Urteil des BAG vom 21.12.2016
Arbeitsentgelt - Lohnsteuer - Sozialversicherung
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 21. Dezember 2016
Fünfter Senat
- 5 AZR 273/16 -
ECLI:DE:BAG:2016:211216.U.5AZR273.16.0
I.  Arbeitsgericht Bamberg
- Kammer Coburg -
Endurteil vom 24. Februar 2015
- 4 Ca 845/14 -
II. Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil vom 13. November 2015
- 3 Sa 126/15 -
Entscheidungsstichworte:
Arbeitsentgelt - Lohnsteuer - Sozialversicherung
Leitsatz:
Der Zusatz „brutto“ in einem den Arbeitgeber zur Zahlung von Arbeitsent-
gelt  verpflichtenden  Urteilstenor  verdeutlicht,  was  von  Gesetzes  wegen
gilt: Der Arbeitnehmer ist nach § 38 Abs. 2 EStG Schuldner der durch Ab-
zug  vom  Arbeitslohn  erhobenen  Einkommensteuer  (Lohnsteuer)  und
muss im Innenverhältnis zum Arbeitgeber den ihn treffenden Teil des Ge-
samtsozialversicherungsbeitrags tragen .
ECLI:DE:BAG:2016:211216.U.5AZR273.16.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
5 AZR 273/16
3 Sa 126/15
Landesarbeitsgericht
Nürnberg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
21. Dezember 2016
URTEIL
Kleinert, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagter, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Klägerin, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ver-
handlung  vom  21. Dezember  2016  durch  den  Vizepräsidenten  des  Bundesar-
beitsgerichts  Dr. Müller-Glöge,  den  Richter  am  Bundesarbeitsgericht  Dr. Biebl,
die Richterin am Bundesarbeitsgericht Weber sowie die ehrenamtlichen Richter
Bormann und Menssen für Recht erkannt:
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5 AZR 273/16
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1. Die  Revision  des  Beklagten  gegen  das  Urteil  des  Lan-
desarbeitsgerichts  Nürnberg  vom  13. November  2015
- 3 Sa 126/15 - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rückzahlung irrtümlich ausgezahlter Ent-
geltbestandteile.
Der  Beklagte  war  bei  der  Klägerin  vom  27. Mai  bis  zum  31. Oktober
2013  angestellt.  Es  war  ein  Bruttomonatsgehalt  von  4.200,00 Euro  vereinbart.
Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete aufgrund einer Arbeitgeberkündigung
vom  18. September  2013  zum  31. Oktober  2013,  wobei  der  Beklagte  mit  Aus-
spruch  der  Kündigung  unter  Anrechnung  von  Urlaub  und  eventueller  Freizeit-
guthaben freigestellt wurde.
Für  die  Monate  September  und  Oktober  2013  zahlte  die  Klägerin  an
den Beklagten kein Entgelt aus, führte aber von dem vereinbarten Gehalt Lohn-
steuer  nebst  Solidaritätszuschlag  (insgesamt  1.744,08 Euro)  sowie  den  vom
Arbeitnehmer  zu  tragenden  Teil  des  Gesamtsozialversicherungsbeitrags  (ins-
gesamt 1.665,96 Euro) ab. Ferner überwies sie aus dem errechneten Nettoent-
gelt  jeweils  40,00 Euro  als  vermögenswirksame  Leistung  an  die  zuständige
Stelle. Die Klägerin berühmte sich  des Bestehens von  Schadensersatzansprü-
chen wegen  grober Fehler  des Beklagten  bei mehreren Bauvorhaben. Darauf-
hin erhob der Beklagte in einem Prozess umgekehrten Rubrums Klage auf Zah-
lung  der  Bruttovergütung  für  die  Monate  September  und  Oktober  2013,  wäh-
rend die Klägerin im Wege der Widerklage Schadensersatz iHv. 30.548,31 Euro
verlangte.  Das  Arbeitsgericht  Bamberg  - Kammer  Coburg -  verurteilte  die  Klä-
gerin, insgesamt 8.400,00 Euro brutto nebst Zinsen an den Beklagten zu zahlen
. Die Widerklage wies es ab. Über die
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auf  die Widerklage  beschränkte  Berufung  der  Klägerin  hat  das  Landesarbeits-
gericht noch nicht entschieden.
