Urteil des BAG vom 21.09.2011

Eingruppierung als Oberarzt nach § 12 Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité

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BUNDESARBEITSGERICHT
4 AZR 847/09
5 Sa 1048/09
Landesarbeitsgericht
Berlin-Brandenburg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
21. September 2011
URTEIL
Freitag, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsklägerin,
pp.
Kläger, Berufungskläger und Revisionsbeklagter,
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 21. September 2011 durch den Vorsitzenden Richter am
Bundesarbeitsgericht Prof. Bepler, den Richter am Bundesarbeitsgericht
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Creutzfeldt, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Winter sowie die ehren-
amtliche Richterin Redeker und den ehrenamtlichen Richter Weßelkock für
Recht erkannt:
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Lan-
desarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. Oktober
2009 - 5 Sa 1048/09 - aufgehoben.
2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeits-
gerichts Berlin vom 25. März 2009 - 56 Ca 19822/08 -
wird zurückgewiesen.
3. Der Kläger hat auch die Kosten der Berufung und der
Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers in die Ent-
geltgruppe Ä 3 des zwischen der Charité - Universitätsmedizin Berlin
und dem Marburger Bund Landesverband Berlin/Brandenburg am 18. Juli 2007
geschlossenen Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an der Charité - Universi-
tätsmedizin Berlin und damit zusammenhängende Differenz-
entgeltansprüche.
Der Kläger, der Mitglied des Marburger Bundes ist, war vom
28. September 2001 bis zum 31. März 2008 bei der Beklagten, die ein Universi-
tätsklinikum mit vier Standorten betreibt, beschäftigt, zuletzt mit Arbeitsvertrag
vom 16. August 2006 als sog. wissenschaftlicher Mitarbeiter. Im Dezember
2006 absolvierte der Kläger die Prüfung zum Facharzt für Radiologie. Er wurde
mit einer regulären Wochenarbeitszeit von 42 Stunden im Centrum Radiologie
im Campus V-Klinikum beschäftigt und leitete als sog. Modalitätenmanager den
Bereich Sonographie der Klinik für Strahlenheilkunde mit drei medizinischen
Geräten, dem eine medizinisch-technische Radiologieassistentin , bis
zu zwei Assistenzärzte und unregelmäßig Gast(fach)ärzte zugeordnet waren.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte ihn seit dem Inkrafttre-
ten des TV-Ärzte Charité am 1. Juli 2007 nicht nach der von ihr zugrunde
gelegten Entgeltgruppe Ä 2 Stufe 1 TV-Ärzte Charité, sondern nach der Ent-
geltgruppe Ä 3 Stufe 1 TV-Ärzte Charité hätte vergüten müssen. Mit seiner
Klage hat er zuletzt noch den Differenzbetrag von monatlich 1.173,00 Euro für
den Zeitraum vom 1. Juli 2007 bis zum 31. März 2008 verlangt. Er sei am
1. Januar 2007 durch den Chefarzt, Herrn Prof. H, zum Oberarzt ernannt
worden. Ihm sei die medizinische Verantwortung für den Teilbereich Ultra-
schall/Sonographie übertragen worden. Damit sei nach der „ersten Säule“ der
für die Eingruppierung von Oberärzten im TV-Ärzte Charité vorgesehenen
Vorschriften der Entgeltgruppe Ä 3 der Klageanspruch auf eine Vergütung als
Oberarzt begründet. Dem stehe nicht entgegen, dass ihm nicht ohne zeitliche
Unterbrechung kontinuierlich Fachärzte zugewiesen seien. Im Teilbereich
Ultraschall/Sonographie seien jedenfalls immer wieder Fachärzte für eine
gewisse Dauer beschäftigt worden. Weiterhin bestehe der Anspruch auf Vergü-
tung nach der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité auch nach der „dritten Säule“
dieser Eingruppierungsvorschriften, da drei der A-Kriterien - nämlich „fachliche
Aufsicht über Assistenz- und Fachärzte“, „Bereichsverantwortung“ und „heraus-
gehobene klinische Kompetenz“ - sowie drei der B-Kriterien - nämlich „Organi-
sationsverantwortung“, „Ausbildungsfunktion“ und „Hintergrunddienst“ - von ihm
im streitgegenständlichen Zeitraum erfüllt worden seien.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.557,00 Euro
brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat ihren Klageabweisungsantrag damit begründet, dass
der Kläger in der Entgeltgruppe Ä 2 TV-Ärzte Charité zutreffend eingruppiert
gewesen sei. Es könne anhand der Personalakte schon nicht nachvollzogen
werden und werde bestritten, dass der Kläger nicht einmal einen Monat nach
seiner Facharztprüfung durch den Chefarzt zum Oberarzt ernannt worden sei.
