Urteil des BAG vom 13.10.2020

Betriebliche Altersversorgung - beamtenmäßige Versorgung - Versorgungsausgleich - Quasi-Splitting - Rechtskraft - Bindungswirkung

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BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 13.10.2020, 3 AZR 130/20
ECLI:DE:BAG:2020:131020.U.3AZR130.20.0
Betriebliche Altersversorgung - beamtenmäßige Versorgung - Versorgungsausgleich - Quasi-Splitting -
Rechtskraft - Bindungswirkung
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Düsseldorf vom 18. Dezember 2019 - 12 Sa 1127/18 - wird
zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision sowie die Kosten der
Nebenintervention zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte berechtigt ist, das Ruhegehalt des Klägers aufgrund eines
zwischen ihm und seiner geschiedenen Ehefrau durchgeführten Versorgungsausgleichs zu kürzen.
2
Der im September 1951 geborene und seit August 1975 verheiratete Kläger trat zum 1. September 1979 in
ein Arbeitsverhältnis mit der W, einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Zum 1. September 1986 wechselte er
zur W Immobilien GmbH, die Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits, die seit 1996 als W IH GmbH (im
Folgenden WIH) firmiert. Im Arbeitsvertrag vom 30. November/6. Dezember 1989 ist ua. bestimmt:
„7. Die Gesellschaft gewährt Ihnen Ruhegehalt und Unfallfürsorge unter entsprechender
Anwendung des jeweils gültigen Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in
Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) und in Verbindung mit den
besonderen Bestimmungen dieses Vertrages.
Bei linearen Änderungen der Versorgungsbezüge für die Versorgungsberechtigten des
Landes Nordrhein-Westfalen nach Eintritt des Versorgungsfalles ändert sich die Höhe des
ruhegehaltfähigen Bezuges entsprechend.
Das Ruhegehalt beträgt abweichend von den Vorschriften des Beamtenrechts über die
ruhegehaltfähige Dienstzeit und die Höhe des Ruhegehaltes 50 v.H. des Grundgehaltes
(ruhegehaltfähige Bezüge).
Das Ruhegehalt erhöht sich
nach mehr als 15jähriger Vertragszeit
ab 01.01.2005 auf
75 v.H.
des Grundgehaltes.
8.
Sie treten mit dem Ende des Monats in den Ruhestand, in dem Sie das 65. Lebensjahr
vollenden (Altersgrenze) oder wenn Sie dienstunfähig sind. …
11. Zur teilweisen Entlastung von den vorstehend geltenden Versorgungsverpflichtungen
werden die Renten- und Hinterbliebenenbezüge, die Sie oder Ihre Angehörigen aus Ihrer
Angestelltenversicherung beziehen werden, auf das Ruhegehalt bzw. die
Hinterbliebenenversorgung angerechnet. …
Renten, Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587b BGB beruhen,
bleiben unberücksichtigt.“
3
Die Ehe des Klägers mit seiner damaligen Ehefrau wurde geschieden. Im Zuge langwieriger
Verhandlungen über den Versorgungsausgleich für die Ehezeit vom 1. August 1975 bis zum 31. Juli 1998
erörterten die Beteiligten und das Amtsgericht - Familiengericht - Ratingen ua. die Möglichkeit, den
Versorgungsausgleich im Wege des sog. Quasi-Splitting nach § 1587b Abs. 2 BGB in der bis zum
31. August 2009 - vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs
(VAStrRefG) vom 3. April 2009 (BGBl. I S. 700) - geltenden Fassung (im Folgenden BGB aF)
durchzuführen. Voraussetzung hierfür war nach dem damals geltenden Recht, dass es sich bei dem
Versorgungsschuldner um eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts handelte. Die
Beklagte als Gesellschaft mit beschränkter Haftung erfüllte diese Anforderung nicht. Sie war jedoch damals
eine 100-prozentige Tochter der W Ib in M (im Folgenden WIB), einer Anstalt des öffentlichen Rechts.
4
Der Kläger benannte im Verfahren über den Versorgungsausgleich beim Amtsgericht - Familiengericht -
Ratingen die Beklagte als Arbeitgeberin und Versorgungsschuldnerin. Auf eine Anfrage des Amtsgerichts
- Familiengericht - Ratingen hin übersandte die WIB diesem ein Schreiben vom 8. Mai 2002, in welchem es
ua. hieß:
„Ihre obige Anfrage wurde zuständigkeitshalber an uns weitergeleitet. Sollten weitere Rückfragen
notwendig sein, bitten wir Sie, sich ausschließlich an uns zu wenden.
Wir bestätigen, dass Herr V im W IB-Konzern beschäftigt ist. Die Mehrheitsgesellschafterin ist die W
Düsseldorf (W), die gegenüber Herrn V eine umfassende Erklärung hinsichtlich der Erfüllung aller
geldwerten Verpflichtungen des jeweiligen Arbeitgebers abgegeben hat, die Herrn V so stellt, als
wäre er direkt bei der W beschäftigt.
Darüber hinaus bestätigen wir, dass Herr V eine Versorgungsanwartschaft bei einem öffentlich-
rechtlichen Arbeitgeber im beamtenrechtlichen Sinne hat. Aufgrund der Versetzung innerhalb des
W-Konzerns zu anderen Gesellschaften hat sich an der Qualität der Zusage auf einen
Versorgungsanspruch nichts geändert.“
5
Auf diesem Schreiben ist in der Gerichtsakte des Amtsgerichts - Familiengericht - Ratingen handschriftlich
unterstrichen aufgebracht: „Verfahrensbeteiligter!“.
