Urteil des BAG vom 11.11.2009

BAG (antragsteller, bag, betriebsrat, vereinbarung, arbeitgeber, beratung, planwidrige unvollständigkeit, durchführung, aufgaben, antrag)

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluß vom 11.11.2009, 7 ABR 26/08
Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch Wahlvorstand
Leitsätze
Der für eine Betriebsratswahl gebildete Wahlvorstand kann in entsprechender Anwendung des § 80 Abs.
3 BetrVG bei der Durchführung seiner Aufgaben einen Rechtsanwalt als Sachverständigen
hinzuziehen.Hierzu bedarf es einer vorherigen Vereinbarung mit dem Arbeitgeber.Fehlt diese, ist der
Arbeitgeber nicht verpflichtet, die dadurch entstehenden Kosten nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu
tragen.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des
Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Dezember 2007 - 9 TaBV 153/07 -
wird zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Vergütung eines Rechtsanwalts für die Beratung des
Wahlvorstands.
2 Der Antragsteller ist Fachanwalt für Arbeitsrecht. Er beriet seit Jahren den im Betrieb der
Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrat. Die Arbeitgeberin, die ein globales Reise- und
Vertriebssystem anbietet, beschäftigt in ihrem Betrieb in F 35 Arbeitnehmer. Der zur Vorbereitung
und Durchführung der Betriebsratswahlen im Jahr 2006 eingerichtete, aus drei Personen
bestehende Wahlvorstand teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom 16. Februar 2006 folgendes
mit:
„Der Wahlvorstand ... hat in seiner Sitzung vom 16.02.2006 beschlossen, die
Rechtsanwälte R und D, ..., mit seiner Beratung und der Vertretung seiner rechtlichen
Interessen im Zusammenhang mit der anstehenden Betriebsratswahl zu beauftragen.
Weiterhin wurde bereits jetzt beschlossen, die hierdurch gegen den Arbeitgeber
entstehenden Ansprüche auf Freistellung von den Kosten nach § 20 III BetrVG an die
Rechtsanwälte R und D abzutreten.“
3 Mit Schreiben vom 3. März 2006 teilte der Antragsteller der Arbeitgeberin mit, der Wahlvorstand
habe seine Kanzlei mit der laufenden Beratung im Zusammenhang mit den Betriebsratswahlen
beauftragt und bot ihr alternativ ein Stundenhonorar von 250,00 Euro oder ein Pauschalhonorar
iHv. 5.000,00 Euro für 25 Stunden an. Die Arbeitgeberin beantwortete dieses Schreiben nicht.
4 Mit Schreiben vom 2. Juni 2006 forderte der Antragsteller die Arbeitgeberin auf, eine von ihm
beigefügte Vergütungsrechnung über 3.804,80 Euro bis zum 16. Juni 2006 auszugleichen. Mit
dieser Rechnung begehrte der Antragsteller „Vergütung für die laufende Beratung des
Wahlvorstands bei den Betriebsratswahlen 2006“. Sie umfasst Schulungstätigkeiten am 11.,
13. und 15. März 2006 sowie Beratungstätigkeiten am 4., 7. und 12. April 2006 über insgesamt
787 Minuten.
5 Rechtsanwalt R trat durch schriftliche Erklärung vom 22. Dezember 2006 seine
Vergütungsansprüche als Gesamtgläubiger aus der Beauftragung der Rechtsanwälte R und D
durch den Wahlvorstand an den Antragsteller ab.