Im Übrigen hätte eine solche „Ernennung“ auf die Eingruppierung auch keine
Auswirkung. Dem Kläger sei nicht vom Arbeitgeber die medizinische Verantwor-
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tung für einen Teilbereich der Klinik oder Abteilung iSd. Entgeltgruppe Ä 3
TV-Ärzte Charité übertragen worden. Unter diese tarifliche Vorschrift könne ein
Kleinstbereich mit nur unregelmäßig zugeordneten Gastfachärzten wie der vom
Kläger geleitete nicht subsumiert werden. Auch unter Heranziehung der tarifver-
traglichen A- und B-Kriterien komme eine Eingruppierung nach der Entgelt-
gruppe Ä 3 nicht in Betracht. Der Kläger habe während seiner Tätigkeit nur
eines der A-Kriterien erfüllt, nämlich in seiner Funktion als „Modalitätsmanager
Sonographie“ das Kriterium der „Bereichsverantwortung“. Mit nur einem erfüll-
ten A-Kriterium komme es nicht mehr darauf an, inwieweit der Kläger B-
Kriterien erfüllt habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht
hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und
der Klage stattgegeben. Mit der vom Landearbeitsgericht zugelassenen Revi-
sion verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger
beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landes-
arbeitsgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.
I.
Der Leistungsantrag des Klägers ist unbegründet. Ihm steht für den
streitgegenständlichen Zeitraum eine Vergütung nach der Entgeltgruppe Ä 3
TV-Ärzte Charité nicht zu.
1.
Der TV-Ärzte Charité und der Tarifvertrag zur Überleitung der Ärztinnen
und Ärzte an der Charité gelten nach § 3 Abs. 1 und § 4
Abs. 1 TVG unmittelbar und zwingend im Arbeitsverhältnis der Parteien.
a)
Die für die Entscheidung maßgebenden Bestimmungen des
TV-Ärzte Charité lauten:
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㤠12 Eingruppierung
Ärzte sind wie folgt eingruppiert:
Ä 3 Oberarzt
Oberarzt ist derjenige Arzt, dem die medizinische
Verantwortung für Teil- oder Funktionsbereiche der
Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber
übertragen worden ist.
Oberarzt ist ferner der Facharzt in einer durch den
Arbeitgeber übertragenen Spezialfunktion, für die
dieser eine erfolgreich abgeschlossene Schwer-
punkt- oder Zusatzweiterbildung nach der Weiterbil-
dungsordnung fordert.
Protokollerklärung:
Die Tarifvertragsparteien stimmen darin überein,
dass bei Erfüllung folgender Kriterien die Vorausset-
zungen für die Eingruppierung als Oberarzt vorlie-
gen.
Dabei gilt:
Werden alle Kriterien der Kategorie A erfüllt, folgt
daraus die Einstufung als Oberarzt. Werden nur drei
von vier Kriterien der Kategorie A erfüllt, müssen für
die Einstufung als Oberarzt zudem das B-Kriterium
Organisationsverantwortung und ein weiteres Krite-
rium der Kategorie B erfüllt sein. Werden nur zwei
Kriterien der Gruppe A erfüllt, müssen für die Einstu-
fung als Oberarzt sämtliche Kriterien der Kategorie B
erfüllt sein.
A-Kriterien:
- fachliche Aufsicht über Assistenz- und Fach-
ärzte:
Dieses Merkmal ist erfüllt, wenn die klinische Arbeit
von Ärzten im direkten Verhältnis überwacht wird,
deren Entscheidungen bestätigt oder korrigiert
werden und inhaltliche Weisungen bezüglich der
Patientenversorgung erteilt werden. Typische Tätig-
keiten in diesem Sinne sind die Leitung von Visiten
und die Korrektur der von den beaufsichtigten Ärzten
- Bereichsverantwortung:
Diese Kriterium ist erfüllt, wenn zum Aufgabengebiet
des Stelleninhabers die unmittelbare Verantwortung
für einen abgegrenzten Bereich einer Klinik bzw.