6
Am 9. Januar 2004 erließ das Amtsgericht - Familiengericht - Ratingen einen Beschluss zum
Versorgungsausgleich, der im Rubrum als Verfahrensbeteiligte neben den beiden vormaligen Eheleuten
die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die WIB sowie die - vom vorliegenden Rechtsstreit nicht
betroffene - P Lebensversicherung aufführt. Im Tenor des Beschlusses heißt es ua.:
„Zu Lasten der Versorgung des Antragstellers bei der W Ib in M werden auf dem
Versicherungskonto Nr. der Antragsgegnerin bei der BfA Rentenanwartschaften von monatlich
565,66 Euro bezogen auf den 31.07.1998 begründet. Der Monatsbetrag der Rentenanwartschaften
ist in Entgeltpunkte umzurechnen.“
7
Das Familiengericht folgte im Beschluss über den Versorgungsausgleich den Angaben der WIB und
wandte beim Versorgungsausgleich § 1587b Abs. 2 BGB aF an. Dem Kläger blieb dadurch die Zahlung
eines Betrags an die gesetzliche Rentenversicherung zur Begründung von Anwartschaften auf gesetzliche
Rente gemäß § 1587b Abs. 3 BGB aF erspart. Der Beschluss wurde allen darin aufgeführten Beteiligten, so
auch der WIB, zugestellt und ist seit dem 23. März 2004 rechtskräftig. Eine Zustellung an die Beklagte
erfolgte nicht.
8
Der Kläger trat nach der Vollendung seines 65. Lebensjahres mit Ablauf des 30. September 2016 in den
Ruhestand und bezieht seither von der Beklagten ein Ruhegehalt.
9
Mit Schreiben vom 4. Januar 2017 forderte die Deutsche Rentenversicherung Rheinland von der WIB die
Erstattung von Aufwendungen iHv. 3.034,38 Euro für Zahlungen an die frühere Ehefrau des Klägers für den
Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Dezember 2016.
10 Das Amtsgericht - Familiengericht - Ratingen wies am 1. Dezember 2017 einen auf § 319 ZPO gestützten
Berichtigungsantrag der WIB bezüglich des Beschlusses vom 9. Januar 2004 zurück. Die WIB hatte zuvor
in Übereinstimmung mit der Beklagten beantragt, dass Letztere anstelle der WIB als
Versorgungsschuldnerin im Tenor des Beschlusses über den Versorgungsausgleich benannt werden
solle. Das Familiengericht erkannte jedoch in der Benennung der WIB im Beschluss anstelle der Beklagten
weder einen Schreibfehler noch eine ähnliche offensichtliche Unrichtigkeit.
11 Mit Schreiben vom 4. Januar 2018 forderte die Deutsche Rentenversicherung Rheinland von der Erste
Abwicklungsanstalt, deren 100-prozentige Tochter die Beklagte nach Abspaltung von Teilen des
Vermögens der WIB auf die EAA Anstalt & Co KG und anschließende Anwachsung auf die Erste
Abwicklungsanstalt (im Folgenden EAA) mittlerweile geworden war, die Erstattung von Aufwendungen für
Rentenzahlungen an die frühere Ehefrau des Klägers für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember
2017 iHv. insgesamt 9.189,83 Euro.
12 Bereits mit Schreiben vom 4. April 2017 auf dem Briefpapier der Beklagten, unterzeichnet von den beiden
Geschäftsführern Dr. S und L, wurde dem Kläger mitgeteilt, dass sein Ruhegehalt unter Berücksichtigung
der geltend gemachten Erstattungsansprüche der Deutschen Rentenversicherung Rheinland neu
berechnet werde. Auf eine E-Mail des Klägers vom 2. Januar 2018 antwortete Dr. S mit E-Mail vom
5. Januar 2018 diesem wie folgt:
„…
Eine Änderung der Rechtslage ist entgegen Ihrer Auffassung nicht eingetreten.
Ungeachtet dessen wird die WIH künftig monatlich den Ihnen seinerzeit vertraglich zugesagten
Rentenbetrag ohne Abzug aus dem Versorgungsausgleich (5 F 130/98) überweisen.
Zusätzlich wird die WIH Ihnen den in der Vergangenheit monatlich zugunsten Ihrer ehemaligen
Frau R V in Abzug gebrachten Anteil (auf Basis des o.g. Versorgungsausgleiches) mit der
kommenden Rentenberechnung gutschreiben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. S
Erste Abwicklungsanstalt
Email:“
13 Mit Schreiben vom 30. Januar 2018 - auf dem Briefpapier der Beklagten und unterzeichnet von beiden
Geschäftsführern - wandte sie sich wie folgt an den Kläger:
„…
Sehr geehrter Herr V,
seit unserer letzten Mitteilung in dieser Angelegenheit haben sich Sachlage und formale
Rechtslage grundlegend geändert.
Die Deutsche Rentenversicherung Rheinland hat ihren Bescheid zum Versorgungsausgleich der
objektiv richtigen rechtlichen Würdigung angepasst. Sie fordert nunmehr nicht mehr von der WIB,
sondern von der WIH Erstattung der Beiträge, die ihrer geschiedenen Frau zustehen. Die Deutsche
Rentenversicherung Rheinland sieht in dem Beschluss des AG Ratingen - in Übereinstimmung mit
unserer Auffassung - keinen Grund, die Frage der Ausgleichsverpflichtung anders zu beurteilen als
nach SGB vorgesehen.
Daher werden wir, wie in der Vergangenheit, den Ihrer geschiedenen Frau zustehenden
monatlichen Betrag einbehalten und diesen an die Deutsche Rentenversicherung Rheinland
auszahlen. Den vertraglich zustehenden Restbetrag überweisen wir Ihnen. Aus diesem Grund
werden wir Ihnen auch die in der Vergangenheit einbehaltenen Beträge nicht erstatten.
…“
14 Die Beklagte behielt vom Ruhegehalt des Klägers für das Jahr 2016 insgesamt 2.277,00 Euro (jeweils
759,00 Euro für die Monate Oktober bis Dezember 2016) und für das Jahr 2017 einen Betrag iHv.
insgesamt 9.189,78 Euro (jeweils 758,59 Euro für die Monate Januar bis Juni 2017 und jeweils
773,04 Euro für die Monate Juli bis Dezember 2017) ein. Im Jahr 2018 kürzte sie das Ruhegehalt um
monatlich 773,04 Euro, mithin insgesamt um 9.276,48 Euro.
