Urteil des BAG vom 09.03.2011

NV Bühne - Mitbestimmung bei Eingruppierung - Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit

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BUNDESARBEITSGERICHT
7 ABR 118/09
6 TaBV 28/08
Sächsisches
Landesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
9. März 2011
BESCHLUSS
Pötter, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragsteller,
2.
Beschwerdeführerin und Rechtsbeschwerdeführerin,
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom
9. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht Lin-
senmaier, den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Kiel, die Richterin am
Bundesarbeitsgericht Schmidt sowie die ehrenamtlichen Richter
Prof. Dr. Deinert und Strippelmann für Recht erkannt:
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Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Be-
schluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom
11. Juni 2009 - 6 TaBV 28/08 - wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Betriebsrat bei der Zuordnung
zum Normalvertrag Bühne ein Mitbestimmungsrecht zusteht, wenn
die Arbeitgeberin mit einem Arbeitnehmer der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2
NV Bühne genannten Berufsgruppen vereinbart, dass er überwiegend künst-
lerisch tätig ist.
Die Arbeitgeberin betreibt in F eine Mehrspartenbühne mit regelmäßig
mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern. Sie ist Mitglied im
Deutschen Bühnenverein, Bundesverband der Theater und Orchester. Auf die
Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer wandte sie in der
Vergangenheit den BAT-O, den diesen ablösenden TVöD, den BMT-G-O, den
Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern und den Normalvertrag
Bühne vom 15. Oktober 2002 an. Ein zwischen ihr und der Ver-
einten Dienstleistungsgewerkschaft geschlossener Haus-tarifvertrag
vom 18. Januar 2005 sieht die Anwendung des BAT-O/BMT-G-O einschließlich
der sie ergänzenden, ändernden oder an ihre Stelle tretenden Tarifverträge in
der jeweils gültigen Fassung vor. Dieser Tarifvertrag wurde von der Arbeit-
geberin ordentlich zum 4. September 2008 gekündigt.
§ 1 Abs. 1 und Abs. 3 NV Bühne bestimmen Folgendes:
„(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Solomitglieder und Bühnen-
techniker sowie Opernchor- und Tanzgruppenmitglieder
(im folgenden insgesamt als Mitglieder bezeichnet) an
Bühnen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, die
von einem Lande oder von einer Gemeinde oder von
mehreren Gemeinden oder von einem Gemeindeverband
oder mehreren Gemeindeverbänden ganz oder über-
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wiegend rechtlich oder wirtschaftlich getragen werden.
...
(3) Bühnentechniker sind Technische Direktoren und
technische Leiter, Vorstände der Malsäle, Leiter des
Beleuchtungswesens, Leiter der Bühnenplastikerwerk-
stätten, Leiter des Kostümwesens, Leiter der Aus-
stattungswerkstätten, Chefmaskenbildner, Referenten und
Assistenten der Technischen Direktoren und technischen
Leiter, Tonmeister.
Oberinspektoren
und
Inspektoren, Theater- und Kostüm-
maler, Beleuchtungsmeister und Beleuchter, Bühnenplas-
tiker (Kascheure), Maskenbildner, Requisitenmeister und
Requisiteure, Gewandmeister, Bühnenmeister, Veranstal-
tungstechniker, Tontechniker und Personen in ähnlicher
Stellung sind Bühnentechniker im Sinne dieses Tarif-
vertrags, wenn mit ihnen im Arbeitsvertrag vereinbart wird,
dass sie überwiegend künstlerisch tätig sind.“
Für diesen Personenkreis sieht § 67 Abs. 1 Unterabs. 1 NV Bühne vor,
dass im Arbeitsvertrag eine Gage zu vereinbaren ist, die seit dem 1. Januar
2009 mindestens 1.600,00 Euro monatlich beträgt. Gestufte Vergütungsordnun-
gen sieht der NV Bühne nur für die Bereiche Chor und Tanz vor.
