Urteil des BAG vom 23.11.2016

Betriebsratswahl - Bestellung eines Wahlvorstands - Ablauf der Amtszeit

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 23. November 2016
Siebter Senat
- 7 ABR 13/15 -
ECLI:DE:BAG:2016:231116.B.7ABR13.15.0
I. Arbeitsgericht Berlin
Beschluss vom 20. März 2014
- 59 BV 1526/14 -
II. Landesarbeitsgericht Berlin-
Brandenburg
Beschluss vom 16. Oktober 2014
- 18 TaBV 996/14 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebsratswahl - Bestellung eines Wahlvorstands - Ablauf der Amtszeit
ECLI:DE:BAG:2016:231116.B.7ABR13.15.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
7 ABR 13/15
18 TaBV 996/14
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
23. November 2016
BESCHLUSS
Schiege, Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragstellerin,
2.
Beschwerdeführerin und Rechtsbeschwerdeführerin,
hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom
23. November 2016 durch den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Kiel
als Vorsitzenden, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Rennpferdt, den
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Richter am Bundesarbeitsgericht Waskow sowie den ehrenamtlichen Richter
Schiller und die ehrenamtliche Richterin Donath für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Be-
schluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg
vom 16. Oktober 2014 - 18 TaBV 996/14 - wird zurückge-
wiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten darüber, ob auf Antrag der zu 1. beteiligten Ge-
werkschaft ein Wahlvorstand zur Durchführung einer Betriebsratswahl im Be-
trieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin zu bestellen ist.
Die Arbeitgeberin betreibt eine Senioreneinrichtung, in der mehr als 50
wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die Gewerkschaft ist in diesem
Betrieb vertreten.
In der Senioreneinrichtung wurde im Jahr 2012 erstmals ein Betriebsrat
gewählt. Nachdem feststand, dass die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder
zum 1. Oktober 2013 von fünf auf zwei sinken würde, bestellte der Betriebsrat
am 28. September 2013 einen aus drei Wahlberechtigten bestehenden Wahl-
vorstand. Der Aufforderung des Wahlvorstands, die für die Erstellung einer
Wählerliste erforderlichen Auskünfte zu erteilen, kam die Arbeitgeberin nicht
nach. Bis Mitte Januar 2014 traten alle Mitglieder des Wahlvorstands bis auf
dessen Vorsitzende Ö von ihrem Amt zurück. Der durch den Gewerkschafts-
sekretär M beratene Betriebsrat bestellte in der Annahme, nicht beschlussfähig
zu sein, keine weiteren Wahlvorstandsmitglieder. Seit dem 1. Juni 2014 ist der
Betrieb betriebsratslos. Es besteht weder ein Gesamt- noch ein Konzernbe-
triebsrat. Eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands fand nicht
statt.
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Mit ihrer am 3. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen An-
tragsschrift hat die Gewerkschaft zunächst die Ergänzung des Wahlvorstands
und nach Rücktritt dessen Vorsitzender die Bestellung eines Wahlvorstands
beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, der Wahlvorstand sei durch das
Arbeitsgericht nach § 16 Abs. 2 BetrVG zu bestellen, weil der Betriebsrat es
unterlassen habe, unverzüglich weitere Wahlvorstandsmitglieder zu bestellen.
Zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratswahl
sei die Bestellung eines Gewerkschaftssekretärs erforderlich.
Die Antragstellerin hat zuletzt beantragt,
einen Wahlvorstand für die Wahlen zum Betriebsrat der
Beschäftigten der P gGmbH mit den Mitgliedern Frau Ö
als Wahlvorstandsvorsitzende sowie Frau C und den Ge-
werkschaftssekretär Herrn M und als Ersatzmitglieder in
der entsprechenden Reihenfolge beim eventuellen Nach-
rücken Herrn D und den Gewerkschaftssekretär Herrn Z
einzusetzen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die
Auffassung vertreten, die Voraussetzungen für eine Bestellung des Wahlvor-
stands durch das Arbeitsgericht lägen schon deshalb nicht vor, weil der Be-
triebsrat seiner Pflicht zur Bestellung eines Wahlvorstands nachgekommen sei.
Außerdem sei seit Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats § 17 BetrVG für die Be-
stellung des Wahlvorstands maßgebend. Danach sei die Betriebsversammlung
vorrangig für die Bestellung des Wahlvorstands zuständig.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeitsge-
richt hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der Rechtsbe-
schwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.
