Urteil des BAG vom 19.10.2016

Zustimmungsersetzung: korrigierende Rückgruppierung - Überleitung nach TVÜ-VKA iVm. Kr-Anwendungstabelle

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 19. Oktober 2016
Vierter Senat
- 4 ABR 27/15 -
ECLI:DE:BAG:2016:191016.B.4ABR27.15.0
I. Arbeitsgericht Karlsruhe
Beschluss vom 22. Juli 2014
- 5 BV 3/14 -
II. Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
- Kammern Mannheim -
Beschluss vom 28. Januar 2015
- 19 TaBV 5/14 -
Entscheidungsstichworte:
Zustimmungsersetzung: korrigierende Rückgruppierung - Überleitung
nach TVÜ-VKA iVm. Kr-Anwendungstabelle
ECLI:DE:BAG:2016:191016.B.4ABR27.15.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
4 ABR 27/15
19 TaBV 5/14
Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
19. Oktober 2016
BESCHLUSS
Freitag, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragstellerin,
2.
Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer,
hat der Vierte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom
19. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht
Dr. Eylert, die Richter am Bundesarbeitsgericht Creutzfeldt und Klose sowie die
ehrenamtlichen Richter Klotz und Hess für Recht erkannt:
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4 ABR 27/15
ECLI:DE:BAG:2016:191016.B.4ABR27.15.0
- 3 -
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Be-
schluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg
vom 28. Januar 2015 - 19 TaBV 5/14 - wird zurückgewie-
sen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Antragstellerin (Arbeitgeberin) begehrt die Ersetzung der vom Be-
teiligten zu 2. (Betriebsrat) verweigerten Zustimmung zu Rückgruppierungen
von mehreren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Die Arbeitgeberin, die Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband
war, betreibt ein Krankenhaus, in dem regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte
Arbeitnehmer beschäftigt sind. Die in den Anträgen benannten Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter sind als examinierte Krankenschwestern/Krankenpfleger ohne
Fachweiterbildung in dem Krankenhaus tätig und waren zum Stichtag
1. Oktober 2005 in der VergGr. Kr. VI Fallgruppe 19 des Teils A der Anlage 1b
zum BAT eingruppiert. Sie wurden von der Arbeitgeberin zunächst gemäß § 4
Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen
Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA),
Anlage 4 (Kr-Anwendungstabelle) in die Entgeltgruppe KR 9a übergeleitet. Mit
Schreiben vom 29. November 2012 beantragte die Arbeitgeberin die Zustim-
mung des Betriebsrats zu den Rückgruppierungen der genannten Mitarbeiter
und Mitarbeiterinnen, die dieser schriftlich verweigerte. In einem vor dem Ar-
beitsgericht Karlsruhe in dem Verfahren - 5 BV 5/13 - am 25. Februar 2014 ge-
schlossenen Vergleich verpflichtete sich die Arbeitgeberin, das vorliegende Zu-
stimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, lediglich Beschäftigte in
der VergGr. Kr.
„VI ohne Aufstieg“ nach Anlage 1b zum BAT, also Kranken-
schwestern/Krankenpfleger mit Fachweiterbildung und nicht Beschäftigte, die
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lediglich über den Bewährungsaufstieg in die VergGr. Kr. VI BAT gelangt wa-
ren, seien in die Entgeltgruppe KR 9a TVöD überzuleiten gewesen. Der damali-
ge Fehler bei der Überleitung sei nunmehr zu korrigieren. Die betroffenen Be-
schäftigten seien in der Entgeltgruppe KR 8a Stufe 6 TVöD eingruppiert.
Die Arbeitgeberin hat sinngemäß zuletzt beantragt,
die Zustimmung des Betriebsrats zur Rückgruppierung
1.
der Frau S in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6 TVöD,
2.
der Frau Se in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6 TVöD,
3.
4.
der Frau W in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6 TVöD,
5.
6.