Mit einem Schreiben ohne Datum teilte die Arbeitgeberin dem Betriebs-
rat mit, sie beabsichtige, Herrn U S ab 1. August 2007 nach NV Bühne einzu-
stellen, und bat um Kenntnisnahme. Mit Schreiben vom 9. Juli 2007 informierte
sie den Betriebsrat, sie beabsichtige, ab dem 1. August 2007 die Herren S M
und T P als Bühnentechniker-Mitarbeiter Tontechnik nach NV Bühne-BT mit
einer Arbeitszeit von je 50 vH zu engagieren, und bat um Kenntnisnahme. Mit
Schreiben vom 20. Juli 2007 teilte der Betriebsrat der Arbeitgeberin mit, er habe
- „obwohl nicht beteiligt“ - den Beschluss gefasst, ua. den Einstellungen der
Herren U S, S M und T P zuzustimmen, der Eingruppierung in den NV Bühne-
BT jedoch nicht zuzustimmen; diese Eingruppierung sei falsch. Mit Schreiben
vom 24. Oktober 2007 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie be-
absichtige ab dem 1. November 2007 personelle Umsetzungen; ua. solle die
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freiwerdende
- Stelle des Herrn Z mit Herrn C C als Ober-
inspektor/Bühnenobermeister nach NV Bühne-BT vorgenommen werden; sie
bitte um Kenntnisnahme. Der Betriebsrat teilte der Arbeitgeberin mit Schreiben
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vom 29. Oktober 2007 mit, er habe die personellen Umsetzungen zur Kenntnis
genommen; der Eingruppierung des Herrn C C in den NV Bühne-BT verweigere
er die Zustimmung, da der Mitarbeiter in den TVöD „gehöre“. Die Arbeitgeberin
führte die Maßnahmen ohne weitere Beteiligung des Betriebsrats wie vor-
gesehen durch. In den vertraglichen Abreden mit den Arbeitnehmern wurde der
NV Bühne in Bezug genommen und eine individuelle Monatsgage vereinbart.
In dem von ihm am 17. Januar 2008 eingeleiteten Beschlussverfahren
hat der Betriebsrat das Ziel verfolgt, der Arbeitgeberin aufzugeben, ihn bei der
Eingruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer zu beteiligen. Bei der Be-
urteilung, ob anstelle des TVöD der NV Bühne zur Anwendung komme, handele
es sich um eine mitbestimmungspflichtige Eingruppierung nach § 99 Abs. 1
Satz 1 BetrVG.
Der Betriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch
von Bedeutung - beantragt,
der Arbeitgeberin aufzugeben, seine Zustimmung zur
Eingruppierung der Arbeitnehmer U S, S M, T P und C C
einzuholen und bei deren Verweigerung das arbeits-
gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag des Betriebsrats abzu-
weisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die einzelvertragliche Vereinbarung
der Anwendung des NV Bühne mit überwiegend künstlerisch tätigen Bühnen-
technikern sei keine der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegende Ein-
gruppierung. Eine Eingruppierung setze ein aus mindestens zwei Vergütungs-
gruppen bestehendes Entgeltschema voraus. Der NV
Bühne enthalte für
überwiegend künstlerisch tätiges Personal keine Vergütungsordnung. Soweit
sie den NV Bühne arbeitsvertraglich in Bezug nehme, achte sie darauf, dass die
Tätigkeit des jeweiligen Mitarbeiters dies zulasse. Hierbei handele es sich
jedoch nicht um eine Zuordnung zu einer Vergütungsgruppe, sondern wie bei
der Gagenhöhe um eine freie Vereinbarung.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrats stattgegeben. Das
Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde der Arbeit-
geberin zurückgewiesen. Mit der vom Bundesarbeitsgericht mit Beschluss vom
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22. September 2009 - 1 ABN 68/09 - zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt
die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter. Der Betriebsrat beantragt, die
Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
B.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem
Antrag des Betriebsrats zu Recht entsprochen. Der Betriebsrat hat in ent-
sprechender Anwendung des § 101 BetrVG einen Anspruch darauf, dass die
Arbeitgeberin seine Zustimmung zur Eingruppierung der vier betroffenen Arbeit-
nehmer in den NV Bühne einholt und im Falle der Verweigerung das arbeits-
gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren durchführt. Die Entscheidung der
Arbeitgeberin, die vier Arbeitnehmer dem NV Bühne zuzuordnen, ist eine
mitbestimmungspflichtige Eingruppierung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
I.
Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig. Er ist insbesondere hin-
reichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Ein ihm entsprechender Tenor
ist erforderlichenfalls nach § 85 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 ArbGG iVm. § 888
Abs. 1 Satz 1 ZPO vollstreckbar
.Der Antrag entspricht der Formulierung, die das
Bundesarbeitsgericht in gleich gelagerten Fällen für sachdienlich erachtet hat
.Wird dem Antrag entsprochen,
hat die Arbeitgeberin die Zustimmung des Betriebsrats zu der von ihr - weiterhin
für richtig erachteten - Zuordnung der namentlich bezeichneten Arbeitnehmer
zum NV Bühne einzuholen und nach fristgerechter, beachtlicher Zustimmungs-
verweigerung das arbeitsgerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren nach
§ 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Dabei berühmt sich der Betriebsrat, wie die
Auslegung seines Antrags ergibt, keines Mitbestimmungsrechts bei der einzel-
vertraglichen Vereinbarung. Es geht ihm auch nicht darum, eine bestimmte
andere Eingruppierungsentscheidung der Arbeitgeberin herbeizuführen.
Vielmehr will er lediglich an der von der Arbeitgeberin vorgenommenen Zu-
ordnung der Arbeitnehmer zum NV Bühne nach § 99 BetrVG im Wege einer
Mitbeurteilung beteiligt werden. Daher sind sowohl das Zustimmungsverfahren
als auch das gerichtliche Zustimmungsersetzungsverfahren ergebnisoffen. Erst
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in diesem Verfahren wird geprüft, ob die von der Arbeitgeberin für richtig er-
achtete Eingruppierung zutreffend ist
.
II.
Der Antrag ist begründet. Er folgt aus der entsprechenden Anwendung
des § 101 BetrVG. Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin die Beteiligung
an der Zuordnung der vier betroffenen Arbeitnehmer zum NV Bühne verlangen.
Es handelt sich dabei um eine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG mit-
bestimmungspflichtige Eingruppierung. Die einzelvertragliche Vereinbarung
einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit mit einem Angehörigen der in § 1
Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen selbst ist allerdings
mitbestimmungsfrei. Der Betriebsrat hat jedoch mitzubeurteilen, ob der be-
treffende Arbeitnehmer einer der Berufsgruppen des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2
NV Bühne angehört und damit die Vergütungsordnung des NV Bühne anzu-
wenden ist. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG steht dem Mitbeurteilungsrecht
des Betriebsrats nicht entgegen. Dessen Zustimmung zur Eingruppierung der
vier betroffenen Arbeitnehmer gilt auch nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2
BetrVG als bereits erteilt.
1.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann
der Betriebsrat in Fällen, in denen der Arbeitgeber eine Ein- oder Um-
gruppierung vorgenommen hat, ohne zuvor versucht zu haben, die nach § 99
Abs. 1 Satz 1 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats einzuholen,
nach § 101 BetrVG zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts die nachträg-
liche Einholung seiner Zustimmung sowie bei deren Verweigerung die Durch-
führung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99
Abs. 4 BetrVG verlangen
Das setzt allerdings voraus, dass der Arbeit-
geber überhaupt eine Maßnahme vorgenommen hat, die eine Ein- oder Um-
gruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG darstellt
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a)
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist der Betriebsrat ua. vor jeder Ein-
gruppierung zu unterrichten und seine Zustimmung zu der geplanten Maß-
nahme einzuholen.
aa)
Das „Mitbestimmungsrecht“ besteht in den Fällen der Ein- und Um-
gruppierung nicht in einem Mitgestaltungs-, sondern in einem Mitbeurteilungs-
recht. Es setzt voraus, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Ein- oder Um-
gruppierung iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vornehmen will. Eine Ein- oder
Umgruppierung in diesem Sinn besteht in der rechtlichen Beurteilung des
Arbeitgebers, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer be-
stimmten Vergütungsgruppe oder jedenfalls einer Vergütungsordnung zuzu-
ordnen ist. Diese Beurteilung hat der Arbeitgeber bei jeder Einstellung und
Versetzung vorzunehmen. Das folgt bereits aus § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, der
für diese Fälle die Unterrichtung des Betriebsrats über die vorgesehene Ein-
gruppierung ausdrücklich vorschreibt
.