B.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben dem
Antrag der Gewerkschaft auf Bestellung eines Wahlvorstands zu Recht ent-
sprochen.
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I.
Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass an
dem Verfahren nur die Gewerkschaft und die Arbeitgeberin, nicht aber die von
der Gewerkschaft vorgeschlagenen Wahlvorstandsmitglieder beteiligt sind.
1.
Nach § 83 Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben
dem Antragsteller diejenigen Stellen ein Recht auf Anhörung, die nach dem Be-
triebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind. Beteiligte in Angele-
genheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die be-
gehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung
unmittelbar betroffen ist
.
2.
Danach ist am vorliegenden Verfahren neben der antragstellenden Ge-
werkschaft nur die Arbeitgeberin beteiligt.
a)
Der Arbeitgeber ist an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren
immer zu beteiligen, weil er durch die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung
stets betroffen ist
.
b)
Die von der Gewerkschaft vorgeschlagenen und vom Arbeitsgericht
bestellten Wahlvorstandsmitglieder sind dagegen durch die begehrte Entschei-
dung nicht in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar
betroffen.
aa)
Der Vorschlag der Gewerkschaft zur Zusammensetzung des Wahlvor-
stands ist für das Arbeitsgericht unverbindlich und begründet für die Vorge-
schlagenen keine Rechtsstellung
.
bb)
Die Vorgeschlagenen haben eine betriebsverfassungsrechtliche
Rechtsstellung auch nicht mit der Entscheidung des Arbeitsgerichts über ihre
Bestellung erworben. Die Bestellung des Wahlvorstands wird wegen der auf-
schiebenden Wirkung von Beschwerde und Rechtsbeschwerde
erst mit der Rechtskraft der Entscheidung des Arbeitsge-
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richts wirksam. Deshalb sind die vom Arbeitsgericht bestellten Wahlvorstands-
mitglieder von der Entscheidung im vorliegenden Verfahren nicht in einer be-
reits bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsposition betroffen.
Diese Rechtsposition soll durch die (rechtskräftige) Entscheidung erst geschaf-
fen werden
. Die gerichtlich bestellten Wahlvorstandsmitglieder sind auch
nicht im Hinblick auf eine etwaige Befugnis des Wahlvorstands, bereits vor
Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses vorläufige Maßnahmen zur Vorberei-
tung der Wahl zu treffen, am Verfahren beteiligt. Dabei kann unentschieden
bleiben, ob dem durch das Arbeitsgericht bestellten Wahlvorstand vor Rechts-
kraft der Entscheidung eine solche Befugnis zusteht
. Sie stünde je-
denfalls nur dem Wahlvorstand als Organ, nicht aber dessen Mitgliedern zu.
Der besondere Kündigungsschutz nach § 15 Abs. 3 KSchG, der für die gericht-
lich bestellten Mitglieder des Wahlvorstands schon mit der Verkündung des
Einsetzungsbeschlusses beginnt
,
ist lediglich individualrechtlicher Natur und berührte des-
halb nicht die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung der Wahlvor-
standsmitglieder. Eine Beteiligung der vorgeschlagenen Wahlvorstandsmitglie-
der ist - anders als in § 103 Abs. 2 Satz 2 BetrVG vorgesehen - nicht gesetzlich
angeordnet.
II.
Der Antrag auf Bestellung eines Wahlvorstands ist zulässig.
1.
Die antragstellende Gewerkschaft ist antragsbefugt. Nach § 16 Abs. 2
Satz 1 BetrVG kann eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Bestellung
eines Wahlvorstands beim Arbeitsgericht beantragen, wenn acht Wochen vor
Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand besteht. Bei der An-
tragstellerin handelt es sich nach der Feststellung des Landesarbeitsgerichts
um eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft.
2.
Für den Antrag besteht das erforderliche Rechtsschutzinteresse.
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a)
Das Bestehen eines Rechtsschutzinteresses ist Zulässigkeitsvoraus-
setzung für eine Sachentscheidung des Gerichts und deshalb in jeder Lage des
Verfahrens, auch noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz, von Amts wegen zu
prüfen. Das Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die begehrte gerichtliche Ent-
scheidung für die Beteiligten keine rechtliche Wirkung mehr entfalten kann
. Das wäre der Fall, wenn
inzwischen ein Wahlvorstand nach § 17 Abs. 1 BetrVG durch einen Gesamt-
oder Konzernbetriebsrat bestellt oder nach § 17 Abs. 2 BetrVG durch die Be-
triebsversammlung gewählt worden wäre
.
b)
Mit dem Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats ist das Rechtsschutzinte-
resse der Gewerkschaft an der begehrten Bestellung eines Wahlvorstands
durch das Arbeitsgericht nicht entfallen. Ein Wahlvorstand ist auch nicht zwi-
schenzeitlich bestellt worden.
