Urteil des BAG vom 15.05.2013

Umfang der Arbeitszeit beim Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung - betriebsübliche Arbeitszeit - Annahmeverzug

Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 34/13 vom 15.5.2013
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 15.5.2013, 10 AZR 325/12
Umfang der Arbeitszeit beim Fehlen einer ausdrücklichen Vereinbarung - betriebsübliche
Arbeitszeit - Annahmeverzug
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf vom 9. Februar 2012 - 4 Sa 1025/11 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über den Umfang der Arbeitsverpflichtung der Klägerin und über
Vergütungsansprüche.
2 Die Klägerin ist - nach Vorbeschäftigung bei einem anderen Konzernunternehmen - seit
dem 1. Januar 2006 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als außertarifliche
Mitarbeiterin beschäftigt. Der Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 2005 lautet auszugsweise:
„2. Vergütung
(1) Die übertragene Aufgabe ist dem Band 1 im Sinne der
Betriebsvereinbarung der R E AG zur Vergütung für nicht leitende
außertariflich beschäftigte Mitarbeiter (AT-Mitarbeiter) der R E AG
zugeordnet.
(2) Als Vergütung erhalten Sie für die Erfüllung Ihrer Aufgabe:
a) ein festes Jahresgehalt in Höhe von EUR 67.920,00 brutto, zahlbar in
zwölf gleichen Teilen, jeweils monatlich nachträglich in Höhe von
EUR 5.660,00 brutto. Davon sind zum Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses EUR 5.622,00 (99,33 %) pensionsfähig.
b) ein festes, nicht ruhegeldfähiges Bruttomonatsgehalt, zahlbar ab Mitte
November,
c) eine variable, individuelle Vergütung bis max. 1,56 Monatsgehälter
gemäß Ziffer 2, Absatz 2 a). Die individuelle Vergütung wird auf Basis
der Betriebsvereinbarung über die Zielerreichung der R E AG ermittelt;
d) eine variable, vom Unternehmenserfolg abhängige Vergütung bis
max. 0,6 Monatsgehälter gemäß Ziffer 2, Absatz 2 a). Die Höhe der
variablen Unternehmensvergütung ist von dem Unternehmenserfolg
abhängig. Näheres regelt die Betriebsvereinbarung AT-Vergütung der
R E AG.
(5) Im Rahmen Ihrer Aufgabenstellung sind Sie verpflichtet, auch außerhalb der
betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Mit der Vergütung gemäß
Ziffer 2 ist die gesamte Tätigkeit für die R E AG abgegolten; darüber
hinausgehende Zulagen und Zuschläge werden nicht gewährt.“
3 Das aktuelle Jahresgehalt der Klägerin beläuft sich auf ca. 95.000,00 Euro brutto. Ua.
erhält sie ein monatliches Grundgehalt iHv. 6.225,00 Euro brutto.
4 Die Betriebsvereinbarung 2009 zur Erfassung und Regelung der Arbeitszeit zwischen der
Beklagten und dem Betriebsrat vom 31. März 2009 (im Folgenden: BV) lautet
auszugsweise:
Präambel:
Ziel dieser Betriebsvereinbarung ist eine moderne Gestaltung der Arbeitszeit, um
den Anforderungen des Wettbewerbs Rechnung zu tragen und den Mitarbeitern
eine flexible Einteilung der Arbeitszeit zu ermöglichen. Diese Betriebsvereinbarung
erfordert eine hohe Verantwortung der Führungskräfte und Mitarbeiter. Die
Regelungen dieser Betriebsvereinbarung sind von Führungskräften und
Mitarbeitern uneingeschränkt und aktiv umzusetzen. Dazu wird eine intensive
Kooperation zwischen Führungskräften, Mitarbeitern und dem Betriebsrat
vorausgesetzt.
§ 1 Geltungsbereich
Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle Mitarbeiter (Tarif- und AT-Mitarbeiter) der
Gesellschaft am Standort Es mit Ausnahme der Leitenden Angestellten gemäß § 5
Absatz 3, 4 BetrVG sowie Auszubildenden, Werksstudenten, Praktikanten und
Diplomanden.
