Urteil des BAG vom 29.03.2017

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - ungünstigere Behandlung in "vergleichbarer Lage"

Siehe auch:
Pressemitteilung Nr. 61/10
Keine Benachteiligung bei nicht vergleichbarer Bewerbersituation
Die unmittelbare Benachteiligung wegen eines vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
verpönten Merkmals muss in vergleichbarer Situation geschehen. Ist der „Beschäftigte“ erst Bewerber,
so muss seine Bewerbung mit der anderer Bewerber vergleichbar sein. Dies ist nach dem vom
Arbeitgeber entwickelten Anforderungsprofil zu beurteilen, wenn dieses nach der allgemeinen
Verkehrsanschauung plausibel erscheint.
Der Beklagte ist Teil einer evangelischen Landeskirche und suchte für eine auf elf Monate befristete
Projektstelle „Schulung von Multiplikatorinnen/-en im Bereich der beruflichen Integration von
erwachsenen
Migrantinnen/-en“
eine
Fachkraft
mit
abgeschlossenem
Studium
der
Sozialwissenschaft/Sozialpädagogik sowie Erfahrungen in der Projektarbeit und Kompetenzen in der
projektspezifischen Thematik. Die Zugehörigkeit zu einer christlichen Kirche wurde verlangt. Die Klägerin
ist türkischer Herkunft und Muslimin. Sie hat eine Ausbildung zur Reisekauffrau absolviert und danach
Erfahrungen in Integrationsprojekten für Menschen mit Migrationshintergrund gesammelt. Über eine
Hochschulausbildung verfügt sie nicht. Nach Eingang ihrer Bewerbung sprach eine Mitarbeiterin des
Beklagten die Klägerin auf Religions- und Kirchenzugehörigkeit an. Schließlich stellte der Beklagte eine in
Indien geborene Bewerberin ein, die ein Hochschuldiplom im Fach Sozialwissenschaften vorweisen
konnte, und sagte der Klägerin ab. Diese verlangte eine Entschädigung wegen unmittelbarer
Benachteiligung aufgrund der Religion und mittelbarer Benachteiligung wegen ihrer ethnischen Herkunft.
Wie schon vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Klage auch beim Bundesarbeitsgericht keinen Erfolg.
Der Achte Senat hatte nicht zu prüfen, ob die Klägerin unmittelbar wegen der Religion oder mittelbar
wegen ihrer ethnischen Herkunft benachteiligt worden ist. Denn bei ihrer Bewerbung befand sich die
Klägerin nicht in „vergleichbarer Situation“ zu der schließlich vom Beklagten eingestellten Bewerberin.
Die Klägerin verfügt anders als diese nicht über ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Dies hatte der
Beklagte mit nicht zu beanstandenden Gründen zur Voraussetzung für eine Einstellung gemacht. Bei
einem Schulungsprojekt für Multiplikatoren in der Sozialarbeit entspricht es der Verkehrsanschauung,
eine Hochschulausbildung zu verlangen. Der Beklagte hat sich bei seiner Besetzungsentscheidung auch
nicht von dieser Anforderung gelöst.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. August 2010 - 8 AZR 466/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Urteil vom 29. Oktober 2008 - 3 Sa 15/08 -