Urteil des BAG vom 24.06.2020

Feuerwehr - Arbeitszeitreduzierung - Feiertag - Gleichbehandlung

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 24. Juni 2020
Sechster Senat
- 6 AZR 15/19 -
ECLI:DE:BAG:2020:240620.U.6AZR15.19.0
I. Arbeitsgericht
Potsdam
Urteil vom 7. März 2018
- 6 Ca 1832/17 -
II. Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Urteil vom 24. Oktober 2018
- 17 Sa 652/18 -
Entscheidungsstichworte:
Feuerwehr - Arbeitszeitreduzierung - Feiertag - Gleichbehandlung
ECLI:DE:BAG:2020:240620.U.6AZR15.19.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
6 AZR 15/19
17 Sa 652/18
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
24. Juni 2020
URTEIL
Kaufhold, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger, Berufungsbeklagter, Anschlussberufungskläger
und Revisionskläger,
pp.
Beklagte, Berufungsklägerin, Anschlussberufungsbeklagte
und Revisionsbeklagte,
hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 24. Juni 2020 durch die Vorsitzende Richterin am Bundesar-
beitsgericht Spelge, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Wemheuer, den
Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Heinkel sowie die ehrenamtlichen Richter
Stein und Kreis für Recht erkannt:
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6 AZR 15/19
ECLI:DE:BAG:2020:240620.U.6AZR15.19.0
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Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landes-
arbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 24. Oktober 2018
- 17 Sa 652/18 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten noch über die Gutschrift von 96 Stunden auf dem
Arbeitszeitkonto des Klägers infolge einer Sollstundenreduzierung für dienst-
planmäßig freie Feiertage.
Der Kläger ist seit 1. November 2006 bei der beklagten Stadt als Leit-
stellendisponent bei der Feuerwehr beschäftigt. Gemäß § 3 des Arbeitsvertrags
bestimmt sich das Arbeitsverhältnis ua. nach dem Tarifvertrag für den öffentli-
chen Dienst (TVöD) für die Verwaltung und diesen ergänzende, ändernde oder
ersetzende Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der kommuna-
len Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung (TVöD-V).
Der Dienst der Feuerwehr wird bei der Beklagten durchgehend an sie-
ben Tagen in der Woche und damit auch an gesetzlichen Feiertagen geleistet.
Das Dienstplanmodell sieht einen rollierenden 48-Stunden-Dienst vor, der in
Doppelschichten mit zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Zwölf-Stunden-
Schichten und in Einzelschichten von zwölf Stunden durchzuführen ist. Der
Kläger arbeitet jeweils von 06:45 Uhr bis 06:45 Uhr des Folgetages. Die Beklag-
te führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto.
Der TVöD-V in der Fassung vom 24. November 2016 bestimmt aus-
zugsweise in der für hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst
Beschäftigte geltenden Anlage D Abschnitt D.2, die § 46 TVöD Besonderer Teil
Verwaltung - (BT-V) - im Bereich der VKA entspricht:
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6 AZR 15/19
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„Zu Abschnitt II. Arbeitszeit und zu Abschnitt III. Eingrup-
pierung, Entgelt und sonstige Leistungen
Nr. 2:
(1)
1
Die §§ 6 bis 9 und 19 finden keine Anwendung.
2
Es
gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beam-
ten. ...“
Das Beamtengesetz für das Land Brandenburg (LBG) idF vom
11. Januar 2016 lautet auszugsweise wie folgt:
㤠1
Geltungsbereich
(1)
Dieses Gesetz gilt … für die Beamten des Landes,
der Gemeinden und Gemeindeverbände …, soweit
nicht im Einzelnen gesetzlich etwas anderes be-
stimmt ist.
§ 76
Arbeitszeit
(1)
1
Die Landesregierung wird ermächtigt, die Arbeitszeit
der Beamten durch Rechtsverordnung zu regeln.
