Urteil des BAG vom 14.12.2016
Betriebsrat - Freistellung von Rechtsanwaltskosten - Vertretung bei Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen außerhalb der Einigungsstelle - Erforderlichkeit der Kosten - Honorarvereinbarung
Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 14. Dezember 2016
Siebter Senat
- 7 ABR 8/15 -
ECLI:DE:BAG:2016:141216.B.7ABR8.15.0
I. Arbeitsgericht Celle
Beschluss vom 1. April 2014
- 1 BV 5/13 -
II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss vom 14. Oktober 2014
- 11 TaBV 51/14 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebsrat - Freistellung von Rechtsanwaltskosten - Vertretung bei Inte-
ressenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen außerhalb der Eini-
gungsstelle - Erforderlichkeit der Kosten - Honorarvereinbarung
ECLI:DE:BAG:2016:141216.B.7ABR8.15.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
7 ABR 8/15
11 TaBV 51/14
Landesarbeitsgericht
Niedersachsen
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
14. Dezember 2016
BESCHLUSS
Schiege, Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragsteller und Beschwerdeführer,
2.
Rechtsbeschwerdeführerin,
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom
14. Dezember 2016 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesarbeitsgericht
Gräfl, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Rennpferdt, den Richter am
Bundesarbeitsgericht Waskow sowie den ehrenamtlichen Richter Glock und die
ehrenamtliche Richterin Schuh für Recht erkannt:
- 2 -
7 ABR 8/15
ECLI:DE:BAG:2016:141216.B.7ABR8.15.0
- 3 -
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Be-
schluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom
14. Oktober 2014 - 11 TaBV 51/14 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an
das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über die Freistellung von Kosten, die durch die
Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zu Interessenausgleichs- und Sozialplan-
verhandlungen durch den Gesamtbetriebsrat entstanden sind.
Im Jahr 2012 fanden zwischen der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin und
dem zu 1. beteiligten Gesamtbetriebsrat anlässlich der Restrukturierungsmaß-
nahme „Projekt Zukunftssicherung“ Interessenausgleichs- und Sozialplanver-
handlungen statt. Gegenstand waren umfassende Strukturveränderungen, da-
runter die Schließung eines der vier Standorte der Arbeitgeberin. Im September
und Oktober 2012 führte die Arbeitgeberin mit der IG Metall ergebnislos Ta-
rifsozialplanverhandlungen für drei der vier Standorte. Im November 2012
schlossen die Betei
ligten eine „Betriebsvereinbarung über einen Interessenaus-
gleich Zukunftssicherung“, eine „Betriebsvereinbarung über Auswahlrichtlinien
bei betriebsbedingten Kündigungen“, einen „Sozialplan Zukunftssicherung“ und
eine „Freiwillige Betriebsvereinbarung im Projekt Zukunftssicherung“. Von den
ursprünglich deutlich über 1.000 Arbeitnehmern waren nach den abgeschlosse-
nen Vereinbarungen 667 durch Kündigung, Versetzung oder auf andere Weise
betroffen.
Die Arbeitgeberseite, deren Verhandlungspositionen auch durch die
Konzernmuttergesellschaft beeinflusst wurden, war in den Verhandlungen
durch ein Rechtsanwaltsbüro aus D vertreten. Der Gesamtbetriebsrat beauf-
tragte aufgrund eines Beschlusses vom 28. Juni 2012 den in H ansässigen
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Rechtsanwalt Dr. B mit seiner Vertretung in den Verhandlungen und sagte ihm
für diese Tätigkeit ein Honorar in Höhe von 290,00 Euro je Tätigkeitsstunde und
100,00 Euro je Reisestunde zzgl. Reiseauslagen zu. Rechtsanwalt Dr. B berät
und vertritt den Gesamtbetriebsrat seit mehreren Jahren. Die Muttergesellschaft
der Arbeitgeberin hatte ihm für seine Tätigkeit im Rahmen von Verhandlungen
über eine Betriebsänderung im Jahr 2009 ein Pauschalhonorar angeboten,
dessen Berechnung ein Stundensatz von 250,00 Euro netto zugrunde lag, und
dazu ausgeführt, ein Stundensatz von 250,00
Euro bewege sich „im oberen
Bereich vergleichbarer, bei R in der Vergangenheit geschlossener Honorarver-
einbarungen“. Letztlich hatte man sich auf eine Abrechnung von 290,00 Euro
netto je Stunde anwaltlicher Tätigkeit sowie 75,00 Euro netto je Reisestunde
geeinigt. Dagegen hatte es die Arbeitgeberin abgelehnt, eine Rechnung von
Dr. B vom 4. September 2012 auszugleichen, mit der er seine Tätigkeit in einer
Einigungsstelle nach diesen Stundensätzen abgerechnet hatte.
