Urteil des BAG vom 13.10.2020

Betriebliche Altersversorgung - Ablösung - Verwirkung - Anpassung

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 13. Oktober 2020
Dritter Senat
- 3 AZR 246/20 -
ECLI:DE:BAG:2020:131020.U.3AZR246.20.0
I. Arbeitsgericht Saarland
Urteil vom 24. August 2018
- 8 Ca 597/17.SLS -
II. Landesarbeitsgericht Saarland
Urteil vom 13. November 2019
- 1 Sa 1/19 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebliche Altersversorgung - Ablösung - Verwirkung - Anpassung
ECLI:DE:BAG:2020:131020.U.3AZR246.20.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
3 AZR 246/20
1 Sa 1/19
Landesarbeitsgericht
Saarland
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
13. Oktober 2020
URTEIL
Kaufhold, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger, Berufungskläger und Revisionskläger,
pp.
Beklagte, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte,
hat der Dritte Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 13. Oktober 2020 durch den Vorsitzenden Richter am
Bundesarbeitsgericht Dr. Zwanziger, den Richter am Bundesarbeitsgericht
Prof. Dr. Spinner, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Dr. Günther-Gräff
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sowie den ehrenamtlichen Richter Wischnath und die ehrenamtliche Richterin
Busch für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landes-
arbeitsgerichts Saarland vom 13. November 2019 - 1 Sa
1/19 - aufgehoben, soweit er eine um 119,12 Euro höhere
Ausgangsrente bei Rentenbeginn einschließlich der hierauf
zum 1. Januar 2010 und 1. Januar 2013 erfolgten Anpas-
sungen ab dem 1. Januar 2014 begehrt.
Die Sache wird insoweit zur neuen Verhandlung und Ent-
scheidung - auch über die Kosten der Revision - an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Ablösung einer Versorgungsordnung und
daran anknüpfend die zutreffende Berechnung der Ausgangsrente des Klägers
sowie über Ansprüche auf Anpassung der laufenden Leistungen.
Der im November 1940 geborene Kläger trat am 1. März 1955 in ein Ar-
beitsverhältnis mit der Beklagten. Unter dem 21. Dezember 1979 schlossen die
Beklagte und der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung
über die Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung, die ua. bestimmt:
„BETRIEBSVEREINBARUNG
zwischen der D GmbH
- nachstehend Firma genannt -
und
dem Gesamtbetriebsrat der Firma
über die Neuordnung der betrieblichen Altersversorgung
1.
Die beiliegende Versorgungsordnung, die zum Inhalt
dieser Betriebsvereinbarung wird, gilt für alle Mitglie-
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der der Firma und ersetzt die ‚Allgemeine Bedingun-
gen betreffend die Versorgung der Angestellten und
Arbeiter vom 01.10.1953‘.
2.
Nach der neuen Versorgungsordnung erhalten die
Mitarbeiter eine Versorgung, die sich für jedes vollen-
dete anrechnungsfähige Dienstjahr um 0,4 % des ru-
hegeldfähigen Einkommens erhöht.
Mitarbeiter, die vor dem 01.01.1970 in die Firma ein-
getreten sind, erhalten für jedes vollendete anrech-
nungsfähige Dienstjahr vor dem 01.01.1970 zusätz-
lich zu dem Steigerungsbetrag von 0,4 % einen weite-
ren Steigerungsbetrag von 0,6
%. …
Bei der Neuregelung entfällt die bisherige Anrechnung
der Sozialversicherungsrente.
3.
Sollte einem der unter Ziffer 2 Abs. 2 genannten Mit-
arbeiter gegenüber den bisherigen Regelungen ein
Nachteil entstehen, so wird die Firma bei Eintritt des
Versorgungsfalles auf Antrag eine Vergleichsrech-
nung anstellen. Dabei werden Dienstjahre bis zum
31.12.1979 nach dem bisherigen System bewertet.
Ein sich aus der Vergleichsrechnung etwa ergebender
Nachteil wird ausgeglichen.
Die in Nr.
1 genannte Versorgungsordnung „Allgemeine Bedingungen
betreffend die Versorgung der Angestellten und Arbeiter“ vom 21. Dezember
1979 (im Folgenden VO 1979) lautet auszugsweise:
㤠2
Begründung des Anspruchs
(1) Der Anspruch auf Versorgung wird für jeden Versor-
gungsberechtigten 10 Jahre nach dem in der Versor-
gungszusage festgestellten Tage begründet, jedoch
nur dann, wenn der Anwärter vom Erhalt der Anwart-
schaft an ununterbrochen im Dienste der Firma ge-
blieben ist.
(2) Scheidet ein Betriebsangehöriger nach Begründung
seines Versorgungsanspruches aus dem Dienst der
Firma aus, so fällt sein Versorgungsanspruch fort, es
sei denn, daß sein Ausscheiden herbeigeführt wird
durch
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a)
seinen Tod, seine Arbeits- oder Berufungsunfä-
higkeit,
b)
Vollendung seines 65. Lebensjahres.
(3) Der Versorgungsanspruch bleibt erhalten, wenn zum
Zeitpunkt des Ausscheidens die gesetzlichen Fristen
für das Entstehen einer unverfallbaren Anwartschaft
erfüllt sind.
§ 3
Entstehung des Anspruches
(A) Hat ein Betriebsangehöriger gemäß § 2 einen begrün-
deten Versorgungsanspruch, so stehen ihm oder sei-
nen Hinterbliebenen Versorgungsrenten nach Maß-
gabe nachstehender Bedingungen zu, wenn:
1.
der Betriebsangehörige das 65. Lebensjahr voll-
endet hat und sein Dienstverhältnis aus diesem
Grunde beendet ist,
2.
der Betriebsangehörige vor Erreichen der Alters-
grenze durch Vorlage des Rentenbescheides ei-
nes Sozialversicherungsträgers nachweist, daß
er Altersruhegeld aus der gesetzlichen Renten-
versicherung bezieht und sein Dienstverhältnis
aus diesem Grunde beendet ist,
§ 4
Versorgungsrenten
Für die Berechnung der Versorgungsrenten ist das Arbeits-
einkommen maßgebend, welches der Betriebsangehörige
während der letzten 10 Jahre vor seinem Ausscheiden bei
der Firma von dieser im Monatsdurchschnitt bezogen hat.
Arbeitseinkommen im Sinne dieser Bestimmung ist nur das
von der Firma bezogene Grundgehalt, worunter der Brutto-
betrag zu verstehen ist. Es zählen insbesondere nicht dazu:
Erfolgsbeteiligung, über 12 mal jährlich hinausgezahlte Mo-
natsbezüge, vermögenswirksame Leistungen, Teuerungs-
zulagen, Jubiläumsgaben, Gratifikationen, Auslösungen,
Überseezulagen und sonstige außerordentliche oder regel-
mäßige Zuwendungen.
Hinzugezählt werden jedoch Überstunden- und Mehrar-
beitsvergütungen.
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§ 5
Zahlung der Versorgungsrenten
Alle Versorgungsrenten werden monatlich nachschüssig
gezahlt. Versorgungsrenten werden jedoch frühestens
nach Einstellung von Lohn- und Gehaltsfortzahlungen ge-
zahlt.
§ 6
Ruhegeld
(1) Der Anspruch auf Ruhegeld beginnt mit dem Tage, an
welchem dem betreffenden Betriebsangehörigen ge-
mäß § 3 Ziffer 1, 2 und 3 der Anspruch auf Versor-
gung zusteht.
(2) Der Anspruch auf Ruhegeld erlischt mit dem Ende des
Monats, in dem der Betriebsangehörige stirbt.
(3) Das Ruhegeld berechnet sich nach dem Arbeitsein-
kommen im Sinne von § 4. Jedes Dienstjahr der un-
unterbrochenen Tätigkeit wird mit 0,4 % des Arbeits-
einkommens bewertet.