2
Die für das öffentliche Dienstrecht der Polizei, der
Feuerwehr und des Justizvollzugs zuständigen Mit-
glieder der Landesregierung werden ermächtigt, die
Arbeitszeit der Polizei- und Justizvollzugsbeamten
sowie die des feuerwehrtechnischen Dienstes in ei-
ner Rechtsverordnung zu regeln. …
§ 117
Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes
(1)
1
Für die Beamten des feuerwehrtechnischen Diens-
tes gelten …“
Die Verordnung über die Arbeitszeit für die Beamten des Polizeivoll-
zugsdienstes, des feuerwehrtechnischen Dienstes und des Justizvollzugsdiens-
tes des Landes Brandenburg (Brandenburgische Arbeitszeitverordnung Polizei,
Feuerwehr, Justizvollzug - BbgAZVPFJ) vom 16. September 2009 lautet aus-
zugsweise wie folgt:
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6 AZR 15/19
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㤠1
Geltungsbereich
(1) Diese Verordnung gilt für die in den §§ 109, 117 und
118 des Landesbeamtengesetzes genannten Beam-
ten.
§ 3
Wöchentliche und tägliche Arbeitszeit
(2) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit vermindert
sich um die dienstfreien Zeiten gemäß § 4 und für
jeden auf einen Arbeitstag fallenden gesetzlichen
Feiertag, um die Arbeitszeit, die an diesem Tag zu
leisten wäre.
§ 4
Arbeitstage
(1) Als Arbeitstage gelten die Wochentage Montag bis
Freitag, mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage.
(2) Soweit es dienstlich zwingend erforderlich ist, kann
der Leiter der Dienststelle oder der von ihm Beauf-
tragte Dienst an Sonnabenden, Sonn- und Feierta-
gen oder zu anderen dienstfreien Zeiten anordnen.
Die an diesen Tagen geleisteten Zeiten sind durch
Zeitausgleich an anderen Tagen auszugleichen, der
zusammenhängend gewährt werden soll.
Unterabschnitt 2
Beamte des feuerwehrtechnischen Dienstes
§ 21
Regelmäßige Arbeitszeit mit Bereitschaftszeit
(1) Abweichend von § 2 Nummer 2 und § 4 Absatz 1
sind alle Wochentage Arbeitstage.
§ 22
Arbeitszeit in den Leitstellen
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(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit beträgt 40
Stunden bei höchstens zehn Stunden pro Dienst-
schicht. Sie kann auf mehr als 40 Stunden und die
Dauer einer Dienstschicht auf über zehn Stunden
verlängert werden, wenn ein Teil des Dienstes unter
den Voraussetzungen des Absatzes 2 in Bereitschaft
geleistet
wird. …
(2) Der Dienst in Bereitschaft ist außerhalb des Berei-
ches der Leitstellenarbeitsplätze zu leisten. Die un-
mittelbare Dienstaufnahme ist sicherzustellen.
Bei der Beklagten bestehen außerdem eine „Dienstvereinbarung über
die Durchführung der flexiblen Arbeitszeit (Gleitzeit)
…“ (im Folgenden DV-
Gleitzeit) sowie eine für die Mitarbeitenden des feuerwehrtechnischen Dienstes
im Fachbereich Feuerwehr, die im Einsatzdienst tätig sind, geltende Zusatzver-
einbarung zur DV-Gleitzeit (im Folgenden ZV-Gleitzeit).
Die Beklagte reduzierte bis zum 31. Dezember 2016 die Sollwochenar-
beitszeit des Klägers für jeden gesetzlichen Feiertag. Seit dem 1. Januar 2017
nimmt sie einen Abzug nur noch für gesetzliche Feiertage vor, an denen der
Kläger zum Dienst eingeteilt ist. Im Jahr 2017 war der Kläger an den gesetzli-
chen Feiertagen 17. April, 1. Mai, 25. Mai, 4. Juni, 3. Oktober, 31. Oktober,
25. und 26. Dezember nicht zum Dienst eingeplant. Die Sollwochenarbeitszeit
wurde daher für diese Tage nicht ermäßigt.