15 Mit seiner Klage hat der Kläger die Nachzahlung der Kürzungsbeträge für den Zeitraum Oktober 2016 bis
Dezember 2017 geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei nicht berechtigt, einen
Abzug von seinem Ruhegehalt vorzunehmen. Der rechtskräftige Beschluss des Amtsgerichts
- Familiengericht - Ratingen sei bindend und bestimme, dass der Versorgungsausgleich zulasten seiner
Versorgung bei der WIB, nicht jedoch seiner Versorgung bei der Beklagten gehe. Der Umstand, dass kein
Versorgungsanspruch gegenüber der WIB bestehe, sei unerheblich. Die Beklagte könne von der
Deutschen Rentenversicherung nicht auf Grundlage des Beschlusses vom 9. Januar 2004 in Anspruch
genommen werden. Dem stehe die Reichweite der Rechtskraft dieses Beschlusses entgegen. Auch
deshalb könne ihm gegenüber kein Rückgriffsanspruch bestehen. § 72 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG NRW
bestimme, dass nur eine Entscheidung des Familiengerichts eine Kürzung der Versorgungsbezüge
bewirken könne. Unabhängig davon sei der Beschluss des Familiengerichts inhaltlich zutreffend. Die
Übernahme der Versorgungsverpflichtung durch die WIB sei absichtlich erfolgt. Außerdem habe die
Beklagte mit der E-Mail ihres Geschäftsführers vom 5. Januar 2018 ein wirksames deklaratorisches
Schuldanerkenntnis abgegeben. Jedenfalls sei die Höhe der Abzüge unzutreffend.
16 Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an ihn 11.466,78 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit dem 22. Juni 2017 zu zahlen sowie
2. an ihn weitere 9.276,48 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen
Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klageerweiterung zu zahlen.
17 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
18 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit dem bei ihm einzig anhängigen Antrag zu 1. abgewiesen. Im
Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht hat die Beklagte der Deutschen Rentenversicherung
Rheinland den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit daraufhin als Nebenintervenientin auf Seiten
der Beklagten beigetreten. Das Landesarbeitsgericht hat der um den Antrag zu 2. erweiterten Klage in
Höhe eines Betrags von 2.251,47 Euro nebst Zinsen betreffend die Jahre 2016 und 2017 sowie von
1.671,36 Euro nebst Zinsen für das Jahr 2018 stattgegeben und im Übrigen die Berufung des Klägers
zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger seine darüber hinausgehenden Zahlungsanträge,
die er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klarstellend beziffert hat, weiter. Die Beklagte und die
Nebenintervenientin begehren die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
19 Die nach der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erfolgten Klarstellung der Sachanträge
bedenkenfrei zulässige Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die zulässige Klage
- soweit sie Gegenstand der Revision ist - zu Recht abgewiesen.
20 I. Die Revision ist nicht bereits deshalb teilweise erfolglos, weil der Kläger in der Berufungsinstanz seine
Klage um Ansprüche für das Jahr 2018 erweitert hat. Das Landesarbeitsgericht hat über die geänderten
Anträge sachlich entschieden. Es hat damit stillschweigend angenommen, es liege keine Klageänderung
vor oder die Voraussetzungen einer Klageänderung in der Berufungsinstanz nach § 533 ZPO
stillschweigend bejaht. Eine Überprüfung hat der Senat in entsprechender Anwendung von § 268 ZPO in
der Revision nicht mehr vorzunehmen (vgl. BAG 22. Januar 2019 - 3 AZR 9/18 - Rn. 32; 27. April 2017
- 6 AZR 119/16 - Rn. 52, BAGE 159, 92; 25. Juni 2014 - 7 AZR 847/12 - Rn. 20, BAGE 148, 299).
21 II. Die Revision des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist berechtigt, das Ruhegehalt des
Klägers nach Nr. 7 des Arbeitsvertrags iVm. § 72 Abs. 1 und Abs. 2 LBeamtVG NRW und dem Beschluss
des Amtsgerichts - Familiengericht - Ratingen vom 9. Januar 2004 zu kürzen. § 72 LBeamtVG NRW ist
anwendbar und dessen Voraussetzungen sind erfüllt. Der Befugnis der Beklagten, das Ruhegehalt des
Klägers zu kürzen, steht weder Nr. 11 des Arbeitsvertrags noch der Beschluss des Amtsgerichts
- Familiengericht - Ratingen über den Versorgungsausgleich zwischen dem Kläger und seiner
geschiedenen Ehefrau entgegen. Schließlich hat die Beklagte auch kein wirksames Schuldanerkenntnis
abgegeben, das ihrer Befugnis zur Kürzung der Versorgungsbezüge entgegenstehen könnte.
22 1. Die Beklagte hat dem Kläger eine beamtenmäßige Versorgung zugesagt, die sich nach dem
Beamtenversorgungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtenversorgungsgesetz -
LBeamtVG NRW) vom 14. Juni 2016 (GV NRW S. 310, 387, 642) richtet. Das folgt aus der in Nr. 7 des
Arbeitsvertrags enthaltenen dynamischen Bezugnahme auf das Beamtenversorgungsrecht für Beamte des
Landes Nordrhein-Westfalen.
23 a) Nach Nr. 7 des Arbeitsvertrags gewährt die Beklagte dem Kläger ein Ruhegehalt unter entsprechender
Anwendung des jeweils gültigen Gesetzes über die Versorgung der Beamten und Richter in Bund und
Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) und in Verbindung mit den besonderen Bestimmungen
dieses Vertrags. Bei linearen Änderungen der Versorgungsbezüge für Versorgungsberechtigte des Landes
Nordrhein-Westfalen nach Eintritt des Versorgungsfalls ändert sich die Höhe des ruhegeldfähigen Bezugs
entsprechend.
24 b) Das Versorgungsrecht der Beamten und Richter in Bund und Ländern war im Zeitpunkt der Erteilung der
Versorgungszusage Ende des Jahres 1989 bundeseinheitlich durch das Gesetz über die Versorgung der
Beamten und Richter in Bund und Ländern (Beamtenversorgungsgesetz - BeamtVG) vom 24. August 1976
(BGBl. I S. 2485) mit späteren Änderungen geregelt. Im Zuge der Föderalismusreform im Jahr 2006 (Gesetz
zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006, BGBl. I S. 2034) ist diese verbindlich einheitliche
Regelung entfallen. Seither beschränkt sich das Beamtenversorgungsgesetz auf die Regelung der
Versorgung der Beamten und Richter des Bundes (§ 1 Abs. 1 und Abs. 2 BeamtVG). Für die Beamten der
Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht eines Landes
unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt nach § 108 Abs. 1
BeamtVG das Beamtenversorgungsgesetz in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung, soweit es
nicht durch Landesrecht ersetzt wurde (vgl. Art. 3 Nr. 2 und Nr. 7 des Gesetzes über die Anpassung von
Dienst- und Versorgungsbezügen im Bund 2008/2009 [Bundesbesoldungs- und -
versorgungsanpassungsgesetz 2008/2009 - BBVAnpG 2008/2009] vom 29. Juli 2008, BGBl. I S. 1582).