§ 2 Arbeitszeit/Arbeitszeitrahmen/Servicezeit
1.
Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Tarifangestellte bestimmt sich
nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag (z. Zt.: Manteltarifvertrag
Tarifgruppe R) und beträgt derzeit 38 Stunden für Vollzeitmitarbeiter (ohne
Ruhepausen und Zeiten z. B. zur Verlängerung von Pausen, für
Arztbesuche oder sonstige private Wegezeiten). Für Teilzeitmitarbeiter
gelten die jeweils vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten.
2.
Die Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit erfolgt in der Regel auf die
Wochentage Montag bis Freitag jeweils zwischen 6:00 Uhr und 20:00 Uhr.
Die Mitarbeiter können die Lage der Arbeitszeit innerhalb dieses Rahmens
unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Servicezeit
gemäß nachfolgender Ziffer 3 in Abstimmung mit dem Vorgesetzten frei
wählen.
§ 3 Zeiterfassung
1.
Die Arbeitszeitdaten (z. B. ‚Kommen’- und ‚Gehen’-Zeiten) aller Mitarbeiter
werden elektronisch erfasst. Jeder Mitarbeiter hat täglich vor Arbeitsbeginn
mit seiner Servicekarte an einem der Zeiterfassungsgeräte oder durch
Passieren der Zutrittskontrolle eine ‚Kommen-Buchung’ und bei
Arbeitsende eine ‚Gehen-Buchung’ durchzuführen.
2.
Ist eine Nutzung der Zeiterfassungsgeräte bei Arbeitsbeginn und/oder
Arbeitsende nicht möglich, ist der Mitarbeiter verpflichtet, seine
Arbeitszeiten über ESS (Employee Self Service) bis zum dritten Arbeitstag
des Folgemonats zu erfassen. Dieses System ist darüber hinaus für die
Kontrolle und ggf. Aktualisierung oder Korrektur der Arbeitszeitdaten zu
nutzen.
3.
Die Arbeitszeitdaten der Mitarbeiter können von dem Vorgesetzten jederzeit
eingesehen werden.
§ 5 Gleitzeit
1.
Für jeden Mitarbeiter wird ein Gleitzeitkonto eingerichtet und geführt. Davon
ausgenommen sind nur AT-Mitarbeiter, die gemäß Ziffer II. 2., 3. und 5. der
Bonus-Betriebsvereinbarung vom 12. Februar 2008 in Verbindung mit
Anlage 2 zur Bonus-Betriebsvereinbarung der Vergütungsgruppe
‚Commercial’ angehören. Für diese AT-Mitarbeiter wird kein Gleitzeitkonto
geführt und kein Arbeitszeitsaldo gebildet; die Arbeitszeiten werden
lediglich dokumentiert.
3.
Das Gleitzeitkonto von AT-Mitarbeitern erfasst die Differenz aus IST-
Arbeitszeit inklusive Mehrarbeit und regelmäßiger Arbeitszeit.
§ 7 Gleitzeitkonto AT-Mitarbeiter
1.
Das Gleitzeitkonto für AT-Mitarbeiter (§ 5 Ziffer 1) wird auf der Basis der
derzeit gültigen tariflichen Wochenarbeitszeit (38 Stunden) geführt. Die
jeweils gültige tarifliche Wochenarbeitszeit wird ausschließlich zum Zweck
der Führung des Gleitzeitkontos herangezogen. Eine entsprechende
Festlegung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit für AT-Mitarbeiter
erfolgt damit nicht.
2.
Zeitguthaben sollen vorrangig durch Freizeit ausgeglichen werden.
3.