7.
der Frau M in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6 TVöD,
8.
der Frau G in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6 TVöD,
9.
des Herrn F in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6 TVöD,
10. der Frau K in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6 TVöD
11. sowie der Frau Sc in die Entgeltgruppe 8a, Stufe 6
TVöD
zum 1. Dezember 2012 zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er hat
die Auffassung vertreten, es sei bei der Überleitung nicht auf die in der Ver-
gangenheit erfolgten Eingruppierungen nach der Anlage 1b zum BAT (sog.
„KR-Verläufe“), sondern allein auf die tatsächliche Eingruppierung am Stichtag
30. September/1. Oktober 2005 angekommen. Alle betroffenen Arbeitnehmer
und Arbeitnehmerinnen hätten sich zum Stichtag in der VergGr. Kr. VI BAT
„oh-
ne Aufstieg“ befunden, unabhängig davon, wie sie dorthin gelangt seien. Die in
der Anwendungstabelle aufgeführten Verläufe dienten lediglich einer Feinjustie-
rung und seien zukunftsgerichtet („Was wäre, wenn der BAT fortbestünde?“)
und nicht vergangenheitsbezogen („Aufgrund welches Bewährungsaufstiegs ist
der Arbeitnehmer in die jetzige Vergütungs
gruppe gelangt?“). Wer aufgrund
eines Bewährungsaufstiegs bereits in VergGr. Kr. VI BAT war, sei deshalb in
Entgeltgruppe KR 9a TVöD/VKA überzuleiten gewesen. Es widerspreche auch
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dem Sinn und Zweck des Bewährungsaufstiegs nach dem BAT, mit dem die
Pflegekräfte aufgrund ihrer langjährigen Berufserfahrung den Kollegen mit
Fachweiterbildung gleichgestellt werden sollten, bei der Überleitung wieder auf
die
„KR-Verläufe“ bzw. die fehlende Fachweiterbildung zurückzugreifen. Diese
Differenzierung habe deshalb nur bei Neueingruppierungen in den TVöD/VKA
vorgenommen werden sollen
, nicht jedoch bei der Überleitung von „Alt-
BATlern“, deren Besitzstand zu wahren sei. Zwar sei die Grundvergütung nach
der Entgeltgruppe KR 9a Stufe 5 TVöD/VKA identisch mit der Entgeltgruppe KR
8a Stufe 6 TVöD/VKA, Auswirkungen ergäben sich aber bei den Zuschlägen.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen stattgegeben. Die Beschwerde
des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der vom
Senat zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat weiterhin die
Zurückweisung der noch anhängigen Anträge.
B.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen
haben die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der in
den verbliebenen Anträgen benannten Beschäftigten in die Entgeltgrup-
pe KR 8a Stufe 6 nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu Recht ersetzt.
I.
Die Zustimmungsersetzungsanträge sind zulässig.
1.
Die Anträge bedürfen der Auslegung. Soweit in ihnen die Arbeitgeberin
als Datum der Rückgruppierung den 1. Dezember 2012 aufgenommen hat, ist
dieses ohne eigenständige Bedeutung, da Gegenstand eines Verfahrens auf
Ersetzung der Zustimmung nach § 99 Abs. 4 BetrVG allein die Frage ist, ob die
beabsichtigte personelle Maßnahme angesichts der vom Betriebsrat geltend
gemachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig zulässig ist und
nicht, ob die Maßnahme im Zeitpunkt der Antragstellung oder in einem anderen
früheren Zeitpunkt zulässig war
. Dafür, dass die
Nennung des Datums in den Anträgen über die bloße Konkretisierung der per-
sonellen Maßnahme hinaus eine eigenständige Bedeutung haben sollte, ist
nichts ersichtlich.
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2.