6 Der Antragsteller leitete ein Beschlussverfahren gegen die Arbeitgeberin ein, mit dem er, soweit für
das Rechtsbeschwerdeverfahren von Bedeutung, zuletzt 990,63 Euro nebst Zinsen für seine
Beratungstätigkeit am 4., 7. und 12. April geltend gemacht hat. Er hat die Auffassung vertreten, für
die von ihm erbrachten Tätigkeiten könne der Wahlvorstand von der Arbeitgeberin
Kostenfreistellung und er selbst damit aus abgetretenem Recht Zahlung der Vergütung für seine
Beratungstätigkeiten verlangen. Die Arbeitgeberin habe die im Zusammenhang mit der Wahl
anfallenden Kosten nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu tragen. Einer Vereinbarung des
Wahlvorstands mit der Arbeitgeberin über seine Hinzuziehung nach § 80 Abs. 3 BetrVG habe es
nicht bedurft. Diese Regelung sei auf den Wahlvorstand nicht anwendbar.
7 Der Antragsteller hat zuletzt beantragt,
die Arbeitgeberin zu verurteilen, an ihn 990,63 Euro nebst Zinsen iHv. acht Prozentpunkten
über dem Basiszinssatz seit dem 19. Juli 2006 zu zahlen.
8 Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Ihrer Auffassung nach hätte der
Wahlvorstand mit ihr eine Vereinbarung über die Beratungstätigkeit des Antragstellers nach § 80
Abs. 3 BetrVG treffen müssen. Sie hat bestritten, dass der Wahlvorstand einen ordnungsgemäßen
Beschluss über die Beauftragung des Antragstellers gefasst habe. Jedenfalls sei eine Beratung
des Wahlvorstands weder erforderlich noch verhältnismäßig gewesen.
9 Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Antragstellers abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat
die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen
Vergütungsanspruch weiter.
10 B. Die zulässige Rechtsbeschwerde, mit welcher der Antragsteller die rechtsfehlerhafte
Anwendung und Auslegung von § 20 Abs. 3, § 80 Abs. 3 BetrVG rügt, ist unbegründet. Das
Landesarbeitsgericht hat den zulässigen Antrag mit zutreffenden Erwägungen abgewiesen. Der
Antragsteller kann von der Arbeitgeberin keine Rechtsanwaltsvergütung für die Beratung des
Wahlvorstands verlangen. Der an ihn abgetretene Freistellungsanspruch des Wahlvorstands nach
§ 20 Abs. 3 BetrVG setzt analog § 80 Abs. 3 BetrVG eine nähere Vereinbarung mit der
Arbeitgeberin voraus. Daran fehlt es hier.
11 I. Neben dem Antragsteller und der Arbeitgeberin sind an dem Verfahren keine weiteren Personen
beteiligt. Dies gilt auch für den Wahlvorstand.
12 Nach § 83 Abs. 3 ArbGG ist Beteiligter an einem Beschlussverfahren, wer von der zu erwartenden
Entscheidung in seinem betriebsverfassungsrechtlichen Recht oder Rechtsverhältnis unmittelbar
betroffen wird (vgl. BAG 5. Dezember 2007 - 7 ABR 72/06 - Rn. 18 mwN, BAGE 125, 100). Der
Wahlvorstand ist nach seiner Abtretungserklärung vom 16. Februar 2006 nicht mehr Inhaber des
betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchs aus § 20 Abs. 3 BetrVG. Er kann daher auch nicht
mehr in seinem betriebsverfassungsrechtlichen Recht betroffen sein (vgl. BAG 31. Mai 2000 -
7 ABR 8/99 - zu B I der Gründe, BAGE 95, 30).
13 II. Der Antrag ist zulässig. Der Antragsteller ist antragsbefugt. Er macht einen eigenen Anspruch
geltend. Der Freistellungsanspruch des Wahlvorstands hat sich mit der Abtretung an den
Antragsteller in einen Zahlungsanspruch an diesen umgewandelt (vgl. BAG 13. Mai 1998 - 7 ABR
65/96 - zu B I der Gründe, AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 55 = EzA BetrVG 1972 § 80 Nr. 42).
14 III. Der Antrag ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend entschieden, dass der
Antragsteller gegen die Arbeitgeberin keinen Vergütungsanspruch für die Beratung des
Wahlvorstands hat. Der Wahlvorstand hat mit der Arbeitgeberin nicht die analog § 80 Abs. 3
BetrVG erforderliche Vereinbarung über die Hinzuziehung des Antragstellers getroffen.