Soweit das Gleitzeitkonto ein Zeitguthaben von
180 Stunden
Zeitschuld von
80 Stunden
Mitarbeiter gemeinsam mit dem Betriebsrat sowie einem Vertreter von
Human Resources ein Gespräch zu führen und Maßnahmen zu
vereinbaren, die ein weiteres Anwachsen des Zeitguthabens, insbesondere
die Überschreitung eines Zeitguthabens von 220 Stunden, oder der
Zeitschuld verhindern. Die Inhalte des Gesprächs sind von dem
Vorgesetzten zu protokollieren. Das Protokoll ist Human Resources und
dem Betriebsrat zuzuleiten.
5.
Zum 31.12. eines Kalenderjahres bestehende Zeitguthaben entfallen
ersatzlos. Etwaige Zeitschulden werden in vollem Umfang auf das nächste
Kalenderjahr übertragen und sind auch in diesem Jahr abzubauen.“
5 Mit E-Mail vom 8. Oktober 2010 wies die Beklagte die Klägerin an, mindestens
7,6 Stunden täglich zu arbeiten. Mit Schreiben vom 10. November 2010 forderte die
Beklagte die Klägerin auf, eine Wochenarbeitszeit von 38 Stunden einzuhalten, und wies
darauf hin, dass sie beginnend mit dem Monat November 2010 einen Teil des Gehalts
einbehalten werde, bis das Arbeitszeitkonto ausgeglichen sei.
6 Im Dezember 2010 arbeitete die Klägerin insgesamt 19,8 Stunden im Betrieb. Für diesen
Monat zahlte die Beklagte der Klägerin 2.144,56 Euro brutto. Vom 1. bis 19. Januar 2011
arbeitete die Klägerin insgesamt 5,51 Stunden. Vom 20. bis 31. Januar 2011 hatte die
Klägerin Urlaub. Für Januar 2011 zahlte die Beklagte der Klägerin 3.346,43 Euro brutto.
7 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, weder im Arbeitsvertrag noch in der BV sei ein
bestimmter Umfang der Arbeitszeit festgelegt. Zumindest bestünden erhebliche Zweifel
daran, dass der Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zur Einhaltung der betriebsüblichen
Arbeitszeit enthalte, sodass zugunsten der Klägerin § 305c Abs. 2 BGB Anwendung
finden müsse. Das Maß für ihre Arbeitsleistung sei nicht eine bestimmte Arbeitszeit,
sondern die Erfüllung der ihr übertragenen Tätigkeiten. Sie sei ihrer Pflicht, ihr
zugewiesene Aufgaben zu bewältigen, stets nachgekommen. Die Beklagte habe sie
jedoch nicht oder doch nicht in ausreichendem Maße mit Aufträgen betraut, weshalb im
fraglichen Zeitraum Annahmeverzug bestanden habe.
8 Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, dass sie keine arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Ableistung
einer 38-Stunden-Woche hat;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.277,83 Euro nebst fünf Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 2.878,57 Euro nebst fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
9 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin sei zur Ableistung einer
38-Stunden-Woche verpflichtet. Das folge aus dem Arbeitsvertrag der Parteien. Da die
Klägerin die geschuldete Arbeitsleistung auch im streitgegenständlichen Zeitraum nicht in
vollem Umfang erbracht habe, bestehe der erhobene Vergütungsanspruch nicht.
10 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung
der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
11 Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
12 I. Die Klage ist zulässig. Das gilt auch für den negativen Feststellungsantrag, der
allerdings der Auslegung bedarf.
13 1. Nach dem Wortlaut des Feststellungsantrags bezieht sich das Begehren auf die von der
Beklagten in Anspruch genommene arbeitsvertragliche Verpflichtung zur Ableistung einer
38-Stunden-Woche. Gegenstand des Streits der Parteien ist danach allein der vertraglich
festgelegte zeitliche Umfang der Arbeitspflicht, nicht aber die - gegebenenfalls auch
kollektivrechtlich beeinflusste (§ 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG) - Wirksamkeit etwaiger
Einzelweisungen zur Verteilung der Arbeitszeit.