III.
Der Antrag der Gewerkschaft ist begründet. Das Landesarbeitsgericht
hat zutreffend angenommen, dass der Wahlvorstand auf Antrag der Gewerk-
schaft in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gerichtlich
zu bestellen ist.
1.
Die Bestellung des Wahlvorstands richtet sich im Streitfall nach § 16
Abs. 2 BetrVG und nicht nach § 17 Abs. 4 BetrVG.
a)
§ 16 BetrVG regelt die Bestellung des Wahlvorstands in Betrieben mit
Betriebsrat. Dagegen bestimmt sich die Bestellung eines Wahlvorstands in be-
triebsratslosen Betrieben nach § 17 BetrVG.
aa)
Nach § 16 Abs. 1 BetrVG bestellt der Betriebsrat spätestens zehn Wo-
chen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats einen aus drei Wahlberechtigten
bestehenden Wahlvorstand und einen von ihnen als Vorsitzenden. Besteht acht
Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvorstand, bestellt
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ihn nach § 16 Abs. 2 BetrVG das Arbeitsgericht auf Antrag von mindestens drei
Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft.
Besteht dagegen in einem Betrieb, der die Voraussetzungen des § 1
Abs. 1 BetrVG erfüllt, kein Betriebsrat, wird der Wahlvorstand nach § 17 Abs. 1
BetrVG durch den Gesamtbetriebsrat oder, falls ein solcher nicht besteht, den
Konzernbetriebsrat bestellt. Besteht weder ein Gesamt- noch ein Konzernbe-
triebsrat oder unterlässt der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat die Bestellung
des Wahlvorstands, wird der Wahlvorstand nach § 17 Abs. 2 BetrVG in einer
Betriebsversammlung von der Mehrheit der anwesenden Arbeitnehmer gewählt.
Zu dieser Betriebsversammlung können drei wahlberechtigte Arbeitnehmer des
Betriebs oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft einladen. Findet trotz
Einladung keine Betriebsversammlung statt oder wählt die Betriebsversamm-
lung keinen Wahlvorstand, so bestellt ihn das Arbeitsgericht nach § 17 Abs. 4
BetrVG auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb
vertretenen Gewerkschaft.
bb)
Für die Abgrenzung, ob sich die gerichtliche Bestellung nach § 16
Abs. 2 BetrVG oder nach § 17 Abs. 4 BetrVG richtet, ist der Zeitpunkt der An-
tragstellung maßgebend. Ist die Amtszeit des Betriebsrats bei Antragstellung
bereits abgelaufen, findet § 17 Abs. 4 BetrVG Anwendung. Ist das Verfahren
dagegen schon vor Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats eingeleitet worden, ist
ein Wahlvorstand auch noch nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats unter
den Voraussetzungen des § 16 Abs. 2 BetrVG gerichtlich zu bestellen, es sei
denn, dass ein Wahlvorstand zwischenzeitlich nach § 17 Abs. 1 BetrVG durch
den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bestellt oder nach § 17 Abs. 2 BetrVG in
einer Betriebsversammlung gewählt worden ist
. Das ergibt die
Auslegung von § 16 Abs. 2 BetrVG.
(1)
Dafür spricht schon der Wortlaut des § 16 Abs. 2 BetrVG. Eine Bestel-
lung des Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht auf Antrag der Gewerkschaft
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setzt danach voraus, dass acht Wochen vor Ablauf der Amtszeit des Betriebs-
rats kein Wahlvorstand besteht. Das schließt eine Bestellung des Wahlvor-
stands nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats nicht aus. Der Ablauf der
Amtszeit wirkt sich auf das Vorliegen dieser Voraussetzung nicht aus.
(2)
Für diese Auslegung sprechen vor allem Sinn und Zweck der Regelung.