15 1. Nach § 20 Abs. 3 Satz 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die Kosten der Betriebsratswahl. Dazu
gehören alle Kosten, die mit der Einleitung und der Durchführung der Wahl sowie mit der
gerichtlichen Überprüfung des Wahlergebnisses verbunden sind (BAG 16. April 2003 - 7 ABR
29/02 - zu II 1 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 20 Nr. 21 = EzA BetrVG 2001 § 20 Nr. 1).
16 a) Die Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 20 Abs. 3 BetrVG ist allerdings auf die
erforderlichen Kosten der Betriebsratswahl begrenzt. Die zu § 40 Abs. 1 BetrVG entwickelten
Grundsätze gelten entsprechend (BAG 16. April 2003 - 7 ABR 29/02 - zu II 1 a der Gründe, aaO;
31. Mai 2000 - 7 ABR 8/99 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 95, 30). Erstattungsfähig sind damit ua.
die Kosten eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zur Klärung von sonst nicht
behebbaren Meinungsverschiedenheiten, die im Laufe des Wahlverfahrens entstehen. Der
Wahlvorstand kann mit der Durchführung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens zur
Klärung einer während des Wahlverfahrens entstandenen Streitigkeit einen Rechtsanwalt
beauftragen, sofern er dies nach Abwägung aller Umstände für sachlich notwendig erachten durfte
(BAG 16. April 2003 - 7 ABR 29/02 - aaO).
17 b) Der Arbeitgeber ist jedoch nicht verpflichtet, ohne vorherige nähere Vereinbarung mit dem
Wahlvorstand Kosten zu tragen, die durch die Hinzuziehung sachkundiger Personen entstehen.
Die Bestimmung des § 80 Abs. 3 BetrVG, die den Anspruch des Betriebsrats nach § 40 Abs. 1
BetrVG ergänzt und die Kostentragungspflicht für die Hinzuziehung eines Sachverständigen
abschließend regelt, findet auf § 20 Abs. 3 BetrVG entsprechende Anwendung.
18 aa) Nach § 80 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Durchführung seiner Aufgaben nach
näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverständige hinzuziehen, soweit dies zur
ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist. Verweigert der Arbeitgeber eine
solche Vereinbarung trotz der Erforderlichkeit der Hinzuziehung des Sachverständigen, so kann
der Betriebsrat die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers durch eine arbeitsgerichtliche
Entscheidung ersetzen lassen (vgl. etwa BAG 16. November 2005 - 7 ABR 12/05 - BAGE 116,
192 = AP BetrVG 1972 § 80 Nr. 64 = EzA BetrVG 2001 § 80 Nr. 4; 26. Februar 1992 - 7 ABR
51/90 - zu B III 1 der Gründe, BAGE 70, 1).
19 Ein Rechtsanwalt kann Sachverständiger im Sinne des Gesetzes sein. Seine Hinzuziehung setzt
voraus, dass er dem Betriebsrat spezielle Rechtskenntnisse vermitteln soll, die dieser zur
Erledigung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben benötigt (BAG 16. November 2005 -
7 ABR 12/05 - Rn. 29, aaO). Erforderlich ist, dass der Sachverständige konkrete aktuelle Fragen
beantwortet, damit das betriebsverfassungsrechtliche Organ die ihm obliegenden
betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben erfüllen kann (BAG 19. April 1989 - 7 ABR 87/87 - zu
B I 2 a der Gründe, BAGE 61, 333). Die Aufgabe des Sachverständigen besteht allerdings nicht
darin, fehlende Kenntnisse in bestimmten Angelegenheiten generell oder auf Vorrat zu vermitteln.