(4) Für die Berechnung der Höhe der vorgezogenen Al-
tersrente werden anrechnungsfähige Dienstjahre nur
bis zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der vorgezo-
genen Altersrente berücksichtigt. Das danach ermit-
telte Ruhegeld wird für jeden Monat des Rentenbe-
zugs vor Vollendung des 63. Lebensjahres um 0,5 %
seines Wertes für die Dauer des Rentenbezuges ge-
kürzt.
(5) Wird das Ruhegeld aufgrund des § 3, Ziffer 2 gewährt,
so ist, falls die Arbeits- und Berufungsunfähigkeit des
Betriebsangehörigen vor Erreichen des 65. Lebens-
jahres ganz oder teilweise wiederhergestellt wird, das
Ruhegeld um den Betrag zu kürzen, den der Betriebs-
angehörige durch seine Arbeit erwirbt oder zu erwer-
ben unterläßt. Für die Zeit nach der Erreichung des
65. Lebensjahres kann keine Kürzung stattfinden.
Über die Kürzung entscheidet die Firma.
Die VO 1979 wurde durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom
28. September 1988 (im Folgenden VO 1988) geändert. Diese lautet auszugs-
weise:
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„BETRIEBSVEREINBARUNG
zwischen der D GmbH
- nachstehend Firma genannt -
und
dem Gesamtbetriebsrat der Firma
über eine Änderung der betrieblichen Altersversorgung
Die D GmbH gewährt ihren männlichen und weiblichen An-
gestellten und Arbeitern sowie deren Hinterbliebenen Ver-
sorgung nach Maßgabe der ‚Allgemeinen Bedingungen be-
t
reffend die Versorgung der Angestellten und Arbeiter‘ in
der Fassung vom 21.12.1979.
Gesamtbetriebsrat und Firma vereinbaren folgendes:
§ 6 Abs. 3 der vorgenannten Versorgungsordnung wird wie
folgt geändert:
‚Das Ruhegeld berechnet sich nach dem Arbeitseinkom-
men im Sinne von § 4. Jedes Dienstjahr der ununterbroche-
nen Tätigkeit wird mit 0,2 % des Arbeitseinkommens be-
wertet.‘
Diese Änderung tritt mit Wirkung vom 01.01.1988 in Kraft.
Die übrigen Bedingungen der Versorgungsordnung vom
21.12.1979 bleiben unverändert.
Die Firma verpflichtet sich, das zum 01.01.1987 geschlos-
sene Versorgungswerk für neu eintretende Mitglieder wie-
der rückwirkend zu öffnen.
Die seit dem 01.01.1987 neu eingetretenen Mitarbeiter wer-
den eine entsprechende Zusage erhalten.
Der Kläger schied mit Ablauf des 31. Dezember 2003 aus dem Arbeits-
verhältnis mit der Beklagten aus. Seit dem 1. Januar 2004 bezog er ein Ruhegeld
auf der Grundlage der VO 1988 iHv. zunächst 1.377,91 Euro brutto.
Bei der Berechnung des Ruhegeldes legte die Beklagte einen rentenfä-
higen Arbeitsverdienst iHv. 3.722,41 Euro und eine tatsächliche Dienstzeit von
48,83 Jahren zugrunde. Für den Zeitraum vom 1. März 1955 bis zum 28. Februar
1965 unterlegte sie die Dienstzeit mit einem Steigerungsfaktor von 1,0 %, für die
Zeit vom 1. März 1965 bis zum 28. Februar 1979 mit 2 %, für die Zeit vom 1. März
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1979 bis zum 28. Februar 1987 mit 0,4 % und für die Zeit ab dem 1. März 1987
bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis mit 0,2 %. Daraus ermittelte sie
das anfängliche monatliche Ruhegeld iHv. 1.377,91 Euro.
Zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2007 lehnte die Beklagte unter Ver-
weis auf ihre wirtschaftliche Lage die Anpassung des Ruhegeldes des Klägers
ab. Zu den Anpassungsstichtagen 1. Januar 2010 und 1. Januar 2013 nahm die
Beklagte hingegen Anpassungen vor und gewährt dem Kläger in der Folge ab
dem 1. Januar 2013 ein Ruhegeld iHv. 1.529,15 Euro brutto monatlich.
Zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2016 lehnte die Beklagte unter Ver-
weis auf ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung der laufenden Leistungen ab,
wohingegen sie zum 1. Januar 2019 eine Anpassung vornahm und seither mo-
natlich ein Ruhegeld iHv. 1.598,11 Euro brutto gewährt.
Der Kläger hat - soweit für die Revision von Interesse - geltend gemacht,
dass für die Ablösung der VO 1979 durch die VO 1988 keine rechtfertigenden
Gründe iSd. dreistufigen Prüfungsschemas des Bundesarbeitsgerichts vorgele-
gen hätten. Die Absenkung des Steigerungssatzes von 0,4 % auf 0,2 % für die
Zeit ab 1. Januar 1988 bewirke, soweit dies rückwirkend zum 1. Januar 1988 er-
folgte, einen Eingriff in eine bereits erdiente Anwartschaft. Soweit darüber hinaus
künftige Anwartschaften betroffen seien, lägen die zur Rechtfertigung des Ein-
griffs erforderlichen sachlich-proportionalen Gründe nicht vor. Die Anpassung
zum 1. Januar 2007 sowie zum 1. Januar 2016 seien ohne rechtfertigende
Gründe verweigert worden. Die wirtschaftliche Lage der Beklagten habe einer
Anpassung des Ruhegeldes nicht entgegengestanden.
Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Interesse - beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine um 271,10 Euro
brutto höhere Betriebsrente zu zahlen und für die Vergan-
genheit eine Nachzahlung iHv. 18.731,80 Euro zu erbrin-
gen nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Ba-
siszinssatz auf einen Teilbetrag der monatlichen Rente iHv.
119,12 Euro für die Monate ab Januar 2014.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesar-
beitsgericht hat auf die Berufung des Klägers die Beklagte verurteilt, ab Oktober
2019 ein monatliches Ruhegeld iHv. 1.656,06 Euro sowie für die Zeit ab dem
1. Januar 2016 bis zum 30. September 2019 rückständiges Ruhegeld iHv.
1.732,59 Euro zu zahlen. Mit der vom Senat eingeschränkt zugelassenen Revi-
sion verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch im Umfang der Zulassung insoweit
weiter, als er ab Juni 2020 künftig ein um 271,10 Euro brutto monatlich höheres
Ruhegeld und für die Zeit vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Mai 2020 rückständi-
ges Ruhegeld iHv. insgesamt 18.731,80 Euro brutto verlangt. Die Beklagte be-
gehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht
gegebenen Begründung kann die Berufung des Klägers nicht zurückgewiesen
werden. Ob die Klage begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der bis-
herigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend entschei-
den.
I.
Die Revision ist zulässig.
1.
Sie ist aufgrund der Zulassung durch den Beschluss des Senats vom
9. April 2020
statthaft, § 72 Abs. 1 Satz 1, § 72a Abs. 5
Satz 2 ArbGG und rechtzeitig innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nach
§ 72a Abs. 6 Satz 3 ArbGG ordnungsgemäß begründet worden. Der Beschluss
vom 9. April 2020 wurde dem Kläger am 4. Mai 2020 zugestellt. Seine Revisions-
begründung ging am 26. Juni 2020 mit einem den Anforderungen des § 130a
Abs. 2 ZPO iVm. § 2 ERVV genügenden elektronischen Dokument beim Bundes-
arbeitsgericht ein.
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2.