Durch die gerichtliche Bestellung sollen betriebsratslose Zeiten verhindert oder
jedenfalls so kurz wie möglich gehalten werden. Dieses Ziel würde verfehlt,
wenn eine gerichtliche Bestellung des Wahlvorstands nach § 16 Abs. 2 BetrVG
nur innerhalb der Amtszeit erfolgen könnte. § 16 Abs. 2 BetrVG wäre damit
praktisch jeglicher Anwendungsbereich entzogen, da die Bestellung des Wahl-
vorstands erst mit der Rechtskraft der Entscheidung Wirksamkeit erlangt und
eine rechtskräftige Entscheidung in aller Regel vor Ablauf der Amtszeit nicht
vorliegen wird. Dann könnte eine gerichtliche Bestellung regelmäßig nur nach
§ 17 Abs. 4 BetrVG erfolgen. Dies führte zu einer erheblichen Zeitverzögerung,
da nach Ablauf der Amtszeit des Betriebsrats noch abgewartet werden müsste,
ob der Wahlvorstand nach § 17 Abs. 2 BetrVG in einer Betriebsversammlung
gewählt wird.
(3)
Diesem Verständnis stehen systematische Gründe nicht entgegen. Die
Befugnis des Gesamt- oder Konzernbetriebsrats, gemäß § 17 Abs. 1 BetrVG
einen Wahlvorstand zu bestellen, und das Recht der Betriebsversammlung,
nach § 17 Abs. 2 BetrVG einen Wahlvorstand zu wählen, bleiben erhalten, so-
lange keine rechtskräftige Entscheidung über die Bestellung eines Wahlvor-
stands vorliegt. Die Bestellung eines Wahlvorstands durch das Arbeitsgericht
hat nur subsidiäre Bedeutung. Wird ein Wahlvorstand nach § 17 Abs. 1 BetrVG
durch den Gesamt- oder Konzernbetriebsrat bestellt oder nach § 17 Abs. 2
BetrVG in einer Betriebsversammlung gewählt, entfällt das Rechtsschutzinte-
resse für den Antrag auf Bestellung des Wahlvorstands durch das Arbeitsge-
richt
. Damit ist der Vorrangkompetenz des Gesamt- oder Kon-
zernbetriebsrats und der Betriebsversammlung Rechnung getragen.
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b)
Danach findet § 16 Abs. 2 BetrVG vorliegend Anwendung. Das Bestel-
lungsverfahren wurde im Februar 2014 und damit vor Ablauf der regulären
Amtszeit des Betriebsrats am 31. Mai 2014 eingeleitet.
2.
Die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestellung des Wahlvor-
stands in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 BetrVG liegen vor.
a)
Das Arbeitsgericht durfte dem Antrag der Gewerkschaft bereits am
20. März 2014 und damit mehr als acht Wochen vor Ablauf der regulären Amts-
zeit des Betriebsrats entsprechen, da der Betriebsrat außerhalb der regelmäßi-
gen Betriebsratswahlen nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG zu wählen war. Das hat
das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
aa)
Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BetrVG finden die regelmäßigen Betriebsrats-
wahlen alle vier Jahre in der Zeit vom 1. März bis 31. Mai statt. Außerhalb die-
ser Zeit ist der Betriebsrat nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG zu wählen, wenn die
Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglie-
der unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken ist. Das
war vorliegend der Fall. Am 1. Oktober 2013 sank die Zahl der Betriebsratsmit-
glieder auf zwei und damit unter die durch § 9 BetrVG vorgeschriebene Zahl
von fünf Mitgliedern.
bb)
§ 13 Abs. 2 BetrVG sieht für die Bestellung eines Wahlvorstands bei
Wahlen außerhalb der Zeit regelmäßiger Betriebsratswahlen keine Sonderrege-
lung vor. Daher findet § 16 BetrVG in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3
BetrVG zwar grundsätzlich entsprechende Anwendung
. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass die in § 16 BetrVG genann-
ten Fristen an den Ablauf der regulären Amtszeit anknüpfen und damit auf die
regelmäßigen Betriebsratswahlen zugeschnitten sind. In den Fällen des § 13
Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 BetrVG soll die Betriebsratswahl jedoch nach dem Willen
des Gesetzgebers unverzüglich stattfinden. Daher können in diesen Fällen die
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in § 16 BetrVG genannten Fristen keine Anwendung finden. Vielmehr hat der
Betriebsrat unverzüglich einen Wahlvorstand zu bestellen, wenn die Gesamt-
zahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter
die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder gesunken ist und deshalb
Wahlen außerhalb der Zeit der regelmäßigen Wahlen stattzufinden haben.
Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann das Arbeitsgericht auf Antrag
von mindestens drei Wahlberechtigten oder einer im Betrieb vertretenen Ge-
werkschaft einen Wahlvorstand bestellen. Aus der gesetzlichen Wertung des
§ 16 BetrVG ergibt sich, dass die gerichtliche Bestellung frühestens zwei Wo-
chen nach dem Tag erfolgen kann, an dem der Betriebsrat den Wahlvorstand
bei unverzüglichem Handeln spätestens hätte bestellen müssen
.
cc)
Verringert sich die Zahl der vom Betriebsrat bestellten Wahlvorstands-
mitglieder durch Ausscheiden eines oder mehrerer unter die in § 16 Abs. 1
Satz 1 BetrVG vorgeschriebene Zahl von drei Mitgliedern, hat der Betriebsrat
eine Nachbestellung vorzunehmen
Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach,
ist der Wahlvorstand auf Antrag von mindestens drei Wahlberechtigten oder
einer im Betrieb vertretenen Gewerkschaft durch das Arbeitsgericht zu ergän-
zen
.
dd)
Danach lagen die Voraussetzungen zur Bestellung eines Wahlvor-
stands durch das Arbeitsgericht nach § 16 Abs. 2 BetrVG bereits am 20. März
2014 vor. Der Betriebsrat ist seiner Pflicht zur Bestellung eines Wahlvorstands
zwar zunächst nachgekommen. Mitte Januar 2014 bestand jedoch kein hand-
lungsfähiger Wahlvorstand mehr, weil die Anzahl der Mitglieder des Wahlvor-
stands unter die Mindestzahl von drei Wahlvorstandsmitgliedern gesunken war.
Der Betriebsrat, der nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 iVm. § 22 BetrVG zu diesem Zeit-
punkt noch die Geschäfte weiterführte, hätte daher nach § 16 Abs. 1 BetrVG
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unverzüglich weitere Wahlvorstandsmitglieder bestellen müssen. Dieser Ver-
pflichtung ist der Betriebsrat nicht nachgekommen. Nachdem am 20. März 2014
alle Wahlvorstandsmitglieder zurückgetreten waren, war daher auf Antrag der
Gewerkschaft der Wahlvorstand durch das Arbeitsgericht insgesamt neu zu
bestellen.
b)
Inzwischen liegen die Voraussetzungen für eine Bestellung des Wahl-
vorstands auch in unmittelbarer Anwendung des § 16 Abs. 2 BetrVG vor, da
acht Wochen vor Ablauf der regulären Amtszeit des Betriebsrats kein Wahlvor-
stand bestand.
3.
Der Gewerkschaft ist es nicht nach § 242 BGB verwehrt, die Bestellung
des Wahlvorstands geltend zu machen. Es kann unentschieden bleiben, ob die
Gewerkschaft sich treuwidrig verhielte, wenn der Gewerkschaftssekretär M den
Betriebsrat gezielt durch Falschberatung von der Bestellung weiterer Wahlvor-
standsmitglieder abgehalten hätte, um die Voraussetzungen für einen Antrag
nach § 16 Abs. 2 BetrVG zu schaffen. Davon ist nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts nicht auszugehen.
4.
Das Landesarbeitsgericht hat auch rechtsfehlerfrei angenommen, dass
die personelle Besetzung des Wahlvorstands nicht zu beanstanden ist.
a)
Das Arbeitsgericht durfte Herrn M zum Mitglied des Wahlvorstands be-
stellen, auch wenn dieser kein Arbeitnehmer des Betriebs ist. Nach § 16 Abs. 2
Satz 3 BetrVG kann das Arbeitsgericht für Betriebe mit in der Regel mehr als 20
wahlberechtigten Arbeitnehmern auch Mitglieder einer im Betrieb vertretenen
Gewerkschaft, die nicht Arbeitnehmer des Betriebs sind, zu Mitgliedern des
Wahlvorstands bestellen, wenn dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der
Wahl erforderlich ist. Das ist hier der Fall. Im Betrieb der Arbeitgeberin sind
mehr als 50 Arbeitnehmer beschäftigt. Herr M ist bei der antragstellenden und
im Betrieb vertretenen Gewerkschaft beschäftigt. Es ist festgestellt, dass die
Bestellung eines Gewerkschaftssekretärs zur ordnungsgemäßen Durchführung
erforderlich ist. Diese Feststellung ist für den Senat nach § 559 Abs. 2 ZPO
bindend.
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b)
Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, gegen die Eignung der vom
Arbeitsgericht bestellten Wahlvorstandsmitglieder Ö und M beständen keine
Bedenken, hat die Arbeitgeberin mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffen.
Kiel
Waskow
M. Rennpferdt
Schiller
Donath
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