Der Kläger ist zuletzt der Ansicht gewesen, dass die Beklagte für die
noch benannten acht gesetzlichen Feiertage im Jahr 2017, an denen er nicht
zum Dienst eingeplant war, die Sollarbeitszeit um je zwölf Stunden zu reduzie-
ren habe. Das folge aus § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ, der aufgrund der Bezugnah-
meklausel in § 3 seines Arbeitsvertrags iVm. der in Anlage D Abschnitt D.2
Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V angeordneten Geltung der beamtenrechtlichen
Bestimmungen anzuwenden sei. Durch den Wortlaut dieser Norm habe der
Verordnungsgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Sollstundenreduzierung
nicht davon abhängen solle, dass der Arbeitnehmer feiertagsbedingt nicht ar-
beiten müsse. Auch wenn die Arbeitspflicht unabhängig von dem Feiertag be-
reits aus anderen Gründen entfalle, beispielsweise weil der Arbeitnehmer
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dienstplanmäßig frei habe, sei die Sollarbeitszeit zu reduzieren. Sähe man dies
anders, verbliebe § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ ohne jeden Anwendungsbereich für
Beschäftigte wie ihn, die nach einem Dienstplan im Schichtdienst tätig seien,
und liefe insoweit leer. Müsse er an einem gesetzlichen Feiertag arbeiten, sei
nicht § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ, sondern § 4 Abs. 2 BbgAZVPFJ einschlägig. Ha-
be er hingegen nach dem Dienstplan an dem gesetzlichen Feiertag frei, fände
§ 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ ebenfalls keine Anwendung. Zudem würde er im Ver-
gleich zu Beschäftigten, die regelmäßig von Montag bis Freitag arbeiten, unge-
rechtfertigt benachteiligt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, seinem Arbeitszeitkonto
96 Stunden gutzuschreiben.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. § 3 Abs. 2
BbgAZVPFJ sehe eine Verminderung der regelmäßigen Arbeitszeit nur für ei-
nen gesetzlichen Feiertag vor, der auf einen Arbeitstag falle, und nur für die
Arbeitszeit, die an diesem Tag - wenn er kein gesetzlicher Feiertag wäre - zu
leisten gewesen wäre. An den gesetzlichen Feiertagen, an denen der Kläger
nicht zum Dienst eingeteilt gewesen sei, müsse mangels Verpflichtung zur Leis-
tung von Dienst keine Gutschrift der Arbeitszeit auf seinem Arbeitszeitkonto
erfolgen. Dem stehe § 21 BbgAZVPFJ nicht entgegen. Dieser lege nur den
Rahmen fest, innerhalb dessen Dienst angeordnet werden könne. Auch wenn
alle Wochentage potentiell Arbeitstage seien, sei der Kläger dennoch nur an
solchen Tagen zur Dienstleistung verpflichtet, für die er zum Dienst eingeteilt
sei.
Das Arbeitsgericht hat dem erstinstanzlichen Hauptantrag des Klägers
auf Gutschrift von 96,6 Stunden - für 14 Feiertage im Jahr 2017 je 6,9 Stunden -
stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die
Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen
Revision hat der Kläger in der Sache seinen Hauptantrag erster Instanz mit
dem Ziel einer Gutschrift von nunmehr jeweils zwölf Stunden für acht der ur-
sprünglich 14
Feiertage im Jahr 2017 und damit „beschränkt auf die Gutschrift
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von 96
Stunden“ weiterverfolgt. Daneben hat der Kläger zunächst noch hilfs-
weise die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Sollstundenreduzie-
rung nach näher bezeichneter Maßgabe begehrt. Auf die Hinweisschreiben des
Senats vom 11. April 2019 und 28. Mai 2020 hat der Kläger zuletzt nur noch
den Leistungsantrag zum Gegenstand seiner Revision gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Revision, die der Kläger in zulässiger Weise auf die Stundengut-
schrift für die von ihm noch benannten acht gesetzlichen Feiertage im Jahr
2017 auf seinem Arbeitszeitkonto beschränkt hat, ist unbegründet.
I.
Dies folgt nicht bereits teilweise aus dem Umstand, dass der Kläger mit
seiner Revision anstatt einer Gutschrift von 6,9 Stunden für jeden der noch
streitgegenständlichen acht Feiertage nunmehr jeweils zwölf Stunden begehrt.
Dies stellt eine auch noch in der Revisionsinstanz zulässige Klageerweiterung
nach § 264 Nr. 2 ZPO dar
.