Die Revision wurde vom Senat beschränkt auf die Streitgegenstände
„Ablösung der VO 1979 durch die VO 1988“ und der damit erfolgten Änderung
von § 6 Abs. 3 VO 1979, wodurch der jährliche Steigerungsbetrag ab dem 1. Ja-
nuar 1988 noch 0,2 % statt wie zuvor 0,4 % beträgt zugelassen sowie hinsichtlich
der „Anpassung zum 1. Januar 2016“ und daraus folgender Zahlungsansprüche,
soweit die Anpassung eines um 119,12 Euro monatlich höheren anfänglichen
Ruhegeldes betroffen ist. Hierbei handelt es sich um unterschiedliche Streitge-
genstände zu den weiteren ursprünglich verfolgten Streitgegenständen
„Ablö-
sung der VO 1953 durch die VO 1979
“ und „Zahlungsansprüche aus der Zeit vor
dem 1. Januar 2014
“. Insoweit hat der Senat die Revision nicht zugelassen.
Diese sind folglich auch nicht Gegenstand der Revision.
II.
Die Revision ist im Umfang ihrer Zulassung begründet. Das Landesar-
beitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger könne eine Berech-
nung des anfänglichen Ruhegeldes auf der Grundlage der VO 1979 anstelle der
Berechnung auf der Grundlage der VO 1988 nicht mehr verlangen, weil Verwir-
kung eingetreten sei. Das Urteil stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig
dar
. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
. Der Senat kann auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen
nicht entscheiden, ob die Ablösung der VO 1979 durch die VO 1988 wirksam er-
folgt ist. Das führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht
zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung. Ob die zu-
lässige Klage, soweit über sie aufgrund der nur eingeschränkt zugelassenen und
eingelegten Revision noch zu entscheiden ist, begründet ist, steht noch nicht fest.
Dazu bedarf es weiterer tatsächlicher Feststellungen und Würdigungen des Lan-
desarbeitsgerichts.
1.
Die Revision des Klägers ist nicht deshalb teilweise ohne Erfolg, weil der
Kläger seinen Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz um spätere Zahlungs-
zeiträume erweitert hat. Das Landesarbeitsgericht hat über die Anträge in der
Sache entschieden. Daher hat der Senat in entsprechender Anwendung von
§ 268 ZPO in der Revision nicht mehr zu prüfen, ob eine Klageänderung nach
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§ 533 ZPO iVm. § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG vorliegt und ob diese ggf. zulässig ist
.
2.
Die Klage ist zulässig.
a)
Das gilt auch hinsichtlich des auf künftige Rentenzahlungen gerichteten
Klageantrags für die Zeit ab Juni 2020. Der Klageantrag hat die Zahlung wieder-
kehrender Leistungen iSd. § 258 ZPO zum Gegenstand. Bei wiederkehrenden
Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung ab-
hängen, können gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch künftig fällig werdende
Teilbeträge eingeklagt werden. Im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Be-
sorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen
wird
.
b)
Entgegen der - vom Landesarbeitsgericht allerdings nur hilfsweise ange-
deuteten - Rechtsansicht hat der Kläger sein Recht, seinen Anspruch auf richtige
Berechnung seines Anfangsruhegeldes klageweise geltend zu machen, nicht
verwirkt; eine Prozessverwirkung ist nicht eingetreten.
aa)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann das Recht,
eine Klage zu erheben, grundsätzlich verwirkt werden mit der Folge, dass eine
dennoch angebrachte Klage unzulässig ist. Eine solche Prozessverwirkung wird
allerdings nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen angenommen. Das
Klagerecht soll ausnahmsweise verwirken können, wenn der Anspruchsteller die
Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt und zusätzlich ein Ver-
trauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen hat, er werde gerichtlich
nicht mehr belangt werden. Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschut-
zes das Interesse des Berechtigten an der sachlichen Prüfung des von ihm be-
haupteten Anspruchs derart überwiegen, dass dem Gegner die Einlassung auf
die nicht innerhalb angemessener Frist erhobene Klage nicht mehr zumutbar ist.
Durch die Annahme einer prozessualen Verwirkung darf der Weg zu den Gerich-
ten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise er-
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schwert werden. Dies ist im Zusammenhang mit den an das Zeit- und Umstands-
moment zu stellenden Anforderungen zu berücksichtigen
.
bb)
Es kann dahinstehen, ob eine Prozessverwirkung vorliegend bereits des-
halb ausscheidet, weil § 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG, der die Verwirkung von Rech-
ten ausschließt, die Arbeitnehmern durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumt
werden, auch einer Verwirkung der gerichtlichen Geltendmachung dieser Rechte
entgegensteht. Denn die Voraussetzungen für eine Prozessverwirkung liegen
nicht vor. Es fehlt jedenfalls am Umstandsmoment. Umstände, die es der Beklag-
ten unzumutbar machen könnten, sich auf die Klage sachlich einzulassen, sind
nicht ersichtlich. Einzig der Umstand, dass die Klage erst 13 Jahre nach dem
Eintritt in den Ruhestand erhoben wurde, mag ggf. das erforderliche Zeit-, nicht
jedoch das Umstandsmoment erfüllen.
3.
Ob die Klage begründet ist, kann der Senat auf der Grundlage der bishe-
rigen Feststellungen nicht entscheiden. Entgegen der Auffassung des Landesar-
beitsgerichts hat der Kläger seinen Anspruch, die Unwirksamkeit der Ablösung
der VO 1979 durch die VO 1988 geltend zu machen und in der Folge ein höheres
Ausgangsruhegeld zum 1. Januar 2004 zu verlangen, nicht gemäß § 242 BGB
verwirkt. Ob die Ablösung gemessen am dreistufigen Prüfungsschema des Se-
nats wirksam ist, kann aufgrund der fehlenden Feststellungen zur wirtschaftlichen
Lage der Beklagten zum Zeitpunkt der Ablösung am 1. Januar 1988 nicht ab-
schließend beurteilt werden.
a)
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, das Recht des Klägers,
eine Neuberechnung seines Ausgangsruhegeldes bei Eintritt des Versorgungs-
falls am 1. Januar 2004 auf der Grundlage einer anderen Versorgungsordnung
als der VO 1988 zu verlangen, sei verwirkt. Der Verwirkungseinwand sei vorlie-
gend nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger eine Berechnung seines
Ausgangsruhegeldes auf der Grundlage der VO 1979 begehrt, die eine Betriebs-
vereinbarung darstelle und Rechte aus Betriebsvereinbarungen nach § 77 Abs. 4
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Satz 3 BetrVG nicht verwirken könnten. Andere aus § 242 BGB abgeleitete Fall-
gruppen - wie etwa die der treuwidrigen Geltendmachung - seien möglich. Dies
habe auch das Bundesarbeitsgericht
anerkannt, in dem es im entschiedenen Fall den aus
§ 242 BGB abgeleiteten Einwand des Verbots widersprüchlichen Verhaltens
(„venire contra factum proprium“) bei einer auf einer Betriebsvereinbarung beru-
henden Versorgung geprüft habe. Dazu sei zu berücksichtigen, dass eine ver-
spätete Geltendmachung nicht nur die Interessen des Verpflichteten berühre,
sondern auch die Interessen der Solidargemeinschaft aller Betriebsrentner, die
durch eine unbeschränkte, jederzeitige Neuberechnung gefährdet wäre. Dies sei
in die entsprechende Billigkeitskontrolle einzustellen. Schließlich sei zu beach-
ten, dass nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungs-
grundsatz resultierende Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersver-
sorgung verwirken könnten und der Verwirkungseinwand hinsichtlich der Anpas-
sungsentscheidung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG eine höchstrichterliche Konkreti-
sierung erfahren habe
.
Es sei inkonsistent,
den in der Normhierarchie höherstehenden gesetzlichen „An-
spruch auf Anpassung der Rente“ unter leichteren Voraussetzungen einzu-
schränken als den aus einer Betriebsvereinbarung resultierenden Anspruch auf
Berechnung des Rentenstammrechts. Unter Berücksichtigung all dessen sei es
vorzugswürdig, den Anspruch auf Neuberechnung der Ausgangsrente nach
§ 242 BGB zu beschränken.
