Urteil des BAG vom 03.06.2020

Betriebliche Altersversorgung - Gesamtversorgung - Anpassung

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 3. Juni 2020
Dritter Senat
- 3 AZR 441/19 -
ECLI:DE:BAG:2020:030620.U.3AZR441.19.0
I. Arbeitsgericht
Stuttgart
Urteil vom 5. Oktober 2017
- 30 Ca 380/17 -
II. Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Urteil vom 7. August 2019
- 4 Sa 6/19 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebliche Altersversorgung - Gesamtversorgung - Anpassung
ECLI:DE:BAG:2020:030620.U.3AZR441.19.0
- 2 -
BUNDESARBEITSGERICHT
3 AZR 441/19
4 Sa 6/19
Landesarbeitsgericht
Baden-Württemberg
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
3. Juni 2020
URTEIL
Kaufhold, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Beklagte, Berufungsklägerin, Berufungsbeklagte, Revisionsklägerin und
Revisionsbeklagte,
pp.
Kläger, Berufungsbeklagter, Berufungskläger, Revisionsbeklagter und
Revisionskläger,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom
3. Juni 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht
Dr. Zwanziger, die Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Spinner und
Dr. Roloff sowie die ehrenamtlichen Richter Lohre und Mayer für Recht erkannt:
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3 AZR 441/19
ECLI:DE:BAG:2020:030620.U.3AZR441.19.0
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Auf die Revision der Beklagten und die Revision des Klä-
gers wird - unter Zurückweisung der Revision des Klägers
im Übrigen - das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-
Württemberg vom 7. August 2019 - 4 Sa 6/19 - teilweise
aufgehoben und insgesamt in der Sache zur Klarstellung
wie folgt neugefasst:
Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung
der Berufungen im Übrigen - das Urteil des Arbeitsgerichts
Stuttgart vom 5. Oktober 2017 - 30 Ca 380/17 - teilweise
abgeändert und aus Gründen der Klarstellung insgesamt
wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend
mit dem 1. April 2020 über den Betrag von 756,35 Euro
brutto hinaus jeweils zum Ersten eines Monats einen
Betrag iHv. 76,73 Euro brutto zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag
von 162,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 13,50 Euro
seit dem 2. Juli 2015, dem 4. August 2015, dem
2. September 2015, dem 2. Oktober 2015, dem
3. November 2015, dem 2. Dezember 2015, dem
5. Januar 2016, dem 2. Februar 2016, dem 2. März
2016, dem 2. April 2016, dem 3. Mai 2016 sowie dem
2. Juni 2016 zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag
von 493,32 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 41,11 Euro
brutto seit dem 2. Juli 2016, dem 2. August 2016, dem
2. September 2016, dem 5. Oktober 2016, dem
3. November 2016, dem 2. Dezember 2016, dem
3. Januar 2017, dem 2. Februar 2017, dem 2. März
2017, dem 4. April 2017, dem 3. Mai 2017 sowie dem
2. Juni 2017 zu zahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag
von 589,08 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 49,09 Euro
brutto seit dem 4. Juli 2017, dem 2. August 2017, dem
2. September 2017, dem 3. Oktober 2017, dem
3. November 2017, dem 2. Dezember 2017, dem
3. Januar 2018, dem 2. Februar 2018, dem 2. März
2018, dem 4. April 2018, dem 2. Mai 2018 sowie dem
2. Juni 2018 zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag
von 749,28 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 62,44 Euro
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brutto seit dem 3. Juli 2018, dem 2. August 2018, dem
4. September 2018, dem 2. Oktober 2018, dem
3. November 2018, dem 4. Dezember 2018, dem
3. Januar 2019, dem 2. Februar 2019, dem 2. März
2019, dem 2. April 2019, dem 3. Mai 2019 sowie dem
3. Juni 2019 zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag
von 153,46 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 76,73 Euro
brutto seit dem 2. Juli 2019 und dem 2. August 2019 zu
zahlen.
7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu
tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer dem Kläger
von der Beklagten gewährten Pensionsergänzung.
Der Kläger war vom 1. September 1970 bis zum 31. Dezember 1993
bei der Beklagten - ein vormals in den deutschen G-Konzern eingebundenes
Lebensversicherungsunternehmen - tätig. Er bezieht seit dem 1. Januar 2003
wegen voller Erwerbsminderung von der Beklagten Leistungen der betriebli-
chen Altersversorgung nach den „Bestimmungen des Betrieblichen Versor-
gungswerkes“ (im Folgenden BVW). Diese lauten auszugsweise:
§ 1
Zweck des Pensionsergänzungsfonds
Der Zweck des Pensionsergänzungsfonds ist, den
anspruchsberechtigten Betriebsangehörigen bzw.
ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen eine
Pensionsergänzung zu gewähren, sofern und solan-
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ge die in den Ausführungsbestimmungen näher be-
zeichneten Leistungen der Sozialversicherung sowie
anderer gesetzlicher Versorgungen und die Leistun-
gen der Versorgungskasse zusammen die Gesamt-
versorgungsbezüge gemäß § 4 der Ausführungsbe-
stimmungen nicht erreichen.