II.
Dem Kläger steht die begehrte Sollstundenreduzierung jedoch nicht zu.
1.
Diese folgt nicht aus § 3 des Arbeitsvertrags iVm. Anlage D Ab-
schnitt D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V iVm. § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ.
a)
Aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme haben die Parteien die
Regelungen des TVöD-V zum Inhalt ihres Arbeitsvertrags gemacht. Der Kläger
ist als Leitstellendisponent hauptamtlich im kommunalen feuerwehrtechnischen
Dienst Beschäftigter iSd. Anlage D Abschnitt D.2 Nr. 1 TVöD-V
. Anhaltspunkte dafür, dass er in
einer integrierten Leitstelle tätig ist, finden sich nicht
.
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Nach Anlage D Abschnitt D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 TVöD-V
finden für Beschäftigte im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst die §§ 6
bis 9 und § 19 TVöD-V keine Anwendung. Vielmehr gelten die Bestimmungen
für die entsprechenden Beamten. Das sind vorliegend gemäß § 1 Abs. 1, § 76
Abs. 1, § 117 LBG iVm. § 1 BbgAZVPFJ die Regelungen dieser Verordnung.
b)
Solche Blankettverweisungen auf beamtenrechtliche Bestimmungen in
einer Tarifnorm sind wirksam
.
Sie entsprechen im vorliegenden Fall dem sachlichen Bedürfnis, einen Gleich-
lauf der Arbeitszeitregelungen für angestellte und beamtete Beschäftigte im
kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst sicherzustellen, die oft nebeneinan-
der unter gleichen Arbeitsbedingungen tätig sind. Angestellte Beschäftigte im
kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst sollen durch die tarifvertragliche
Verweisung ungeachtet weiterer Differenzierungsgründe nicht schlechter-, aber
auch nicht bessergestellt werden als Beamte im kommunalen feuerwehrtechni-
schen Dienst
.
Aufgrund der Inbezugnahme der beamtenrechtlichen Vorschriften in
Anlage D Abschnitt D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V wurden diese in das Tarif-
recht inkorporiert. Sie sind integraler Bestandteil des Tarifrechts und entfalten
deshalb im Bereich des TVöD-V Wirkung als Tarifrecht
.
c)
Nach § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ vermindert sich die regelmäßige wöchent-
liche Arbeitszeit für jeden auf einen Arbeitstag fallenden gesetzlichen Feiertag
um die Arbeitszeit, die an diesem Tag zu leisten wäre. Die Norm verpflichtet die
Beklagte aber nicht dazu, die Sollarbeitszeit des Klägers für gesetzliche Feier-
tage zu reduzieren, an denen er - unabhängig vom jeweiligen Feiertag - keinen
Dienst gehabt und somit tatsächlich nicht gearbeitet hätte.
aa)
Bereits der Wortlaut des § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ zeigt eindeutig, dass
eine Gutschrift für einen gesetzlichen Feiertag nur für die Arbeitszeit erfolgt, die
an diesem Feiertag hätte geleistet werden müssen. Davon geht das Landesar-
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beitsgericht zutreffend aus. Entgegen der Revision ergibt sich aus dem Wortlaut
gerade nicht, dass unabhängig vom Dienstplan des Klägers auf einen nur hypo-
thetisch möglichen Dienst abzustellen ist. Zwar gelten nach § 21 Abs. 1
BbgAZVPFJ abweichend von § 2 Nr. 2 BbgAZVPFJ für Beamte des feuerwehr-
technischen Dienstes alle Wochentage als Arbeitstage. Damit ist jedoch ledig-
lich der Rahmen abgesteckt, innerhalb dessen die Beklagte den Kläger einpla-
nen kann. Für eine Reduzierung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit
nach § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ ist es - anders als im Grundfall der nur von Mon-
tag bis Freitag Beschäftigten
mithin
unerheblich, ob der gesetzliche Feiertag auf einen Samstag oder Sonntag oder
auf einen anderen Wochentag fällt. Noch nicht erfüllt ist damit jedoch die weite-
re Voraussetzung des § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ, dass es sich um Arbeitszeit
handelt, die an d
iesem Tag „zu leisten wäre“. Diese Voraussetzung für eine
Minderung der Arbeitszeit wäre entgegen der Annahme der Revision nicht er-
forderlich, wenn für jeden gesetzlichen Feiertag unabhängig von der Dienst-
plangestaltung die wöchentliche Sollarbeitszeit zu reduzieren wäre. Der Ver-
ordnungsgeber hat unmissverständlich auf eine Leistungsverpflichtung am Fei-
ertag abgestellt. Erforderlich ist daher, dass an dem gesetzlichen Feiertag, für
den eine Minderung der wöchentlichen Sollarbeitszeit erfolgen soll, auch Ar-
beitszeit hätte geleistet werden müssen, der Kläger also zum Dienst hätte ein-
geplant sein müssen.