Der Kläger habe vorliegend über einen Zeitraum von nahezu 13 Jahren
die Berechnung des Ausgangsruhegeldes unbeanstandet gelassen. Dies über-
steige den Dreijahreszeitraum nach § 16 Abs. 1 BetrAVG um das Vierfache. Eine
verlässliche Prognose der wirtschaftlichen Lage sei nicht möglich, wenn man
Neuberechnungen nach so langer Zeit rückwirkend zulasse. Allein im Fall des
Klägers seien dies mehr als 66.000,00 Euro. Wenn der Anspruch auf nachträgli-
che Anpassung der laufenden Leistungen bereits nach drei Jahren rechtsmiss-
bräuchlich sein könne, müsse dies erst Recht gelten, wenn der Versorgungsemp-
fänger nach 13 Jahren nicht nur eine unzureichende Anpassung rügt, sondern
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die Grundlage der Rentenberechnung radikal in Zweifel ziehen wolle. Der Kläger
habe nicht nur die Erstberechnung seines Ruhegeldes nicht beanstandet, son-
dern auch die Anpassungen zum 1. Januar 2010 und zum 1. Januar 2013.
b)
Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind nicht frei von
Rechtsfehlern. Das Landesarbeitsgericht hat - obschon es § 77 Abs. 4 Satz 3
BetrVG in seine Überlegungen einbezogen hat - angenommen, das Recht des
Klägers, eine Berechnung seines anfänglichen Ruhegeldes (Ausgangsrente) auf
der Grundlage der VO 1979 - einer (Gesamt)Betriebsvereinbarung - zu verlan-
gen, weil die Ablösung durch die VO 1988 gemessen am dreistufigen Prüfungs-
schema des Senats unwirksam ist, sei verwirkt. Dies lässt § 77 Abs. 4 Satz 3
BetrVG - der vorliegend Anwendung findet - jedoch gerade nicht zu.
aa)
Es kann dahinstehen, ob mit der bisherigen Rechtsprechung anzuneh-
men ist, dass die Betriebsparteien keine Regelungsbefugnis für ausgeschiedene
Arbeitnehmer haben. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob an der daraus ge-
zogenen Folgerung festzuhalten ist, dass sich durch Betriebsvereinbarung fest-
gelegte Rechte der ausgeschiedenen Arbeitnehmer - und damit auch der Be-
triebsrentner - nicht mehr aus der normativ geltenden Betriebsvereinbarung er-
geben, sondern ab diesem Zeitpunkt einen individuellen selbständigen schuld-
rechtlichen Einzelanspruch darstellen
. Jedenfalls wurden die Rechte iSv. § 77 Abs. 4
Satz 3 iVm. Satz 2 BetrVG durch eine Betriebsvereinbarung
„eingeräumt“, denn
der Inhalt dieser Rechte beruht auf der durch die Betriebsvereinbarung geschaf-
fenen Regelung. Die Umwandlung der Rechtsnatur dieser Ansprüche berührte
im Übrigen nicht die Rechtswirkungen der zugrunde liegenden Bestimmungen.
Die Umwandlung dient der Sicherung der aufgrund einer während des Arbeits-
verhältnisses normativ geltenden Betriebsvereinbarung erworbenen Rechte.
Eine Einschränkung des durch die Betriebsvereinbarung vermittelten Schutzes
aus § 77 Abs. 4 BetrVG ist damit nicht vereinbar.
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Der Kläger verfolgt mit seiner Klage durch Betriebsvereinbarung einge-
räumte Rechte. Die VO 1979 wurde in Nr. 1 der Betriebsvereinbarung vom
21. Dezember 1979 ausdrücklich zu deren Bestandteil gemacht. Durch diese
Verweisung wurde die für den Abschluss von Betriebsvereinbarungen geltende
Schriftform des § 77 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gewahrt
.
bb)
§ 77 Abs. 4 Satz 3 BetrVG steht einer materiell-rechtlichen Verwirkung
entgegen.
Zwar ist es zutreffend, dass diese Bestimmung nur die Verwirkung und
damit die illoyal verspätete Geltendmachung eines einem Arbeitnehmer durch
eine Betriebsvereinbarung eingeräumten Rechts ausschließt
. Demgegenüber kann der Ausübung eines ei-
nem Arbeitnehmer durch eine Betriebsvereinbarung eingeräumten Rechts ein
anderer aus § 242 BGB abgeleiteter Einwand, wie etwa der Rechtsmissbrauchs-
einwand oder der Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens, ent-
gegengehalten werden
.
Das Landesarbeitsgericht hat aber keine andere anerkannte Fallgruppe bejaht,
sondern eine Verwirkung eines einem Arbeitnehmer durch eine Betriebsverein-
barung eingeräumten Rechts angenommen. Dies zeigen auch seine Ausführun-
gen zum Vergleich mit der Rechtsprechung des Senats zur Verwirkung des
Rechts einer nachträglichen Anpassung
. Die Voraussetzungen einer anderen Fallgruppe
sind zudem nicht ersichtlich.
Unabhängig davon, ob es einen vom Landesarbeitsgericht sog. An-
spruch auf Anpassung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG überhaupt gibt, kann jedenfalls
aus der Normhierarchie von gesetzlichem Anspruch aus § 16 Abs. 1 BetrAVG als
höherrangigem Recht einerseits und einem
„Anspruch aus einer Betriebsverein-
barung
“ als niederrangigem Recht andererseits nichts für die Auffassung des
Landesarbeitsgerichts abgeleitet werden. Der Ausschluss der Verwirkung bei
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Rechten von Arbeitnehmern aus einer Betriebsvereinbarung beruht auf § 77
Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 BetrVG und damit auf einem Gesetz. Das Betriebsver-
fassungsgesetz ordnet - ähnlich wie § 4 Abs. 4 Satz 2 TVG und § 3 Satz 3
MiLoG - den Ausschluss der Verwirkung kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anord-
nung an. Daran fehlt es bei § 16 BetrAVG.
Soweit das Landesarbeitsgericht die immensen wirtschaftlichen Folgen
einer erst nach vielen Jahren erfolgenden Geltendmachung einer ordnungsge-
mäßen Berechnung des Ausgangsruhegeldes und dabei dem
Interesse der „So-
lidargemeinschaft“ aller Versorgungsberechtigten besonderes Gewicht beimisst,
spricht auch dies nicht für die Auffassung des Landesarbeitsgerichts. Insoweit ist
der Versorgungsschuldner über das Verjährungsrecht geschützt. Die rückwir-
kende Belastung mit Forderungen seit dem Jahr 2004 ist kein tragfähiges Argu-
ment.
c)
Ob die Ablösung der BV 1979 durch die BV 1988 wirksam ist, kann der
Senat auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen und Würdigungen des
Landesarbeitsgerichts nicht selbst beurteilen.
aa)
Regeln - wie hier - mehrere zeitlich aufeinanderfolgende Betriebsverein-
barungen denselben Gegenstand, gilt zwar das Ablösungsprinzip. Danach löst
eine neue Betriebsvereinbarung eine ältere grundsätzlich auch dann ab, wenn
die Neuregelung für den Arbeitnehmer ungünstiger ist
.
Das Ablösungsprinzip ermöglicht allerdings nicht jede Änderung. Soweit in be-
stehende Besitzstände eingegriffen wird, sind die Grundsätze des Vertrauens-
schutzes und der Verhältnismäßigkeit zu beachten
.
(1)
Diese Grundsätze hat der Senat für Eingriffe in die Höhe von Versor-
gungsanwartschaften durch ein dreistufiges Prüfungsschema präzisiert
. Danach sind den abgestuften Besitzständen der Arbeitnehmer
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entsprechend abgestufte, unterschiedlich gewichtete Eingriffsgründe des Arbeit-
gebers gegenüberzustellen. Der unter der Geltung der bisherigen Ordnung und
in dem Vertrauen auf deren Inhalt bereits erdiente und entsprechend § 2 Abs. 1,
§ 2a Abs. 1 BetrAVG ermittelte Teilbetrag kann hiernach nur in seltenen Ausnah-
mefällen entzogen werden. Das setzt zwingende Gründe voraus. Zuwächse, die
sich - wie etwa bei endgehaltsbezogenen Zusagen - dienstzeitunabhängig aus
dynamischen Berechnungsfaktoren ergeben (erdiente Dynamik), können nur aus
triftigen Gründen geschmälert werden. Für Eingriffe in dienstzeitabhängige, noch
nicht erdiente Zuwachsraten genügen sachlich-proportionale Gründe
.