14 2. Mit diesem Inhalt ist der Feststellungsantrag zulässig. Eine Feststellungsklage kann
sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte
Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken
(BAG 18. Januar 2012 - 10 AZR 779/10 - Rn. 22; 19. Oktober 2011 - 4 AZR 811/09 -
Rn. 13). Der - hier streitige - Umfang der Leistungspflicht des Arbeitnehmers ist zulässiger
Inhalt einer Feststellungsklage (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 - Rn. 29,
BAGE 138, 148). Die gerichtliche Entscheidung ist geeignet, die Streitfrage endgültig zu
klären und weitere Prozesse über diesen Streitpunkt zu vermeiden (vgl. zu diesem
Gesichtspunkt BGH 12. Juli 2006 - VIII ZR 235/04 - Rn. 16; Zöller/Greger ZPO 29. Aufl.
§ 256 Rn. 7b).
15 II. Die Klage ist nicht begründet.
16 1. Die Klägerin ist zur Arbeitsleistung im Umfang von 38 Wochenstunden am vereinbarten
Dienstort verpflichtet. Dies ergibt sich nicht aus der BV; deren § 7 Ziff. 1 stellt ausdrücklich
klar, dass die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für AT-Mitarbeiter durch die BV nicht
festgelegt wird. Eine entsprechende Verpflichtung der Klägerin haben die Parteien jedoch
im Arbeitsvertrag vereinbart. Das ergibt die Auslegung des Vertrags.
17 a) Bei den Bestimmungen des Arbeitsvertrags handelt es sich nach der von der Revision
nicht angegriffenen rechtlichen Wertung des Landesarbeitsgerichts um Allgemeine
Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet bereits das
äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 17. August 2011 - 5 AZR
406/10 - Rn. 11, BAGE 139, 44; 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - Rn. 20 ff., BAGE 117, 155),
der keine der Parteien entgegengetreten ist. Allgemeine Vertragsbedingungen sind nach
ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von
verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der
normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind nicht die
Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen
Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die nicht am Willen
der jeweiligen Vertragspartner zu orientierende Auslegung Allgemeiner
Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig,
kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der
typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei
der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss.
Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in
Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten. Die
Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch das Berufungsgericht unterliegt
einer vollen revisionsrechtlichen Nachprüfung (BAG 14. November 2012 - 10 AZR
783/11 - Rn. 16).
18 b) Die Auslegung des Arbeitsvertrags nach diesen Grundsätzen führt - wie die
Vorinstanzen richtig erkannt haben - zu dem Ergebnis, dass die Klägerin verpflichtet ist,
die im Betrieb der Beklagten übliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte einzuhalten.
19 aa) Durch den Arbeitsvertrag vom 28. Dezember 2005 haben die Parteien ein
Vollzeitarbeitsverhältnis begründet. Die Vertragsbestimmungen enthalten keine
Vereinbarung über ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Bei Fehlen einer Teilzeitvereinbarung
wird im Zweifel ein Vollzeitarbeitsverhältnis begründet (BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR
236/10 - Rn. 52, BAGE 138, 148; 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 19). Für ein
Vollzeitarbeitsverhältnis spricht auch der vertraglich eingeräumte Urlaubsanspruch von
30 Arbeitstagen pro Jahr (Ziff. 3 des Arbeitsvertrags).
20 bb) Eine genaue Bezifferung des Umfangs der Arbeitszeit enthält der Arbeitsvertrag nicht.
Gleichwohl war für einen redlichen und verständigen Arbeitnehmer erkennbar, dass durch
den Arbeitsvertrag eine Verpflichtung zur Arbeitsleistung im Umfang der betriebsüblichen
Arbeitszeit für Vollzeitmitarbeiter begründet werden sollte.