Rechtsanwalt Dr. B stellte dem Gesamtbetriebsrat für seine Tätigkeit
bei den Verhandlungen
anlässlich der Restrukturierungsmaßnahme „Projekt
Zukunftssicherung“ einen Betrag in Höhe von 35.996,40 Euro in Rechnung. Die
Arbeitgeberin lehnte die Begleichung dieser Rechnung ab.
Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin
habe ihn von der Verpflichtung zur Zahlung der Rechtsanwaltskosten freizustel-
len. Bei der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Vertretung in Interes-
senausgleichs- und Sozialplanverhandlungen sei die Vereinbarung eines Stun-
denhonorars grundsätzlich erforderlich, da die Bezifferung des Gegenstands-
werts der anwaltlichen Tätigkeit Schwierigkeiten bereite und eine Abrechnung
nach Gegenstandswert zu unverhältnismäßig hohen Kosten führen könne. Je-
denfalls habe er die Honorarzusage deshalb für erforderlich halten dürfen, weil
Dr. B mit den Gegebenheiten im Unternehmen vertraut sei und zu ihm ein en-
ges Vertrauensverhältnis bestehe. Es sei nicht ersichtlich, dass vergleichbare
Rechtsanwälte bereit gewesen wären, zu niedrigeren Sätzen tätig zu werden.
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Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, ihn von den gegen ihn
gerichteten Kostenansprüchen des Rechtsanwalts Dr. B
für dessen anwaltliche Vertretung als Verfahrensbevoll-
mächtigter im Zusammenhang mit den Verhandlungen
zwischen den Beteiligten zum „Projekt Zukunftssicherung“
in Höhe von 35.996,40 Euro gegenüber dem Rechtsan-
waltsbüro B freizustellen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag zurückzuweisen. Sie hat
die Auffassung vertreten, Rechtsanwalt Dr. B sei als Berater iSv. § 111 Satz 2
BetrVG tätig geworden. Damit sei ihre Kostentragungspflicht auf die durch die
Beratung bei den Interessenausgleichsverhandlungen entstandenen Gebühren
beschränkt. Die Erteilung einer Honorarzusage sei nicht erforderlich gewesen.
Der Gesamtbetriebsrat habe insbesondere die Vereinbarung eines Stundenho-
norars nicht für erforderlich halten dürfen, da die Höhe des Honorars bei einer
solchen Zusage nicht verlässlich vorherzusagen sei.
Das Arbeitsgericht hat die Arbeitgeberin verpflichtet, den Gesamtbe-
triebsrat
von
Kostenansprüchen
des
Rechtsanwalts
in
Höhe
von
13.126,89 Euro freizustellen und den Antrag im Übrigen abgewiesen. Auf die
Beschwerde des Gesamtbetriebsrats hat das Landesarbeitsgericht die Arbeit-
geberin verpflichtet, den Gesamtbetriebsrat auch von den weiteren, gegen ihn
gerichteten Kostenansprüchen von Dr. B in Höhe von 22.869,51 Euro freizustel-
len. Mit ihrer Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin die Wiederherstel-
lung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Gesamtbetriebsrat beantragt die
Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B.