Die als gezahlt geltenden Leistungen der Sozialver-
sicherung sowie anderer Leistungsträger bestimmt
der § 5 Ausführungsbestimmungen.
§ 2
Berechtigter Personenkreis
1.
Die Pensionsergänzung wird solchen Betriebsange-
hörigen gewährt, die beim Eintritt des Versorgungs-
falls mindestens 10 Jahre in einem festen Anstel-
lungsverhältnis zur Volksfürsorge Unternehmens-
gruppe stehen und einen Anspruch auf Rentenleis-
tungen aus der Ver
sorgungskasse besitzen. …
§ 4
Ergänzungen, Änderungen der Bestimmungen
1.
Die Grundbestimmungen des Betrieblichen Versor-
gungswerkes können auf Antrag des Vorstandes der
Volksfürsorge nach Zustimmung des Gesamtbe-
triebsrates/Betriebsrates ergänzt oder geändert wer-
den. … Der gemeinsame Beschluß ersetzt die bishe-
rige Grundbestimmung.
3.
Die Ausführungsbestimmungen zu den Grundbe-
stimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes
können vom Vorstand der Volksfürsorge nach Zu-
stimmung des Gesamtbetriebsrates/Betriebsrates
ergänzt oder geändert werden. …
§ 6
Inkrafttreten
1.
Die Grund-, Ausführungs- und Übergangsbestim-
mungen sind am 01.01.61 in Kraft getreten. …
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§ 4
Höhe der Gesamtversorgungsbezüge
Die für die Bemessung der Pensionsergänzung
maßgebenden Gesamtversorgungsbezüge werden
wie folgt festgesetzt:
1.
Gesamt-Ruhebezüge und Gesamt-Invaliditäts-
bezüge
Die für den Fall des Bezuges einer Alters- bzw. Er-
werbsunfähigkeitsrente der Versorgungskasse zu
gewährenden
monatlichen
Gesamt-Ruhebezüge
bzw. Gesamt-Invaliditätsbezüge betragen 40 % plus
soviel Prozent, wie Dienstjahre bis zum Eintritt des
Versorgungsfalles verflossen sind, höchstens jedoch
70 % des pensionsfähigen Arbeitsentgelts nach
Maßgabe der Ausführungsbestimmungen.
§ 5
Zusammensetzung der Gesamtversorgungsbe-
züge
Erreichen die nachstehenden Leistungen zusammen
in der Höhe nicht die erworbenen Gesamtversor-
gungsansprüche, wird eine Pensionsergänzungszah-
lung fällig.
1.
Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge sind:
1.1
die Rentenleistungen der gesetzlichen Rentenversi-
cherung. ...
1.2
die Renten aus der freiwilligen Höherversicherung
bei Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung,
soweit für sie ein freiwilliger Firmenzuschuß seitens
der Volksfürsorge geleistet wurde;
1.6
Rentenleistungen aus der Versorgungskasse und die
ihnen gleichgestellten sonstigen betrieblichen Ver-
sorgungsleistungen;
2.
Einschränkungen bei der Gewährung der Pensi-
onsergänzung
2.2
Der Pensionsergänzungsfonds soll keine nach dem
25. Lebensjahr liegenden Lücken in der Gesamtver-
sorgung der Betriebsangehörigen oder deren Hinter-
bliebenen ausgleichen, die darauf zurückzuführen
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sind, daß die Leistungen des Sozialversicherungs-
trägers oder der Versorgungskasse aus Gründen
beeinträchtigt sind, die in der Person des Betriebs-
angehörigen selbst oder seiner Hinterbliebenen lie-
gen. …
§ 6
Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezü-
ge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1.
Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils ent-
sprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Ent-
wicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversi-
cherung angepaßt.
(Der § 49 AVG ist durch Artikel 1 §§ 65 und 68
SGB (VI) neu gefaßt worden. Die Änderung ist am
01.01.92 in Kraft getreten).
2.
Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge er-
folgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der
gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3.
Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtver-
sorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so
schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Ge-
samtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsa-
men Beschlußfassung vor, was nach seiner Auffas-
sung geschehen soll.
Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
4.
Eine Erhöhung der Pensionsergänzungszahlung
kann im Einzelfall nicht durchgeführt werden, soweit
und solange die nach § 5 der Ausführungsbestim-
mungen anzurechnenden Bezüge und die nach § 4
der Ausführungsbestimmungen vorgesehenen Ge-
samtversorgungsbezüge, erreichen oder überschrei-
ten.
Betriebsangehörige, die eine Pensionsergänzung zu
den Leistungen der Versorgungskasse zunächst
nicht bekommen haben, weil ihre anzurechnenden
Bezüge die vorgesehenen Gesamtversorgungsbezü-
ge erreichen oder überschreiten, erhalten gegebe-
nenfalls bei Veränderungen nach der Ziffer 1 oder 3
später eine Pensionsergänzung allein durch das in
der Ziffer 1 oder
3 dargestellte Verfahren.“
Der Kläger bezog - neben seiner Rente aus der gesetzlichen Renten-
versicherung - seit dem 1. Januar 2003 von der Beklagten eine Pensionsergän-
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zung iHv. zunächst 271,10 Euro brutto sowie eine Rente der Versorgungskasse
iHv. zunächst 384,99 Euro brutto. Bis zum 30. Juni 2015 belief sich die Pensi-
onsergänzung auf 324,50 Euro brutto und die Rente der Versorgungskasse auf
396,66 Euro brutto.
Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung um 2,09717 vH erhöht.
Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Oktober 2015
mit, dass die Vorstände und Aufsichtsräte der G Versicherungen beschlossen
haben, die „Gesamtversorgungsbezüge bzw. Renten unter Anwendung der in
§ 6 Ziffer 3 der Ausführungsbestimmungen des Betrieblichen Versorgungswer-
kes normierten Regelung zum 01.07.2015 für diesen Stichtag um 0,5 % zu
erhöhen“.
Nach der Entscheidung der Beklagten sollten entweder die Gesamtver-
sorgungsbezüge um 0,5 vH erhöht und sodann die - erhöhte - gesetzliche Ren-
te sowie die Versorgungskassenrente abgezogen werden oder, wenn dies für
den Versorgungsempfänger günstiger war, lediglich die Pensionsergänzung um
0,5 vH erhöht werden. Da letztere Variante für den Kläger - wie letztlich für alle
nach den BVW versorgungsberechtigten Betriebsrentner - günstiger war, wurde
seine Pensionsergänzung um 0,5 vH gesteigert. Demgemäß gewährte die Be-
klagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2015 eine Pensionsergänzung iHv.
326,12 Euro brutto. Zudem erhielt er weiterhin eine Rente der Versorgungskas-
se iHv. 396,66 Euro brutto.
Zum 1. Juli 2016 stiegen die Renten in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung um 4,2451 vH.
Der Vorstand der Beklagten beschloss nach Anhörung der Betriebsräte
und des Gesamtbetriebsrats am 20. Juni 2016, die Gesamtversorgungsbezüge
bzw. Renten zum 1. Juli 2016 um 0,5 vH zu erhöhen; sofern eine Anpassung
der Pensionsergänzung um 0,5 vH für den Versorgungsempfänger günstiger
sein sollte, sollte diese vorgenommen werden. Der Aufsichtsrat der Beklagten
fasste am 22. Juni 2016 einen entsprechenden Beschluss. Ab dem 1. Juli 2016
gewährte die Beklagte dem Kläger eine Pensionsergänzung iHv. 327,75 Euro
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brutto. Von der Versorgungskasse erhielt der Kläger ab dem 1. Juli 2016 eine
Rente iHv. 398,68 Euro brutto.
Zum 1. Juli 2017 stiegen die Renten in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung um 1,9048 vH, zum 1. Juli 2018 um 3,2226 vH und zum 1. Juli 2019
um 3,1845 vH.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte müsse ihm ab
dem 1. Juli 2015 eine höhere Pensionsergänzung zahlen. Die Beklagte sei ver-
pflichtet, seine „Gesamtversorgung“ bestehend aus der Pensionsergänzung
und der Rente aus der Versorgungskasse nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2
BetrAVG an den seit Rentenbeginn am 1. Januar 2003 eingetretenen Kaufkraft-
verlust anzupassen. Darüber hinaus hätten die so nach § 16 BetrAVG erhöhten
Gesamtversorgungsbezüge nach § 6 Ziff. 1 der Ausführungsbestimmungen (im
Folgenden AB) BVW zum 1. Juli 2015 um 2,09717 vH und zum 1. Juli 2016 um
weitere 4,2451 vH angehoben werden müssen. Abzüglich der gewährten Ver-
sorgungskassenrente und bereits erfolgten Zahlungen der Beklagten ergebe
sich damit ab dem 1. Juli 2015 eine monatliche Differenz iHv. 65,12 Euro und
ab dem 1. Juli 2016 iHv. insgesamt 94,92 Euro. Die Regelung in AB § 6 Ziff. 3
BVW sei mangels Bestimmtheit unwirksam. Jedenfalls seien ihre Vorausset-
zungen nicht erfüllt.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn beginnend mit
dem 1. Februar 2017 über den Betrag von
726,43 Euro brutto (sich zusammensetzend aus
398,68 Euro und 327,75 Euro) hinaus jeweils zum
Ersten eines Monats einen Betrag iHv. 94,92 Euro
brutto zu zahlen;
2.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von
664,44 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils
94,92 Euro brutto seit dem 2. Juli 2016, dem
2. August 2016, dem 2. September 2016, dem
2. Oktober 2016, dem 2. November 2016, dem
2. Dezember 2016 sowie dem 2. Januar 2017 zu
zahlen;
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3.