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eines Institutes (z. B. Station, Ambulanz, Funktions-
bereich etc.) gehört und der Stelleninhaber in diesem
Bereich tätige Mitarbeiter anleitet und beaufsichtigt,
sowie die Verantwortung für die in diesem Bereich im
- Herausgehobene klinische Kompetenz:
Der Stelleninhaber betreut verantwortlich die schwie-
rigen Fälle und/oder führt regelmäßig komplexere
- Wissenschaftliche Qualifikationen:
Der Stelleninhaber ist habilitiert oder hat nach der
Promotion mindestens fünf Publikationen in peer-
reviewed Journals als Erst- oder Letztautor veröffent-
B-Kriterien:
- Organisationsverantwortung:
Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn der Stelleninhaber
in seiner Klinik bzw. Institut administrative Aufgaben
- dies sind insbesondere die Freigabe von Bestellun-
gen und MES-Anforderungen und die Einbindung in
Maßnahmen zur Einhaltung von Teilbudgets oder
- die organisatorischen Abläufe (Dienstpläne, Be-
handlungspfade, SOPs) gestalten.
- Ausbildungsfunktion:
Diese Kriterium ist erfüllt, wenn der Stelleninhaber
regelmäßig und in nicht unerheblichen zeitlichem
Umfang Weiterbildungsassistenten unterweist und
einen aktiven Beitrag zu deren Erfüllung der Weiter-
bildungsanforderungen der Ärztekammer leistet.
- Hintergrunddienst:
Dieses Kriterium ist erfüllt, wenn der Stelleninhaber
regelmäßig mehrmals monatlich Hintergrunddienste
versieht, bei denen er die medizinische Verantwor-
tung für die Tätigkeit von im Vordergrund tätigen
Ärzten trägt oder eine Bereitschaftsdienstgruppe aus
mehreren Ärzten leitet.
Weiterer Voraussetzungen bedarf es nicht.
Protokollerklärung zu § 12:
Es wird klargestellt, dass in den Entgeltgruppen Ä2 bis Ä4
die Eingruppierungen sich entsprechend ihrer nicht nur
vorübergehend und zeitlich mindestens zur Hälfte auszu-
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übenden Tätigkeit bestimmen.
...“
b)
Aus dem TVÜ-Ärzte Charité ist von Bedeutung:
㤠4 Eingruppierung
Für die Eingruppierung der Ärzte ab 1. Juli 2007 gilt die
Entgeltordnung gemäß § 12 TV-Ärzte Charité.
Protokollerklärung zu § 4:
Ärzte, die am 29. März 2007 die Bezeichnung ‚Oberarzt’
führten, ohne die Voraussetzungen für eine Eingruppie-
rung als Oberarzt nach § 12 TV-Ärzte Charité zu erfüllen,
behalten die Berechtigung zur Führung ihrer bisherigen
Bezeichnung. Eine Eingruppierung nach Entgeltgruppe
Ä 3 ist hiermit nicht verbunden.“
2.
Diese Bestimmungen geben dem Kläger nicht den begehrten Vergü-
tungsanspruch. Ihm war im Streitzeitraum weder vom Arbeitgeber die medizini-
sche Verantwortung für einen Teilbereich der Klinik oder Abteilung iSd. ersten
Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité übertragen worden, noch
traf auf ihn und seine Tätigkeit eine ausreichende Anzahl von A- und B-Kriterien
nach der dritten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité - dem in der
Protokollerklärung in § 12 TV-Ärzte Charité enthaltenen Katalog von Anforde-
rungsmerkmalen - zu. Die Erfüllung der zweiten Alternative - „durch den Arbeit-
geber übertragene Spezialfunktion“ - macht der Kläger selbst nicht geltend.