Für die Zustimmungsersetzungsanträge der Arbeitgeberin nach § 99
Abs. 4 BetrVG besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Der Betriebsrat
hat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der vom Arbeitgeber
noch beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme; diese bedarf daher der Zu-
stimmung des Betriebsrats
.
a)
Bei der Zuordnung der im Antrag benannten Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer zu den KR-Entgeltgruppen der Anlage 4 zum TVÜ-VKA sowie zu
den Entgeltstufen handelt es sich um eine nach § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestim-
mungspflichtige personelle Maßnahme.
aa)
Die Arbeitgeberin beschäftigt in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte
Arbeitnehmer iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.
bb)
Bei der Überleitung in die neue Entgeltordnung des TVöD/VKA nach
den Vorschriften der §§ 3 bis 7 TVÜ-VKA handelt es sich um eine mitbestim-
mungspflichtige Umgruppierung iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
. Diese
erfasst als ein einheitliches Verfahren den gesamten Umgruppierungsvorgang,
also sowohl die Überleitung in eine andere Entgeltgruppe als auch die Stufen-
zuordnung. Das gilt gleichermaßen, wenn die bisherige Überleitung als falsch
angesehen wird und erneut im Zusammenhang mit einer korrigierenden Rück-
gruppierung
in Frage steht. Auch insoweit erfolgt eine Richtigkeitskontrolle des vom Ar-
beitgeber angenommenen Ergebnisses im Hinblick auf die Rechtsvorschriften
des TVÜ-VKA und die tariflichen Regelungen der neuen Entgeltordnung. Dies
begründet das Mitbeurteilungsrecht des Betriebsrats iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG
.
b)
Das Landesarbeitsgericht ist ohne erkennbare Rechtsfehler davon aus-
gegangen, dass die Arbeitgeberin das Zustimmungsersetzungsverfahren wirk-
sam eingeleitet hat und dass die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats
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form- und fristgerecht iSd. § 99 Abs. 2 und Abs. 3 BetrVG erfolgt ist. Dies wird
von keinem der Beteiligten in Abrede gestellt.
II.
Die Anträge der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung des Be-
triebsrats nach § 99 Abs. 4 BetrVG sind begründet. Der Betriebsrat hat seine
Zustimmung zu den Umgruppierungen zu Unrecht verweigert. Zutreffend hat
das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Umgruppierungen in Form einer
korrigierenden Rückgruppierung der in den Anträgen benannten Beschäftigten
weder gegen eine Bestimmung aus einem Tarifvertrag verstoßen
noch die betroffenen Beschäftigten ungerechtfertigt benachteili-
gen
. Die Rechtsbeschwerde zeigt keine Rechtsfeh-
ler des Beschwerdegerichts auf, die eine andere Beurteilung rechtfertigen.
1.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt die Rück-
gruppierung der in den Anträgen benannten Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin-
nen in die Entgeltgruppe KR 8a Stufe 6 TVöD/VKA nicht gegen § 4 Abs. 1
TVÜ-VKA iVm. der Anlage 4 TVÜ-VKA (Kr-Anwendungstabelle). Der Betriebs-
rat hat seine Zustimmung nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zu Unrecht verweigert.
Die zuvor zutreffend in der VergGr. Kr. VI Fallgruppe 19 des Teils A der Anla-
ge 1b zum BAT eingruppierten betroffenen Beschäftigten sind in Anwendung
der Kr-Anwendungstabelle der Entgeltgruppe KR 8a TVöD/VKA zuzuordnen.
a)
Die hier maßgeblichen tarifvertraglichen Regelungen des TVÜ-VKA in
der zum Überleitungszeitpunkt geltenden Fassung sowie die Kr-Anwendungs-
tabelle lauten auszugsweise:
1. Abschnitt
Allgemeine Vorschriften
§ 1
Geltungsbereich
(1) Dieser Tarifvertrag gilt für Angestellte, Arbeiterinnen
und Arbeiter, deren Arbeitsverhältnis zu einem tarif-
gebundenen Arbeitgeber, der Mitglied eines Mitglied-
verbandes der Vereinigung der kommunalen Arbeit-
geberverbände (VKA) ist, über den 30. September
2005 hinaus fortbesteht, und die am 1. Oktober 2005
unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den
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öffentlichen Dienst (TVöD) fallen, für die Dauer des
ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnis-
ses. Dieser Tarifvertrag gilt ferner für die unter § 19
Abs. 2 fallenden sowie für die von § 2 Abs. 6 erfass-
ten Beschäftigten hinsichtlich § 21 Abs. 5.