(2)
Ob eine spätere Betriebsvereinbarung in Besitzstände eingreift und des-
halb eine Überprüfung anhand des dreistufigen Prüfungsschemas erforderlich ist,
kann nur im jeweiligen Einzelfall und auf das Einzelfallergebnis bezogen festge-
stellt werden
. Dazu ist es erforderlich, die Versor-
gungsansprüche bzw. -anwartschaften nach den beiden unterschiedlichen Ver-
sorgungsordnungen zu berechnen und einander gegenüberzustellen. Deshalb
kann insbesondere bei endgehaltsbezogenen Versorgungszusagen regelmäßig
erst beim Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis festgestellt werden, ob mit der
ablösenden Neuregelung in bestehende Besitzstände eingegriffen wird. In diesen
Fällen kann regelmäßig erst zu diesem Zeitpunkt beurteilt werden, welche Ver-
sorgungsordnung sich als günstiger erweist
.
bb)
Die Ablösung der VO 1979 durch die VO 1988 führt danach - entgegen
der Auffassung des Klägers - weder zu einem Eingriff in den erdienten Teilbetrag,
noch zu einem solchen in die erdiente Dynamik. Der erdiente Teilbetrag und die
erdiente Dynamik sind dadurch zu ermitteln, dass auf der Grundlage der VO 1979
und der VO 1988 die Versorgungsansprüche des Klägers errechnet werden.
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Unter Zugrundelegung der für den Kläger günstigsten Berechnung aus
dem Berechnungsbogen für eine betriebliche Versorgungsleistung - Altersbeihilfe
konnte der Kläger bei unveränderter Fortgeltung der VO 1979 zum Zeitpunkt der
vorgezogenen Inanspruchnahme des Ruhegeldes am 1. Januar 2004 einen Voll-
anspruch iHv. 1.497,03 Euro brutto erreichen. Dieser ergibt sich, wenn man in
der Vergleichsberechnung für die Zeit ab dem 1. Januar 1988 ebenfalls einen
jährlichen Steigerungssatz von 0,4 % anstelle von 0,2 % ansetzt. Dadurch erhöht
sich die Vollleistung von 1.377,91 Euro brutto um weitere 119,12 Euro brutto
(3.722,41 Euro brutto [tatsächliches rentenfähiges Einkommen bei Eintritt des
Versorgungsfalls am 31. Dezember 2003] x 0,2 % x 16 Jahre) auf dann
1.497,03 Euro brutto. Zur Ermittlung des erdienten Teilbetrags zum Ablösestich-
tag 1. Januar 1988 ist der Wert der Vollleistung iHv. 1.497,03 Euro brutto zeitra-
tierlich zu kürzen im Verhältnis der bisherigen Dienstzeit (1. März 1955 bis
31. Dezember 1987 = 394 Monate) zur möglichen Dienstzeit beim tatsächlichen
Eintritt des Versorgungsfalls am 31. Dezember 2003 (1. März 1955 bis 31. De-
zember 2003 = 586 Monate). Danach ergibt sich ein erdienter Teilbetrag iHv.
1.006,54 Euro brutto (1.497,03 Euro brutto x 394 Monate : 586 Monate).
Durch die Zugrundelegung eines rentenfähigen Einkommens beim Ein-
tritt des Versorgungsfalls iHv. 3.722,41 Euro brutto sind die erdiente Dynamik und
durch die Berücksichtigung des tatsächlichen Eintritts des Versorgungsfalls am
31. Dezember 2003 die vorgezogene Inanspruchnahme des Ruhegeldes bei der
Berechnung bereits berücksichtigt. Da die Beklagte dem Kläger ab dem 1. Januar
2004 zunächst ein anfängliches Ruhegeld iHv. 1.377,91 Euro brutto und damit
mehr als 1.006,54 Euro brutto gezahlt hat, liegt weder ein Eingriff in den erdienten
Teilbetrag noch ein solcher in die erdiente Dynamik vor.
cc)
Allerdings liegt ein Eingriff in künftige Zuwächse vor. Unter Zugrundele-
gung der VO 1979 hätte der Kläger bei Eintritt des Versorgungsfalls ein Anspruch
auf monatliches Ruhegeld iHv. 1.497,03 Euro brutto gehabt. Tatsächlich hat er
unter Berücksichtigung der durch die VO 1988 vorgenommenen Verschlechte-
rung - Absenkung der künftigen jährlichen Steigerungsbeträge von 0,4 % auf
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0,2 % - ein anfängliches monatliches Ruhegeld iHv. 1.377,91 Euro brutto erhal-
ten und damit 119,12 Euro brutto weniger.
dd)
Unter sachlich-proportionalen Gründen, die einen Eingriff auf der dritten
Besitzstandsstufe rechtfertigen, sind nachvollziehbare, anerkennenswerte und
damit willkürfreie Gründe zu verstehen. Diese können auf einer Fehlentwicklung
der betrieblichen Altersversorgung, einer wirtschaftlich ungünstigen Entwicklung
des Unternehmens beruhen oder auf geänderten anerkennenswerten Vorstellun-
gen der Betriebsparteien.
(1)
Beruft sich der Arbeitgeber - wie hier - auf wirtschaftliche Schwierigkei-
ten, müssen die sachlichen Gründe für den Eingriff in die betriebliche Altersver-
sorgung nicht das für einen triftigen Grund erforderliche Gewicht erreicht haben.
Eine langfristig unzureichende Eigenkapitalverzinsung oder langfristige Sub-
stanzgefährdung ist nicht erforderlich. Dementsprechend liegen sachliche
Gründe nicht erst dann vor, wenn die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens
konkret gefährdet ist. Zur Rechtfertigung des Eingriffs in die betriebliche Alters-
versorgung bedarf es auch nicht der Feststellung einer insolvenznahen Lage
. Entscheidend
ist, ob wirtschaftliche Schwierigkeiten vorliegen, auf die ein vernünftiger Unter-
nehmer reagieren darf
.
(2)
Darüber hinaus müssen die Gründe für den Eingriff in die betriebliche
Altersversorgung „proportional“ sein. Beruft sich der Arbeitgeber darauf, wirt-
schaftliche Schwierigkeiten hätten ihn veranlasst, die Kosten zu reduzieren, ste-
hen ihm sachlich-proportionale Gründe zur Seite, wenn die Eingriffe in die be-
triebliche Altersversorgung in der eingetretenen wirtschaftlichen Situation nicht
unverhältnismäßig waren
.
Dies ist dann der Fall, wenn die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung
in die künftigen dienstzeitabhängigen Zuwächse nicht weiter eingreift, als ein ver-
nünftiger Unternehmer dies zur Kosteneinsparung in der konkreten wirtschaftli-
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chen Situation für geboten erachten durfte. Eines ausgewogenen, die Sanie-
rungslasten angemessen verteilenden Sanierungsplans bedarf es nicht
. Deshalb ist es
nicht erforderlich, dass die einzelnen, zur Kosteneinsparung getroffenen Maß-
nahmen in einem angemessenen Verhältnis zueinanderstehen. Vielmehr reicht
es aus, dass sich der Eingriff in das betriebliche Versorgungswerk in ein auf eine
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zur Beseitigung der wirtschaftlichen
Schwierigkeiten ausgerichtetes Gesamtkonzept einpasst
und die Ausgestaltung dieses Gesamtkon-
zepts plausibel ist
.