Schließlich ist eine mögliche „Ernennung“ zum Oberarzt - selbst wenn sie von
einem dazu bevollmächtigten Chefarzt vorgenommen worden sein sollte - ohne
vergütungsrechtliche Bedeutung.
a)
Die Tätigkeitsmerkmale des TV-Ärzte Charité waren für die Vergütung
des Klägers maßgebend, auch wenn er im Arbeitsvertrag nicht als Arzt, son-
dern als wissenschaftlicher Mitarbeiter bezeichnet wird. Der Kläger ist appro-
bierter Arzt und hatte als solcher Aufgaben der Patientenversorgung wahrzu-
nehmen .
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b)
Es kommt für die Entscheidung nicht auf den zeitlichen Zuschnitt von
Einzeltätigkeiten innerhalb der vom Kläger auszuübenden Tätigkeit iSd. Proto-
kollerklärung zu § 12 TV-Ärzte Charité an. Der Kläger hat bei keinem denkba-
ren zeitlichen Zuschnitt der von ihm im Streitzeitraum auszuübenden Tätigkeit
eines der Tätigkeitsmerkmale der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité erfüllt.
Die von ihm in den Vordergrund gestellte Tätigkeit als Leiter des Bereichs der
Klinik für Strahlenheilkunde erfüllt keine der Alternativen, die eine Eingruppie-
rung in die Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité zur Folge hat.
aa)
Dem Kläger war nicht die medizinische Verantwortung für Teil- oder
Funktionsbereiche der Klinik beziehungsweise Abteilung vom Arbeitgeber iSd.
ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité übertragen worden.
(1)
Die Tarifvertragsparteien haben von einer ausdrücklichen Bestimmung
dessen, was unter medizinischer Verantwortung im tariflichen Sinne zu verste-
hen ist, abgesehen. Der Senat hat zu dem identisch formulierten Tätigkeits-
merkmal im Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken vom
30. Oktober 2006 sowie zu dem im hier Wesentlichen gleich
formulierten Tätigkeitsmerkmal im Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an
kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen
Arbeitgeberverbände vom 17. August 2006 , die beide wie der
TV-Ärzte Charité mit dem Marburger Bund geschlossen worden sind, in seinen
Entscheidungen seit dem 9. Dezember 2009 unter Bezugnahme auf den tarifli-
chen Gesamtzusammenhang ausgeführt, dass dieses Tätigkeitsmerkmal nur
dann erfüllt werden kann, wenn dem Oberarzt
ein Aufsichts-
und - teilweise eingeschränktes - Weisungsrecht hinsichtlich des medizinischen
Personals zugewiesen worden ist, welches in dem betreffenden Teil- oder
Funktionsbereich tätig ist. Dabei genügt es nicht, dass in dem Teilbereich Ärzte
der Entgeltgruppe Ä 1 tätig sind; es
muss in aller Regel auch mindestens ein Facharzt der Entgeltgruppe Ä 2
unterstellt sein. Darüber hinaus ist grundsätzlich auch erforderlich, dass die
Verantwortung für den Bereich ungeteilt bei dem eine Entgeltung als Oberarzt
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beanspruchenden Arzt liegt
. Diese Auslegung des Tatbestands-
merkmales der medizinischen Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbe-
reich im TV-Ärzte/TdL und TV-Ärzte/VKA legt der Senat auch der entsprechen-
den Regelung im TV-Ärzte Charité zu Grunde, weil es weder aus dem Text des
Tarifvertrages selbst noch aus Begleitumständen bei Tarifvertragsschluss
Anhaltspunkte gibt, die insoweit auf einen abweichenden Regelungswillen
hindeuten.
(2)
Hiernach hatte der Kläger im Streitzeitraum nicht im Tarifsinne die
medizinische Verantwortung für einen Teil- oder Funktionsbereich inne. Es fehlt
bereits an einer konstanten Unterstellung eines Facharztes.
(a)
Für eine nach der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3
TV-Ärzte Charité erforderliche Unterstellung mindestens eines Facharztes der
Entgeltgruppe Ä 2 bedarf es zumindest der Zuordnung eines konstanten und
verstetigten „Facharztarbeitsplatzes“ zu dem betreffenden Teilbereich, der auch
nach dem Rotationsprinzip besetzt werden kann
, wenn nur
durchgehend eine originär fachärztliche Tätigkeit von einem Facharzt der
Entgeltgruppe Ä 2 ausgeübt wird.