21 (1) Wird im Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Vereinbarung über die Dauer der
Arbeitszeit getroffen, so ist anzunehmen, dass die Parteien die betriebsübliche Arbeitszeit
vereinbaren wollen (vgl. BAG 9. Dezember 1987 - 4 AZR 584/87 - BAGE 57, 130;
ErfK/Preis 13. Aufl. § 611 BGB Rn. 653; Schaub/Linck ArbR-Hdb. 14. Aufl. § 45 Rn. 49;
Staudinger/Richardi/Fischinger (2011) § 611 Rn. 544; MüArbR/Reichold 3. Aufl. § 36
Rn. 81; MüArbR/Anzinger § 297 Rn. 14; zur Lage der Arbeitszeit: BAG 23. Juni 1992 -
1 AZR 57/92 - zu II 2 der Gründe). Dies entspricht dem Vertragswillen verständiger und
redlicher Vertragspartner. Ein Mitarbeiter, der einen Arbeitsvertrag über ein
Vollzeitarbeitsverhältnis abschließt, muss bei Fehlen einer ausdrücklichen
arbeitsvertraglichen Regelung zum Umfang der Arbeitszeit mangels anderweitiger
Anhaltspunkte redlicherweise davon ausgehen, dass er in gleichem Umfang wie andere
Vollzeitarbeitnehmer des Arbeitgebers zur Arbeitsleistung verpflichtet und für ihn daher der
betriebsübliche Umfang der für Vollzeitmitarbeiter geltenden Arbeitszeit maßgeblich ist.
22 (2) Auch der Arbeitsvertrag der Parteien spricht nicht für die Auffassung der Klägerin, ihre
Tätigkeit sei von der Bindung von Arbeitszeit frei. Zwar fehlt es an einer ausdrücklichen
Festlegung des zeitlichen Umfangs der zu leistenden Arbeit. Gemäß Ziff. 2 Abs. 5 Satz 1
des Arbeitsvertrags ist die Klägerin jedoch im Rahmen ihrer Aufgabenstellung verpflichtet,
auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Damit ist eine mittelbare
Bindung an die betriebsübliche Arbeitszeit vorausgesetzt. Das ergibt sich aus dem
erkennbaren Zweck der in Ziff. 2 getroffenen Regelung. Wie schon die Überschrift zeigt,
betrifft sie unmittelbar die Vergütung, also eine Leistungspflicht der Beklagten und nicht
der Klägerin (vgl. auch BAG 8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 18). Mit der
vereinbarten Vergütung soll die gesamte Tätigkeit - auch soweit sie die betriebsübliche
Arbeitszeit übersteigt - abgegolten sein. Es handelt sich um eine Abrede zur
pauschalierten Vergütung von Überstunden. Unbeschadet der Frage, ob eine derartige
Abrede wirksam ist (vgl. BAG 1. September 2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15 mwN,
BAGE 135, 250), bietet sie jedenfalls keinerlei Grund für die Annahme, es sei nicht
wenigstens Arbeitsleistung im Umfang der betriebsüblichen Arbeitszeit geschuldet.
23 cc) Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, die vertragliche Regelung der Arbeitszeit sei
unklar, weshalb die betriebsübliche Arbeitszeit nicht vereinbart sei (§ 305c Abs. 2 BGB,
vgl. dazu BAG 14. November 2012 - 10 AZR 783/11 - Rn. 17). Die Klägerin legt bereits
nicht dar, welche Arbeitszeitregelung nach ihrem Verständnis die hier maßgebliche
Klausel treffen soll. Ein Verständnis dahin gehend, nach dem Vertrag sei eine Messung
ihrer Arbeitsleistung in Zeitabschnitten von vornherein ausgeschlossen, liegt fern.