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Mit der vom
Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann dem Antrag, soweit dieser
noch rechtshängig ist, nicht stattgegeben werden. Der Senat kann auf der
Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurtei-
len, ob die Arbeitgeberin nach § 40 Abs. 1 iVm. § 51 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ver-
pflichtet ist, den Gesamtbetriebsrat von weiteren, den Betrag von
13.126,89 Euro
übersteigenden
Rechtsanwaltskosten
in
Höhe
von
22.869,51 Euro freizustellen, die durch die Beauftragung von Rechtsanwalt
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Dr. B mit der Vertretung des Gesamtbetriebsrats bei den Verhandlungen der
Beteiligten zum „Projekt Zukunftssicherung“ entstanden sind. Dies führt zur
Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sa-
che an das Landesarbeitsgericht.
I.
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit
des Betriebsrats entstehenden Kosten. Diese Regelung gilt gemäß § 51 Abs. 1
Satz 1 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat entsprechend.
1.
Zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten gehören auch Honorar-
kosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtli-
chen Beschlussverfahren
oder in einem Einigungsstellenverfahren
der
Betriebsrat zur Durchsetzung oder Ausübung eines von ihm in Anspruch ge-
nommenen Mitbestimmungsrechts für erforderlich halten durfte. Das gilt auch
dann, wenn der Betriebsrat einen Rechtsanwalt im Vorfeld eines arbeitsgericht-
lichen Beschlussverfahrens oder eines Einigungsstellenverfahrens einschaltet,
um seine betriebsverfassungsrechtlichen Rechte durchzusetzen oder wahrzu-
nehmen. Der Arbeitgeber kann nach § 40 Abs. 1 BetrVG zur Zahlung von
Rechtsanwaltskosten verpflichtet sein, wenn ein Rechtsanwalt vom Betriebsrat
reklamierte Mitbestimmungsrechte gegenüber dem Arbeitgeber außergerichtlich
geltend macht oder im Rahmen eines konkreten Konfliktes erwägt, dies zu tun,
und die anwaltliche Tätigkeit darauf gerichtet ist, die beschlossene Durchfüh-
rung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens entbehrlich zu machen
. Entsprechendes gilt, wenn der Betriebsrat einen
Rechtsanwalt damit beauftragt, Verhandlungen über einen Interessenausgleich
oder eine Betriebsvereinbarung mit dem Arbeitgeber zu führen. Dabei geht es
um die Ausübung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte im Vorfeld eines
Einigungsstellenverfahrens mit dem Ziel, die Durchführung eines Einigungsstel-
lenverfahrens entbehrlich zu machen.
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2.
Die Regelungen in § 80 Abs. 3 BetrVG und § 111 Satz 2 BetrVG be-
schränken das Recht des Betriebsrats auf die Hinzuziehung eines Rechtsan-
walts außerhalb von gerichtlichen Streitigkeiten und Einigungsstellenverfahren
nicht dahingehend, dass dies nur bei Verhandlungen über einen Interessen-
ausgleich und ansonsten nur aufgrund einer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber
in Betracht kommt. Ein Rechtsanwalt kann auch in anderen Fällen hinzugezo-
gen werden, wenn der Betriebsrat dies zur sachgerechten Wahrnehmung der
ihm obliegenden Aufgaben für erforderlich halten darf.
a)
Nach § 80 Abs. 3 BetrVG kann der Betriebsrat bei der Durchführung
seiner Aufgaben nach näherer Vereinbarung mit dem Arbeitgeber Sachverstän-
dige hinzuziehen, soweit dies zur ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Aufgaben
erforderlich ist. Nach § 111 Satz 2 BetrVG kann der Betriebsrat bei Betriebsän-
derungen in Unternehmen mit mehr als 300 Arbeitnehmern zu seiner Unterstüt-
zung einen Berater hinzuziehen, ohne eine Vereinbarung mit dem Arbeitgeber
zu treffen. Dies sah der Gesetzgeber als erforderlich an, weil sich das Verfah-
ren zur Hinzuziehung eines Sachverständigen nach § 80 Abs. 3 BetrVG als zu
zeitaufwendig erwiesen habe. Durch die Beratung soll der Betriebsrat in die La-
ge versetzt werden, die Auswirkungen einer geplanten Betriebsänderung rasch
zu erfassen und in kurzer Zeit fundierte Alternativvorschläge so rechtzeitig zu
erarbeiten, dass er auf die Entscheidung des Arbeitgebers noch Einfluss neh-
men kann
.