Dem Erwerb solcher erforderlichen oder geeigneten Kenntnisse für die Tätigkeit des
betriebsverfassungsrechtlichen Organs dienen die Schulungsansprüche nach § 37 Abs. 6 oder
Abs. 7 BetrVG (BAG 16. November 2005 - 7 ABR 12/05 - Rn. 31, aaO).
20 Geht es nicht um die Vertretung des Betriebsrats in einem Verfahren vor der Einigungsstelle oder
vor Gericht, sondern um die Beratung des Betriebsrats außerhalb solcher Verfahren, stellt § 80
Abs. 3 BetrVG - mit Ausnahme der Fälle des § 111 Satz 2 BetrVG - die alleinige Rechtsgrundlage
für die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Betriebsrat dar (vgl. BAG 26. Februar
1992 - 7 ABR 51/90 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 70, 1).
21 bb) § 80 Abs. 3 BetrVG findet seinem Wortlaut nach nur auf die Hinzuziehung von
Sachverständigen durch Betriebsräte Anwendung. Die Vorschrift ist aber entsprechend auf die
Beauftragung von Sachverständigen durch den Wahlvorstand anwendbar (Jacobs Die
Wahlvorstände für die Wahlen des Betriebsrats, des Sprecherausschusses und des Aufsichtsrats
1993 S. 289; GK-BetrVG/Kreutz 9. Aufl. § 20 Rn. 54).
22 (1) Der Wortsinn eines Gesetzes markiert zwar die Grenze der Auslegung. Der Richter darf aber
bei der Anwendung von Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG nicht am Wortsinn stehen
bleiben, wenn der Sinn und Zweck des Gesetzes damit nicht zur Geltung kommt (vgl. BVerfG
19. Juni 1973 - 1 BvL 39/69 -, - 1 BvL 14/72 - zu C III 2 der Gründe, BVerfGE 35, 263; BAG
14. Februar 2007 - 7 ABR 26/06 - Rn. 55, BAGE 121, 212). Eine Gesetzesanwendung über den
Wortsinn hinaus durch Analogie bedarf einer besonderen Legitimation. Anders als die vom
Gesetzestext sprachlich gedeckte Auslegung fordert die Analogie, dass der gesetzlich ungeregelte
Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach
der gleichen Rechtsfolge verlangt (BAG 29. September 2004 - 1 ABR 39/03 - zu B III 2 b der
Gründe, BAGE 112, 100). Dazu setzt die Analogie das Bestehen einer unbewussten
Regelungslücke voraus. Hat sich der Gesetzgeber bewusst für die Regelung oder Nichtregelung
eines bestimmten Sachverhalts entschieden, sind die Gerichte nicht befugt, sich über die
gesetzgeberische Entscheidung durch eine Auslegung der Vorschrift hinwegzusetzen (BAG
13. Mai 2004 - 8 AZR 92/03 - zu II 2 b bb der Gründe, ZTR 2004, 633).
23 (2) Nach diesen Grundsätzen ist die entsprechende Anwendung von § 80 Abs. 3 BetrVG auf die
Beauftragung eines Sachverständigen durch den Wahlvorstand geboten.
24 (a) Das Betriebsverfassungsgesetz regelt die Befugnisse des Wahlvorstands und die
Kostentragungspflicht des Arbeitgebers für dessen Tätigkeit in § 20 Abs. 3 BetrVG unvollständig.
Für die Tätigkeit des Wahlvorstands hat der Gesetzgeber nur die Grundnorm des § 20 Abs. 3
BetrVG zur Kostentragung vorgesehen. Die für den Betriebsrat maßgebliche entsprechende
Grundnorm in § 40 Abs. 1 BetrVG wird durch spezielle Vorschriften in § 80 Abs. 3 BetrVG, in § 37
Abs. 3 und 6 BetrVG, in § 108 Abs. 2 Satz 3 BetrVG und in § 111 Satz 2 BetrVG ergänzt.