bb)
Aus der Systematik der Rechtsverordnung ergibt sich kein anderes
Verständnis. In § 21 Abs. 1 BbgAZVPFJ sind lediglich die Arbeitstage abwei-
chend von § 4 Abs. 1 BbgAZVPFJ geregelt, nicht jedoch die Voraussetzungen
für die Verminderung der wöchentlichen Sollarbeitszeit für einen gesetzlichen
Feiertag. Zudem sprechen Sinn und Zweck der Regelung des § 3 Abs. 2
BbgAZVPFJ für diese Lesart. Diese Bestimmung stellt sicher, dass aufgrund
eines gesetzlichen Feiertags ausfallende Arbeitszeit nicht nachgeholt werden
muss. Entfällt aber auf einen gesetzlichen Feiertag keine Pflicht zur Dienstleis-
tung, gerät ein Arbeitnehmer durch den Feiertag auch nicht in ein Arbeitszeitmi-
nus, weil er an diesem Tag ohnehin keine Arbeitsleistung erbringen muss.
Durch dieses Normverständnis wird § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ entgegen der An-
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nahme der Revision nicht sinnentleert. Diese übersieht, dass die Regelungen
der BbgAZVPFJ vom Grundfall des von Montag bis Freitag Beschäftigten aus-
gehen.
cc)
Dem steht die von der Revision herangezogene Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts vom 1. April 2004
nicht entgegen.
Die dieser zugrunde liegende streitentscheidende Norm des § 1 Abs. 2 der
Verordnung über die Arbeitszeit der Bundesbeamten vom 24. September 1974
idF der Neunten Verordnung zur Änderung der Arbeitszeitverordnung vom
22. Mai 1990
unterscheidet sich deutlich von § 3 Abs. 2
BbgAZVPFJ. Sie ordnet eine Arbeitszeitverminderung ohne Rücksicht darauf
an, „ob und wie lange der Beamte an dem Wochenfeiertag tatsächlich Dienst
leisten muss“. Eine solche Vorgabe findet sich in § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ gera-
de nicht.
dd)
Entgegen der Annahme der Revision verstößt § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ
nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Er benachteiligt den Kläger nicht ungerechtfertigt.
(1)
Der allgemeine Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von
Normadressaten anders behandelt wird als eine andere, obwohl zwischen den
Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Un-
gleichbehandlung rechtfertigen können
.
(2)
Im Vergleich zu den montags bis freitags beschäftigten Normaldienst-
leistenden im kommunalen feuerwehrtechnischen Dienst liegt kein Gleichheits-
verstoß durch § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ vor. Allerdings profitieren Normaldienst-
leistende an jedem gesetzlichen Feiertag, der auf die Tage von Montag bis Frei-
tag fällt, von der durch § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ angeordneten Sollstundenredu-
zierung, während das beim Kläger an den Tagen, an denen er ohnehin dienst-
frei hat, nicht der Fall ist. Mit dieser Ausgestaltung hat der Verordnungsgeber
jedoch die ihm bei der Regelung der Arbeitszeit als Massenerscheinung zu-
kommende Typisierungsbefugnis noch nicht überschritten
. Er hat, wie § 4 Abs. 1 BbgAZVPFJ
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belegt, auch für den von dieser Verordnung erfassten Personenkreis die Arbeit
an den Tagen von Montag bis Freitag als Normalfall angesehen. Er durfte bei
der Regelung der Sollstundenreduzierung berücksichtigen, dass Normaldienst-
leistende von gesetzlichen Feiertagen, die auf ein Wochenende fallen, nicht
profitieren, während dies bei Schichtdienstleistenden wie dem Kläger der Fall
sein kann. Darüber hinaus ergibt sich die vom Kläger angenommene Benach-
teiligung aus dem auch innerhalb der Gruppe der Schichtdienstleistenden spe-
ziellen Schichtmodell, nach dem er eingesetzt ist und das zu einer Verpflichtung
zur Arbeitsleistung an nur zwei von sieben Wochentagen führt. Für dieses be-
sondere Schichtmodell musste der Verordnungsgeber keine Ausnahmerege-
lung treffen, sondern durfte die in diesen Grenzfällen auftretenden Härten hin-
nehmen.