24 (1) Der Vertrag bietet keine Anhaltspunkte für die Auffassung der Klägerin, sie schulde
allein die Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben und sei vertraglich nicht zur
Arbeitsleistung in einem bestimmten zeitlichen Umfang, sondern gegebenenfalls auch nur
wenige Tage im Monat - etwa in dem von der Klägerin im Dezember 2010 und Januar
2011 erbrachten Maße - verpflichtet. Nach der Präambel des mit „AT-Arbeitsvertrag“
überschriebenen Vertrags wird durch ihn ein „Arbeitsverhältnis“ begründet. Der
Arbeitnehmer schuldet nicht die Erbringung von einzelnen Tätigkeiten oder ein
bestimmtes Ergebnis. Nicht der Erfolg, sondern die Zeit ist das wesentliche Maß für die
Arbeitsleistung (ErfK/Preis § 611 BGB Rn. 641; MüKoBGB/Müller-Glöge 6. Aufl. § 611
Rn. 18). Das gilt auch für außertarifliche Angestellte; auch sie entgehen nicht der
Notwendigkeit, ihre Arbeitsleistung „in der Zeit“ zu erbringen (Franke Der außertarifliche
Angestellte S. 75; Beseler in Beseler/Bopp/Bram/Göttling/Grundmann/Keil/
Schliemann Außertarifliche Angestellte S. 47). Der zeitbezogene Charakter der
geschuldeten Arbeitsleistung lag - insbesondere für eine AT-Mitarbeiterin - auf der Hand.
Gemäß Ziff. 2 Abs. 2 Buchst. a des Arbeitsvertrags erhält die Klägerin ein monatliches und
damit nach Zeitabschnitten bemessenes Grundgehalt, das den wesentlichen Teil ihrer
Vergütung ausmacht. Die Vereinbarung und Erreichung von Zielen, die im Übrigen
ebenfalls nur „in der Zeit“ erarbeitet werden können, ist lediglich für die Höhe der variablen
Vergütung gemäß Ziff. 2 Abs. 2 Buchst. c des Arbeitsvertrags relevant.
25 (2) Auch die BV spricht nicht für die Auffassung der Klägerin. Vielmehr zeigt § 5 Ziff. 3 BV,
dass auch für außertarifliche Angestellte eine regelmäßige Arbeitszeit gelten muss.
Ansonsten hätte die dort getroffene Anordnung, derzufolge das Gleitzeitkonto die Differenz
aus IST-Arbeitszeit einschließlich Mehrarbeit und „regelmäßiger Arbeitszeit“ erfasst,
keinen Anwendungsbereich.
26 (3) Die Behauptung der Klägerin, bei der Beklagten werde das Konzept der
Vertrauensarbeitszeit angewendet, ist nicht zielführend. Abgesehen von dem Umstand,
dass der Arbeitsvertrag keinerlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung
enthält, entfällt durch die Vereinbarung von Vertrauensarbeitszeit nicht die Pflicht des
Arbeitnehmers, Arbeitszeit in einem nach Stunden bemessenen Umfang abzuleisten. Die
Einhaltung dieser Verpflichtung wird lediglich nicht kontrolliert (BAG 24. Mai 2012 - 2 AZR
124/11 - Rn. 34; Schaub/Vogelsang ArbR-Hdb. § 160 Rn. 34).
27 (4) Auch die Bedeutung des in Ziff. 2 Abs. 5 des Arbeitsvertrags verwendeten Begriffs der
„betriebsüblichen Arbeitszeit“ unterliegt entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin
keinen Zweifeln. Zwar trifft es zu, dass die betriebsübliche Arbeitszeit in einem Betrieb
nicht zwingend für alle Arbeitnehmer einheitlich sein muss, sondern abhängig von dem
jeweils vertraglich geschuldeten regelmäßigen Umfang der Arbeitsleistung für
verschiedene Arbeitnehmergruppen unterschiedlich sein kann (vgl. BAG 24. April 2007 -
1 ABR 47/06 - Rn. 16 mwN, BAGE 122, 127). Die Klägerin behauptet indes selbst nicht,
dass eine andere als die von der Beklagten als maßgeblich angesehene Arbeitszeit von
38 Wochenstunden, sei es auch nur für einzelne Gruppen von Arbeitnehmern,
betriebsüblich wäre.