bb)
Gibt es im Betrieb mehrere in Betracht kommende Vergütungs-
ordnungen, hat der Betriebsrat nicht nur ein Mitbeurteilungsrecht bei der Ein-
ordnung eines Arbeitnehmers innerhalb einer der Vergütungsordnungen,
sondern auch bei der Frage, ob der Arbeitnehmer in die zutreffende Ver-
gütungsordnung eingruppiert wird. Er kann die Zustimmung zu einer be-
absichtigten Eingruppierung mit der Begründung verweigern, die Vergütungs-
ordnung, in die der Arbeitgeber den Arbeitnehmer eingruppieren wolle, sei nicht
die richtige. Daher hat der Betriebsrat beispielsweise mitzubeurteilen, ob ein
Arbeitnehmer aufgrund einer Vertragsänderung nicht mehr der bisherigen
Vergütungsordnung unterfällt, sondern einem außertariflichen - nicht weiter
gestuften - Bereich zuzuordnen ist. Diese Beurteilung ist nicht identisch mit dem
nicht mitbestimmten Abschluss des Änderungsvertrags. Sie ist erst dessen
Folge. Sie der Mitbeurteilung des Betriebsrats zu unterziehen, entspricht Sinn
und Zweck der Mitwirkung nach § 99 BetrVG bei einer Umgruppierung. Das
Mitbeurteilungsrecht dient der einheitlichen und gleichmäßigen Anwendung der
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Lohn- und Gehaltsgruppenordnung(en) in gleichen oder vergleichbaren Fällen.
Es soll innerbetriebliche Lohngerechtigkeit und Transparenz der im Betrieb
vorgenommenen Eingruppierungen gewährleisten
cc)
Für das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats ist unerheblich, woraus
sich die Geltung der Vergütungsordnung ergibt. Sie kann in einem auf das
Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten sein, auf einer Betriebs-
vereinbarung beruhen, aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen im Betrieb
allgemein zur Anwendung kommen oder vom Arbeitgeber einseitig geschaffen
sein
.
b)
Hiernach ist zwar die nach § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne getroffene
arbeitsvertragliche Vereinbarung mit einem Arbeitnehmer, dass er überwiegend
künstlerisch tätig werde, keine Eingruppierung im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG. Dies gilt aber nicht für die vom Arbeitgeber vorgenommene Zuordnung
des Arbeitnehmers zum NV Bühne. An dieser ist der Betriebsrat zu beteiligen.
aa)
Die arbeitsvertragliche Vereinbarung einer überwiegend künstlerischen
Tätigkeit ist keine Eingruppierung. Der Geltungsbereich des NV Bühne wird im
Hinblick auf dieses Tatbestandsmerkmal nach § 1 Abs. 1, Abs. 3 Unterabs. 2
NV Bühne konstitutiv durch die vertragliche Übereinkunft eröffnet. Das Kriterium
für den maßgebenden Vertragsinhalt ist die vom Arbeitnehmer auszuübende
Tätigkeit, die durch die individualvertragliche Vereinbarung definiert wird. Diese
Vereinbarung bestimmt den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit.
Machen die Arbeitsvertragsparteien von dieser Möglichkeit einer vertraglichen
Eingrenzung Gebrauch, ist der maßgebende Tätigkeitsbereich schon aufgrund
der Willensübereinkunft als überwiegend künstlerisch anzusehen. Die verein-
barte Tätigkeit ist sachlich geeignet, den besonderen Regelungen des speziell
für den künstlerischen Bereich geschaffenen Tarifvertrags NV Bühne zu unter-
fallen. Der Inhalt eines solchen Arbeitsverhältnisses ist durch die Vereinbarung
festgelegt, ohne dass dem Betriebsrat dabei ein Mitbeurteilungsrecht zukommt.