Entsprechend  dem  erstinstanzlichen  Urteil  rechnete  die  Buchhalterin
der Klägerin die  Vergütung für September und Oktober 2013 ab und überwies
am 16. Juni 2014 - neben Zinsen iHv. 243,65 Euro - versehentlich den Gesamt-
betrag  von  8.400,00 Euro  an  den  Beklagten.  Dieser  stimmte  einer  Rückbu-
chung nicht zu.
Nach erfolglosem außergerichtlichen Verlangen hat die Klägerin mit der
am 22. Oktober 2014 eingereichten Klage eine irrtümliche Überzahlung geltend
gemacht, die nach Bereicherungsrecht zu erstatten  sei. Dem Beklagten hätten
die  auf  die  ausgeurteilte  Bruttovergütung  entfallende  Lohnsteuer,  der  Arbeit-
nehmeranteil  zum  Gesamtsozialversicherungsbeitrag  und  die  vermögenswirk-
sam angelegten 40,00 Euro monatlich nicht zur Auszahlung zugestanden.
Die Klägerin hat beantragt,
den  Beklagten  zu  verurteilen,  an  sie  3.490,04 Euro  nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basis-
zinssatz seit dem 25. Juli 2014 zu zahlen.
Der  Beklagte  hat  Klageabweisung  beantragt  und  geltend  gemacht,  die
Klägerin könne analog § 767 Abs. 2 ZPO nicht mehr vorbringen, einen Teil der
eingeklagten  Vergütung  bereits  vor  Erlass  des  Urteils  im  Entgeltzahlungspro-
zess erfüllt zu haben.
Das  Arbeitsgericht  hat  der  Klage  stattgegeben.  Das  Landesarbeitsge-
richt  hat  die  Berufung  des  Beklagten  zurückgewiesen.  Mit  der  vom  Landesar-
beitsgericht  zugelassenen  Revision  verfolgt  der  Beklagte  sein  Klageabwei-
sungsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe
Die  Revision  des  Beklagten  ist  unbegründet.  Die  Vorinstanzen  haben
im  Ergebnis  zu  Recht  erkannt,  dass  die  Klage  begründet  ist.  Die  Klägerin  hat
Anspruch  auf  Rückzahlung  der  nicht  zur  Auszahlung  an  den  Beklagten  be-
stimmten Entgeltbestandteile, § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
I.
Der Beklagte hat die auf die Gehälter für September und Oktober 2013
entfallende Lohnsteuer und den vom Arbeitnehmer zu tragenden Anteil am Ge-
samtsozialversicherungsbeitrag ohne rechtlichen Grund erhalten.
1.
Ohne rechtlichen Grund ist eine Leistung erlangt, wenn die Zuwendung
dem  Leistungsempfänger  nach  der  ihr  zugrunde  liegenden  Rechtsbeziehung
nicht  (endgültig)  zusteht
,  er  also
diese  Leistung  nicht  beanspruchen  konnte  und  sie  auch  nicht  behalten  darf
. Das ist vorliegend der Fall. Weder
der  Arbeitsvertrag  der  Parteien  noch  das  Urteil  des  Arbeitsgerichts  Bamberg
- Kammer Coburg - vom 5. Juni 2014
sind iSd. § 812 Abs. 1
BGB  Rechtsgrund  dafür,  dass  der  Beklagte  nicht  zur  Auszahlung  bestimmte
Entgeltbestandteile behalten darf.
2.
Der zivilrechtliche Entgeltanspruch des Arbeitnehmers unterliegt einem
öffentlich-rechtlichen  Pflichtengefüge,  das  beide  Parteien  des  Arbeitsvertrags
trifft
.