25 (b) Die Beauftragung von Sachverständigen ist nicht nur für den Wahlvorstand, sondern für eine
Reihe weiterer Vertretungsorgane ungeregelt. So fehlt in § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der für die
Geschäftsführung des Gesamtbetriebsrats auf die allgemeine Kostentragungspflicht nach § 40
BetrVG Bezug nimmt, eine Verweisung auf die spezialgesetzliche Regelung in § 80 Abs. 3 BetrVG
ebenso wie in den Vorschriften über die Geschäftsführung des Konzernbetriebsrats nach § 59
BetrVG. Die Verweisungsvorschriften sind abschließend. Sie können insbesondere nicht durch die
allgemeine Bezugnahme auf Rechte und Pflichten des Betriebsrats wie in § 51 Abs. 5 BetrVG
erweitert werden (GK-BetrVG/Kreutz § 51 Rn. 39; Fitting BetrVG 24. Aufl. § 51 Rn. 27). Sie
enthalten damit für den Regelungsgegenstand des § 80 Abs. 3 BetrVG ebenso wie in § 20 Abs. 3
BetrVG eine planwidrige Unvollständigkeit.
26 (c) Nach der normativen Gesamtkonzeption der Kostentragungspflicht für Tätigkeiten der
betriebsverfassungsrechtlichen Organe gilt § 80 Abs. 3 BetrVG für den Wahlvorstand wie für den
Betriebsrat, den Gesamtbetriebsrat, den Konzernbetriebsrat und für den Wirtschaftsausschuss,
für den § 108 Abs. 2 Satz 3 BetrVG die entsprechende Anwendung des § 80 Abs. 3 BetrVG
ausdrücklich vorsieht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 80 Abs. 3 BetrVG und der
Vergleichbarkeit der Interessenlage.
27 (aa) § 80 Abs. 3 BetrVG eröffnet dem Betriebsrat die Möglichkeit, einen Sachverständigen
hinzuzuziehen. Voraussetzung ist allerdings eine vorherige Vereinbarung mit dem Arbeitgeber
zumindest über den Gegenstand der gutachterlichen Tätigkeit, über die Person des
Sachverständigen und über dessen Vergütung (vgl. BAG 26. Februar 1992 - 7 ABR 51/90 - zu
B II 1 der Gründe, BAGE 70, 1). Durch das Erfordernis einer Vereinbarung wird dem Arbeitgeber
insbesondere die Möglichkeit eröffnet, im Hinblick auf die von ihm zu tragenden Kosten
Einwendungen gegen die Beauftragung eines Sachverständigen zu erheben, dem Betriebsrat
seinen Sachverstand oder eigene sachkundige Personen anzubieten und den Gegenstand der
Beauftragung des Sachverständigen zuverlässig zu begrenzen.
28 (bb) Dieser Gesetzeszweck gilt für den Wahlvorstand gleichermaßen. Auch für den Wahlvorstand
kann die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Sachverständigen zur Durchführung der
ordnungsgemäßen Wahl erforderlich sein. Ebenso wie im Fall des Betriebsrats ist es jedoch
interessengerecht, den Gegenstand der Beauftragung und den Kostenrahmen durch eine
entsprechende Vereinbarung zuverlässig festzulegen und dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu
eröffnen, Einwendungen vorzubringen oder dem Wahlvorstand das Angebot zu unterbreiten,
eigenen Sachverstand in Rechtsfragen zur Verfügung zu stellen. Die Interessenlage zwischen
Betriebsrat und Wahlvorstand ist insoweit weitgehend vergleichbar.
