemaligen Arbeitgeberin einzustehen hätte.
35 aa) Der Kläger verlangt die Anpassung seiner Versorgungsbezüge nach billigem Ermessen (§ 315
BGB). Eine derartige Anpassungsentscheidung hat weder seine frühere Arbeitgeberin noch der
Beklagte getroffen. Deshalb steht die Entscheidung über die Billigkeit wegen einer Verzögerung
der Festlegung den Gerichten zu (§ 315 Abs. 3 BGB). Diese Bestimmung obliegt in erster Linie
den Tatsachengerichten. Das gilt aber dann nicht, wenn alle maßgeblichen Umstände für die
Billigkeitsentscheidung festgestellt sind und letztlich nur eine Entscheidung in Betracht kommt (vgl.
BAG 10. Mai 2005 - 9 AZR 294/04 - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 20 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit
Nr. 15, zu B IV 1 der Gründe) .
36 bb) Ein derartiger Fall liegt hier vor.
37 Wie oben - II 2 a bb - dargelegt, ist Maßstab für die nach der Versorgungsordnung zu ermittelnden
und angemessen auszugleichenden Nachteile der Verlust, den der Arbeitnehmer durch das
frühere Ausscheiden und die vorgezogene Inanspruchnahme der Betriebsrente hat. Bezogen
darauf ist ein angemessener Ausgleich zu finden. Anders als es der Kläger meint, ist Anlass für
den Ausgleich daher nicht der Wechsel der Versorgungsordnungen, sondern es sind die Nachteile,
die zum Zeitpunkt seines Ausscheidens durch das vorzeitige Ausscheiden entstanden sind. Aus
diesem Ansatzpunkt folgt zugleich, dass „angemessen“ iSd. Protokollnotiz ist, was zum Zeitpunkt
des Ausscheidens gilt, da zu diesem Zeitpunkt das Arbeitsverhältnis endet und letztlich auch die
Nachteile erst zu diesem Zeitpunkt ermittelt werden können.
38 Stellt man auf diesen Zeitpunkt ab, kann nicht unberücksichtigt bleiben, was die Betriebsparteien in
der „Gesamtbetriebsvereinbarung Vorruhestandsregelung“ vereinbart haben. Der Kläger unterfällt
zwar dieser Betriebsvereinbarung nicht, weil er mit einem jüngeren Lebensalter als andere
Arbeitnehmer ausschied. Er kann jedoch nicht besser gestellt werden als die Arbeitnehmer, die
tatsächlich der kollektiven Regelung unterfallen. Gleichzeitig wird aus der kollektiven Regelung
deutlich, was die in erster Linie regelungsbefugten Betriebsparteien als angemessen gesehen
haben. Gründe dafür, bei einer gerichtlichen Bestimmung von diesem kollektiven
Regelungsmechanismus abzuweichen, bestehen nicht. Dies gilt um so mehr, wenn man dem
tatsächlichen Vortrag des Klägers folgt, wonach sich sein Ausscheiden ohnehin an der
Betriebsvereinbarung Vorruhestandsregelung orientiert hat und der Aufhebungsvertrag nur aus
anderen Gründen zurückdatiert wurde.
39 Unabhängig davon, wie hoch sich der Nachteil des Klägers tatsächlich errechnete, ergibt sich der
angemessene Ausgleich daher nach Ziff. 7 der Gesamtbetriebsvereinbarung
Vorruhestandsregelung vom 16. August 1994. Folge ist, dass bei einer Heranziehung von § 315
BGB bei der Berechnung in der Betriebsrente die Zeit des Bezuges von Arbeitslosengeld als
Betriebszugehörigkeitszeit anzurechnen ist.
40 cc) Für eine derartige Anrechnung hätte allerdings zwar die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers,
nicht jedoch der Pensions-Sicherungs-Verein als Träger der Insolvenzsicherung einzustehen.