25 c) Aus der dynamischen Verweisung in Nr. 7 des Arbeitsvertrags folgt, dass sich die Versorgung des
Klägers und damit die Ausgestaltung seiner Versorgungszusage nunmehr nach dem für die
beamtenversorgungsrechtlichen Vorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen richtet. Nr. 7 des
Arbeitsvertrags enthält eine zeitdynamische Verweisung auf die jeweils für Versorgungsberechtigte des
Landes Nordrhein-Westfalen geltenden gesetzlichen Bestimmungen und der ausdrücklichen Bezugnahme
auf die linearen Änderungen von Versorgungsbezügen der Versorgungsberechtigten des Landes
Nordrhein-Westfalen. Diese gesetzlichen Bestimmungen sind seit dem 1. Juli 2016 im
Beamtenversorgungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtenversorgungsgesetz -
LBeamtVG NRW) vom 14. Juni 2016 (GV NRW S. 310, 387, 642, zuletzt geändert durch das Gesetz zur
Änderung des Landesbesoldungsgesetzes und des Landesbeamtenversorgungsgesetzes - Gesetz zur
Attraktivitätssteigerung des kommunalen Wahlamtes vom 3. April 2020, GV NRW S. 284) enthalten.
Hiervon ist das Landesarbeitsgericht - in Übereinstimmung mit den Parteien - zutreffend ausgegangen.
26 2. Die Voraussetzungen der aufgrund der dynamischen Bezugnahme in Nr. 7 des Arbeitsvertrags im
Versorgungsverhältnis des Klägers anwendbaren § 72 Abs. 1 und Abs. 2 LBeamtVG NRW sind erfüllt.
27 a) Nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG NRW werden die Versorgungsbezüge des
Ausgleichspflichtigen, wenn bei der Durchführung eines Versorgungsausgleichs durch Entscheidung des
Familiengerichts Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 BGB aF
begründet oder übertragen worden sind, um den nach § 72 Abs. 2 oder Abs. 3 LBeamtVG NRW
berechneten Betrag gekürzt.
28 aa) Die Vorschrift betrifft das sog. Quasi-Splitting nach § 1587a Abs. 1 und Abs. 2, § 1587b Abs. 2 BGB aF.
Dabei begründet das Familiengericht durch richterlichen Gestaltungsakt Rentenanwartschaften des
ausgleichsberechtigten Ehegatten (MünchKomm/Maier 2. Aufl. § 1587b Rn. 33; Soergel/Vorwerk 12. Aufl.
§ 1587b Rn. 37; Staudinger/Rehme [2004] § 1587b Rn. 56; Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl.
§ 1587b BGB Rn. 19, 35). Mit Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung werden dem Versicherungskonto
des ausgleichsberechtigten Ehegatten in der gesetzlichen Rentenversicherung Werteinheiten in Höhe der
vom Verpflichteten abzugebenden Versorgungsanwartschaft gutgeschrieben. Der berechtigte Ehegatte
erwirbt damit eine eigene Rentenanwartschaft, die vom weiteren Schicksal der Versorgungsanwartschaft
des Verpflichteten unabhängig ist. Der Rentenversicherungsträger wird bei Eintritt des Versicherungsfalls
dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gegenüber leistungspflichtig, erhält jedoch die von ihm erbrachten
Aufwendungen nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (vormals § 1304b Abs. 2 Satz 2 RVO bzw. § 83b Abs. 2
AVG) iVm. der Versorgungsausgleichs-Erstattungsverordnung vom 9. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2628) vom
Dienstherrn des Beamten - in der Regel jährlich - zurückerstattet. Auf Seiten des ausgleichspflichtigen
Beamten wirkt sich dies erst bei seinem Eintritt in den Ruhestand aus. Nicht seine Dienstbezüge, sondern
erst seine Versorgungsbezüge werden nach näherer Maßgabe des Gesetzes gekürzt (§ 72 Abs. 1
LBeamtVG NRW; vgl. auch BGH 1. Juli 1981 - IVb ZB 659/80 - zu B II 4 b der Gründe, BGHZ 81, 100).
Wechselt der Beamte nach Scheidung und Durchführung des Versorgungsausgleichs den Dienstherrn,
geht er beispielsweise vom Bundes- in den Landes- oder Kommunaldienst über, so wird der neue
Dienstherr, der die Versorgungslast des Beamten trägt, nach § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG NRW
kürzungsberechtigt. Das ist letztlich Ausdruck der Einheit des öffentlichen Dienstes (BGH 1. Juli 1981
- IVb ZB 659/80 - aaO) und ergibt sich daraus, dass der letzte Dienstherr unter Berücksichtigung der beim
vorherigen Dienstherrn verbrachten Dienstzeit versorgungspflichtig ist.
29 Damit ist aber die gerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich hinsichtlich des darin
benannten Versorgungsträgers für die Kürzungsberechtigung nicht aussagekräftig.
30 bb) Etwas anderes folgt auch nicht aus § 72 Abs. 1 Satz 2 LBeamtVG NRW.
31 Nach dieser Regelung kann der neue Dienstherr die Versorgung nur dann kürzen, wenn er einem
Erstattungsanspruch nach § 5 BVersTG (Gesetz über die interne Teilung beamtenversorgungsrechtlicher
Ansprüche von Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten im Versorgungsausgleich
[Bundesversorgungsteilungsgesetz - BVersTG], BGBl. 2009 I S. 700, 716) oder vergleichbaren
landesrechtlichen Regelungen, mit Wirkung ab dem 1. Januar 2020 ersetzt durch § 47a VersAusglG (vgl.