die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Betrag von
781,44 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozent-
punkten über dem Basiszinssatz aus jeweils
65,12 Euro seit dem 2. Juli 2015, dem 2. August
2015, dem 2. September 2015, dem 2. Oktober
2015, dem 2. November 2015, dem 2. Dezember
2015, dem 2. Januar 2016, dem 2. Februar 2016,
dem 2. März 2016, dem 2. April 2016, dem 2. Mai
2016 sowie dem 2. Juni 2016 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die
Anpassungen zum 1. Juli 2015 und zum 1. Juli 2016 seien auf der Grundlage
von AB § 6 Ziff. 3 BVW erfolgt. Die Regelung sei ausreichend bestimmt. Eine
Anpassung nach AB § 6 Ziff. 1 BVW sei aufgrund der veränderten rechtlichen
und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht vertretbar. Die gesetzliche An-
passung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG sei lediglich bezogen auf die
Pensionskassenrente vorzunehmen. Im Übrigen seien die Anpassungsmecha-
nismen nach AB § 6 BVW und § 16 BetrAVG strikt zu unterscheiden, weshalb
die Berechnung des Klägers, wonach zunächst eine Anpassung nach § 16
BetrAVG zum 1. Juli 2015 vorzunehmen und anschließend auf den erhöhten
Betrag die vertragliche Anpassung vorzunehmen sei, unzutreffend.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger ab dem
1. Februar 2017 über die gezahlten 726,43 Euro brutto hinaus monatlich einen
weiteren Betrag iHv. 41,11 Euro brutto, für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum
31. Januar 2017 insgesamt weitere 287,77 Euro brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 41,11 Euro brutto ab dem
jeweiligen Zweiten eines jeden Monats beginnend mit dem 2. Juli 2016 und en-
dend mit dem 2. Januar 2017 sowie für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum
30. Juni 2016 insgesamt weitere 184,44 Euro brutto zzgl. Zinsen iHv. fünf Pro-
zentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 15,12 Euro brutto ab dem je-
weiligen Zweiten eines jeden Monats beginnend mit dem 2. Juli 2015 und en-
dend mit dem 2. Juni 2016 zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Klägers das Urteil des Ar-
beitsgerichts teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger für
die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 insgesamt weitere 781,44 Euro
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zzgl. Zinsen auf jeweils 65,12 Euro brutto, für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum
30. Juni 2017 insgesamt weitere 737,64 Euro brutto zzgl. Zinsen auf jeweils
61,47 Euro brutto, für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 insgesamt
weitere 657,96 Euro brutto zzgl. Zinsen auf jeweils 54,83 Euro brutto, für die
Zeit vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2019 insgesamt weitere 749,28 Euro
zzgl. Zinsen auf jeweils 62,44 Euro brutto, für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum
31. August 2019 insgesamt weitere 153,46 Euro brutto zzgl. Zinsen auf jeweils
76,73 Euro brutto und ab dem 1. September 2019 über die gezahlten
756,35 Euro brutto hinaus monatlich weitere 76,73 Euro brutto zu zahlen. Die
weiter gehende Berufung des Klägers und die Berufung der Beklagten hat das
Landesarbeitsgericht vollständig zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeits-
gericht nur beschränkt zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte - im Um-
fang der Zulassung - die Abweisung der Klage, soweit sie für den Zeitraum vom
1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 zur Zahlung eines 162,00 Euro brutto über-
steigenden Betrags, für den Zeitraum 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 zur
Zahlung eines 493,32 Euro brutto übersteigenden Betrags und für den Zeitraum
vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 zur Zahlung eines 589,08 Euro brutto
übersteigenden Betrags verurteilt wurde. Mit seiner Revision erstrebt der Kläger
die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung höherer monatlicher Differenzbeträ-
ge. Im Übrigen begehren die Parteien wechselseitig die Zurückweisung der je-
weils gegnerischen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Revision des Klägers hat
hingegen in der Sache keinen Erfolg.
I.
Die Revision der Beklagten hat nicht schon deshalb Erfolg, weil der
Kläger seinen Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz um spätere Zah-
lungszeiträume erweitert hat. Das Landesarbeitsgericht hat über die Anträge in
der Sache entschieden. Daher hat der Senat in entsprechender Anwendung
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von § 268 ZPO in der Revision nicht mehr zu prüfen, ob eine Klageänderung
nach § 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG vorliegt und ob diese ggf.
zulässig ist
. Die vom Kläger mit seiner Revisionsbegründung angebrachte
Umstellung seines bisherigen Antrags auf künftige Leistungen für die Zeit ab
September 2019 ist allein dem Zeitablauf geschuldet. Er hat zwar die Rück-
stände auch weiterhin nur bis 31. August 2019 und nicht bis einschließlich
31. März 2020 geltend gemacht; künftige Leistungen verlangt er jedoch erst ab
April 2020. In der Sache verfolgt er seine bisherigen Anträge weiter.
II.
Die Klage ist insgesamt zulässig. Dies gilt auch hinsichtlich des auf
künftige Rentenzahlungen gerichteten Klageantrags. Er hat die Zahlung wie-
derkehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO zum Gegenstand. Bei wiederkehren-
den Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung
abhängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werden-
de Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die
Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entzie-
hen wird
.
III.
Die Klage ist nicht begründet, soweit der Kläger eine Anpassung seiner
„Gesamtversorgung“ zum 1. Juli 2015 nach § 16 Abs. 1 BetrAVG begehrt. Eine
Anpassungsverpflichtung der Beklagten nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG
bezieht sich nur auf die Pensionsergänzung, nicht dagegen auf die nach dem
BVW zugesagte Gesamtversorgung bestehend aus der Rente aus der gesetzli-
chen Rentenversicherung, der Rente aus der Versorgungskasse und der Pen-
sionsergänzung oder auf die vom Kläger geltend gemachte sog. Gesamtver-
sorgung bestehend nur aus der Rente aus der Versorgungskasse und der Pen-
sionsergänzung.