...
2. Abschnitt
Überleitungsregelungen
§ 3
Überleitung in den TVöD
Die von § 1 Abs. 1 erfassten Beschäftigten werden am
1. Oktober 2005 gemäß den nachfolgenden Regelungen
in den TVöD übergeleitet.
§ 4
Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen
(1)
1
Für die Überleitung der Beschäftigten wird ihre Ver-
gütungs- bzw. Lohngruppe (§ 22 BAT / BAT-O /
BAT-Ostdeutsche Sparkassen bzw. entsprechende
Regelungen für Arbeiterinnen und Arbeiter bzw. be-
sondere tarifvertragliche Vorschriften für bestimmte
Berufsgruppen) nach der Anlage 1 den Entgeltgrup-
pen des TVöD zugeordnet.
2
Abweichend von Satz 1
gilt für Ärztinnen und Ärzte die Entgeltordnung ge-
mäß § 51 Besonderer Teil - Krankenhäuser (BT-K).
Protokollerklärung zu § 4 Abs. 1:
Bis zum In-Kraft-Treten der neuen Entgeltordnung
verständigen sich die Tarifvertragsparteien zwecks
besserer Übersichtlichkeit für die Zuordnung der neu
eingestellten Beschäftigten gemäß Anlage 1b zum
BAT auf eine Anwendungstabelle gemäß Anlage 4
und - für Beschäftigte, für die die Regelungen des
Tarifgebiets Ost Anwendung finden - gemäß Anla-
ge 5. Die Tarifvertragsparteien sind sich einig, dass
diese Anwendungstabelle - insbesondere die Be-
zeichnung der Entgeltgruppen - keinen Vorgriff auf
die Verhandlungen zur neuen Entgeltordnung dar-
stellt.
...
Anlage 4 Kr-Anwendungstabelle
Werte aus
Entgeltgrup-
pe allg. Ta-
Entgelt-
gruppe KR
Zuordnungen Vergü-
tungsgruppen KR / KR-
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belle
Verläufe
EG 12
12a
XII mit Aufstieg nach XIII
EG 11
11 b
XI mit Aufstieg XII
EG 11
11 a
X mit Aufstieg nach XI
EG 10
10a
IX mit Aufstieg nach X
9d
VIII mit Aufstieg nach IX
9c
VII mit Aufstieg nach VIII
EG 9, EG 9b
9b
VI mit Aufstieg nach VII
VII ohne Aufstieg
9a
VI ohne Aufstieg
Va mit Aufstieg nach VI
EG 7, EG 8,
EG 9b
8a
V mit Aufstieg nach Va
und VI
V mit Aufstieg nach VI
V mit Aufstieg nach Va
EG 7, EG 8
7a
IV mit Aufstieg nach V
und Va
IV mit Aufstieg nach V
EG 4, EG 6
4a
II mit Aufstieg nach III
und IV
III mit Aufstieg nach IV
EG 3, EG 4
3a
I mit Aufstieg nach II
…“
b)
Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die noch in den
Anträgen benannten Beschäftigten, die allesamt über den 30. September 2005
hinaus zur Arbeitgeberin, die Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband war,
in einem ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnis standen, dem Gel-
tungsbereich des TVÜ-VKA unterfielen
und gemäß § 3
TVÜ-VKA nach den Regelungen dieses Tarifvertrags in den TVöD/VKA überzu-
leiten waren.
