Urteil des BAG vom 07.05.2020
Kündigung eines Flugbegleiters - Anwendbarkeit deutschen Rechts - § 18 BEEG als Eingriffsnorm - Revisibilität ausländischen Rechts
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 7. Mai 2020
Zweiter Senat
- 2 AZR 692/19 -
ECLI:DE:BAG:2020:070520.U.2AZR692.19.0
I. Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Urteil vom 22. Mai 2018
- 16 Ca 6411/17 -
II. Hessisches Landesarbeitsgericht
Urteil vom 13. Juni 2019
- 11 Sa 812/18 -
Entscheidungsstichworte:
Kündigung eines Flugbegleiters - Anwendbarkeit deutschen Rechts - § 18
BEEG als Eingriffsnorm - Revisibilität ausländischen Rechts
ECLI:DE:BAG:2020:070520.U.2AZR692.19.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
2 AZR 692/19
11 Sa 812/18
Hessisches
Landesarbeitsgericht
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
7. Mai 2020
URTEIL
Radtke, Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
In Sachen
Kläger, Berufungsbeklagter, Anschlussberufungskläger und
Revisionskläger,
pp.
Beklagte, Berufungsklägerin, Anschlussberufungsbeklagte und
Revisionsbeklagte,
hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung vom
7. Mai 2020 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesarbeitsgericht
Prof. Dr. Koch, die Richterin am Bundesarbeitsgericht Rachor, den Richter am
Bundesarbeitsgericht Dr. Schlünder sowie den ehrenamtlichen Richter Krüger
und die ehrenamtliche Richterin Schipp für Recht erkannt:
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2 AZR 692/19
ECLI:DE:BAG:2020:070520.U.2AZR692.19.0
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1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessi-
schen Landesarbeitsgerichts vom 13. Juni 2019 - 11 Sa
812/18 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entschei-
dung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens -
an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten zuletzt noch über die Wirksamkeit einer Kündigung
sowie die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers und die Erteilung eines
Zwischenzeugnisses.
Die Beklagte ist eine Fluggesellschaft mit Sitz in Deutschland. Der Klä-
ger arbeitete bei ihr als Flugbegleiter mit der Heimatbasis Delhi (Indien). Er ist
indischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Indien, wo er auch seinen Le-
bensmittelpunkt hat. Der zwischen den Parteien in Delhi abgeschlossene Ar-
beitsvertrag vom 8. Februar 1996 trägt die Anschrift der dortigen Niederlassung
der Beklagten und wurde von ihrem für die Personalabteilung in Delhi verant-
wortlichen Mitarbeiter unterzeichnet. In Nr. 2 des Arbeitsvertrags war ua. ver-
einbart, dass auf das Arbeitsverhältnis indisches Recht sowie die Beschäfti-
gungsbedingungen für regionale Flugbegleiter in Indien Anwendung finden.
Steuern und Sozialversicherungsabgaben auf das in indische Rupien gezahlte
Gehalt des Klägers wurden in Indien entrichtet.
Wie arbeitsvertraglich vereinbart, begannen und endeten alle Flug-/
Arbeitseinsätze des Klägers - wie alle Umläufe der etwa 175 indischen Flugbe-
gleiter der Beklagten - an der Heimatbasis in Delhi. Auf diese sind die Arbeits-
zeit, die Flugdienstzeit, die Flugzeit, die Ruhezeiten, die Standby-/Reserve-
Regelungen, die Regelung zu freien Tagen sowie alle weiteren arbeitsvertragli-
chen Regelungen bezogen. In Delhi erhielt der Kläger in einem Briefing der dort
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stationierten Flugbegleiter die Dienstanweisungen und flog von dort aus nach
Frankfurt am Main oder nach München und zurück.
Mit Schreiben der Personalabteilung in Delhi vom 24. Januar 2017 wur-
de der Kläger mit sofortiger Wirkung aus verhaltensbedingten Gründen suspen-
diert. Im Anschluss daran führte die Beklagte eine nach indischem Recht vor-
geschriebene Untersuchung
(„Domestic Enquiry“) durch, die mit einem Bericht
vom 10. Juni 2017 abgeschlossen wurde.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 1. Juni 2017 Elternzeit für
seinen am 9. Oktober 2015 geborenen Sohn ab dem frühestmöglichen Zeit-
punkt. Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers unter Hinweis auf die Nicht-
anwendbarkeit deutschen Rechts auf das Arbeitsverhältnis ab.
Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 23. August 2017, das dem
Kläger am 25. August 2017 zuging, das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Kläger
wies die Kündigung mit Schreiben vom 31. August 2017
„gem. § 174 BGB
mangels entsprechender Bevollmächtigung zurück“.
Mit seiner beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen Klage
hat sich der Kläger gegen die Kündigung gewandt. Er hat gemeint, auf sein Ar-
beitsverhältnis sei deutsches Recht anwendbar. Ein Kündigungsgrund liege
nicht vor. Die Kündigung sei - unabhängig von dem anwendbaren Recht - be-
reits aufgrund der unterbliebenen Anhörung der Personalvertretung unwirksam.
Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - be-
antragt
1.
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die
schriftliche Kündigung der Beklagten vom 23. August
2017, ihm zugegangen am 25. August 2017, nicht
aufgelöst worden ist;
2.
die Beklagte zu verurteilen, ihm ein Zwischenzeugnis
zu erteilen, das sich auf Art und Dauer des Arbeits-
verhältnisses sowie Führung und Leistung erstreckt;
3.
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräfti-
gen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu
unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiter
weiterzubeschäftigen.
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Kündi-
gung sei nach dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren indischen Recht
aufgrund von Pflichtverstößen des Klägers wirksam.
Das Arbeitsgericht hat nur dem Bestandsschutzantrag entsprochen und
die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat sie insgesamt
abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Mit der gegebenen
Begründung durfte das Landesarbeitsgericht die Klage nicht abweisen. Es hat
zwar zutreffend angenommen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien das
Recht der Republik Indien Anwendung findet und inländische Vorschriften einer
Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegenstehen. Das Berufungsgericht hat
aber rechtsfehlerhaft den maßgeblichen Inhalt des indischen Rechts nicht ermit-
telt. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 23. August
2017 aufgelöst worden ist und dem Kläger ein Anspruch auf ein Zwischenzeug-
nis sowie auf vorläufige Weiterbeschäftigung zusteht, kann der Senat nicht
selbst entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht
.
I.
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die internationa-
le Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegeben ist.
1.
Die internationale Zuständigkeit folgt nicht bereits aus dem Beschluss
des Arbeitsgerichts, mit dem dieses sich für örtlich zuständig erklärt hat. Damit
hat es nur über die örtliche Zuständigkeit iSv. § 48 ArbGG, nicht aber über die
Frage der internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte entschieden.
Will das angerufene Gericht die internationale Zuständigkeit der deutschen Ge-
richtsbarkeit vorab bindend feststellen, hat es im Wege eines Zwischenurteils
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gemäß § 280 ZPO, nicht aber durch Beschluss nach § 17a GVG zu entschei-
den
.
2.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist eine in der
Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfende Sachurteilsvoraussetzung
. § 545 Abs. 2
ZPO steht dem nicht entgegen. Diese Regelung bezieht sich - soweit man sie
im arbeitsgerichtlichen Revisionsverfahren überhaupt für anwendbar hält
- ungeachtet ihres weit gefassten Wort-
lauts nicht auf die internationale Zuständigkeit
.
a)
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für das vorlie-
gende, am 15. September 2017 anhängig gemachte Verfahren bestimmt sich
nach der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 (im Folgenden: Brüssel Ia-VO), die
nach ihrem Art. 66 Abs. 1 für die seit dem 10. Januar 2015 eingeleiteten Verfah-
ren gilt.
aa)
Bei einem Arbeitsrechtsstreit handelt es sich um eine zivilrechtliche
Streitigkeit iSv. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Brüssel Ia-VO
.
bb)
Der für ihre Anwendung erforderliche Auslandsbezug
ergibt sich daraus, dass
der Kläger seinen Wohnsitz in einem Drittstaat hat
.
b)
Nach Art. 20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Buchst. a Brüssel Ia-VO kann ein
Arbeitgeber, der seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, vor den Gerichten
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des Mitgliedstaats, in dem er seinen Wohnsitz hat, verklagt werden. Juristische
Personen haben nach Art. 63 Abs. 1 Brüssel Ia-VO ihren Wohnsitz an dem Ort,
an dem sich ihr satzungsmäßiger Sitz
bzw. ihre Hauptniederlassung
befindet. Für Klagen gegen die Beklagte mit Sitz in Köln und Haupt-
niederlassung in Frankfurt am Main ist eine internationale Zuständigkeit deut-
scher Gerichte damit gegeben. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Indien bestehen keine zwischenstaatlichen Übereinkünfte, die
gemäß den Art. 71, 72 Brüssel Ia-VO vorrangig zu beachten wären.
II.