§ 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne will damit auch auf die Kunstfreiheit des Art. 5
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Abs. 3 Satz 1 GG Rücksicht nehmen
. Ein möglicher Widerspruch zwischen dem,
was ein Angehöriger der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Be-
rufsgruppen tatsächlich an Arbeitsleistung erbringt, und der Charakterisierung
dieser Tätigkeit als überwiegend künstlerisch ist keine Frage des personellen
Anwendungsbereichs des NV
Bühne, sondern ein Problem der vertrags-
gemäßen Beschäftigung
bb) Dagegen
stellt
die Zuordnung des einzelnen Arbeitnehmers zum
NV Bühne eine Eingruppierung dar. Die Arbeitgeberin muss beurteilen, ob der
betroffene Arbeitnehmer dem Anwendungsbereich des NV Bühne oder demje-
nigen einer anderen Vergütungsordnung unterfällt. Hierbei ist der Betriebsrat zu
beteiligen.
(1)
Im Betrieb der Arbeitgeberin kamen in der Vergangenheit mit dem
BAT-O, dem diesen ablösenden TVöD, dem BMT-G-O, dem TVK und dem
NV Bühne mehrere Vergütungsordnungen nebeneinander zur Anwendung. Die
Kündigung des Haustarifvertrags durch die Arbeitgeberin führte nicht zum
Wegfall der betrieblichen Geltung dieser Vergütungssysteme. Sie hatte lediglich
zur Folge, dass die Vergütungsschemata und die in ihnen zum Ausdruck
kommenden Vergütungsgrundsätze nicht mehr zwingend gelten. Das ändert
jedoch nichts daran, dass diese Grundsätze bislang im Betrieb angewendet
wurden und deshalb die dort geltenden Entlohnungsgrundsätze sind. Bis zu
einem wirksamen Änderungsakt sind sie betriebsverfassungsrechtlich weiter
gültig
(2)
Das Beteiligungsrecht des Betriebsrats entfällt nicht etwa deshalb
insgesamt, weil für seine rechtliche Prüfung und damit für eine mögliche Zu-
stimmungsverweigerung nur noch wenige Umstände in Betracht kommen.
Allerdings ist die von der Arbeitgeberin mit einem der in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2
NV Bühne aufgeführten Arbeitnehmer getroffene arbeitsvertragliche Verein-
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barung einer überwiegend künstlerischen Tätigkeit für die Beurteilung der
Zuordnung zum NV Bühne verbindlich. Durch sie wird der Inhalt des Arbeits-
verhältnisses auch in tarifrechtlich zulässiger Weise festgelegtDer Betriebsrat
kann aber bei der von der Arbeitgeberin beabsichtigten Zuordnung zum
NV Bühne noch selbständig und unabhängig von der arbeitsvertraglichen
Vereinbarung der überwiegend künstlerischen Tätigkeit prüfen, ob der Arbeit-
nehmer zu den in § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne genannten Berufsgruppen
der sog. nachgeordneten Bühnentechniker gehört
. Ebenso ist Teil der rechtlichen Mitbeurteilung, ob ein
zu den Berufsgruppen des § 1 Abs. 3 Unterabs. 2 NV Bühne gehörender
Arbeitnehmer, den der Arbeitgeber dem NV Bühne zuordnen will, mit dem
Arbeitgeber tatsächlich eine Vereinbarung getroffen hat, überwiegend künst-
lerisch tätig zu sein. Der Umstand, dass sich die Zuordnung zum NV Bühne als
- weitgehend einfacher - Normenvollzug darstellt, führt nicht dazu, dass es sich
um keine Eingruppierung handelte. Bei tariflichen Vergütungsordnungen ist
Eingruppierung vielmehr regelmäßig vom Betriebsrat mitzubeurteilender
Normenvollzug des Arbeitgebers
. Auf die damit verbundenen Schwierigkeiten kommt es nicht an.
2.
Dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats steht die Tendenzei-
genschaft der Arbeitgeberin nicht entgegen.
a)
Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG finden die Vorschriften des
Betriebsverfassungsgesetzes auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar
und überwiegend künstlerischen Bestimmungen dienen, keine Anwendung,
soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs entgegensteht. Eine
Einschränkung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats kommt dabei nur in
Betracht, wenn die Maßnahmen Tendenzträger betreffen. Ein Arbeitnehmer gilt
als Tendenzträger, wenn die Bestimmungen und Zwecke des betreffenden
Unternehmens oder Betriebs seine Tätigkeit prägen
. Auch bei Tendenzträgern werden die
Mitbestimmungsrechte nur ausgeschlossen, soweit sie von einer tendenz-
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bezogenen Maßnahme betroffen sind, bei der die Ausübung des Beteiligungs-
rechts des Betriebsrats die Verwirklichung der geistig-ideellen Zielsetzung
ernstlich beeinträchtigen würde. Die Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und
Umgruppierungen steht der Eigenart eines Tendenzunternehmens nicht ent-
gegen. Bei diesen personellen Maßnahmen hat der Arbeitgeber keinen Ge-
staltungsspielraum. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die bei ihm beschäftigten
Arbeitnehmer in die zutreffende Gruppe der in seinem Betrieb geltenden Ver-
gütungsordnung einzureihen. Da es sich hierbei um einen Akt der Rechts-
anwendung handelt und dem Betriebsrat vom Gesetz nur ein Mitbeurteilungs-
recht eingeräumt worden ist, wird die tendenzbezogene Handlungs- und Ent-
scheidungsfreiheit des Arbeitgebers durch das Beteiligungsrecht des Betriebs-
rats nicht beeinträchtigt
.
b)
Bei der Arbeitgeberin, die ein Theater betreibt, handelt es sich um ein
Tendenzunternehmen
. Gleichwohl kommt es für den vorliegenden Fall nicht darauf
an, ob die vier betroffenen Arbeitnehmer Tendenzträger sind. Selbst wenn
hiervon auszugehen wäre, stünde das dem Mitbeurteilungsrecht des Betriebs-
rats bei ihrer Eingruppierung nicht entgegen.
3.
Die Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung der vier be-
troffenen Arbeitnehmer gilt nicht etwa nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als
bereits erteilt. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat bislang noch nicht um die
Zustimmung zur Zuordnung dieser Arbeitnehmer zum NV Bühne ersucht.
a)
Für den Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zu einer der in § 99
Abs. 1 Satz 1 BetrVG bezeichneten personellen Einzelmaßnahme sieht das
Gesetz keine besondere Form vor. Fehlt es an einem ausdrücklichen Zu-
stimmungsersuchen, ist es ausreichend, wenn der Betriebsrat der Mitteilung
des Arbeitgebers entnehmen kann, dass er um die Zustimmung zu einer
personellen Maßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG angegangen
wird. Maßgeblich sind insoweit die für die Auslegung von Willenserklärungen
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geltenden Grundsätze . Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber
die Zustimmung des Betriebsrats zu mehreren personellen Maßnahmen ein-
holen will
.
b)
Hier hat die Arbeitgeberin das Zustimmungsverfahren für die Ein-
gruppierung der vier betroffenen Arbeitnehmer nicht nach § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG eingeleitet. Weder aus dem den Arbeitnehmer U S betreffenden un-
datierten Unterrichtungsschreiben noch aus dem die Arbeitnehmer S M und T P
betreffenden Schreiben vom 9. Juli 2007 noch aus dem den Mitarbeiter C C
betreffenden Schreiben vom 24. Oktober 2007 war für den Betriebsrat erkenn-
bar, dass die Arbeitgeberin seine Zustimmung zur Eingruppierung einholen
wollte. Ein solches Verständnis ergab sich nicht etwa aus dem Hinweis, die
Einstellung bzw. das Engagement erfolge nach NV Bühne. Die Arbeitgeberin
bat den Betriebsrat nicht um eine Zustimmung zur Eingruppierung, sondern
setzte ihn lediglich in Kenntnis von der Einstellung bzw. Umsetzung. Dies war
aus ihrer Sicht auch konsequent, war sie doch der Auffassung, dass eine Ein-
oder Umgruppierung nicht vorliege. Auch aus den Widerspruchsschreiben des
Betriebsrats vom 20. Juli 2007 und vom 29. Oktober 2007 ergibt sich nicht,
dass dieser die Schreiben der Arbeitgeberin abweichend von deren objektivem
Erklärungswert als Zustimmungsersuchen zur Ein- oder Umgruppierung ver-
standen hat.
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