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c)
Die Zuordnung der Vergütungsgruppen nach der Anlage 1b zum BAT
(Vergütungsordnung für Angestellte im Pflegedienst) der in den Anträgen be-
nannten Beschäftigten zu einer Entgeltgruppe des TVöD/VKA erfolgte im Rah-
men der Überleitung gemäß der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA
nach der Kr-Anwendungstabelle. Trotz des insoweit missverständlichen Wort-
lauts der Protokollerklärung zu § 4 Abs. 1 TVÜ-VKA in der Fassung vom
13. September 2005, galt und gilt die Kr-Anwendungstabelle nicht nur für neu
eingestellte, sondern auch für übergeleitete Beschäftigte
.
d)
Hiernach erfolgt die Zuordnung entsprechend den Vergütungsgruppen,
in denen die Beschäftigten im September 2005 rechtlich zutreffend eingruppiert
waren
.
Nach der von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogenen Auf-
fassung des Landesarbeitsgerichts waren die in den Anträgen genannten Be-
schäftigten zum fraglichen Zeitpunkt in der VergGr. Kr. VI Fallgruppe 19 des
Teils A der Anlage 1b zum BAT auf der Grundlage der vom Landesarbeitsge-
richt getroffenen tatsächlichen Feststellungen zutreffend eingruppiert. Dies gilt
auch für die Betroffene Frau S (Antrag zu 1.). Ihre Eingruppierung beruhte auf
der bereits bei der Einstellung berücksichtigten Anrechnung früherer Bewäh-
rungszeiten. Soweit die Rechtsbeschwerde dagegen geltend macht, Frau S
habe zum Überleitungszeitpunkt keinen Bewährungsaufstieg hinter sich gehabt,
genügt dies im Übrigen nicht den Anforderungen von § 92 Abs. 2 Satz 1
ArbGG, § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO. Insbesondere ist nicht darge-
tan, dass Frau S über eine Fachweiterbildung verfügte, so dass sie im Überlei-
tungszeitpunkt ohne Aufstieg in der VergGr. Kr. VI BAT eingruppiert war.
e)
Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht weiter davon ausgegangen, dass
die VergGr. Kr. VI Fallgruppe 19 BAT nicht der der Entgeltgruppe KR 9a
TVöD/VKA entsprechenden BAT-Vergütungsgruppe
„VI ohne Aufstieg“ zuzu-
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ordnen ist. Vielmehr entspricht sie der Entgeltgruppe KR 8a TVöD/VKA (
„V mit
Aufstieg nach Va und VI“). Das ergibt eine Auslegung der Kr-Anwendungs-
tabelle, die Inhaltsnormen iSd. § 1 TVG enthält
. Die der Entgeltgruppe KR 9
TVöD/VKA zugeordnete BAT-Vergütungsgruppe
„VI ohne Aufstieg“ erfasst Tä-
tigkeiten, denen sich nach der Anlage 1b zum BAT kein Verlauf zuordnen lässt,
der eine vorhergehende Tätigkeit in einer niedrigeren und/oder eine Aufstiegs-
möglichkeit in eine höhere Vergütungsgruppe vorsah. Demgegenüber bedeutet
„mit Aufstieg nach“, dass der vom Beschäftigten ausgeübten Tätigkeit ein be-
stimmter tariflicher Aufstiegsverlauf zugeordnet werden kann, dh. ein Aufstieg in
eine oder mehrere bestimmte höherwertige Vergütungsgruppen zukunftsbezo-
gen an sich möglich wäre und zwar unabhängig davon, an welchem Punkt
dieses Verlaufs sich der Beschäftigte befindet. Für die Zuordnung zu den
KR-Entgeltgruppen der neuen Tarifordnung ist in diesen Fällen auf den Verlauf
abzustellen, dem die Tätigkeit des Beschäftigten zuzuordnen ist. Es kommt
damit nicht darauf an, ob der Beschäftigte einen Aufstieg bereits vollzogen hat
oder nicht; entscheidend ist, dass seine Tätigkeit die Anforderungsmerkmale
eines im KR-System der Anlage 1b zum BAT geregelten Aufstiegsverlaufs er-
füllt. Damit ist er einem der in der dritten Spalte der Kr-Anwendungstabelle ab-
gebildeten Aufstiegsverläufe hinreichend präzise zugeordnet, was zur Überlei-
tung in die entsprechende in der zweiten Spalte bezeichnete Entgeltgruppe des
TVöD/VKA führt.