Die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, die Kündigung des Arbeitsver-
hältnisses des Klägers sei nicht wegen Verstoßes gegen deutsches Recht
- insbesondere § 626 BGB und § 18 Abs. 1 Satz 1 BEEG - nichtig, erweist sich
als frei von Rechtsfehlern. Das Arbeitsverhältnis der Parteien unterliegt indi-
schem Vertragsstatut.
1.
Das anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 27 ff.
EGBGB in der bis 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (aF). Die Verordnung
(EG) Nr. 593/2008 (Rom I-VO) findet keine Anwendung, weil der Arbeitsvertrag
der Parteien vor dem 17. Dezember 2009
geschlossen
wurde und es in der Folgezeit keine umfangreiche Vertragsänderung gab, die
der Sache nach zu einer Ersetzung des bisherigen Vertrags geführt hätte
. Im Übrigen stellte
sich die Rechtslage im Streitfall gemäß Art. 3, 8 und 9 Rom I-VO nicht anders
dar als nach Art. 27 ff. EGBGB (aF)
.
2.
Dem jeweils anwendbaren Vertragsstatut unterliegt auch der privat-
rechtliche Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz
. Gleiches gilt für
die Regelung in § 626 BGB.
3.
Die Parteien haben in Nr. 2 des Arbeitsvertrags ausdrücklich die Gel-
tung indischen Rechts gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB (aF) vereinbart. Die dies-
bezügliche Auslegung des Arbeitsvertrags durch das Landesarbeitsgericht ist
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revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat hiergegen keine durch-
greifenden Rügen erhoben. Er setzt lediglich sein Verständnis vom Inhalt der
vertraglichen Vereinbarung gegen die Auffassung des Berufungsgerichts. Das
reicht nicht aus. Die Ansicht des Klägers ist zudem unzutreffend. Seine Annah-
me, es solle im Vertrag nur zum Ausdruck gebracht werden, dass dieser nicht
gegen indisches Recht verstoßen dürfe, geht an der Sache vorbei. Der Vertrag
darf deshalb nicht gegen indisches Recht verstoßen, weil dieses anwendbar
sein soll.
4.
Die Rechtswahl der Parteien konnte nicht iSv. Art. 30 Abs. 1
EGBGB (aF) dazu führen, dass dem Kläger der Schutz entzogen würde, der
ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach
Art. 30 Abs. 2 EGBGB (aF) mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Das
Arbeitsverhältnis unterlag auch objektiv indischem Vertragsstatut.
a)
Nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) ist auf Arbeitsverträge und Ar-
beitsverhältnisse das Recht des Staates objektiv anwendbar, in dem der Arbeit-
nehmer in Erfüllung des Vertrags gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, selbst
wenn er vorübergehend in einen anderen Staat entsandt ist. Das Kriterium des
Staates, in dem die Arbeit gewöhnlich verrichtet wird, bezieht sich auf den Ort,
an dem oder von dem aus der Arbeitnehmer seine beruflichen Tätigkeiten tat-
sächlich ausübt, und - in Ermangelung eines Mittelpunkts seiner Tätigkeiten -
auf den Ort, an dem der Arbeitnehmer den größten Teil seiner Tätigkeiten ver-
richtet
.
b)
Der Begriff des „gewöhnlichen Arbeitsorts“ ist nach der Auslegung des
Gerichtshofs der Europäischen Union zu Art. 6 Abs. 2 Buchst. a EVÜ, die auch
für Art. 27 ff. EGBGB (aF) maßgeblich ist
, weit zu
verstehen
. Übt der Arbeitnehmer seine Tätigkeit in mehreren Vertragsstaaten aus, ist
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gewöhnlicher Arbeitsort der Ort, an dem oder von dem aus er seine berufliche
Tätigkeit tatsächlich ausübt, und - in Ermangelung eines Mittelpunkts der Tätig-
keit - der Ort, an dem er den größten Teil seiner Arbeit verrichtet. Erst wenn
auch danach ein gewöhnlicher Arbeitsort in einem Staat nicht feststellbar ist,
darf - in Einklang mit den neuen Kollisionsnormen in Art. 8 Rom I-VO - auf die
„einstellende Niederlassung“
zurückgegriffen
werden
.
c)
Hinsichtlich des Ortes,
„an dem“ Flugpersonal gewöhnlich seine Arbeit
verrichtet, ist von einer indiziengestützten Methode auszugehen, mit der in
Zweifelsfällen der Ort,
„von dem aus“ der Arbeitnehmer den wesentlichen Teil
seiner Verpflichtungen gegenüber seinem Arbeitgeber tatsächlich erfüllt, zu be-
stimmen ist
.