(b)
Diese Voraussetzung war beim Kläger im Bereich Sonographie nicht
erfüllt. Dem Kläger waren hier nicht konstant Fachärzte zugeordnet; die dort
beschäftigten Fachärzte waren nur als Gastfachärzte für ihre Weiterbildung
tätig. Bereits nach dem eigenen Vortrag des Klägers erfolgte die Zuordnung von
Gastärzten, soweit es sich dabei um Fachärzte handelte, nur für eine gewisse
vorübergehende Dauer. Ob die Abstände dabei regelmäßig oder unregelmäßig
waren, was aus dem Vortrag des Klägers nicht eindeutig hervorgeht, ist nicht
entscheidend. Eine konstante und durchgehende Unterstellung von Fachärzten
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erfolgte jedenfalls nicht. Im Übrigen spricht auch nichts dafür, dass die in erster
Linie um ihrer Weiterbildung willen zugewiesenen Gastärzte im Bereich Sono-
graphie in der Tätigkeit eines Facharztes der Entgeltgruppe Ä 2 TV-
Ärzte Charité tätig waren.
(3)
Damit kommt es auf die weiteren Tatbestandsmerkmale der ersten
Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité und insbesondere auf die
Beantwortung der von der Beklagten aufgeworfenen Frage nicht an, ob ein
Teilbereich iSd. § 12 TV-Ärzte Charité eine bestimmte Mindestgröße haben
muss und ob der Bereich Sonographie eine derartige Anforderung erfüllte.
bb)
Dass er die begehrte Vergütung nach der zweiten Alternative der
Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité - „durch den Arbeitgeber übertragene
Spezialfunktion“ - verlangen kann, hat der Kläger selbst nicht geltend gemacht.
cc)
Auch eine Eingruppierung als Oberarzt nach der dritten Alternative der
Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité - dem in der Protokollerklärung in § 12
TV-Ärzte Charité enthaltenen Katalog von Anforderungsmerkmalen - ist nicht
gegeben. Der Kläger hat mit seiner ihm übertragenen Tätigkeit im Streitzeit-
raum keine ausreichende Anzahl von A- und B-Kriterien erfüllt.
(1)
Mit dem Landesarbeitsgericht und den Parteien ist davon auszugehen,
dass die katalogartig aufgeführten A- und B-Kriterien der Protokollerklärung in
§ 12 TV-Ärzte Charité trotz ihrer Benennung als „Protokollerklärung“ nicht dazu
dienen, die ersten beiden Eingruppierungsalternativen der Entgeltgruppe Ä 3
TV-Ärzte Charité inhaltlich auszufüllen, sondern dass damit eigenständige
Anforderungen formuliert worden sind, bei deren Vorliegen von einer Erfüllung
des tariflichen Tätigkeitsmerkmales eines Oberarztes auszugehen ist.
(a)
Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung. Innerhalb des
A- und B-Kriterienkatalogs und seiner Präambel wird keinerlei Bezug zu der
ersten oder der zweiten Eingruppierungsalternative (Fallgruppe) der Entgelt-
gruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité oder deren Tatbestandsmerkmalen hergestellt. So
ist der Eingangssatz, nach dem die Tarifvertragsparteien darin übereinstimmen,
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„dass bei Erfüllung folgender Kriterien die Voraussetzungen für die Eingruppie-
rung als Oberarzt vorliegen“, neutral auf „die Eingruppierung“ bezogen, statt
wenigstens mit „diese“ den Bezug zu den im Tarifvertragstext vorhergehenden
beiden Alternativen herzustellen. In der nächsten Zeile wird mit „dabei gilt“ der
Bezug nur bis zum vorherigen Satz der Protokollnotiz geknüpft, nicht jedoch
zum ersten oder zweiten Tätigkeitsmerkmal der Entgeltgruppe Ä 3
TV-Ärzte Charité oder einem der dort vorausgesetzten Tatbestandsmerkmale.
(b)
Für die Sichtweise der „drei Alternativen“, von den Parteien teilweise als
„Drei-Säulen-Prinzip“ bezeichnet, sprechen auch Argumente des Gesamtzu-
sammenhangs und der praktischen Auswirkungen.