aa)
Das folgt aus dem Wortlaut und der Systematik der dritten Spalte der
Kr-Anwendungstabelle gemäß Anlage 4 TVÜ-VKA, die nach ihrer Überschrift
nicht nur auf die Vergütungsgruppe abstellt, sondern auch auf die
„KR-Ver-
läufe
“. Damit haben die Tarifvertragsparteien eine andere Regelungstechnik
verwandt als in der Überleitungstabelle in der Anlage 1 TVÜ-VKA. Diese unter-
scheidet bei den Angestellten danach, ob sich ein Aufstieg aus einer bestimm-
ten
Vergütungsgruppe bereits vollzogen hat („nach Aufstieg aus“) oder ein Auf-
stieg in eine bestimmte Vergütungsgruppe noch ausste
ht („mit ausstehendem
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Aufstieg nach“), dh. sich noch nicht vollzogen hat, aber an sich möglich ist, oder
aber ob ein Aufstieg in eine bestimmte Vergütungsgruppe nicht möglich ist
(„ohne Aufstieg nach“)
. Die Kr-Anwendungstabelle gemäß
Anlage 4 TVÜ-VKA unterscheidet dagegen sprachlich nicht nach dem bisheri-
gen und dem künftigen Verlauf, sondern knüpft an den Verlauf an sich an. Sie
unterscheidet lediglich danach, ob der vom Mitarbeiter ausgeübten Tätigkeit ein
bestimmter Verlauf zuzuordnen ist, dh. bestimmte Aufstiege an sich vorgesehen
sind, oder ob der Tätigkeit kein Verlauf zuzuordnen ist, sie also keine Auf-
stiegsmöglichkeit bietet. Soweit der Tätigkeit ein Verlauf zugeordnet ist, ist es
gleichgültig, an welchem Punkt dieses Verlaufs sich der Beschäftigte im Zeit-
punkt der Überleitung am 1. Oktober 2005
befand.
bb)
Für die Auslegung der Formulierung, dass
„ohne Aufstieg“ Tätigkeiten
erfasst werden, denen sich nach der Anlage 1b zum BAT kein Verlauf zuordnen
lässt und damit keine Aufstiegsmöglichkeit vorgesehen ist, spricht auch, dass
nur bei dieser Auslegung die Kr-Anwendungstabelle eine weitgehend lückenlo-
se Zuordnung der von den Beschäftigten nach der Anlage 1b zum BAT auszu-
übenden Tätigkeit zu den KR-Entgeltgruppen des TVöD/VKA ermöglicht
.
Folgte man hingegen der Auffassung des Betriebsrats, nach der die
„KR-Verläufe“ in der dritten Spalte der Kr-Anwendungstabelle ausschließlich
zukunftsgerichtet und nicht vergangenheitsbezogen seien, würde die Anwen-
dungstabelle all diejenigen Beschäftigten der Anlage 1b zum BAT nicht erfas-
sen, die nach einem vollzogenen Bewährungsaufstieg und ohne weitere Auf-
stiegsmöglichkeit in den VergGr. Kr. II, III, IV, V, Va, VIII, IX, X, XI, XII und XIII
des Teils A der Anlage 1b zum BAT eingruppiert waren. Demgegenüber führt
eine Auslegung, die auf den Verlauf an sich abstellt, ohne danach zu unter-
scheiden, ob der Aufstieg bereits vollzogen ist oder noch aussteht, dazu, dass
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lediglich die Fallgruppen 8 und 10 der VergGr. Kr. Va des Teils A der Anlage 1b
zum BAT von der Kr-Anwendungstabelle nicht erfasst wären
. Nur letzteres lässt sich mit einem
Redaktionsversehen erklären.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist die Kr-Anwendungs-
tabelle im Übrigen im Hinblick auf einen - angeblich fehlenden - KR-
Verlauf „II
mit Aufstieg in III“ nicht lückenhaft. Die Fallgruppen 1, 2, 4 und 5 der VergGr.