aa)
Dabei ist insbesondere zu ermitteln, in welchem Mitgliedstaat der Ort
liegt, von dem aus der Arbeitnehmer seine Verkehrsdienste erbringt, an den er
danach zurückkehrt, an dem er Anweisungen dazu erhält und seine Arbeit
organisiert und an dem sich die Arbeitsmittel befinden. Außerdem ist der Ort zu
berücksichtigen, an dem die Flugzeuge stationiert sind, in denen die Arbeit ge-
wöhnlich verrichtet wird
.
bb)
Der Begriff des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Ar-
beit verrichtet, kann
nicht mit dem Begriff der „Heimatbasis“ iSv. Anhang III der
Verordnung (EWG) Nr. 3922/91 (im Folgenden: VO Nr. 3922/91) gleichgesetzt
werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Begriff der Heimatbasis irrelevant
wäre. Vielmehr stellt er einen Aspekt dar, der bei der Ermittlung der Indizien
eine wichtige Rolle spielen und es unter Umständen ermöglichen kann, den Ort
zu bestimmen, von dem aus die Arbeitnehmer gewöhnlich ihre Arbeit verrichten
.
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cc)
Der Begriff der Heimatbasis wird in der Norm OPS 1.1095 des An-
hangs III der VO Nr. 3922/91 als der Ort definiert, an dem das Flugpersonal
systematisch seinen Arbeitstag beginnt und beendet sowie seine tägliche Arbeit
organisiert und in dessen Nähe es für die Dauer des Vertragsverhältnisses sei-
nen tatsächlichen Wohnsitz begründet hat und dem Luftfahrtunternehmer zur
Verfügung steht. Dieser Ort wird weder beliebig noch vom Arbeitnehmer be-
stimmt, sondern gemäß der Norm OPS 1.1090 Nr. 3.1 des Anhangs III der
VO Nr. 3922/91 vom Luftfahrtunternehmer für jedes Besatzungsmitglied. Die
Heimatbasis verlöre nur dann ihre Relevanz für die Bestimmung des Ortes, von
dem aus der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, wenn unter Be-
rücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Falls das konkrete Begehren eine
engere Verknüpfung mit einem anderen Ort als der Heimatbasis aufwiese
.
Der Begriff der Heimatbasis ist damit ein wichtiges Indiz für die Bestimmung
d
es „Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet“
.
d)
Gemäß Art. 30 Abs. 2 Halbs. 2 EGBGB (aF) gilt die nach Art. 30 Abs. 2
Nr. 1 und Nr. 2 EGBGB (aF)
„an sich“ zutreffende Zuordnung dann ausnahms-
weise nicht, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass der Ar-
beitsvertrag oder das Arbeitsverhältnis engere Verbindungen zu einem anderen
Staat aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staates anzuwen-
den.
Um zu klären, ob „engere Verbindungen“ zu einem anderen Staat iSd.
Ausnahmeregelung vorliegen, ist nach dem Gesetzeswortlaut auf die „Gesamt-
heit der Umstände“ abzustellen. Dabei ist nicht allein die Anzahl der für eine
Verbindung zu dem einen oder dem anderen Staat sprechenden Kriterien maß-
gebend. Vielmehr müssen die Anknüpfungsmomente gewichtet werden
.
aa)
Zu berücksichtigen sind ua. der Arbeitsort, der Sitz des Arbeitgebers,
die Staatsangehörigkeit der Vertragsparteien und der Wohnsitz des Arbeitneh-
mers. Vertragsimmanente Gesichtspunkte wie die Vertragssprache, die Wäh-
rung, in der die Vergütung gezahlt wird, oder die Bezugnahme auf Rechtsvor-
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schriften eines bestimmten Staates haben nachrangige Bedeutung. Andernfalls
hätte es der Arbeitgeber in der Hand, das vom Gesetzgeber vorgesehene
Günstigkeitsprinzip durch die Vertragsgestaltung und entsprechende Abreden
zu unterlaufen. Eine derartige Disposition über den zwingenden Arbeitnehmer-
schutz soll Art. 30 Abs. 1 EGBGB (aF) gerade verhindern. In seinem Rahmen
kommt es auf davon unabhängige, objektive Umstände an
. Ein wesentliches Kriterium ist dabei der Ort, an
dem der Arbeitnehmer seine Steuern und Abgaben entrichtet und der Sozial-
versicherung angeschlossen ist
. Sollen die Einzelumstände auf engere
Verbindungen zu einem anderen Staat verweisen, müssen sie insgesamt das
Gewicht der einschlägigen Regelanknüpfung deutlich übersteigen
.