1.
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jah-
re eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden; dabei sind ins-
besondere die Belange des Versorgungsempfängers und die wirtschaftliche
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Lage des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Diese Verpflichtung knüpft nicht an
die Gesamtversorgung an. Bezugsobjekt der Anpassungsprüfungs- und -ent-
scheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG ist die Ausgangsrente,
dh. die Betriebsrente, die sich nach der Versorgungsvereinbarung zum Zeit-
punkt des Versorgungsfalls errechnet und vom Arbeitgeber gezahlt wird, und
nicht die Gesamtversorgung. Dies ergibt eine Auslegung der gesetzlichen Be-
stimmung
.
a)
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber eine Anpassung der
laufenden „Leistungen der betrieblichen Altersversorgung“ zu prüfen und hier-
über nach billigem Ermessen zu entscheiden. Damit knüpft § 16 Abs. 1
BetrAVG für die Anpassung an die Leistungen an, die der Arbeitgeber aufgrund
der mit dem Arbeitnehmer getroffenen Versorgungszusage an den Versor-
gungsempfänger erbringt. Eine Anknüpfung an andere, dem Versorgungsgläu-
biger gegenüber Dritten aus einem anderen Rechtsgrund zustehende Leistun-
gen sieht die Bestimmung ebenso wenig vor wie eine Anknüpfung an eine Ge-
samtversorgung, die sich aus Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
und den nach dem Inhalt der Versorgungszusage ggf. zu berücksichtigenden
Leistungen Dritter zusammensetzt
.
b)
Dass sich die Anpassungsprüfungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG
ausschließlich auf die vom Arbeitgeber geschuldete und von diesem gezahlte
Betriebsrente bezieht und nicht auf eine Gesamtversorgung, ergibt sich auch
daraus, dass die Belange des Versorgungsempfängers - wie aus § 16 Abs. 2
BetrAVG folgt - im Ausgleich des Kaufkraftverlusts seit Rentenbeginn, also in
der Wiederherstellung des ursprünglich vorausgesetzten Verhältnisses von
Leistung und Gegenleistung bestehen. Dementsprechend ist der volle Anpas-
sungsbedarf zu ermitteln, der in der seit Rentenbeginn eingetretenen Teuerung
besteht, soweit er nicht durch vorhergehende Anpassungen ausgeglichen wur-
de
. § 16 BetrAVG will damit erkennbar eine Aus-
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zehrung der zum Zeitpunkt des Versorgungsfalls geschuldeten und gezahlten
Betriebsrente vermeiden und den realen Wert dieser Betriebsrente erhalten
, nicht jedoch den Wert anderer Leistungen sichern
.
2.
Eine über das Gesetz hinausgehende Verpflichtung folgt auch nicht aus
dem BVW, insbesondere nicht aus der Bestimmung von AB § 6 BVW. Die ver-
tragliche Anpassung nach AB § 6 BVW einerseits und die gesetzliche Pflicht zur
Anpassungsprüfung nach § 16 BetrAVG andererseits sind strikt voneinander zu
trennen. Die vertragliche Anpassung folgt allein den Regelungen von AB § 6
BVW. Umgekehrt sieht AB § 6 BVW keine Regelungen für den davon zu unter-
scheidenden gesetzlichen Anpassungsprüfungs- und -entscheidungsanspruch
vor. Die gesetzliche Anpassungsprüfung ist allein nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2
BetrAVG vorzunehmen.
a)
Zwar kann nach § 19 Abs. 1, Abs. 3 BetrAVG von § 16 BetrAVG ent-
weder durch Tarifvertrag oder zugunsten des Arbeitnehmers abgewichen wer-
den. Damit könnten die Bestimmungen in AB § 6 BVW zugunsten des Klägers
abweichende Regelungen enthalten. Solche sind jedoch - entgegen der Auffas-
sung des Klägers - nicht vorhanden. AB § 6 BVW enthält einen eigenständigen
Prüfungsmechanismus, der keine Auswirkungen auf das gesetzliche Anpas-
sungsprüfungs- und -entscheidungssystem nach § 16 BetrAVG enthält.
AB § 6 BVW bestimmt zugunsten der Versorgungsberechtigten, dass
die Gesamtversorgung anzupassen ist. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur
auf die vertragliche Anpassung, nicht auch auf die gesetzliche Anpassungsprü-
fung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. So erfolgt die Anpassung entspre-
chend der Entwicklung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung
und nicht nach dem Verbraucherpreisindex für Deutschland
oder der Entwicklung der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des
Unternehmens
. Auch erfolgt die Anpassung
der Gesamtversorgungsbezüge zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten in
der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden
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und nicht alle drei Jahre
. Auch der Prüfungszeitraum ist
unterschiedlich. Die vertragliche Anpassung übernimmt im Grundsatz jährlich
die Veränderung der Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung nach ua.