b)
§ 80 Abs. 3 BetrVG und § 111 Satz 2 BetrVG sind zwar die alleinigen
Rechtsgrundlagen für die Heranziehung sachkundiger Personen durch den Be-
triebsrat zum Zwecke seiner Beratung außerhalb von arbeitsgerichtlichen Be-
schlussverfahren oder Einigungsstellenverfahren
. Diese
Regelungen finden keine Anwendung, wenn es um die Vertretung des Betriebs-
rats bei der Durchsetzung oder Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte in ar-
beitsgerichtlichen Beschlussverfahren oder Einigungsstellenverfahren oder in
deren Vorfeld geht. Die Aufgabe eines Sachverständigen iSv. § 80 Abs. 3
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BetrVG und eines Beraters iSv. § 111 Satz 2 BetrVG ist es, die fehlende Sach-
kunde des Betriebsrats zu ersetzen, ihn also hinsichtlich konkreter Fragestel-
lungen zu beraten, um ihn in die Lage zu versetzen, die Verhandlungen mit
dem Arbeitgeber sachkundig führen zu können. Eine Tätigkeit als Sachverstän-
diger bzw. als Berater ist etwa anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt zur Bera-
tung über eine vom Arbeitgeber vorgeschlagene komplexe Betriebsvereinba-
rung
oder zur
Ausarbeitung des Entwurfs eines schwierigen Interessenausgleichs
hinzugezogen wird. Dagegen
ist es weder Aufgabe eines Sachverständigen
noch Aufgabe eines Beraters
, als Vertreter des Betriebsrats aufzutre-
ten und Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen. § 111 Satz 2 BetrVG
schließt die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Führung der Interessen-
ausgleichsverhandlungen nicht aus, sondern ermöglicht die Heranziehung ei-
nes Beraters bei Interessenausgleichsverhandlungen.
c)
Bei diesem Verständnis wird den Regelungen in § 80 Abs. 3 BetrVG
und § 111 Satz 2 BetrVG nicht jeglicher Anwendungsbereich entzogen. Die
Bestimmungen kommen vielmehr dann zur Anwendung, wenn es dem Betriebs-
rat nicht um die Wahrnehmung oder Durchsetzung von Rechten, sondern um
die Vermittlung der zur Interessenwahrnehmung durch ihn selbst erforderlichen
Kenntnisse geht. Zudem haben sie Bedeutung für die Beauftragung nicht juristi-
scher Sachverständiger.
3.
Rechtsanwalt Dr. B war entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht
als Berater iSv. § 111 Satz 2 BetrVG tätig. Er war vielmehr damit beauftragt, für
den Gesamtbetriebsrat die Verhandlungen über die Restrukturierungsmaßnah-
me „Projekt Zukunftssicherung“ zu führen. Die Beauftragung von Rechtsanwalt
Dr. B durfte der Gesamtbetriebsrat für erforderlich halten. Dies gilt allerdings
nicht für die Erteilung der Honorarzusage.
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a)
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber nur solche durch die Be-
auftragung eines Rechtsanwalts entstehenden Honorarkosten zu tragen, die
der Betriebsrat für erforderlich halten durfte.
aa)
Die Prüfung der Erforderlichkeit hat der Betriebsrat nicht allein anhand
seiner subjektiven Bedürfnisse vorzunehmen. Er ist vielmehr gehalten, die Inte-
ressen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts
einerseits und die berechtigten Interessen des Arbeitgebers andererseits ge-
geneinander abzuwägen. Der Betriebsrat darf bei der Wahl seiner Rechtsver-
folgung bzw. -verteidigung das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung
seiner Kostentragungspflicht nicht missachten. Er hat wie jeder, der auf Kosten
eines anderen handeln kann, die Maßstäbe einzuhalten, die er ggf. bei eigener
Kostentragung anwenden würde, wenn er selbst bzw. seine beschließenden
Mitglieder die Kosten tragen müssten
. Stehen ihm zur Wahrnehmung
und Durchsetzung seiner Rechte mehrere gleich geeignete Möglichkeiten zur
Verfügung, muss er die für den Arbeitgeber kostengünstigere auswählen
.