ee)
Die von den Tarifvertragsparteien vorgenommene Differenzierung zwi-
schen den Beschäftigten des kommunalen feuerwehrtechnischen Dienstes und
den der allgemeinen Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 TVöD-V unterfallenden
Beschäftigten führt ebenso wenig dazu, dass der Senat infolge des ihm zu-
kommenden Schutzauftrags verpflichtet wäre, der Regelung der Anlage D Ab-
schnitt D.2 Nr. 2 Abs. 1 Satz 2 TVöD-V die Durchsetzung zu verweigern
. Dass die Tarifver-
tragsparteien des TVöD-V für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen vergleich-
bare Sachverhalte abweichend regeln, ist gerade im Bereich des öffentlichen
Dienstes nicht unüblich und unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu
beanstanden. Es ist Ausdruck der von Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifauto-
nomie und des damit einhergehenden weiten Gestaltungsspielraums. Der all-
gemeine Gleichheitssatz enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche
Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen mit anderen systemati-
schen Zusammenhängen gleich zu regeln
.
2.
Aus der vom Kläger in den Vorinstanzen zur Begründung seines An-
spruchs angeführten ZV-Gleitzeit ergibt sich dieser ebenfalls nicht. Unabhängig
davon, dass die ZV-Gleitzeit hinsichtlich einer Sollarbeitszeitreduzierung an ge-
setzlichen Feiertagen lediglich auf § 3 Abs. 2 BbgAZVPFJ verweist und darum
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keinen davon abweichenden Anspruch stützt, fällt der Kläger nicht in den An-
wendungsbereich dieser Dienstvereinbarung. Diese gilt nach ihrer Nr. 2 für die
Mitarbeitenden des feuerwehrtechnischen Dienstes im Fachbereich Feuerwehr,
die im Einsatzdienst tätig sind. Die Tätigkeit im feuerwehrtechnischen Einsatz-
dienst iSd. TVöD-V umfasst nur solche Tätigkeiten, die der unmittelbaren
Brandbekämpfung und Hilfeleistung am Brand- oder Katastrophenort zuzuord-
nen sind. Voraussetzung der Erfüllung des Tarifbegriffes „Einsatzdienst“ ist da-
her, dass es sich um Einsätze vor Ort handelt, dass der Angestellte also am
Brand- bzw. Katastrophenort aktiv tätig wird. Diese Tätigkeiten sind in schwieri-
gen Situationen (Brand, Notfällen, Naturkatastrophen usw.) unter physischer
und psychischer Belastung schnell und verantwortlich, sowie in Einsätzen unter
widrigsten Bedingungen, die mit vielfältigen Risiken für Leben und Gesundheit
verbunden sind, zu erbringen
. Der Dienst als
Leitstellendisponent fällt nicht darunter. Dafür, dass die Parteien der ZV-
Gleitzeit ihren Regelungen einen anderen Begriff des Einsatzdienstes als die
Tarifvertragsparteien des TVöD-V zugrunde gelegt haben, ergeben sich keine
Anhaltspunkte.
3.
Der Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus einer der sonsti-
gen vom Landesarbeitsgericht zutreffender Weise als nicht erfüllt angesehenen
Anspruchsgrundlagen
.
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III.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen
.
Spelge
Wemheuer
Heinkel
Stein
W. Kreis
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