(aa)
Bereits die Anordnung der „Kriterien“ der Protokollnotiz als im Grund-
satz frei wählbarer „Katalog“ passt nicht zu den beiden ersten Alternativen der
Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité, die ja spezifisch und unterschiedlich auf
„medizinische“ Bereichs-„Verantwortung“ und „ärztliche Spezialfunktion“ ange-
legt sind. Wäre es Zweck der A- und B-Kriterien, die beiden ersten Alternativen
auszufüllen, hätte es nahegelegen, für jede der beiden Alternativen einen
eigenen, auf die jeweiligen Begrifflichkeiten ausgerichteten Katalog zu schaffen,
was jedoch nicht geschehen ist.
(bb)
Die Tarifvertragsparteien des TV-Ärzte Charité haben im Gegenteil
einen Kriterienkatalog geschaffen, der, wollte man ihn als Konkretisierung der
beiden ersten Alternativen verstehen, teilweise zu kaum nachvollziehbaren
Ergebnissen führen könnte. So lassen sich manche Kriterien, wie insbesondere
eine Klinik umspannende „Organisationsverantwortung“ (administrative Aufga-
ben nicht im „Bereich“, sondern in der Klinik/dem Institut) sowie das Kriterium
der „wissenschaftlichen Qualifikation“ nicht mit dem Inhalt oder einzelnen
Elementen
der
ersten
beiden
Alternativen
der
Entgeltgruppe
Ä 3
TV-Ärzte Charité zusammenführen. Im Gesamtzusammenhang unlogisch wäre
auch das Ergebnis, dass unter dieser Annahme für das Vorliegen der ersten
Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité - medizinische Teil- oder
Funktionsbereichsverantwortung - entweder alle A-Kriterien (einschließlich ua.
Habilitation oder Promotion) oder genügend A-Kriterien plus B-Kriterien (da-
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runter jedenfalls die Klinik als ganze betreffende „Organisationsverantwortung“)
erfüllt sein müssten. Damit hätten die Tarifvertragsparteien umfangreichere
Zusatzanforderungen geschaffen, die im Text der ersten Eingruppierungsalter-
native weder enthalten noch auch nur angedeutet sind und deshalb auch nicht
unmittelbar dazu in Bezug gesetzt werden können.
(cc)
Hinzu käme, dass die Unterschiedlichkeit der beiden ersten Eingruppie-
rungsalternativen praktisch beseitigt würde, wenn auf beide Alternativen der
zusätzliche und einheitlich aufgestellte Katalog angewendet werden müsste.
Dies gilt insbesondere für die zweite Alternative der Entgeltgruppe Ä 3
TV-Ärzte Charité („durch den Arbeitgeber übertragene Spezialfunktion“). Für
diese wäre, müsste zusätzlich der Kriterienkatalog erfüllt werden, als zwingende
zusätzliche Anforderung entweder eine „Bereichsverantwortung“ oder jedenfalls
eine „Organisationsverantwortung“ notwendig, wonach es im Ergebnis auf die
Besonderheiten der zweiten Alternative für eine Eingruppierung nach Ä 3 TV-
Ärzte Charité nicht mehr ankäme.
(2)
Der Kläger erfüllte im Streitzeitraum nicht die nach alledem gesondert
zu überprüfenden Voraussetzungen gemäß Abs. 2 der Protokollerklärung in
§ 12 TV-Ärzte Charité für eine Eingruppierung nach der Entgeltgruppe Ä 3
TV-Ärzte Charité. Danach müssen hinsichtlich der Gruppe A als Mindesterfor-
dernis für die Einstufung als Oberarzt zwei Kriterien erfüllt sein. Daran fehlt es
beim Kläger. Er erfüllte nur eines von vier A-Kriterien, nämlich das der Be-
reichsverantwortung. Er hatte dagegen weder die fachliche Aufsicht über
Assistenz- und Fachärzte inne, noch war für seine Aufgabenerfüllung eine
herausgehobene klinische Kompetenz erforderlich. Unstreitig ist der Kläger
auch nicht habilitiert. Mit nur einem erfüllten A-Kriterium kommt es nach dem
Willen der Tarifvertragsparteien auf die Erfüllung von B-Kriterien nicht mehr an.