Art. 10 Nr. 3 und Art. 12 Nr. 2 sowie Art. 15 des Gesetzes zur Modernisierung der Strukturen des
Besoldungsrechts und zur Änderung weiterer dienstrechtlicher Vorschriften
[Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetz - BesStMG] vom 9. Dezember 2019, BGBl. I S. 2053; vgl. BT-
Drs. 19/13396 S. 158), ausgesetzt ist. Sowohl § 5 BVersTG als auch § 47a VersAusglG und damit auch
§ 72 Abs. 1 Satz 2 LBeamtVG NRW betreffen jedoch nur die interne Teilung. Es geht also um die
Übertragung von Versorgungsanrechten bei dem zum Zeitpunkt des Versorgungsausgleichs zuständigen
alten Dienstherrn auf die ausgleichsberechtigte Person nach § 10 Abs. 1 VersAusglG. Nur für diesen Fall
ist ein Ausgleichsanspruch des alten gegen den neuen Dienstherrn geregelt, an den § 72 Abs. 1 Satz 2
LBeamtVG NRW anknüpft. Diese Regelung ist erforderlich, weil es trotz des Dienstherrenwechsels der
ausgleichspflichtigen Person bei dem beim alten Dienstherrn begründeten Versorgungsanrecht der
ausgleichsberechtigten Person bleibt. Die Sonderregelung des § 72 Abs. 1 Satz 2 LBeamtVG NRW lässt
die Grundregelung des § 72 Abs. 1 Satz 1 LBeamtVG NRW unberührt, die beim Quasi-Splitting iSv.
§ 1587b Abs. 2 BGB aF - einer Form der externen Teilung - aufgrund § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
LBeamtVG NRW anwendbar ist.
32 cc) Diese Grundstruktur bei einem ausgleichspflichtigen Beamten gilt auch bei einem ausgleichspflichtigen
Arbeitnehmer mit Anspruch auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen
(§ 1587a Abs. 2 Nr. 1 BGB aF), einer Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts (§ 1587b
Abs. 2 BGB aF). Bei einem Wechsel des Arbeitgebers liegt die Berechtigung zur Kürzung der
Versorgungsleistungen automatisch bei dem Arbeitgeber, der die Versorgung nach beamtenrechtlichen
Vorschriften oder Grundsätzen schuldet, mithin dem Versorgungsschuldner. Dies ist auch konsequent,
denn der beamtenmäßig versorgte Arbeitnehmer erhält bei seinem Eintritt in den Ruhestand eine
Versorgung, die im Wesentlichen der eines Beamten entspricht. Ein Beamter erhält unabhängig von
irgendwelchen im Laufe seiner aktiven Dienstzeit erfolgten Dienstherrenwechseln nur die eine
Beamtenversorgung unter Berücksichtigung seiner gesamten Dienstzeit. Es ist integraler Bestandteil einer
beamtenmäßigen Versorgung, dass auch die Kürzung der beamtenmäßigen Versorgung als Folge eines
Versorgungsausgleichs automatisch durch den Arbeitgeber zu erfolgen hat, der letztlich die
beamtenmäßige Versorgung schuldet.
33 b) Die Tatbestandsvoraussetzungen von § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG NRW sind vorliegend erfüllt.
34 aa) Nach dieser Vorschrift werden die Versorgungsbezüge des Ausgleichspflichtigen um den nach
Absätzen 2 oder 3 berechneten Betrag gekürzt, wenn bei der Durchführung eines Versorgungsausgleichs
durch Entscheidung des Familiengerichts Anwartschaften in einer gesetzlichen Rentenversicherung nach
§ 1587b Abs. 2 BGB aF rechtskräftig begründet wurden.
35 bb) Im Streitfall wurden durch den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Ratingen vom 9. Januar
2004 zugunsten der ausgleichsberechtigten früheren Ehefrau des Klägers Anwartschaften in einer
gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 BGB aF rechtskräftig begründet. Denn die frühere
Ehefrau des Klägers erhielt durch den Beschluss über den Versorgungsausgleich einen Anspruch auf
Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung bei Eintritt in ihren Ruhestand. Die Entscheidung des
Familiengerichts erfolgte auch auf der Grundlage von § 1587b Abs. 2 BGB aF. Dies war nur möglich, weil
dem Kläger vertraglich eine beamtenmäßige Versorgung nach den Bestimmungen des LBeamtVG NRW
zugesagt war.
36 Die Benennung des tatsächlichen Versorgungsschuldners bei Eintritt des Versorgungsfalls im Beschluss
über Versorgungsausgleich nach dem Quasi-Splitting des § 1587b Abs. 2 BGB aF ist nach dem
Vorgesagten keine Tatbestandsvoraussetzung des § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG und deshalb
unerheblich. Gekürzt wird die - einzig - geschuldete beamtenmäßige Versorgung beim letzten Arbeitgeber,
mithin der Beklagten.
37 cc) Besonderheiten im Versorgungsverhältnis des Klägers zur Beklagten stehen nicht entgegen.
38 (1) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass
Nr. 11 des Arbeitsvertrags, wonach Renten, Rentenerhöhungen und Rentenminderungen, die auf § 1587b
BGB beruhen, unberücksichtigt bleiben, der vorgenommenen Kürzung nicht entgegensteht. Diese
Regelung bezieht sich auf die im Absatz zuvor getroffene Regelung zur Anrechnung eigener
Rentenansprüche des versorgungsberechtigten Klägers, nicht jedoch auf Kürzungsmöglichkeiten der
Versorgung als Folge eines Versorgungsausgleichs.
39 (2) Es ist unerheblich, dass die Beklagte ihrerseits kein öffentlicher Arbeitgeber ist. Das Familiengericht hat
den Kläger entsprechend § 1587b Abs. 2 BGB aF behandelt, weil es wegen der Eigenschaft der W bzw.
der WIB als Anstalten des öffentlichen Rechts dem Kläger die Vorteile dieser Regelung zugute brachte. Es
handelt sich um Unternehmen, die mit der Beklagten verbunden waren. Was im originären
Anwendungsbereich des Quasi-Splittings die Einheit des öffentlichen Dienstes ist, ist im Fall des Klägers
die Einheitlichkeit der verbundenen Unternehmen, die überhaupt zu seiner Versorgung nach
beamtenrechtlichen Grundsätzen führte.
40 (3) Der Kläger ist auch nicht aus zivilrechtlichen Gründen Ansprüchen der WIB ausgesetzt. Das gilt auch
dann, wenn man - wie möglicherweise das Bundessozialgericht (BSG 21. März 2018 - B 13 R 17/15 R -
Rn. 23) - davon ausgeht, dass sie nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI gegenüber der Deutschen
Rentenversicherung Rheinland aufgrund des Beschlusses des Familiengerichts über den
Versorgungsausgleich als zuständiger Versorgungsträger zur Erstattung verpflichtet ist.