29 (cc) Die Unterschiede in der Aufgabenstellung von Betriebsrat und Wahlvorstand rechtfertigen es
nicht, beim Wahlvorstand auf das Erfordernis einer Vereinbarung zu verzichten. Der Wahlvorstand
hat die Wahl nach den gesetzlichen Vorschriften und der erlassenen Wahlordnung einzuleiten
sowie für ihre ordnungsgemäße Durchführung zu sorgen. Wie für den Wahlvorstand stellen sich
dem Betriebsrat bei der Wahrnehmung der ihm obliegenden Aufgaben vergleichbar schwierige
Rechtsfragen, die eine rechtsgutachterliche Beurteilung erfordern können. § 80 Abs. 3 BetrVG gilt
grundsätzlich für sämtliche Fragen, die wegen ihrer rechtlichen und tatsächlichen Komplexität
einen Beratungsbedarf durch Sachverständige fordern können. Auch der Umstand, dass die
Tätigkeit des Wahlvorstands durch Fristen geprägt ist und damit einen kurzfristigen
Beratungsbedarf durch Sachverständige mit sich bringen kann, gebietet keine unterschiedliche
Behandlung von Betriebsrat und Wahlvorstand. Die Notwendigkeit einer kurzfristigen Beauftragung
eines Sachverständigen kann in vergleichbarer Weise für den Betriebsrat gegeben sein, der darauf
angewiesen ist, die fehlende Zustimmung des Arbeitgebers zur Hinzuziehung eines
Sachverständigen im Eilverfahren ersetzen zu lassen (ErfK/Kania 10. Aufl. § 80 BetrVG Rn. 35;
Fitting § 80 Rn. 93; GK-BetrVG/Weber § 80 Rn. 128). Diese Möglichkeit steht auch dem
Wahlvorstand zur Verfügung .
30 Etwas anderes folgt nicht aus § 111 Satz 2 BetrVG. Nach dieser Bestimmung kann der
Betriebsrat in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern bei einer geplanten Betriebsänderung
einen Berater zu seiner Unterstützung hinzuziehen. Abweichend von § 80 Abs. 3 BetrVG kann er
nach pflichtgemäßem Ermessen allein über die Hinzuziehung eines Beraters entscheiden. Hierbei
handelt es sich um einen von der gesetzlichen Grundkonzeption abweichenden
Ausnahmetatbestand (Fitting § 111 Rn. 118), der das gesetzgeberische Grundkonzept bestätigt.
Dieser normative Ausnahmetatbestand lässt sich nicht auf die Aufgabenwahrnehmung durch den
Wahlvorstand übertragen.
31 2. Hiernach ist die Forderung des Antragstellers unbegründet. Er ist aufgrund seiner
Beratungsleistungen als Sachverständiger des Wahlvorstands tätig geworden. Es fehlt aber an der
erforderlichen vorherigen Vereinbarung des Wahlvorstands mit der Arbeitgeberin über seine
Hinzuziehung.
32 Der Antragsteller hat vorgetragen, er habe am 4. April 2006 für die Prüfung und schriftliche
Beantwortung einer konkreten Anfrage des Wahlvorstands zu dem Problemkreis
„Wahlvorschläge“ insgesamt 50 Minuten aufgewandt, am 8. April 2006 auf Wunsch des
Wahlvorstands Muster in beschreibbare Word-Dokumente umgesetzt und am 12. April 2006 eine
Anfrage des Wahlvorstands über die „Einspruchsfrist Wählerlisten“ schriftlich beantwortet. Hierbei
handelt es sich um Beratungstätigkeiten über konkrete, aktuelle Fragen, die sich dem
Wahlvorstand im laufenden Wahlverfahren gestellt haben. Der Antragsteller ist damit außerhalb
eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens tätig geworden. Seine Forderung lässt sich somit
nicht allein auf § 20 Abs. 3 BetrVG stützen, sondern ist an den besonderen Voraussetzungen des
§ 80 Abs. 3 BetrVG zu messen. Ein Vergütungsanspruch setzt damit eine nähere Vereinbarung
des Wahlvorstands mit der Arbeitgeberin über seine Beauftragung voraus. Daran fehlt es.
Linsenmaier
Gräfl
Kiel
Günther Metzinger
Hoffmann