(a)
Das Kriterium der „fachlichen Aufsicht über Assistenz- und Fachärzte“
ist nicht erfüllt.
(aa)
Bereits im Wortlaut der Überschrift des Kriteriums ist durch das Wort
„und“ erkennbar, dass die hier angesprochene fachliche Aufsicht sich zumin-
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dest auch auf einen Facharzt erstrecken muss. Die Überschrift bringt durch die
Verwendung des Plurals „-ärzte“ zwar nicht zum Ausdruck, dass zwingend eine
Mehrzahl von Fachärzten der fachlichen Aufsicht des Oberarztes unterstellt
sein muss, denn der Plural bezieht sich auch auf die Assistenzärzte. Ebenso
wie bei der ersten Alternative der Entgeltgruppe Ä 3 TV-Ärzte Charité
ist für die erforderliche Facharztunterstellung die konstante
Zuordnung eines verstetigten „Facharztarbeitsplatzes“ der Entgeltgruppe Ä 2
ausreichend, aber auch erforderlich. Die näheren Anforderungen des Kriteriums
der „fachlichen Aufsicht über Assistenz- und Fachärzte“ haben die Tarifver-
tragsparteien inhaltlich in der Protokollnotiz selbst bestimmt: In der Zusammen-
schau mit dem additiven „und“ in der Überschrift ergibt sich, dass es notwendig
ist, dass nicht nur die klinische Arbeit von Assistenzärzten, sondern auch die
von mindestens einem Facharzt im direkten Verhältnis überwacht wird, dass
deren Entscheidungen bestätigt oder korrigiert und ihnen inhaltliche Weisungen
bezüglich der Patientenversorgung erteilt werden. Als typische Tätigkeiten
nennen die Tarifvertragsparteien das Leiten von Visiten und die Korrektur der
von den beaufsichtigten Ärzten verfassten Arztbriefe.
(bb)
Es kann dahinstehen, ob der Kläger eine fachliche Aufsicht wahrzu-
nehmen hatte, die im Leiten von Visiten, der Korrektur der von den beaufsichtig-
ten Ärzten verfassten Arztbriefe oder vergleichbarer Tätigkeiten bestand.
Jedenfalls erstreckte sich seine Aufsicht über andere Ärzte nicht auf mindes-
tens einen Facharzt iSd. vorgenannten Anforderungen. Eine nicht konstante
fachliche Aufsicht über Gastfachärzte wie im Fall des Klägers reicht hierfür nicht
aus.
(b)
Der Kläger hat auch nichts dazu vorgetragen, dass er verantwortlich die
schwierigen Fälle betreut und/oder regelmäßig komplexere Prozeduren und
Operationen in seiner Klinik durchzuführen hatte, was einer Erfüllung des A-
Kriteriums der „herausgehobenen klinischen Kompetenz“ entsprochen hätte.
Hierzu hätte angesichts des deutlichen und dieses Kriterium erläuternden
Tariftextes ohne weiteren Hinweis jeder Anlass bestanden. Erstinstanzlich hatte
der Kläger in diesem Zusammenhang lediglich den Tarifvertragstext leicht
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modifiziert wiedergegeben. Nach Bestreiten der Beklagten mit konkreten Aus-
führungen zu einer „nur“ fachärztlichen Kompetenz, insbesondere auf dem
Gebiet der kardialen Bildgebung, wozu der Kläger vorprozessual, jedoch nicht
in der Klage Ausführungen gemacht hatte, erfolgte kein konkreter Vortrag des
im Eingruppierungsrechtsstreit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers
mehr.
c)
Eine mögliche „Ernennung“ zum Oberarzt ist nach der Protokollerklä-
rung zu § 4 TVÜ-Ärzte Charité ohne Bedeutung für die Eingruppierung des
Klägers.
II.
Da das Landesarbeitsgericht nach alledem der Zahlungsklage des
Klägers rechtsfehlerhaft entsprochen hat, war sein Urteil mit der Kostenfolge
des § 97 ZPO aufzuheben und das klageabweisende Urteil erster Instanz
wiederherzustellen.
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