Anderweitige Maßnahmen zur Kosteneinsparung müssen nicht ausgeschöpft
sein, bevor Eingriffe in künftige Zuwächse vorgenommen werden
. Unternehmerische
Entscheidungen, die auf den ersten Blick der Kostenreduzierung zuwiderlaufen,
müssen einleuchtend sein
. Dem Arbeitgeber und insbesondere den Betriebsparteien steht bei der
Beurteilung der dem Eingriff zugrunde liegenden tatsächlichen Gegebenheiten
und der finanziellen Auswirkungen der ergriffenen Maßnahmen eine Einschät-
zungsprärogative zu. Hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts haben
sie einen Beurteilungsspielraum.
(3)
Hiervon ausgehend hat der Arbeitgeber im Prozess substantiiert darzu-
tun, welche wirtschaftlichen Schwierigkeiten vorliegen, in welchem Gesamtum-
fang angesichts dessen eine Kosteneinsparung aus Sicht eines vernünftigen Un-
ternehmers geboten war und wie das notwendige Einsparvolumen ermittelt
wurde. Darüber hinaus hat er sein Gesamtkonzept zu erläutern. Hierzu hat er
sämtliche anderen Maßnahmen im Einzelnen darzulegen, die zur Kosteneinspa-
rung getroffen wurden. Zudem ist vorzutragen, in welchem Umfang diese Maß-
nahmen bei prognostischer Betrachtung zur Einsparung beitragen und wie das
auf die durchgeführten Maßnahmen entfallende Einsparpotential ermittelt wurde.
Ferner ist darzutun, in welchem Umfang die Neuregelung der betrieblichen Al-
tersversorgung zur Kosteneinsparung beiträgt und nach welchen Kriterien das
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prognostizierte Einsparvolumen ermittelt wurde. Auf entsprechenden Einwand
des Arbeitnehmers muss der Arbeitgeber erläutern, weshalb anderweitige Maß-
nahmen zur Reduzierung der Kosten nicht getroffen wurden
und unternehmerische Entschei-
dungen, die auf den ersten Blick dem Ziel der Kostenreduzierung zuwiderlaufen,
erklären
.
(4)
Zur wirtschaftlichen Lage der Beklagten im Jahr 1988 hat das Landesar-
beitsgericht - auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung konsequent - keine
Feststellungen getroffen. Dies wird es im Rahmen des fortgesetzten Berufungs-
verfahrens nachzuholen haben. Dabei wird es den umfangreichen Sachvortrag
der Beklagten und ggf. von ihr vorgelegte Privatgutachten
und Jahresabschlüsse, unter Berücksichtigung des Bestreitens des Sachvortrags
durch den Kläger, auszuwerten haben.
(5)
Daneben wird das Landesarbeitsgericht ggf. zu berücksichtigen haben,
dass die VO 1988 nicht nur die Absenkung der künftigen dienstzeitabhängigen
Steigerungsbeträge zum Gegenstand hat, sondern auch die rückwirkende Wie-
dereröffnung des Versorgungswerks für alle Neueintritte ab dem 1. Januar 1987.
Ausgehend von diesem bislang nicht vertieft berücksichtigten und vom
Landesarbeitsgericht nicht gewürdigten Umstand, ist es nicht ausgeschlossen,
dass die Betriebsparteien, denen bei der Beurteilung der dem Eingriff zugrunde
liegenden tatsächlichen Gegebenheiten und der finanziellen Auswirkungen der
ergriffenen Maßnahmen eine Einschätzungsprärogative zusteht und die hinsicht-
lich der Ausgestaltung des Gesamtkonzepts einen Beurteilungsspielraum haben
, vorliegend zulässi-
gerweise eine neue gestaltende Verteilungsentscheidung getroffen haben. Damit
könnte ein sachlich-proportionaler Grund gegeben sein.
Zwar liegen in einem solchen Fall weder wirtschaftliche Gründe für den
Eingriff noch eine Fehlentwicklung der betrieblichen Altersversorgung vor
. Bei langfristig
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wirkenden Betriebsvereinbarungen über die betriebliche Altersversorgung kann
sich aber die Situation ergeben, dass deren Inhalt späteren Gegebenheiten und
veränderten Wertvorstellungen nicht mehr entspricht. Die Betriebsparteien, de-
nen durch § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG ein Gestaltungsauftrag erteilt
wurde, müssen daher die Möglichkeit haben, auf solche Änderungen für die Zu-
kunft zu reagieren und insbesondere bislang nicht versorgte Arbeitnehmer in ein
Versorgungswerk einzubeziehen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Dotie-
rungsrahmen im Wesentlichen zumindest gleich hoch bleibt und der Eingriff für
die nachteilig betroffene Arbeitnehmergruppe zumutbar ist
. Dies wird das Landesarbeitsgericht unter Berück-
sichtigung des zu erwartenden Sachvortrags zu prüfen haben.
d)
Der Rechtsstreit ist ebenfalls nicht zur Endentscheidung reif, soweit es
um die Ermittlung des Anpassungsbedarfs zum 1. Januar 2013 und zum 1. Ja-
nuar 2016 geht. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob die Anpassung des Ruhegel-
des zum 1. Januar 2007 von der Beklagten zu Recht unterlassen wurde. Das
Landesarbeitsgericht hat die wirtschaftliche Lage der Beklagten in den Jahren
2004 bis 2006 nicht festgestellt und darauf aufbauend ihre Prognose, ihre wirt-
schaftliche Lage lasse eine Anpassung nicht zu, nicht überprüft. Dies wird es
unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Senats
nachzuholen haben. Das Landesar-
beitsgericht hat - obschon der Vortrag der Beklagten hierzu Anlass gegeben
hat - auch nicht näher beleuchtet, ob die Anpassung zum 1. Januar 2007 mög-
licherweise unabhängig von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage der Beklag-
ten nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG als zu Recht unterblieben gilt. Auch dies
wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben.
aa)
Soweit es die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten zum
Anpassungsstichtag 1. Januar 2007 angeht, wird das Landesarbeitsgericht fol-
gende Grundsätze zu beachten haben:
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(1)
Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitge-
ber die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftliche
Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Be-
triebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet.
(a)
Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene
Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine
Prognose voraus. Beurteilungsgrundlage für die insoweit zum Anpassungsstich-
tag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Ent-
wicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus
Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zu-
verlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren reprä-
sentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet wer-
den. Dabei handelt es sich grundsätzlich um einen Mindestzeitraum, der nicht
stets und unter allen Umständen ausreichend ist. Ausnahmsweise kann es ge-
boten sein, auf einen längeren Zeitraum abzustellen. Dies kommt insbesondere
in Betracht, wenn die spätere Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zu berech-
tigten Zweifeln an der Vertretbarkeit der Prognose des Arbeitgebers führt
.
Zwar ist maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt der Anpassungsstichtag.
Allerdings kann sich auch die wirtschaftliche Entwicklung nach dem Anpassungs-
stichtag auf die Überprüfung der Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers
auswirken. Die wirtschaftlichen Daten nach dem Anpassungsstichtag bis zur letz-
ten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz können die frühere Prog-
nose bestätigen oder entkräften. Voraussetzung für die Berücksichtigung einer
späteren Entwicklung ist allerdings, dass die Veränderungen in den wirtschaftli-
chen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorher-
sehbar waren. Spätere unerwartete Veränderungen der wirtschaftlichen Verhält-
nisse des Unternehmens können erst bei der nächsten Anpassungsprüfung be-
rücksichtigt werden
.
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(b)
Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung ei-
ner Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermä-
ßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Nach der Recht-
sprechung des Senats wird die Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, wenn keine an-
gemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird oder wenn das Unterneh-
men nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Bei einer ungenügenden
Eigenkapitalverzinsung reicht die Ertragskraft des Unternehmens nicht aus, um
die Anpassungen finanzieren zu können. Bei einer ungenügenden Eigenkapital-
ausstattung muss verlorene Vermögenssubstanz wieder aufgebaut werden, be-
vor dem Unternehmen die Anpassung von Betriebsrenten zugemutet werden
kann. Demnach rechtfertigt die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers die Ableh-
nung einer Betriebsrentenanpassung nur insoweit, als dieser annehmen darf,
dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, den
Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wert-
zuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpas-
sungsstichtag aufzubringen. Deshalb kommt es auf die voraussichtliche Entwick-
lung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unterneh-
mens an
.