Einkünfte  aus  nichtselbständiger  Arbeit  unterliegen  der  Einkommensteuer
,  deren  Schuldner  der  Arbeitnehmer  ist
.
Außerdem  hat  er  den  Arbeitnehmeranteil  des  Gesamtsozialversicherungsbei-
trags zu tragen
.
Der Arbeitgeber muss als ihm obliegende öffentlich-rechtliche Verpflich-
tung die Einkommensteuer, die als Lohnsteuer durch Abzug vom Arbeitsentgelt
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erhoben  wird
,  für  Rechnung  des  Arbeitnehmers  bei
jeder Entgeltzahlung vom Arbeitsentgelt einbehalten
und  den  Gesamtsozialversicherungsbeitrag  an  die  Einzugsstelle  zahlen,  § 28e
Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Dabei gilt nach § 28e Abs. 1 Satz 2 SGB IV der vom Ar-
beitnehmer  zu  tragende  Teil  des  Gesamtsozialversicherungsbeitrags  als  aus
dessen Vermögen erbracht.
Dieses  öffentlich-rechtliche  Pflichtengefüge  überlagert  und  prägt  -  so-
fern  nicht  der  Arbeitgeber  aufgrund  einer  Nettolohnvereinbarung  Steuern  und
Arbeitnehmeranteil  des  Gesamtsozialversicherungsbeitrags  übernimmt  -  den
zivilrechtlichen  Entgeltanspruch.  Der  auf  Einkommensteuern  und  Arbeitneh-
meranteil  des  Gesamtsozialversicherungsbeitrags  entfallende  Teil  ist  zwar  Be-
standteil des (Brutto-)Entgeltanspruchs,  so dass mit dessen Einbehalt und Ab-
führung an die zuständigen Stellen der Arbeitgeber (auch) seine Zahlungspflicht
gegenüber  dem  Arbeitnehmer  erfüllt
. Doch hat der Arbeitnehmer diesbezüglich wegen entge-
genstehenden  öffentlichen  Rechts  keinen  Anspruch  auf  Auszahlung,  der  Ent-
geltanspruch  ist  insoweit  nur  auf  Einbehalt  und  Abführung  gerichtet
.
3.
Danach kann die arbeitsvertragliche Entgeltvereinbarung  nicht das Be-
halten  von  auf  das  Arbeitsentgelt  entfallender  Einkommensteuer  und  des  vom
Arbeitnehmer zu tragenden Teils des Gesamtsozialversicherungsbeitrags recht-
fertigen. Diese Bestandteile des Arbeitsentgelts verbleiben nicht nur nicht (end-
gültig) beim Arbeitnehmer, sie sind nicht einmal zur Auszahlung an diesen be-
stimmt. Der Arbeitsvertrag kann deshalb nur rechtlicher Grund für Einbehalt und
Abführung  von  Steuern  und  Beiträgen  zur  Sozialversicherung,  nicht  aber  für
deren Auszahlung an den Arbeitnehmer sein.
4.
Auch die Verurteilung der Klägerin zur Zahlung von Bruttoarbeitsentgelt
bildet keinen rechtlichen Grund dafür, dass der Beklagte irrtümlich ausgezahlte
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Lohnsteuer  und  Arbeitnehmeranteil  des  Gesamtsozialversicherungsbeitrags
behalten dürfte.