§ 69 Abs. 1 SGB VI iVm. §§ 68, 68a SGB VI und der jeweiligen Rentenwertbe-
stimmungsverordnung. Demgegenüber sieht § 16 BetrAVG als Prüfungszeit-
raum die Zeit vom individuellen Eintritt des Versorgungsfalls bis zum Anpas-
sungsprüfungsstichtag vor. Unterschiedliche Anforderungen gelten auch für die
Ablehnung einer Anpassung durch die Versorgungsschuldnerin
.
b)
AB § 6 BVW enthält auch keine Regelung, die den Schluss zuließe,
dass durch sie eine Vorgabe für die gesetzliche Anpassungsprüfungs- und
-entscheidungspflicht nach § 16 BetrAVG erfolgen sollte. Es sind keine An-
haltspunkte ersichtlich, dass der Urheber des BVW (im Fall einer Gesamtzusa-
ge die Beklagte; im Fall einer Gesamtbetriebsvereinbarung die Betriebspartei-
en) mit der Regelung der vertraglichen Anpassung zugleich eine Regelung für
die - jedenfalls im Zeitpunkt der erstmaligen Schaffung des BVW wohl im Jahre
1961 - noch gar nicht bestehende Verpflichtung zur Anpassungsprüfung und
-entscheidung nach § 16 BetrAVG treffen wollten.
Vor diesem Hintergrund ist für eine Anpassung der Gesamtversor-
gungsbezüge nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG kein Raum unabhängig
davon, ob unter der Bezeichnung „Gesamtversorgung“ die Versorgung aus der
Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, der Rente aus der Pensions-
kasse und der Pensionsergänzung oder die Summe der Rente aus der Pensi-
onskasse und der Pensionsergänzung zu verstehen ist.
3.
Ob - wie die Beklagte und ihr folgend das Arbeitsgericht meinen - ein
isolierter Anspruch zur Anpassungsprüfung und -entscheidung aus § 16 Abs. 1
und Abs. 2 BetrAVG bezüglich der Rente aus der Versorgungskasse auch nach
§ 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG ausscheidet, kann dahinstehen. Streitgegenstand ist
lediglich eine einheitliche Anpassung der Gesamtversorgung bzw. der einheit-
lich betrachteten Pensionsergänzung und der Rente aus der Versorgungskas-
se.
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4.
Die Anpassung der Pensionsergänzung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2
BetrAVG zum 1. Juli 2015 führt nicht zur auch nur teilweisen weiteren Begrün-
detheit der Klage über die bereits rechtskräftig zuerkannten Beträge hinaus.
Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit den Parteien
davon ausgegangen, dass die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG
bezüglich der Pensionsergänzung zum 1. Juli 2015 stattzufinden hatte. Entge-
gen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch der Kaufkraftverlust
zum Anpassungsstichtag 1. Juli 2015 - wie vom Kläger zutreffend seinen Be-
rechnungen zugrunde gelegt - anhand des VPI Basis 2010 und nicht anhand
des VPI Basis 2015 zu ermitteln. Allerdings zahlt die Beklagte ab dem 1. Juli
2015 eine höhere Pensionsergänzung an den Kläger, als sie nach § 16
BetrAVG schuldet.
a)
Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum 1. Juli
2015 zu prüfen, ob eine Anpassung der Pensionsergänzung des Klägers an
den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.
aa)
Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jah-
re eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet,
dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen
Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Diese wäre daher
- ausgehend vom Rentenbeginn des Klägers am 1. Januar 2003 - am 1. Januar
2015 vorzunehmen gewesen.
bb)
Allerdings hat die Beklagte alle in ihrem Unternehmen anfallenden Prü-
fungstermine zulässigerweise zum 1. Juli eines Jahres gebündelt. Daraus ergab
sich für den Kläger der 1. Juli 2015 als Prüfungstermin.
(1)
Der gesetzlich vorgeschriebene Drei-Jahres-Rhythmus zwingt nicht zu
starren, individuellen Prüfungsterminen. Die Bündelung aller in einem Unter-
nehmen anfallenden Prüfungstermine zu einem einheitlichen Jahrestermin ist
zulässig. Sie vermeidet unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand und beein-
trächtigt die Interessen der Betriebsrentner nur geringfügig. Für diese verzögert
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sich allenfalls die erste Anpassungsprüfung. Die den Versorgungsempfängern
daraus entstehenden Nachteile werden regelmäßig dadurch abgemildert, dass
ein entsprechend angewachsener höherer Teuerungsausgleich zu berücksich-
tigen ist. In der Folgezeit muss der Drei-Jahres-Zeitraum allerdings eingehalten
sein. Zudem darf sich durch den gemeinsamen Anpassungsstichtag die erste
Anpassungsprüfung um nicht mehr als sechs Monate verzögern
.