28 dd) Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht daraus, dass
die Arbeitszeit nicht ausdrücklich im Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Ob darin ein Verstoß
gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 NachwG zu sehen ist, wofür einiges spricht, kann
dahinstehen. Jedenfalls führt ein Verstoß gegen die Nachweispflicht nicht zur
Unwirksamkeit der betreffenden Vereinbarung.
29 c) Die betriebsübliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte ist die in dem jeweiligen Betrieb von
Vollzeitkräften regelmäßig geleistete Arbeitszeit (vgl. BAG 24. April 2007 - 1 ABR 47/06 -
Rn. 16 mwN, BAGE 122, 127). Bei tarifgebundenen Arbeitgebern ist dies regelmäßig die
tarifliche Arbeitszeit (vgl. BAG 21. Juni 2011 - 9 AZR 236/10 - Rn. 52, BAGE 138, 148;
8. Oktober 2008 - 5 AZR 715/07 - Rn. 20). Auch § 2 Ziff. 1 BV bestimmt, dass sich die
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von Vollzeitmitarbeitern im Betrieb der Beklagten
nach dem jeweils geltenden Tarifvertrag richtet. Gemäß § 4 Ziff. 1.1 MTV beträgt die
regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für Vollzeitkräfte 38 Stunden. Die tarifliche
Arbeitszeit ist danach betriebsüblich. Sie gilt deshalb auch für außertarifliche Angestellte,
mit denen eine andere Arbeitszeit nicht vereinbart ist.
30 2. Die Leistungsanträge sind ebenfalls unbegründet. Die Beklagte hat sämtliche
Vergütungsansprüche der Klägerin für die Monate Dezember 2010 und Januar 2011
bereits erfüllt. Darüber hinausgehende Vergütungsansprüche für diese Monate bestehen
nicht.
31 a) Im Dezember 2010 arbeitete die Klägerin insgesamt 19,8 Stunden. Am 24. und
31. Dezember werden die Mitarbeiter der Beklagten bezahlt von der Arbeitsleistung
freigestellt (§ 8 Ziff. 4 BV). Vom 1. bis 19. Januar 2011 arbeitete die Klägerin insgesamt
5,51 Stunden. Vom 20. bis 31. Januar 2011 hatte sie Urlaub.
32 b) Unter Berücksichtigung eines Bruttomonatsgehalts iHv. 6.225,00 Euro, der auf der
Grundlage einer 38-Stunden-Woche im jeweiligen Monat zu leistenden Arbeitsstunden
und der bereits geleisteten Zahlungen stehen der Klägerin daher für Dezember 2010 und
Januar 2011 keine weiteren Zahlungsansprüche zu.
33 aa) Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts iVm. § 614 BGB gilt
im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“. Verlangt der Arbeitnehmer
gemäß § 611 BGB Arbeitsvergütung für Arbeitsleistungen, hat er deshalb darzulegen und -
im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit verrichtet oder einer der Tatbestände
vorgelegen hat, der eine Vergütungspflicht ohne Arbeit regelt (BAG 18. April 2012 - 5 AZR
248/11 - Rn. 14 mwN).
34 bb) Dass die Klägerin über die bereits vergüteten Arbeitsstunden hinaus weitere erbracht
hätte, ist nicht erkennbar.
35 (1) Die Klägerin hat selbst nicht vorgetragen, im maßgeblichen Zeitraum über die im
Zeiterfassungssystem der Beklagten ausgewiesenen Zeiten hinaus Arbeitsleistungen für
die Beklagte erbracht zu haben. Die pauschale Behauptung, die Zeiterfassung der
Beklagten habe im Jahr 2010 nicht immer reibungslos funktioniert, lässt nicht erkennen, ob
und gegebenenfalls welche tatsächliche Arbeitsleistungen der Klägerin nicht
aufgezeichnet worden sein sollen.