a)
Der
Zusatz „brutto“ in einem den Arbeitgeber zur Zahlung von Arbeits-
entgelt  verpflichtenden  Urteilstenor  verdeutlicht,  was  von  Gesetzes  wegen  gilt
. Es ändert
sich  an der Belastung des Entgeltanspruchs mit öffentlich-rechtlichen Pflichten
nichts.  Ein  zur  Zahlung  von  Arbeitsentgelt  verpflichtendes  Urteil  ist  nicht  auf
eine - gesetzeswidrige - Auszahlung von Steuern und Beiträgen an den Arbeit-
nehmer  gerichtet,  sondern  nur  auf  deren  Einbehalt  und  Abführung.  Nur  dafür
kann der Titel Rechtsgrund iSv. § 812 Abs. 1 BGB sein. Er vollzieht gleichsam
im  Privatrechtsverhältnis  zwischen  Arbeitgeber  und  Arbeitnehmer  das  nach,
wozu der Arbeitgeber öffentlich-rechtlich verpflichtet ist und was der Arbeitneh-
mer steuer- und sozialversicherungsrechtlich dulden muss.
Lediglich wenn der Arbeitnehmer das ihm entgegen öffentlichem Recht
Zugeflossene  an die  zuständigen  Stellen  selbst  abführt,  kann  er  dem  Rückfor-
derungsverlangen des Arbeitgebers Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB ent-
gegen  halten
.  Unstreitig  hat  aber der  Beklagte
nicht selbst abgeführt. Er hat auch nicht eingewendet, Finanzamt oder Einzugs-
stelle  würden die  Erfüllungswirkung  der  im  Herbst  2013  von  der  Klägerin  (vor-
ab) getätigten Zahlungen in Frage stellen und von  ihm die Abführung der aus-
gezahlten  Steuern  oder  Beiträge  für  das  vom  Arbeitsgericht  zugesprochene
Arbeitsentgelt verlangen.
b)
Eine  Verurteilung  des  Arbeitgebers  zur  Zahlung  von  Bruttoarbeitsent-
gelt bedeutet nicht, dass der Arbeitnehmer die darauf entfallenden Steuern und
Beiträge  endgültig  behalten  darf.  Dies  wird  durch  die  Rechtslage  bei  Vollstre-
ckung eines auf Bruttoarbeitsentgelt gerichteten Titels bestätigt.
Versucht  der  Gerichtsvollzieher,  den  vollen  ausgeurteilten  Betrag  zu
vollstrecken,  kann  der  Arbeitgeber  durch  entsprechende  Quittungen  oder
Überweisungsnachweise die Abführung von Lohnsteuer an das Finanzamt und
des  Arbeitnehmeranteils  des  Gesamtsozialversicherungsbeitrags  an  die  Ein-
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zugsstelle  nachweisen.  Die  Zwangsvollstreckung  ist  dann  insoweit  nach  § 775
Nr. 4 bzw. Nr. 5 ZPO einzustellen
.
Erfüllt  der  Arbeitgeber  seine  öffentlich-rechtlichen  Pflichten  nicht,  kann
der Gerichtsvollzieher zwar auf den vollen (Brutto-)Betrag zugreifen. Er hat aber
davon das für den Vollstreckungsort zuständige Finanzamt  zu benachrichtigen
.  Außerdem  muss  er  den  zuständigen  Sozialversicherungs-
träger  erfragen  und  erst  wenn  er  diesen  kennt,  darf  er  - bei  gleichzeitiger  Be-
nachrichtigung  des  Sozialversicherungsträgers  -  den  beigetriebenen  Betrag
auskehren
. Auch dies  zeigt, dass der Arbeitnehmer den  zu
Einbehalt  und  Abführung  bestimmten  Teil  des  Arbeitsentgelts  nicht  behalten
darf  und  ihn  nur  deshalb  erhält,  um  an  Stelle  des  seine  öffentlich-rechtlichen
Pflichten nicht erfüllenden Arbeitgebers Steuer und Beiträge zur Sozialversiche-
rung an die berechtigten Stellen weiterzuleiten.
II.
Der Beklagte hat auch die vom Nettobetrag des Arbeitsentgelts monat-
lich vermögenswirksam anzulegenden 40,00 Euro ohne Rechtsgrund erhalten.