(1)
Das gilt schon hinsichtlich der Beauftragung eines Rechtsanwalts. Der
Arbeitgeber ist nur dann zur Tragung des Rechtsanwaltshonorars verpflichtet,
wenn der Betriebsrat die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bei pflichtgemäßer
Würdigung aller Umstände für erforderlich erachten konnte
. Deswegen hat ein Betriebsrat, der
einen Rechtsanwalt mit der Vertretung in Interessenausgleichsverhandlungen
beauftragt, zu prüfen, ob die gegenüber der Beauftragung eines Beraters iSv.
§ 111 Satz 2 BetrVG entstehenden Mehrkosten gerechtfertigt sind.
(2)
Das gilt ferner in Bezug auf die Auswahl des zu beauftragenden
Rechtsanwalts. So hat ein Betriebsrat, der nicht ein ortsansässiges, sondern ein
auswärtiges Anwaltsbüro mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragen
will, auch zu prüfen, ob die dadurch unvermeidbar entstehenden Mehrkosten
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vertretbar und sachlich gerechtfertigt sind
.
(3)
Gleiches gilt für eine Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt. Auch
hierbei hat der Betriebsrat zu prüfen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände
des Einzelfalls sowie unter Abwägung der Interessen der Belegschaft an der
sachgerechten Aufgabenwahrnehmung und des Arbeitgebers an der Begren-
zung seiner Kostentragungspflicht die Erteilung einer Honorarzusage erforder-
lich erscheint.
bb)
Dem Betriebsrat steht bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit
der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und einer mit diesem zu treffenden Ho-
norarvereinbarung ein Beurteilungsspielraum zu. Die Entscheidung des Be-
triebsrats unterliegt der arbeitsgerichtlichen Kontrolle. Diese ist auf die Prüfung
beschränkt, ob die Hinzuziehung des Rechtsanwalts sowie eine ggf. erteilte
Honorarzusage der Erledigung einer gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats
diente und der Betriebsrat nicht nur die Interessen der Belegschaft berücksich-
tigt, sondern bei seiner Entscheidung auch berechtigten Interessen des Arbeit-
gebers, insbesondere auch dem Interesse an der Begrenzung seiner Kosten-
tragungspflicht, Rechnung getragen hat
.
cc)
Bei dem Begriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbe-
stimmten Rechtsbegriff. Die Würdigung des Beschwerdegerichts, ob der Be-
triebsrat die Heranziehung eines Rechtsanwalts und die Erteilung einer Hono-
rarzusage für erforderlich halten durfte, kann im Rechtsbeschwerdeverfahren
nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob der Rechtsbegriff selbst ver-
kannt wurde und ob die Besonderheiten des Einzelfalls vollständig und frei von
Verstößen gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze abgewogen
wurden
.
b)
Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Ent-
scheidung nicht in allen Punkten stand.
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aa)
Allerdings ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, der Gesamtbe-
triebsrat habe die Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Vertretung in den
Verhandlungen
beim „Projekt Zukunftssicherung“ für erforderlich halten dürfen,
nicht zu beanstanden.