(2)
Der Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2003 eine Betriebsrente. Aus der
Bündelung der Anpassungsstichtage ergibt sich - ohne unzulässige Verzöge-
rung - der 1. Juli 2015 als Anpassungsstichtag.
b)
Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeit-
geber insbesondere die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eige-
ne wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine
Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht
verpflichtet. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass die wirt-
schaftliche Lage der Beklagten einer Anpassung der Betriebsrente des Klägers
an den Kaufkraftverlust zum 1. Juli 2015 nicht entgegenstand. Die Beklagte hat
im gesamten Rechtsstreit nicht geltend gemacht, dass ihre wirtschaftliche Lage
einer Anpassung der Pensionsergänzung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG entgegen-
stünde.
c)
Die Beklagte ist daher verpflichtet, die Betriebsrente des Klägers an
den in der Zeit vom Rentenbeginn (1. Januar 2003) bis zum Anpassungsstich-
tag (1. Juli 2015) eingetretenen Kaufkraftverlust anzupassen. Der Kaufkraftver-
lust in diesem Zeitraum beträgt 20,09 vH. Eine Begrenzung durch die reallohn-
bezogene Obergrenze nach § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG hat die Beklagte nicht
eingewandt. Daher steht dem Kläger der volle Teuerungsausgleich zu. Demzu-
folge war die Ausgangsrente des Klägers iHv. 271,10 Euro zum 1. Juli 2015 auf
325,56 Euro anzupassen.
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aa)
Der Kaufkraftverlust in der Zeit vom Rentenbeginn des Klägers
(1. Januar 2003) bis zum Anpassungsstichtag (1. Juli 2015) beläuft sich auf
20,09 vH.
(1)
Zur Ermittlung des Kaufkraftverlusts ist auf den Verbraucherpreisindex
für Deutschland Basis 2010 abzustellen. Da die Anpassung jeweils zu einem
bestimmten Stichtag zu prüfen und ggf. vorzunehmen ist, kommt es aus Grün-
den der Rechtssicherheit auf die aktuelle statistische Grundlage an, die zum
maßgeblichen Anpassungszeitpunkt vom Statistischen Bundesamt veröffent-
licht war
. Dies ist der Verbraucher-
preisindex für Deutschland Basis 2010. Dieser wurde im Februar 2013 veröf-
fentlicht und war zum Anpassungsstichtag maßgeblich. Der Verbraucherpreis-
index für Deutschland Basis 2015 wurde erst im Februar 2019 veröffentlicht und
war zum Anpassungsstichtag nicht heranzuziehen. Für die Ermittlung des An-
passungsbedarfs sind die Indexwerte der Monate maßgeblich, die dem Ren-
tenbeginn und dem aktuellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen.
(2)
Danach beläuft sich die Teuerungsrate vom Rentenbeginn (1. Januar
2003) bis zum aktuellen Anpassungsstichtag (1. Juli 2015) auf 20,09 vH. Der
Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 betrug im Dezember 2002
89,1 und im Juni 2015 107,0. Daraus errechnet sich eine Preissteigerung von
20,09 vH ([107,0 : 89,1 - 1] x 100).
bb)
Ausgehend von einer Pensionsergänzung zum 1. Januar 2003 iHv.
271,10 Euro ergibt sich damit eine Steigerung um 54,46 Euro (271,10 Euro x
0,2009) und damit eine Pensionsergänzung iHv. 325,56 Euro (271,10 Euro +
54,46 Euro).
cc)
Die Beklagte zahlt seit dem 1. Juli 2015 eine Pensionsergänzung iHv.
326,12 Euro und damit 0,56 Euro mehr als sie nach § 16 BetrAVG verpflichtet
wäre zu zahlen. Ein weiterer Anspruch des Klägers nach § 16 BetrAVG schei-
det daher aus.
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5.
Die Klage ist aber auch nicht insoweit begründet, als dass zunächst die
Anpassungsprüfung zum 1. Juli 2015 nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG
durchzuführen wäre und anschließend auf den so ermittelten Wert die vertragli-
che Erhöhung nach AB § 6 Ziff. 3 BVW vorzunehmen wäre. Das Landesar-
beitsgericht hat zutreffend erkannt, dass hierin eine unzulässige Vermischung
des vertraglichen Anpassungsmechanismus mit der gesetzlichen Anpassung
nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG läge.
Die Regelung zur vertraglichen Anpassung nach AB § 6 BVW einerseits
und § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG stehen getrennt voneinander. Der Be-
triebsrentner ist gehalten, seinen Anspruch quasi alternativ nach beiden Anpas-
sungsmechanismen zu berechnen, dh. es ist zunächst die vertragliche Anpas-
sung isoliert zu berechnen und parallel die Anpassung nach § 16 Abs. 1 und
Abs. 2 BetrAVG. Wegen § 19 Abs. 1 und Abs. 3 BetrAVG darf die vertragliche
Anpassung jedoch zu keinem Zeitpunkt geringer sein als die nach § 16
BetrAVG ermittelte.
Da die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Juli 2015 eine Pensionsergän-
zung iHv. 326,12 Euro brutto gewährt, während die gesetzliche Anpassung
nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG einen Anspruch iHv. 325,56 Euro brutto
monatlich ergibt, folgt aus der gesetzlichen Regelung keine höhere Anpassung.
Da die beiden Anpassungsmechanismen unabhängig voneinander bestehen,
kann auch nicht zunächst eine Anpassung nach § 16 BetrAVG zum 1. Juli 2015
vorgenommen werden und die dann erhöhte Pensionsergänzung zusätzlich
dem vertraglichen Anpassungsmechanismus nach AB § 6 BVW ebenfalls zum
1. Juli 2015 unterworfen werden.
6.