Der  Beklagte  hat  nicht  in  Abrede  gestellt,  dass  von  dem  Nettobetrag
des  Arbeitsentgelts  monatlich  40,00 Euro  entsprechend  den  Abreden  der  Par-
teien  vermögenswirksam  anzulegen  sind
.  Ein  Rechts-
grund für die Auszahlung dieser Teilleistung an den Beklagten ist deshalb nicht
gegeben.  Dass  die  Klägerin  für  die  ursprünglich  im  Streit  stehenden  Monate
September  und  Oktober  2013  -  entgegen  dem  in  den  Lohnabrechnungen  Do-
kumentierten  -  die  vermögenswirksame  Anlage  unterlassen  hätte,  hat  der  Be-
klagte nicht behauptet.
III.
Der  Bereicherungsanspruch  der  Klägerin  ist  nicht  nach  § 814  Alt. 1
BGB ausgeschlossen.
Die  Überweisung  des  nicht  zur  Auszahlung  bestimmten  Teils  des  Ar-
beitsentgelts  für  die  Monate  September  und  Oktober  2013  erfolgte  nach  den
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nicht  angegriffenen  Feststellungen  des  Landesarbeitsgerichts  versehentlich.
Dass  die  Klägerin diese Leistung freiwillig in  Kenntnis der  Nichtschuld
erbracht hätte, hat der als Leistungsempfänger dafür darlegungs- und
beweispflichtige
Beklagte nicht behauptet.
IV.
Dem Bereicherungsanspruch der Klägerin steht § 767 Abs. 2 ZPO we-
der in unmittelbarer noch entsprechender Anwendung entgegen.
1.
Nach  § 767  Abs. 2  ZPO  sind  Einwendungen,  die  einen  durch  Urteil
festgestellten Anspruch betreffen nur insoweit zulässig, als die Gründe, auf de-
nen  sie  beruhen,  erst  nach  dem  Schluss  der  mündlichen  Verhandlung,  in  der
Einwendungen spätestens hätten geltend gemacht werden müssen, entstanden
sind. Die Norm erfasst die rechtshemmenden und rechtsvernichtenden Einwen-
dungen  und  Einreden  im  Sinne  des  materiellen  Rechts
,  sie  dient  dem
Schutz  der  materiellen  Rechtskraft
.
2.
Der  Senat  braucht  nicht  zu  entscheiden,  unter  welchen  Voraussetzun-
gen § 767 Abs. 2 ZPO außerhalb der Vollstreckungsabwehrklage entsprechen-
de  Anwendung  findet
und  ob  der  besondere  Erfüllungseinwand  der  Abführung  von  Entgelt-
bestandteilen an Finanzamt und Einzugsstelle
überhaupt eine Einwendung iSd. § 767 ZPO ist.
Die  versehentliche  Auszahlung  dazu  nicht  bestimmter  Entgeltbestand-
teile an den Arbeitnehmer begründet einen bereicherungsrechtlichen Anspruch
des  Arbeitgebers  unabhängig  davon,  ob  dieser  seine  Abführungspflichten
schon erfüllt hat. Erfolgt die Leistung aufgrund eines zur Zahlung von Bruttoar-
beitsentgelt verpflichtenden Titels,
entsteht die „Einwendung“, nicht zur Auszah-
lung  bestimmte  Entgeltbestandteile  ausgezahlt  zu  haben,  denknotwendig  erst
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nach  Erlass  des  Urteils.  Ihre  Berücksichtigung  beeinträchtigt  die  materielle
Rechtskraft  des  Titels  nicht,  weil  dieser  insoweit  nur  auf  Abführung  an  die  zu-
ständigen Stellen gerichtet ist
.
V.
Die  Höhe  der  nicht  zur  Auszahlung  bestimmten  Teile  der  Gehälter  für
die  Monate  September  und  Oktober  2013  steht  zwischen  den  Parteien  außer
Streit. Insoweit hat die Revision auch keine Angriffe gegen das Berufungsurteil
erhoben.
VI.
Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 288 Abs. 1 iVm. § 286
Abs. 1 BGB.
VII.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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