41 Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag nach § 683 Satz 1 iVm. § 670 BGB stehen der WIB gegen
den Kläger als ausgleichspflichtiger Person nicht zu. Die Erfüllung von Ansprüchen nach § 225 Abs. 1
Satz 1 SGB VI ist ein eigenes Geschäft des Versorgungsträgers, nicht ein solches der ausgleichspflichtigen
Person, also nicht für diese iSv. § 677 BGB besorgt.
42 Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 BGB scheiden aus. Der Kläger ist nicht
bereichert, denn die Beklagte ist berechtigt, seine beamtenmäßige Versorgung aufgrund des
Versorgungsausgleichs zu kürzen.
43 (4) Geht man davon aus, die WIB sei der Nebenintervenientin nach § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI aufgrund
des Beschlusses über den Versorgungsausgleich erstattungspflichtig, ist dies vorliegend unerheblich, auch
wenn grundsätzlich der sachliche Grund für die Kürzungsmöglichkeit nach § 72 Abs. 1 Satz 1
LBeamtVG NRW in der Erstattungspflicht gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung liegt (vgl. BGH
10. Januar 2018 - IV ZR 262/16 - Rn. 31 ff.). Dieser inhaltliche Grund tritt hinter die Systematik des
Gesetzes, nach der der letzte Arbeitgeber abzugsberechtigt ist, zurück. Ausreichend ist allein, dass im
Rahmen verbundener Unternehmen eine Erstattungspflicht gegenüber der gesetzlichen
Rentenversicherung besteht. Das Argument griffe zudem nur, wenn man davon ausginge, dass die WIB
keine Ausgleichsansprüche - etwa nach § 683 Satz 1 iVm. § 670 BGB - gegenüber der Beklagten hätte.
Das kann aber letztlich dahinstehen.
44 c) Damit tritt die in § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG NRW angeordnete Rechtsfolge ein, nämlich die vom
Versorgungsschuldner vorzunehmende Kürzung der (beamtenmäßigen) Versorgungsbezüge des
Ausgleichspflichtigen um den nach § 72 Abs. 2 LBeamtVG NRW zu berechnenden Betrag. Das
Landesarbeitsgericht hat den Kürzungsbetrag zutreffend berechnet. Rechtsfehler werden von den Parteien
insoweit nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
45 3. Der familiengerichtliche Beschluss über den Versorgungsausgleich zwischen dem Kläger und seiner
früheren Ehefrau vom 9. Januar 2004 steht einer Anrechnung nicht entgegen.
46 a) Die Rechtskraft des Beschlusses hindert die Anrechnung nicht.
47 Allerdings erwachsen Entscheidungen im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit mit Ablauf der
Rechtsmittelfristen in formelle Rechtskraft (Keidel/Zimmermann FG 15. Aufl. § 31 Rn. 1). Diese trat
hinsichtlich des Beschlusses über den Versorgungsausgleich vom 9. Januar 2004 am 23. März 2004 ein.
Es kann dahinstehen, ob ein familiengerichtlicher Beschluss über den Versorgungsausgleich darüber
hinaus überhaupt materielle Rechtskraftwirkungen entfaltet (dafür BGH 25. Juni 2014 - XII ZB 410/12 -
Rn. 13; Abramenko in Prütting/Helms FamFG 5. Aufl. § 45 Rn. 12; Zöller/Feskorn ZPO 33. Aufl. § 45 FamFG
Rn. 11; Keidel/Zimmermann aaO § 31 Rn. 18 mwN). Mangels spezieller Regelungen für den Bereich der
freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten hinsichtlich des Umfangs der materiellen Rechtskraft jedenfalls nur die
allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze zur materiellen Rechtskraft (vgl. BAG 26. April 2018 - 3 AZR
738/16 - Rn. 32 mwN, BAGE 162, 361). Die Beklagte war an dem Versorgungsausgleichverfahren, das mit
dem Beschluss vom 9. Januar 2004 endete, nicht (mehr) formell beteiligt, weshalb eine Rechtskraft im
Verhältnis zwischen ihr und dem Kläger bereits von vornherein nicht in Betracht kommt (§ 325 Abs. 1 ZPO).
48 b) Auch die Gestaltungswirkung dieses Beschlusses bewirkt nichts Gegenteiliges.
49 Nach § 1587b Abs. 2 BGB aF „begründet das Familiengericht“ in dem dort näher bezeichneten Umfang für
die ausgleichsberechtigte Person „Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung“. Darauf
bezieht sich die Gestaltungswirkung des Beschlusses. Schon die Frage, welche Rechte der gesetzlichen
Rentenversicherung daraus erwachsen, ist keine Frage der Gestaltungswirkung des familiengerichtlichen
Beschlusses, sondern der Auslegung von § 225 Abs. 1 Satz 1 SGB VI (BSG 21. März 2018 - B 13 R
17/15 R - Rn. 23).
50 Darüber hinaus wird angenommen, die Gestaltungswirkung greife unmittelbar in das Rechtsverhältnis
zwischen dem zuständigen Versorgungsträger und der ausgleichspflichtigen Person ein (BSG 21. März
2018 - B 13 R 17/15 R - Rn. 23). Das bedeutet jedoch nicht, dass damit eine Gestaltung in diesem
Rechtsverhältnis stattfindet, sondern dass aus der Gestaltung zugunsten der gesetzlichen
Rentenversicherung unmittelbar Wirkungen im Rechtsverhältnis zwischen der ausgleichspflichtigen
Person und dem zuständigen Versorgungsträger folgen. Denn in diesem Rechtsverhältnis werden
entsprechend der zugrundeliegenden Regelung an den Versorgungsausgleich unmittelbar Rechtsfolgen
geknüpft. Diese ergeben sich dann aus der jeweils zugrundeliegenden rechtlichen Bestimmung, die ggf.
auf ihre Rechtswirksamkeit zu überprüfen ist (vgl. BGH 10. Januar 2018 - IV ZR 262/16 - Rn. 15 ff.).