41 Der Kläger war zum Zeitpunkt des Sicherungsfalles - Insolvenzeröffnung (§ 7 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Satz 1 BetrAVG) - noch kein Betriebsrentner, sondern lediglich mit einer Anwartschaft bei
seinem Arbeitgeber ausgeschieden. Die Anwartschaft war unverfallbar. Die Versorgungszusage
ist vor dem 1. Januar 2001 erteilt worden, das Arbeitsverhältnis hat vor Eintritt des
Versorgungsfalles aber nach Vollendung des 30. Lebensjahres geendet und zu diesem Zeitpunkt
hat die Versorgungszusage mindestens zehn Jahre bestanden (§ 30f BetrAVG). Für die
Eintrittspflicht des Beklagten ist deshalb § 7 Abs. 2 BetrAVG maßgeblich. Nach Satz 3 dieser
Bestimmung richtet sich der Umfang der Insolvenzsicherung nach der Höhe der Leistungen gem.
§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und Abs. 5 des Betriebsrentengesetzes. Diese Berechnungsgrundsätze
stehen nicht zur Disposition der Vertrags-, Betriebs- und Tarifparteien, da die Insolvenzsicherung
auf den gesetzlichen Mindestschutz unverfallbarer Versorgungsanwartschaften beschränkt ist.
42 Der gesetzliche Mindestschutz unverfallbarer Versorgungsanwartschaften und der darauf
aufbauende Insolvenzschutz für Versorgungsanwärter errechnet sich danach in zwei Schritten:
Zunächst ist durch Hochrechnungen die ohne das vorzeitige Ausscheiden anfallende fiktive
Vollrente zu ermitteln. Die maßgeblichen Versorgungsregelungen und Bemessungsgrundlagen
ergeben sich aus den getroffenen Vereinbarungen. Der Pensions-Sicherungs-Verein ist an die
Gestaltung der Versorgungsordnung gebunden, die Insolvenzsicherung „akzessorisch“. Der
nächste Rechenschritt besteht in der Kürzung dieser Vollrente um den Zeitwert oder
Unverfallbarkeitsfaktor. Dieser ist in § 2 Abs. 1 iVm. § 7 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG losgelöst von der
konkreten Versorgungszusage eigenständig geregelt. Er entspricht dem Verhältnis der Dauer der
Betriebszugehörigkeit zu der Zeit von Beginn der Betriebszugehörigkeit bis zur Vollendung der
festen Altersgrenze. Der Begriff der Betriebszugehörigkeit ist gesetzlich vorgegeben und unterliegt
nicht der Parteidisposition. Die Betriebszugehörigkeit ist von der versorgungsfähigen
Beschäftigungszeit zu unterscheiden. Soweit die Versorgungsordnung die versorgungsfähige
Beschäftigungszeit abweichend vom gesetzlichen Modell - sei es nach oben oder unten - regelt,
verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung (vgl. zum Ganzen BAG 30. Mai 2006 - 3 AZR 205/05 -
AP BetrAVG § 2 Nr. 54 = EzA BetrAVG § 2 Nr. 26, zu B der Gründe mit umfassenden
Nachweisen) .
43 Die dem Kläger etwa zugute kommende Anpassung hätte sich nicht auf die erreichbare Vollrente,
sondern - in Abweichung vom gesetzlichen Modell der Unverfallbarkeit und dem daran
anknüpfenden Insolvenzschutz - lediglich auf die versorgungsfähige Dienstzeit bezogen. Der
Kläger hätte Anspruch auf eine weitergehende Berücksichtigung von Dienstzeiten gehabt. Diese
Abweichung wäre also von der Art gewesen, für die der Pensions-Sicherungs-Verein nicht
einstehen muss. Der Kläger könnte deshalb aus der Protokollnotiz iVm. der
„Gesamtbetriebsvereinbarung Vorruhestandsregelung“ keine Ansprüche gegen den Beklagten als
Träger der Insolvenzsicherung herleiten.
Kremhelmer
Kremhelmer
Zwanziger
Möller
Seyboth