Kr. II BAT lassen allesamt nicht nur einen Aufstieg in die VergGr. Kr. III BAT zu,
sondern auch einen „weiteren Aufstieg“ in die VergGr. Kr. IV BAT und sind da-
mit von dem zur Entgeltgruppe KR 4a TVöD/VKA genannten Merkmal
(„KR-
Verlauf
“) „II mit Aufstieg nach III und IV“ erfasst. Die übrigen Fallgruppen der
VergGr. Kr. II der Teile A und B der Anlage 1b zum BAT sind von dem KR-
Verlauf „I mit Aufstieg nach II“ erfasst.
cc)
Dieses Auslegungsergebnis wird durch die tarifliche Systematik bestä-
tigt. Die Besonderheit, dass die Anlage 1b zum BAT mit den Kr-Vergütungs-
gruppen im Vergleich mit den Vergütungsgruppen der Anlage 1a zum BAT grö-
ßere Vergütungsspannen innerhalb eines Verlaufs aufwies, weil ein Aufstieg
über zwei Vergütungsgruppen regelmäßig möglich war, hatte die Tarifvertrags-
parteien unter anderem veranlasst, abweichend von der allgemeinen Regelung
des § 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA eine weitere, spezielle Kr-Anwendungstabelle
für die Überleitung in eine neue Entgeltgruppe zu entwickeln und für maßgeb-
lich zu erklären
. Hierfür haben die Tarifvertragsparteien eine
andere Systematik erarbeitet und danach differenziert, ob einer Tätigkeit ein
bestimmter Verlauf (Verlauf mit einer Aufstiegsmöglichkeit, Verlauf mit zwei
Aufstiegsmöglichkeiten) oder kein Verlauf zugeordnet werden kann, statt - wie
in der Anlage 1 TVÜ-VKA - danach, ob Aufstiege bereits vollzogen worden sind,
noch ausstehen oder für die Zukunft nicht möglich sind. Zum anderen haben sie
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durch § 8 Abs. 4 TVÜ-VKA auch für übergeleitete Beschäftigte im Pflegedienst
die Möglichkeit eines Bewährungs- und Fallgruppenaufstiegs nach § 8 Abs. 1
bis Abs. 3 TVÜ-VKA ausgeschlossen und gleichzeitig die Aufstiegserwartungen
der übergeleiteten Beschäftigten in der Kr-Anwendungstabelle gemäß Anlage 4
TVÜ-VKA selbst berücksichtigt
, was der Anhang zu den Anlagen A und B des TVöD/VKA, der Ab-
schnitt II des Anhangs zu § 16 TVöD/VKA sowie die Protokollerklärung zu §§ 4
und 6 TVÜ-VKA erkennen lassen. Durch diese Berücksichtigung der (in der Sa-
che nunmehr ausgeschlossenen) Bewährungs- und Fallgruppenaufstiege in
den konkreten Merkmalen der Kr-Anwendungstabelle werden diejenigen Be-
schäftigten nach Anlage 1b zum BAT, die einen in ihrer Tätigkeit nach den Re-
gelungen des BAT an sich möglichen Aufstieg aufgrund des Inkrafttretens des
TVöD/VKA nicht vollziehen konnten, mit denjenigen, die ihn zuvor bereits voll-
zogen haben, bezogen auf die neue Entgeltgruppe gleichgestellt.