(1)
Die Erforderlichkeit der Heranziehung eines Rechtsanwalts bestimmt
sich in erster Linie nach materiellen Gesichtspunkten. Die Hinzuziehung eines
Rechtsanwalts als Vertreter in Verhandlungen kann daher geboten sein, wenn
der Regelungsgegenstand schwierige Rechtsfragen aufwirft, die zwischen den
Beteiligten umstritten sind und kein Betriebsratsmitglied über den zur sachge-
rechten Interessenwahrnehmung und Verhandlungsführung notwendigen juris-
tischen Sachverstand verfügt. Dem Verhalten des Arbeitgebers kommt nur eine
indizielle Bedeutung zu. Lässt er sich in den Verhandlungen durch einen
Rechtsanwalt vertreten, ist dies ein Anzeichen dafür, dass die Regelungsmate-
rie mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden war
.
(2)
Das Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass die Restrukturie-
rung unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten ein hohes Maß an Komplexität
aufgewiesen habe und durch den Versuch der Arbeitgeberin, einen Tarifsozial-
plan für einen Teil der betroffenen Standorte abzuschließen, eher erschwert als
vereinfacht worden sei. Diese Beurteilung lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Es
hat auch zu Recht die Vertretung der Arbeitgeberseite durch eine Rechtsan-
waltskanzlei als Indiz für die rechtliche Schwierigkeit der Verhandlungen gewer-
tet.
bb)
Auch die Würdigung, der Gesamtbetriebsrat habe die Beauftragung des
in H ansässigen Rechtsanwalts Dr. B aufgrund der günstigen Lage des Büros,
der langjährigen Zusammenarbeit und der Vertretung der Arbeitgeberseite
durch ein Anwaltsbüro aus D für erforderlich halten dürfen, ist rechtsbeschwer-
derechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist von der Arbeitgeberin auch nicht an-
gegriffen worden.
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cc)
Das Landesarbeitsgericht hat jedoch bei seiner Annahme, der Gesamt-
betriebsrat habe die Erteilung der Honorarzusage für erforderlich halten dürfen,
das Kosteninteresse der Arbeitgeberin nicht ausreichend berücksichtigt.
(1)
Der Grundsatz, dass unter mehreren gleich geeigneten Möglichkeiten
die für den Arbeitgeber kostengünstigere auszuwählen ist
, gilt
auch für die Erteilung einer Honorarzusage. Daher darf der Betriebsrat im Hin-
blick auf das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner
Kostenbelastung die Erteilung einer Honorarzusage, die zu höheren als den
gesetzlichen Gebühren führt, grundsätzlich nicht für erforderlich halten. Dies gilt
nicht nur für den Fall der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Durchfüh-
rung eines Beschlussverfahrens
, sondern auch für die Beauftragung eines Rechts-
anwalts mit der Führung von Verhandlungen in der Einigungsstelle oder im Vor-
feld einer solchen. Dem steht nicht entgegen, dass das für die Festlegung des
Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in einem arbeitsgerichtlichen Be-
schlussverfahren bestehende Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG für
die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit in einem Ei-
nigungsstellenverfahren und in deren Vorfeld nicht zur Verfügung steht. Besteht
in einem solchen Fall Streit über die Höhe des Gegenstandswerts, ist der Wert
der anwaltlichen Tätigkeit ggf. in dem auf Freistellung von den Rechtsanwalts-
kosten gerichteten arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu ermitteln. Das
gilt nicht nur für vermögensrechtliche Angelegenheiten, sondern auch für nicht-
vermögensrechtliche Angelegenheiten, bei denen der Gegenstandswert nach
§ 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen
ist. Etwaige Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Gegenstandswerts der an-
waltlichen Tätigkeit in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten
rechtferti-
gen in der Regel nicht die Erteilung einer Honorarzusage, die zu höheren als
den gesetzlichen Gebühren führt. Kann der Betriebsrat nicht einschätzen, ob
die Honorarzusage zu höheren als den gesetzlichen Gebühren führt, hat er von
der Erteilung einer Honorarzusage abzusehen. Im Übrigen hat der Senat als
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Möglichkeiten einer Honorarvereinbarung nur die Streitwertvereinbarung sowie
die Zusage der einem betriebsfremden Beisitzer einer Einigungsstelle zu zah-
lenden Vergütung, nicht aber die Zusage eines Stundenhonorars in Betracht
gezogen
. Die Höhe eines von der
Verhandlungsdauer abhängigen Honorars ist - anders als die des gesetzlichen
Pauschalhonorars - nicht von vornherein planbar.