51 c) Schließlich besteht auch keine verfahrensübergreifende Bindungswirkung aus materiell-rechtlichen
Gründen. Eine solche bedürfte einer Rechtsgrundlage in den zwischen den Parteien anzuwendenden
materiellen Regelungen. Maßgeblich ist hier § 72 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 LBeamtVG NRW. Diese Vorschrift
stellt aber gerade nicht darauf ab, wer im Versorgungsausgleich als Versorgungsträger benannt ist. Auch
aus § 1587b Abs. 2 BGB aF kann eine derartige Wirkung nicht hergeleitet werden.
52 d) Dieses Ergebnis steht schließlich auch mit der Rechtsprechung des Senats über die Wirkungen des
Versorgungsausgleichs auf die Rechtsposition von Versorgungsberechtigten gegenüber dem
Versorgungsverpflichteten in Einklang.
53 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats erfasst die Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung über
einen Versorgungsausgleich nicht die Vorfrage, ob und in welchem Umfang dem ausgleichspflichtigen
Ehegatten gegen seinen Arbeitgeber oder einen externen Versorgungsträger künftige Ansprüche auf
Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zustehen (BAG 26. April 2018 - 3 AZR 738/16 - Rn. 31,
BAGE 162, 361).
54 Nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen ist eine Entscheidung in Bezug auf den jeweiligen Streit-
bzw. Verfahrensgegenstand der Rechtskraft fähig (vgl. § 322 Abs. 1 ZPO). Präjudizielle Rechtsverhältnisse,
über deren Bestand oder Umfang im Rahmen der Entscheidung über den erhobenen prozessualen
Anspruch durch das Gericht vorab zu entscheiden ist, nehmen dagegen grundsätzlich nicht an der
Rechtskraftwirkung teil (vgl. etwa BAG 27. Mai 2015 - 5 AZR 88/14 - Rn. 37 mwN, BAGE 152, 1; BGH
14. März 2008 - V ZR 13/07 - Rn. 18 f.; 26. Juni 2003 - I ZR 269/00 - zu II 1 b der Gründe). Die Frage, ob
- und ggf. in welchem Umfang - der ausgleichspflichtige Ehegatte gegen seinen Arbeitgeber oder einen
externen Versorgungsträger einen künftigen Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung
bei Eintritt eines Versorgungsfalls erworben hat, hat das Familiengericht lediglich als Vorfrage zur
Ermittlung der in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten (Ehezeitanteile) zu prüfen. Als lediglich
präjudizielles Rechtsverhältnis nimmt die Feststellung über dessen Bestand und Umfang daher nicht an
der materiellen Rechtskraft des Beschlusses über den Versorgungsausgleich teil (BAG 26. April 2018
- 3 AZR 738/16 - Rn. 32, BAGE 162, 361).
55 Jedenfalls beschränkt sich die materielle Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich
inhaltlich auf die herbeigeführte Ausgleichswirkung. Durch einen solchen Beschluss steht im Fall seiner
formellen Rechtskraft nur fest, dass keine weiteren Anrechte im Wertausgleich bei der Scheidung mehr
auszugleichen sind, nicht jedoch, ob und in welchem Umfang zwischen einem der Ehegatten und seinem
Arbeitgeber oder einem externen Versorgungsträger solche Anrechte bestehen (BAG 26. April 2018
- 3 AZR 738/16 - Rn. 34 mwN, BAGE 162, 361).
56 Sinn und Zweck des familiengerichtlichen Versorgungsausgleichsverfahrens stehen dem ebenfalls nicht
entgegen. Dies folgt aus der Regelung in dem hier noch anwendbaren § 53c FGG (seit 1. September 2009
ersetzt durch § 221 FamFG, vgl. Art. 112 Abs. 1 Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen
und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit [FGG-Reformgesetz - FGG-RG] vom
17. Dezember 2008, BGBl. I S. 2586). Danach hat das Familiengericht das Verfahren auszusetzen, wenn
ein Rechtsstreit über Bestand oder Höhe eines in den Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechts
anhängig ist. Besteht Streit über ein Anrecht, kann das Gericht das Verfahren aussetzen und einem oder
beiden Ehegatten eine Frist zur Erhebung der Klage setzen. Wird diese Klage nicht oder nicht rechtzeitig
erhoben, kann das Gericht das Vorbringen unberücksichtigt lassen, das mit der Klage hätte geltend
gemacht werden können (vgl. BT-Drs. 16/6308 S. 253). Die im ursprünglichen Gesetzesentwurf der
Bundesregierung nicht enthaltene Bestimmung wurde - zunächst als § 53 b/1 - auf Anregung des
Rechtsausschusses in das FGG aufgenommen (vgl. BT-Drs. 7/4361 S. 164). Ausweislich der
Gesetzesbegründung sollte die Vorschrift regeln, wie zu verfahren ist, wenn unter den am
Versorgungsausgleichsverfahren Beteiligten über den Bestand oder die Höhe einer Versorgung Streit
besteht. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Regelung der jeweils zuständigen Fachgerichtsbarkeit den
Vorrang für die Klärung dieser strittigen Vorfragen einräumen. Dies beruht auf der Überlegung, dass die
Familiengerichte in diesen Fällen häufig über weniger Fachkenntnisse verfügen und ein „Zwischenstreit
dieser Art durch den Familienrichter nicht auch mit Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Versorgung
geklärt werden kann“ (vgl. BT-Drs. 7/4361 S. 71). Damit liegt § 53c FGG die Vorstellung zugrunde, dass die
Familiengerichte durch die Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht rechtskräftig über den
Bestand und den Umfang der vom ausgleichspflichtigen Ehegatten erworbenen künftigen
Versorgungsansprüche entscheiden (BAG 26. April 2018 - 3 AZR 738/16 - Rn. 33, BAGE 162, 361).
57 Daher sind auch die im Streitfall entscheidenden Fragen, wer Versorgungsschuldner ist und ob er
berechtigt ist, Abzüge von der Versorgung zu machen, von den zuständigen Fachgerichten - hier der
Arbeitsgerichtsbarkeit - zu entscheiden.