dd)
Soweit der Betriebsrat weiter argum
entiert, die „KR-Verläufe“ in der Kr-
Anwendungstabelle dienten lediglich ein
er „Feinjustierung“ der Beschäftigten,
die einen möglichen Bewährungsaufstieg nicht bereits unter der Geltung des
BAT vollzogen hätten und es sei gerade der Sinn und Zweck des Bewährungs-
aufstiegs nach dem BAT gewesen, Beschäftigte mit niedrigerer fachlicher Quali-
fikation Beschäftigten mit höherer fachlicher Qualifikation gleichzustellen, wenn
der Qualifikationsunterschied durch langjährige Bewährung kompensiert wor-
den sei, was d
ie Überleitungsvorschriften nicht „rückgängig“ machen wollten,
finden sich für einen solchen Willen der Tarifvertragsparteien im Wortlaut und
der Systematik der tariflichen Regelungen, insbesondere - speziell - in der
Kr-Anwendungstabelle oder - allgemein - dem TVÜ-VKA, keine Anhaltspunkte.
Zwar mag dies aus Sicht des Betriebsrats eine sachgerechtere oder zweckmä-
ßigere Lösung für eine Überleitung darstellen. Daraus folgt jedoch nicht, dass
auch die Tarifvertragsparteien diesen Regelungszweck verfolgt hätten. Sie
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müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht
die sachgerechteste oder zweckmäßigste Regelung wählen
. Die Tarifautonomie
schließt vielmehr auch die Befugnis der Tarifvertragsparteien zu Entgeltrege-
lungen ein, die den Betroffenen ungerecht und Außenstehenden nicht zwingend
sachgerecht erscheinen
.
Im Übrigen beinhaltet gerade eine Überleitung, die nicht darauf abstellt,
ob der Aufstieg schon vollzogen wurde oder nicht, die Chance, auch ohne
Fachausbildung aufgrund des Stufenaufstiegs mittel- oder langfristig ein höhe-
res Entgelt zu erzielen. Ein Beschäftigter, der im Überleitungszeitpunkt nach
VergGr. Kr. V BAT mit noch ausstehendem Aufstieg nach VergGr. Kr. VI BAT
eingruppiert war, hätte nach der vom Betriebsrat vertretenen Auslegung der
Kr-Anwendungstabelle keine Möglichkeit mehr, ein Entgelt nach Entgeltgruppe
KR 9a TVöD/VKA zu erzielen.
f)
Das Berufen der Arbeitgeberin auf die Fehlerhaftigkeit der bisherigen
tariflichen Bewertung verstößt nicht gegen Treu und Glauben
. Der
Betriebsrat hat keine besonderen Umstände geltend gemacht, die die Rechts-
ausübung als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen
. Solche Umstände sind auch
sonst nicht ersichtlich.
2.
Das Landesarbeitsgericht hat weiter zutreffend erkannt, dass die Rück-
gruppierungen die betroffenen Beschäftigten nicht iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 4
BetrVG ungerechtfertigt benachteiligen und deshalb einen Zustimmungsverwei-
gerungsgrund des Betriebsrats zu Recht abgelehnt. In den Folgen richtiger An-
wendung des geltenden Rechts liegt kein
„Nachteil“ iSd. § 99 Abs. 2 Nr. 4
BetrVG
.
3.
Schließlich haben die Vorinstanzen die Zustimmung des Betriebsrats
auch hinsichtlich der beantragten Zuordnung zu Stufe 6 der Entgeltgruppe
29
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32
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4 ABR 27/15
ECLI:DE:BAG:2016:191016.B.4ABR27.15.0
KR 8a TVöD/VKA ersetzt. Ein Rechtsfehler ist insoweit weder erkennbar noch
wird er von den Beteiligten geltend gemacht.
Eylert
Creutzfeldt
Klose
Th. Hess
Klotz