Danach ergeben sich zugunsten des Klägers begründete Ansprüche für
die Zeit ab dem 1. Juli 2015 bis zum 31. August 2019 iHv. insgesamt
2.147,14 Euro und ab dem 1. April 2020 monatlich weitere 76,73 Euro brutto.
a)
Für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 schuldet die Be-
klagte dem Kläger über die freiwillig gezahlte Pensionsergänzung hinaus weite-
re 162,00 Euro brutto.
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Die Versorgungskassenrente belief sich zum 30. Juni 2015 auf
396,66 Euro, die Pensionsergänzung auf 324,50 Euro, zusammen folglich
721,16 Euro. Dieser Betrag ist um den Steigerungssatz der Renten in der ge-
setzlichen Rentenversicherung von 2,09717 vH und damit um 15,12 Euro auf
dann 736,28 Euro zu erhöhen.
Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab
dem 1. Juli 2015 iHv. 396,66 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensi-
onsergänzung iHv. 326,12 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag
iHv. 13,50 Euro (736,28 Euro - 396,66 Euro - 326,12 Euro). Für die zwölf Mona-
te von Juli 2015 bis Juni 2016 ergibt sich ein Betrag iHv. 162,00 Euro.
b)
Für die Zeit vom 1. Juli 2016 bis zum 30. Juni 2017 schuldet die Be-
klagte dem Kläger weitere 493,32 Euro brutto.
Der bis zum 30. Juni 2016 eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv.
736,28 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen
Rentenversicherung von 4,2451 vH und damit um 31,26 Euro auf dann
767,54 Euro zu erhöhen.
Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab
dem 1. Juli 2016 iHv. 398,68 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensi-
onsergänzung iHv. 327,75 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag
iHv. 41,11 Euro (767,54 Euro - 398,68 Euro - 327,75 Euro). Für die zwölf Mona-
te von Juli 2016 bis Juni 2017 ergibt sich ein Betrag iHv. 493,32 Euro.
c)
Für die Zeit vom 1. Juli 2017 bis zum 30. Juni 2018 schuldet die Be-
klagte dem Kläger weitere 589,08 Euro brutto.
Der bis zum 30. Juni 2017 eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv.
767,54 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen
Rentenversicherung von 1,9048 vH und damit um 14,62 Euro auf dann
782,16 Euro zu erhöhen.
Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab
dem 1. Juli 2017 iHv. 399,08 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensi-
onsergänzung iHv. 333,99 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag
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iHv. 49,09 Euro (782,16 Euro - 399,08 Euro - 333,99 Euro). Für die zwölf Mona-
te von Juli 2017 bis Juni 2018 ergibt sich ein Betrag iHv. 589,08 Euro.
d)
Für die Zeit vom 1. Juli 2018 bis zum 30. Juni 2019 schuldet die Be-
klagte dem Kläger weitere 749,28 Euro brutto.
Der bis zum 30. Juni 2018 eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv.
782,16 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen
Rentenversicherung von 3,2226 vH und damit um 25,21 Euro auf dann
807,37 Euro zu erhöhen.
Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab
dem 1. Juli 2018 iHv. 400,18 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensi-
onsergänzung iHv. 344,75 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag
iHv. 62,44 Euro (807,37 Euro - 400,18 Euro - 344,75 Euro). Für die zwölf Mona-
te von Juli 2018 bis Juni 2019 ergibt sich ein Betrag iHv. 749,28 Euro.
e)
Für die Zeit vom 1. Juli 2019 bis zum 31. August 2019 schuldet die Be-
klagte dem Kläger weitere 153,46 Euro brutto.
Der bis zum 30. Juni 2019 eigentlich geschuldete Gesamtbetrag iHv.
807,37 Euro brutto ist um den Steigerungssatz der Renten in der gesetzlichen
Rentenversicherung von 3,1845 vH und damit um 25,71 Euro auf dann
833,08 Euro zu erhöhen.
Von diesem Betrag ist der Zahlbetrag der Versorgungskassenrente ab
dem 1. Juli 2019 iHv. 400,62 Euro und die von der Beklagten gezahlte Pensi-
onsergänzung iHv. 355,73 Euro in Abzug zu bringen. Dies ergibt einen Betrag
iHv. 76,73 Euro (833,08 Euro - 400,62 Euro - 355,73 Euro). Für die beiden Mo-
nate Juli 2019 und August 2019 ergibt sich ein Betrag iHv. 153,46 Euro.
f)
Die Zinsen ergeben sich aus § 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
g)
Für die Zeit ab dem 1. April 2020 schuldet die Beklagte dem Kläger
monatlich weitere 76,73 Euro brutto.
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ECLI:DE:BAG:2020:030620.U.3AZR441.19.0
IV.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen, § 91
Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Die Revision der Beklagten ist erfolgreich, während
die Revision des Klägers in der Sache ohne Erfolg bleibt. Hinsichtlich der Kos-
tenentscheidung für die Vorinstanzen verbleibt es bei der Kostenentscheidung
des Landesarbeitsgerichts in der angefochtenen Entscheidung.
Zwanziger
Spinner
Roloff
Lohre
Mayer
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