58 bb) Ebenso wenig steht das Urteil des Senats vom 10. November 2015 (BAG 10. November 2015 - 3 AZR
813/14 - BAGE 153, 206) diesem Ergebnis entgegen. Die Entscheidung betraf einen Fall der internen
Teilung und ist auf § 10 Abs. 1 VersAusglG gestützt (insoweit kritisch BGH 7. März 2018 - XII ZB 408/14 -
Rn. 39 ff., BGHZ 218, 44). Daher besteht keine Bindungswirkung, weil es nicht um einen Fall der internen
Teilung, sondern um ein Quasi-Splitting nach altem Recht, einer Form der externen Teilung, geht (vgl. zur
mangelnden Bindungswirkung bei der externen Teilung nach geltendem Recht BGH 7. März 2018 - XII ZB
408/14 - Rn. 42, aaO).
59 4. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe kein wirksames (deklaratorisches)
Anerkenntnis hinsichtlich der Klageforderung abgegeben, hält einer revisionsgerichtlichen Nachprüfung im
Ergebnis stand. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch der von Dr. S verfassten E-
Mail vom 5. Januar 2018 bereits kein deklaratorisches Schuldanerkenntnis im Namen der Beklagten zu
entnehmen. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung hält auch einer nur eingeschränkten
revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Mangels eines deklaratorischen Schuldanerkenntnisses der
Beklagten kommt es auf die Frage der Wirksamkeit eines solchen nicht an.
60 a) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist ein vertragliches kausales Anerkenntnis. Ein solches
Schuldanerkenntnis setzt voraus, dass die Vertragsparteien das Schuldverhältnis ganz oder teilweise dem
Streit oder der Ungewissheit der Parteien entziehen wollen und sich dahingehend einigen. Die
erforderliche Einigung kann nur angenommen werden, wenn sich ein entsprechendes Angebot sowie
dessen Annahme feststellen lassen (BAG 21. April 2016 - 8 AZR 474/14 - Rn. 26; 4. August 2015 - 3 AZR
137/13 - Rn. 35; BGH 11. Januar 2007 - VII ZR 165/05 - Rn. 8).
61 b) Eine solche Einigung kann der E-Mail vom 5. Januar 2018 - entgegen der Auffassung des Klägers und
des Landesarbeitsgerichts - nicht entnommen werden.
62 aa) Die Auslegung der in der E-Mail enthalten atypischen Erklärungen von Dr. S ist grundsätzlich den
Tatsachengerichten vorbehalten. Diese kann in der Revision nur daraufhin überprüft werden, ob das
Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen,
wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (vgl.
BAG 19. November 2019 - 3 AZR 332/18 - Rn. 18 mwN; 6. Dezember 2017 - 5 AZR 815/16 - Rn. 14 mwN).
Das Revisionsgericht darf bei einer unterlassenen oder fehlerhaften Auslegung atypischer
Willenserklärungen nur dann selbst auslegen, wenn das Landesarbeitsgericht den erforderlichen
Sachverhalt vollständig festgestellt hat und kein weiteres tatsächliches Vorbringen der Parteien zu
erwarten ist (st. Rspr., vgl. nur BAG 18. Oktober 2018 - 6 AZR 300/17 - Rn. 43; 24. September 2014 - 5 AZR
611/12 - Rn. 30 mwN, BAGE 149, 144).
63 bb) Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab nicht stand.
Der Senat kann die Auslegung jedoch selbst vornehmen, weil das Landesarbeitsgericht den Inhalt der E-
Mail vom 5. Januar 2018 festgestellt hat und weiteres Vorbringen der Parteien hierzu nicht zu erwarten
steht.
64 (1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Wortlaut der streitgegenständlichen E-Mail spreche
zwar möglicherweise für eine bloße Zahlungsankündigung und kein Anerkenntnis, weil nicht davon die
Rede sei, dass die Beklagte sich „verpflichte“. Eine dahingehende Auslegung würde jedoch den
Gesamtumständen, dem erkennbar verfolgten Zweck sowie der Interessenlage der Parteien nicht gerecht.
Die Erklärung enthalte keinerlei Vorbehalt, was für ein Anerkenntnis spreche. Zwischen den Parteien habe
Streit über die Kürzungsberechtigung der Beklagten bestanden, der Kläger und Dr. S hätten zu diesem
Thema mehrere Schreiben gewechselt. Schließlich habe der Kläger mit Schreiben vom 2. Januar 2018
eine Klage konkret angedroht. Genau hierauf habe Dr. S reagiert und nach Abstimmung mit der
Rechtsabteilung dem Kläger die E-Mail vom 5. Januar 2018 gesandt, die eine Klage habe vermeiden
sollen. Die Angelegenheit habe abschließend bereinigt werden sollen; hierfür sei eine bloße
Zahlungsankündigung nicht angetan gewesen. Aus Sicht eines objektiven Empfängers habe das
Schreiben die zwischen den Parteien umstrittene Frage der Kürzungsberechtigung der Beklagten für die
Vergangenheit und für die Zukunft, also umfassend, dem Streit entziehen sollen. Aus dem Eingangssatz sei
allenfalls zu entnehmen, dass die Beklagte bei ihrer Rechtsansicht bleibe, zur Kürzung berechtigt zu sein.
Dies ändere aber nichts an dem erkennbaren Willen, das bisherige Schuldverhältnis dem Streit zu
entziehen.
65 (2) Damit hat das Landesarbeitsgericht Auslegungsregeln verletzt und wesentliche Tatsachen nicht
berücksichtigt. Es hat unbeachtet gelassen, dass die E-Mail nicht von Dr. S in seiner Eigenschaft als
Geschäftsführer der Beklagten abgegeben wurde. Aus der Unterschriftenzeile der E-Mail von Dr. S ergibt
sich vielmehr, dass die Erklärungen in der E-Mail keine solchen der Beklagten, sondern diese von ihm als
Mitarbeiter der Erste Abwicklungsanstalt abgegeben wurden. Dazu passt widerspruchsfrei, dass nach dem
Wortlaut der E-Mail lediglich angekündigt wird, wie die Beklagte verfahren werde. Das zeigt, dass die E-
Mail selbst keine verbindliche Erklärung - und schon gar nicht der Beklagten - im Sinne der Annahme eines
Angebots des Klägers bzw. der Abgabe eines annahmefähigen Angebots an den Kläger darstellt.
66 III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
Vorsitzender Richter am
Bundes-
arbeitsgericht Dr. Zwanziger ist
an der Beifügung der Unterschrift
gehindert.
Spinner
Spinner
Günther-
Gräff
Wischnath
Busch
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