(c)
Da für die Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG die wirtschaft-
liche Lage des Arbeitgebers maßgeblich ist, kommt es auf die Verhältnisse im
Unternehmen des versorgungspflichtigen Arbeitgebers an. Dies gilt auch dann,
wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden ist. Ein Konzern ist lediglich
eine wirtschaftliche Einheit ohne eigene Rechtspersönlichkeit und kann demnach
nicht Schuldner der Betriebsrentenanpassung sein. Die Konzernverbindung al-
lein ändert weder etwas an der Selbstständigkeit der beteiligten juristischen Per-
sonen noch an der Trennung der jeweiligen Vermögensmassen
.
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(d)
Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht grundsätzlich aus ei-
nem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das in dem Unternehmen
investierte Kapital ausgesetzt ist. Der Basiszins entspricht der Umlaufrendite öf-
fentlicher Anleihen. Der Risikozuschlag beträgt 2 vH
.
(aa)
Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die er-
zielten Betriebsergebnisse, anderseits auf die Höhe des Eigenkapitals abzustel-
len. Beide Berechnungsfaktoren sind nicht ausgehend von den nach internatio-
nalen Rechnungslegungsregeln erstellten Abschlüssen, sondern auf der Grund-
lage der nach den handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten Jah-
resabschlüsse zu bestimmen
. Allerdings sind beim erzielten Betriebsergebnis
gegebenenfalls betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen vorzunehmen. Dies
gilt nicht nur für Scheingewinne, sondern beispielsweise auch für betriebswirt-
schaftlich überhöhte Abschreibungen. Außerordentliche Erträge sind zwar keine
Scheingewinne. Ihr Ausnahmecharakter kann jedoch bei der Beurteilung der
künftigen Ertragsentwicklung nicht außer Acht gelassen werden. In der Regel
sind außerordentliche Erträge und außerordentliche Verluste aus den der Prog-
nose zugrunde gelegten früheren Jahresabschlüssen herauszurechnen. Etwas
Anderes gilt jedoch dann, wenn außerordentliche Erträge oder Verluste auch der
Höhe nach eine ausreichende Kontinuität aufweisen. Darüber hinaus sind wirt-
schaftliche Daten, die auf Entwicklungen oder Umständen beruhen, die nicht fort-
wirken und sich voraussichtlich nicht wiederholen werden, in der Regel nicht re-
präsentativ für die weitere Ertragslage und deshalb bei der Ermittlung der Eigen-
kapitalverzinsung regelmäßig nicht zu berücksichtigen
.
(bb)
Für die Frage, ob der Versorgungsschuldner eine angemessene Eigen-
kapitalverzinsung erzielt hat, kommt es auf das bilanzielle Eigenkapital iSv. § 266
Abs. 3 Buchst. A HGB an. Dazu zählen nicht nur das gezeichnete Kapital
(Stammkapital) und die Kapitalrücklage, sondern auch Gewinnrücklagen, Ge-
winn- und Verlustvorträge und Jahresüberschüsse/Jahresfehlbeträge. Da sich
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das Eigenkapital während eines Geschäftsjahres ständig verändert, kann weder
das zu Beginn des Geschäftsjahres vorhandene noch das am Ende des Ge-
schäftsjahres erreichte Eigenkapital zugrunde gelegt werden. Vielmehr ist von
einem Durchschnittswert auszugehen. Das Eigenkapital zu Beginn und zum
Ende des Geschäftsjahres sind zu addieren und anschließend zu halbieren
.
(cc)
Das Eigenkapital kann nicht uneingeschränkt mit dem Betriebsergebnis
nach Steuern verglichen werden. Zwar sind Betriebssteuern (sonstige Steuern)
Aufwendungen des Unternehmens und schmälern die verwendungsfähigen Mit-
tel, sodass sie beim erzielten Betriebsergebnis zu berücksichtigen sind. Anders
verhält es sich hingegen bei den Steuern vom Einkommen und vom Ertrag; diese
sind beim erzielten Betriebsergebnis nicht zu berücksichtigen. Dasselbe gilt für
Steuererstattungen für Vorjahre, soweit sie in der Gewinn- und Verlustrechnung
ebenfalls unter den Steuern vom Einkommen und vom Ertrag erfasst werden.
Auch diese Erträge bleiben bei der Ermittlung des erzielten Betriebsergebnisses
außer Betracht
.
(e)
Der Arbeitgeber hat darzulegen und zu beweisen, dass seine Anpas-
sungsentscheidung billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des
§ 16 BetrAVG hält. Die Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich auf alle die
Anpassungsentscheidung beeinflussenden Umstände
.
Für die Feststellung sowohl der erzielten Betriebsergebnisse als auch
des vorhandenen Eigenkapitals bieten die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse
den geeigneten Einstieg. Betriebswirtschaftlich gebotene Korrekturen können
aber dann vorgenommen werden, wenn der Sachvortrag der Parteien ausrei-
chende Anhaltspunkte dafür enthält, dass derartige Korrekturen notwendig sind.
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Jahresabschlüsse handelsrechtlich
ordnungsgemäß erstellt wurden. Sofern der Versorgungsberechtigte die Fehler-
haftigkeit testierter Jahresabschlüsse geltend machen will, hat er die nach seiner
Ansicht unterlaufenen Fehler näher zu bezeichnen. Hat er die ordnungsgemäße
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Erstellung der Jahresabschlüsse substantiiert bestritten, hat der Arbeitgeber vor-
zutragen und unter Beweis zu stellen, weshalb die Jahresabschlüsse insoweit
nicht zu beanstanden sind
.
(2)
Mit Blick darauf, dass die Beklagte - soweit ersichtlich - für den entschei-
denden, der Prognose der wirtschaftlichen Lage für den Anpassungsstichtag
1. Januar 2007 zugrunde zu legenden Zeitraum von mindestens dem 1. Januar
2004 bis zum 31. Dezember 2006 im vorliegenden Verfahren keine testierten
Jahresabschlüsse vorgelegt, sondern lediglich umfassend zur wirtschaftlichen
Lage vorgetragen hat, diese jedoch vom Kläger umfangreich bestritten wurde,
sieht der Senat von weiteren Hinweisen hierzu ab.
bb)
Für den Fall, dass die wirtschaftliche Lage der Beklagten zum 1. Januar
2007 einer Anpassung der laufenden Leistungen nicht entgegenstanden hat, wird
das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen der Fiktion
nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG vorgelegen haben. Die Beklagte hat im Ver-
fahren geltend gemacht, sie habe den Kläger entsprechend § 16 Abs. 4 Satz 2
BetrAVG unterrichtet, weshalb die unterlassene Anpassung als zu Recht unter-
blieben im Sinne von § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG gelten würde. Feststellungen
zum Inhalt eines Schreibens der Beklagten an den Kläger zur unterlassenen An-
passung des Ruhegeldes zum 1. Januar 2007 hat das Landesarbeitsgericht nicht
getroffen. Dies wird es ggf. unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Se-
nats zu § 16 Abs. 4 BetrAVG
nachzuholen haben.
cc)
Anschließend wird sich das Landesarbeitsgericht mit der Ermittlung des
Anpassungsbedarfs zum 1. Januar 2013, zum 1. Januar 2016 und zum 1. Januar
2019 zu befassen haben.