Die Erteilung einer Honorarzusage kommt daher nur in Ausnahmefällen
in Betracht. Das kann der Fall sein, wenn der Arbeitgeber mit der Honorarver-
einbarung einverstanden ist oder in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen
die Erteilung einer solchen Zusage stets akzeptiert hat. Ein solcher Ausnahme-
fall kann auch dann vorliegen, wenn der Verhandlungsgegenstand eine speziel-
le Rechtsmaterie betrifft, der vom Betriebsrat ausgewählte, über die entspre-
chenden Spezialkenntnisse verfügende Rechtsanwalt zur Übernahme des
Mandats nur bei Vereinbarung eines Zeithonorars bereit ist und der Betriebsrat
keinen vergleichbar qualifizierten Rechtsanwalt zu günstigeren Konditionen fin-
det.
(2)
Danach rechtfertigen die Umstände des vorliegenden Falls entgegen
der Ansicht des Landesarbeitsgerichts nicht die vom Gesamtbetriebsrat mit
Rechtsanwalt Dr. B getroffene Honorarvereinbarung.
(a)
Die Erforderlichkeit der Honorarzusage kann entgegen der Auffassung
des Landesarbeitsgerichts nicht damit begründet werden, dass das beauftragte
Rechtsanwaltsbüro für die Vertretung der Arbeitnehmer und Betriebsräte als
überdurchschnittlich qualifiziert bekannt und mit den Gegebenheiten im Kon-
zern vertraut sei. Das mag die Beauftragung dieses Rechtsanwaltsbüros recht-
fertigen, aber nicht die Zusage eines Zeithonorars. Der Gesamtbetriebsrat hat
nicht behauptet, Dr. B sei ohne Honorarzusage nicht zur Übernahme des Man-
dats bereit gewesen. Es kommt daher nicht darauf an, ob das vereinbarte Stun-
denhonorar üblich oder unangemessen ist. Ebenso wenig ist entscheidend, ob
andere vergleichbare Rechtsanwälte bereit gewesen wären, zu niedrigeren
Stundensätzen tätig zu werden.
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(b)
Auch das Schreiben der Konzernobergesellschaft vom 30. September
2009 rechtfertigt nicht die Erteilung der Honorarzusage. Dem Schreiben lässt
sich nicht entnehmen, dass die Arbeitgeberin in der Vergangenheit in vergleich-
baren Fällen die Erteilung der Zusage eines Zeithonorars akzeptiert hat. Zudem
hat die Muttergesellschaft der Arbeitgeberin Rechtsanwalt Dr. B mit dem
Schreiben vom 30. September 2009 kein Zeithonorar, sondern ein Pauschalho-
norar angeboten. Weder dieses Schreiben noch der Umstand, dass die Mutter-
gesellschaft nach Abschluss der Verhandlungen anlässlich der Betriebsände-
rung im Jahr 2009 das nach Stunden berechnete Honorar gezahlt hat, rechtfer-
tigt die Annahme, die Arbeitgeberin werde mit der Abrechnung auf Basis eines
Stundenhonorars zukünftig einverstanden sein.
(c)
Der Gesamtbetriebsrat durfte die Erteilung der Honorarzusage auch
nicht wegen etwaiger Schwierigkeiten bei der Ermittlung des Gegenstandswerts
der anwaltlichen Tätigkeit für erforderlich halten. Derartige Schwierigkeiten
rechtfertigen die Erteilung einer Honorarzusage nicht. Außerdem wird der Ge-
genstandswert der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen maß-
gebend durch den Sozialplan bestimmt. Dabei handelt es sich um eine vermö-
gensrechtliche Streitigkeit
.
II.
Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung
und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Die Arbeit-
geberin wäre verpflichtet, den Gesamtbetriebsrat von den weiteren, den vom
Arbeitsgericht zuerkannten Betrag von 13.126,89 Euro übersteigenden Rechts-
anwaltskosten in Höhe von 22.869,51 Euro freizustellen, wenn das vereinbarte
Honorar nicht höher wäre als die gesetzlichen Gebühren. Das kann der Senat
nicht beurteilen, da die zur Bestimmung des Gegenstandswerts der anwaltli-
chen Tätigkeit erforderlichen Feststellungen nicht getroffen sind.
1.
Das Arbeitsgericht, das angenommen hat, der Gesamtbetriebsrat kön-
ne von der Arbeitgeberin Freistellung von den Rechtsanwaltskosten in Höhe der
gesetzlichen Gebühren verlangen, ist mit einer rechtsfehlerhaften Begründung
davon ausgegangen, der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit sei auf
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532.000,00 Euro anzusetzen. Das Arbeitsgericht hat dabei zu Unrecht nur den
G
egenstandswert für die „Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich
Zukunftssicherung“ berücksichtigt. Rechtsanwalt Dr. B war nicht nur mit der
Führung der Interessenausgleichsverhandlungen beauftragt, sondern auch mit
den Verhandlungen betraut, die zum Abschluss der weiteren Vereinbarungen
„Sozialplan Zukunftssicherung“, der „Freiwilligen Betriebsvereinbarung im Pro-
jekt Zukunftssicherung“, die Zusatzleistungen zur Sozialplanabfindung bei Auf-
hebungsvertrag und Klageverzicht vorsieht,
und der „Betriebsvereinbarung über
Auswahlrichtlinien bei betriebsbedingten Kündigungen“ geführt haben. Dabei
handelt es sich um gesonderte Streitgegenstände, die bei der Berechnung des
Gegenstandswerts zu berücksichtigen sind.
2.
Das Landesarbeitsgericht wird daher den Gegenstandswert der anwalt-
lichen Tätigkeit zu ermitteln haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass es
sich teilweise um vermögensrechtliche und teilweise um nichtvermögensrechtli-
che Angelegenheiten handelt.
a)
Die Verhandlungen über den Sozialplan und die
„Freiwillige Betriebs-
vereinbarung im Projekt Zukunftssicherung“, die Zusatzleistungen zur Sozial-
planabfindung vorsieht, betreffen vermögensrechtliche Angelegenheiten. Deren
Gegenstandswert ist ggf. unter Berücksichtigung von § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG
nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dabei ist er in erster Linie - ohne Be-
grenzung auf einen Höchstbetrag - zu schätzen. Fehlt es an genügenden An-
haltspunkten für eine Schätzung, ist der Gegenstandswert nach § 23 Abs. 3
Satz 2 Halbs. 2 Alt. 1 RVG auf 5.000,00 Euro, nach Lage des Falls auch niedri-
ger oder höher, jedoch nicht über den Betrag von 500.000,00 Euro hinaus an-
zusetzen
. Das Landesarbeitsgericht wird daher die für eine
Schätzung des Gegenstandswerts erforderlichen Tatsachen festzustellen ha-
ben. Nur wenn sich genügende Anhaltspunkte für eine Schätzung nicht feststel-
len lassen, kommt eine Bestimmung des Gegenstandswerts nach § 23 Abs. 3
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7 ABR 8/15
ECLI:DE:BAG:2016:141216.B.7ABR8.15.0
Satz 2 Halbs. 2 Alt. 1 RVG in Betracht. Bei dieser Bestimmung sind die Bedeu-
tung, der Umfang und der Schwierigkeitsgrad der Sache zu berücksichtigen.
b)
Die Verhandlungen über den Interessenausgleich und die Auswahlricht-
linien betreffen nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten. Da der Gegen-
standswert nicht feststeht, ist er gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 Alt. 2 RVG
unter Berücksichtigung der Bedeutung, des Umfangs und des Schwierigkeits-
grads der Sache zu bestimmen.
Gräfl
Waskow
M. Rennpferdt
Schuh
Glock
40