36 (2) Die Klägerin kann die von ihr begehrte Vergütung auch nicht gemäß § 615 Satz 1 BGB
iVm. § 611 Abs. 1 BGB wegen Annahmeverzugs verlangen. Der Arbeitgeber kommt nur
dann in Annahmeverzug, wenn er die ihm angebotene Arbeitsleistung nicht annimmt
(§ 293 BGB). Voraussetzung ist ein zur Erfüllung taugliches Angebot. Die Leistung muss
gemäß § 294 BGB so, wie sie geschuldet ist, tatsächlich angeboten werden (BAG 13. Juni
2007 - 5 AZR 564/06 - Rn. 18, BAGE 123, 98). Die Klägerin ist - wie sie nicht in Abrede
stellt - mangels entgegenstehender Verabredungen mit der Beklagten verpflichtet, ihre
Arbeitsleistung an ihrem Dienstort (früher D, zuletzt Es) zu erbringen. Eine Tätigkeit von zu
Hause aus ist nicht vereinbart. Die Klägerin hat selbst nicht behauptet, dass sie -
außerhalb der im Zeiterfassungssystem der Beklagten ausgewiesenen und bereits
vergüteten Zeiten - ihre Arbeitsleistung im Betrieb der Beklagten tatsächlich angeboten
hat.
37 c) Die Klägerin kann die von ihr begehrte Vergütung auch nicht unter Verweis auf die in
der BV enthaltene Regelung über das Arbeitszeitkonto verlangen.
38 aa) Allerdings regelt § 7 BV die Führung eines Arbeitszeitkontos mit verstetigter
Lohnzahlung. Darin liegt eine wechselseitige Vorschussvereinbarung (MüKoBGB/Müller-
Glöge § 614 Rn. 2). Ein nicht ausgeglichenes Arbeitszeitkonto weist, je nach Stand,
Vorleistungen der einen oder der anderen Seite aus. Ein negatives Zeitguthaben bedeutet
bei gleichbleibender, nach der regelmäßigen Arbeitszeit des Arbeitnehmers bemessener
Vergütung einen Vorschuss des Arbeitgebers (BAG 13. Dezember 2000 - 5 AZR 334/99 -
zu II 2 a der Gründe; MüKoBGB/Müller-Glöge § 611 Rn. 1058).
39 bb) Verlangt der Arbeitnehmer auf der Grundlage einer Vereinbarung über ein
Arbeitszeitkonto eine verstetigte Vergütung für einen bestimmten Zeitraum, obwohl er die
geschuldete Arbeitsleistung in dem betreffenden Zeitraum nicht in vollem Umfang erbracht
hat, ist sein Vortrag daher nur dann schlüssig, wenn er erkennen lässt, dass er einen
Vorschuss und nicht eine bereits verdiente Vergütung verlangt. Das setzt insbesondere
voraus, dass sich dem Vortrag des Arbeitnehmers entnehmen lässt, dass er zur
Nachleistung der im betreffenden Zeitraum geschuldeten, aber freiwillig nicht erbrachten
Arbeitsleistung verpflichtet und daher mit einer entsprechenden Belastung des
Arbeitszeitkontos mit Minusstunden einverstanden ist.
40 cc) Diese Anforderungen liegen nicht vor. Die Klägerin stellt jegliche Verpflichtung zur
Ableistung eines in Zeitabschnitten bemessenen Mindestmaßes an Arbeit in Abrede. Sie
erkennt auch keine Verpflichtung zur Nachleistung von Arbeitsstunden entsprechend der
Gleitzeitregelung. Sie hat bereits vor Beginn des Verfahrens ausdrücklich erklärt, dass sie
mit einer Belastung des Arbeitszeitkontos mit Minusstunden nicht einverstanden ist. Sie
verlangt somit keinen Vorschuss im Sinne der BV über das Gleitzeitkonto, sondern eine
nach ihrer Rechtsauffassung bereits verdiente Vergütung, der nach ihrer Auffassung eine
Pflicht zu nach Stunden zu messender Arbeitsleistung - sei es in der Vergangenheit oder
in der Zukunft - nicht gegenübersteht.
41 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Schmitz-
Scholemann
W.
Reinfelder
Mestwerdt
Thiel
Petri