(1)
Soweit es den Anpassungsbedarf zum 1. Januar 2013 betrifft, wird das
Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass der Anpassungsbedarf zu diesem
Stichtag anhand des Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2005 zu er-
mitteln ist. Da die Anpassung jeweils zu einem bestimmten Stichtag zu prüfen
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und ggf. vorzunehmen ist, kommt es aus Gründen der Rechtssicherheit auf die
aktuelle statistische Grundlage an, die zum maßgeblichen Anpassungszeitpunkt
vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht war
. Dies ist der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis
2005. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 wurde im Februar
2013 veröffentlicht und war zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2013 noch nicht
maßgeblich. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs kommt es auf die Index-
werte der Monate an, die dem Rentenbeginn und dem aktuellen Anpassungs-
stichtag unmittelbar vorausgehen.
Danach beläuft sich die Teuerungsrate vom Rentenbeginn (1. Januar
2004) bis zum aktuellen Anpassungsstichtag (1. Januar 2013) auf 17,25 vH. Der
Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2005 betrug im Dezember 2003
97,4 und im Dezember 2012 114,2. Daraus errechnet sich eine Preissteigerung
von 17,25 vH ([114,2 : 97,4 - 1] x 100).
Das Landesarbeitsgericht wird - sofern die Anpassung zum 1. Januar
2007 von der Beklagten zu Recht unterlassen wurde oder nach § 16 Abs. 4
Satz 2 BetrAVG als zu Recht unterlassen gilt - den Anpassungsbedarf zum An-
passungsstichtag 1. Januar 2013 um den bis zum 1. Januar 2007 angefallenen
Anpassungsbedarf zu bereinigen haben
. Dieser beläuft sich gerechnet vom Rentenbeginn (1. Januar 2004) bis
zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2007 auf 5,13 vH. Der Verbraucherpreisin-
dex für Deutschland Basis 2005 betrug im Dezember 2003 97,4 und im
Dezember 2006 102,4. Daraus errechnet sich eine Preissteigerung von 5,13 vH
([102,4 : 97,4 - 1] x 100). In diesem Fall beliefe sich der Anpassungsbedarf zum
1. Januar 2013 dann auf 12,12 vH (17,25 vH - 5,13 vH).
Das vom Landesarbeitsgericht ermittelte zutreffende Ausgangsruhegeld
iHv. entweder 1.377,91 Euro - bei wirksamer Ablösung - oder 1.497,03 Euro - bei
unwirksamer Ablösung - zum 1. Januar 2004 wäre dann zum 1. Januar 2013 ent-
weder um 17,25 vH oder um 12,12 vH zu erhöhen.
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3 AZR 246/20
ECLI:DE:BAG:2020:131020.U.3AZR246.20.0
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(2)
Soweit es den Anpassungsbedarf zum 1. Januar 2016 betrifft wird das
Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass der Anpassungsbedarf zu diesem
Stichtag anhand des Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 zu er-
mitteln ist. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 wurde im Feb-
ruar 2013 veröffentlicht und war zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2016 noch
maßgeblich. Für die Ermittlung des Anpassungsbedarfs kommt es - wie ausge-
führt - auf die Indexwerte der Monate an, die dem Rentenbeginn und dem aktu-
ellen Anpassungsstichtag unmittelbar vorausgehen.
Danach beläuft sich die Teuerungsrate vom Rentenbeginn (1. Januar
2004) bis zum aktuellen Anpassungsstichtag (1. Januar 2016) auf 18,76 vH. Der
Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 betrug im Dezember 2003
90,1 und im Dezember 2015 107,0. Daraus errechnet sich eine Preissteigerung
von 18,76 vH ([107,0 : 90,1 - 1] x 100).
Das Landesarbeitsgericht wird - sofern die Anpassung zum 1. Januar
2007 von der Beklagten zu Recht unterlassen wurde oder nach § 16 Abs. 4
Satz 2 BetrAVG als zu Recht unterlassen gilt - den Anpassungsbedarf zum An-
passungsstichtag 1. Januar 2013 um den bis zum 1. Januar 2007 angefallenen
Anpassungsbedarf zu bereinigen haben. Dieser beläuft sich auf gerechnet vom
Rentenbeginn (1. Januar 2004) bis zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2007 auf
5,11 vH. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 betrug im De-
zember 2003 90,1 und im Dezember 2006 94,7. Daraus errechnet sich eine
Preissteigerung von 5,11 vH ([94,7 : 90,1 - 1] x 100). In diesem Fall beliefe sich
der Anpassungsbedarf zum 1. Januar 2016 dann auf 13,65 vH (18,76 vH -
5,11 vH).
Das vom Landesarbeitsgericht ermittelte zutreffende Ausgangsruhegeld
zum 1. Januar 2004 wäre dann zum 1. Januar 2016 entweder um 18,76 vH oder
um 13,65 vH zu erhöhen.
(3)
Soweit es den Anpassungsbedarf zum 1. Januar 2019 betrifft, wird das
Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass der Anpassungsbedarf zu diesem
Stichtag anhand des Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 zu er-
mitteln ist. Der derzeit aktuelle Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis
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2015 wurde erst im Februar 2019 veröffentlicht und war zum Anpassungsstichtag
1. Januar 2019 deshalb noch nicht maßgeblich.
Die Teuerungsrate beläuft sich vom Rentenbeginn (1. Januar 2004) bis
zum aktuellen Anpassungsstichtag (1. Januar 2019) auf 24,86 vH. Der Verbrau-
cherpreisindex für Deutschland Basis 2010 betrug im Dezember 2003 90,1 und
im Dezember 2018 112,5. Daraus errechnet sich eine Preissteigerung von 24,86
vH ([112,5 : 90,1 - 1] x 100).
Das Landesarbeitsgericht wird - sofern die Anpassung zum 1. Januar
2007 von der Beklagten zu Recht unterlassen wurde oder nach § 16 Abs. 4
Satz 2 BetrAVG als zu Recht unterlassen gilt - den Anpassungsbedarf zum An-
passungsstichtag 1. Januar 2019 um den bis zum 1. Januar 2007 angefallenen
Anpassungsbedarf zu bereinigen haben. Dieser beläuft sich gerechnet vom
Rentenbeginn (1. Januar 2004) bis zum Anpassungsstichtag 1. Januar 2007 auf
5,11 vH. Der Verbraucherpreisindex für Deutschland Basis 2010 betrug im De-
zember 2003 90,1 und im Dezember 2006 94,7. Daraus errechnet sich eine
Preissteigerung von 5,11 vH ([94,7 : 90,1 - 1] x 100). In diesem Fall beliefe sich
der Anpassungsbedarf zum 1. Januar 2016 dann auf 19,75 vH (24,86 vH -
5,11 vH).
Das vom Landesarbeitsgericht ermittelte zutreffende Ausgangsruhegeld
zum 1. Januar 2004 wäre dann zum 1. Januar 2019 entweder um 24,86 vH oder
um 19,75 vH zu erhöhen.
dd)
Schließlich wird das Landesarbeitsgericht die sich für die Zeit ab dem
1. Januar 2014 möglicherweise ergebenden Differenzen zwischen den danach
geschuldeten monatlichen Ruhegeldern und den tatsächlich gezahlten Ruhegel-
dern zu ermitteln und ggf. zuzusprechen haben.
III.
Das Landesarbeitsgericht wird zuletzt auch über die Kosten - einschließ-
lich der Kosten der Revision - unter Beachtung der vom Senat hierfür aufgestell-
ten Rechtsgrundsätze
zu entscheiden haben. Das vom Landesarbeitsgericht für erforderlich ge-
haltene Abweichen vom Streitwertbezug der Kostenentscheidung ist jedoch
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ECLI:DE:BAG:2020:131020.U.3AZR246.20.0
problematisch, wenn - wie hier - der Kläger nicht nur den streitigen Teilbetrag,
sondern seine gesamte Betriebsrente einklagt. Mit einer sog. Spitzenbetrags-
klage kann eine rechtskräftige Entscheidung über den eingeklagten Teilbetrag
letztlich nicht herbeigeführt werden
. Die Beklagte hat auch nicht kostenschonend den von ihr gezahlten Teil-
betrag anerkannt.
Zwanziger
Spinner
Günther-Gräff
Wischnath
Busch