bb)
Die Würdigung des Berufungsgerichts und die Gewichtung der von ihm
festgestellten Anknüpfungsmomente ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt
überprüfbar, soweit sie auf tatsächlichem Gebiet liegt
. Es muss alle Gesichtspunkte berücksichtigen, die das Ar-
beitsverhältnis kennzeichnen, und den- oder diejenigen würdigen, die seiner
Ansicht nach am maßgeblichsten sind
.
e)
Nach diesem Maßstab ist die Annahme des Landesarbeitsgerichts revi-
sionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass auch ohne individuelle Rechtswahl
indisches Recht nach Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) auf das Arbeitsverhält-
nis der Parteien Anwendung fände. Der Kläger hat seine Arbeitsleistung von
Indien aus erbracht.
aa)
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass die
Flugeinsätze des Klägers stets an seiner Heimatbasis Delhi begannen und en-
deten, er in der Nähe seiner Heimatbasis seinen Wohnsitz hat, vor Beginn der
Tätigkeit in Delhi Briefings für den jeweiligen Flugeinsatz durchgeführt wurden
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und dort auch andere verpflichtende Termine stattfanden. Die Bedeutung der
Heimatbasis Delhi des Klägers wird für die Bestimmung seines gewöhnlichen
Arbeitsorts insbesondere nicht durch eine engere Verknüpfung mit Deutschland
in Zweifel gezogen. Die Gewichtung des Umstands, ob und in welchem Umfang
der Kläger Weisungen aus Deutschland erhielt, hat das Berufungsgericht im
Rahmen des ihm zukommenden Beurteilungsspielraums in revisionsrechtlich
nicht zu beanstandender Weise vorgenommen. Für die Bestimmung des ge-
wöhnlichen Arbeitsorts ist
die „Staatszugehörigkeit“ der Flugzeuge iSv. Art. 17
des Abkommens über die internationale Zivilluftfahrt vom 7. Dezember 1944
ohne Bedeutung. Da der gewöhnliche Ar-
beitsort des Klägers iSv. Art. 30 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB (aF) mit Delhi bestimmt
werden kann, kommt es auf die (hilfsweisen) Ausführungen des Landesarbeits-
gerichts zur einstellenden Niederlassung iSv. Art. 30 Abs. 2 Nr. 2 EGBGB (aF)
nicht an.
bb)
Die gegen die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts erhobe-
nen Sachrügen greifen nicht durch. Ebenso hat der Kläger gegen die dieser
zugrunde liegenden Feststellungen
weder eine Verfahrens-
rüge erhoben noch Tatbestandsberichtigung beantragt.
(1)
Der Ort, an dem die Flugzeuge stationiert sind, ist nur ein untergeord-
netes Kriterium mit schwacher Indizwirkung, da er nicht zwingend mit dem Ort,
an dem der Kläger gewöhnlich seine Arbeit verrichtet, korrespondieren muss.
(2)
Die Darstellung des Klägers, er absolviere immer mindestens einen
Flug von Deutschland aus und kehre regelmäßig nach Frankfurt zurück, ist un-
zutreffend. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beginnt und
beendet der Kläger sämtliche Umläufe an seiner Heimatbasis in Delhi. Auf die-
se werden auch die gesamten für das Arbeitsverhältnis relevanten Berechnun-
gen bezogen. Allein der Umstand, dass der Kläger - dem Sinn und Zweck des
Luftverkehrs geschuldet - an einem anderen Flughafen landet und von dort zu
seiner Heimatbasis zurückkehrt, ändert nichts daran, dass Bezugspunkt für das
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Arbeitsverhältnis die Heimatbasis ist. Dort beginnt und endet der jeweilige Um-
lauf für den Kläger.
(3)
Die Darstellung des Klägers, er habe seine gesamten Anweisungen in
Bezug auf das Arbeitsverhältnis in Frankfurt erhalten, entspricht nicht den Fest-
stellungen im Berufungsurteil. Das Landesarbeitsgericht hat vielmehr festge-
stellt, dass die Briefings mit der Erteilung von Dienstanweisungen zu Beginn der
Umläufe in Delhi stattfanden, die kurzfristige operative Einsatz- und Urlaubspla-
nung in Indien erfolgte und sich dort auch die Personalabteilung befand, die ihm
ua. eine Abmahnung erteilte.
(4)
Ebenso ist es unzutreffend, dass die Arbeitsorganisation des Klägers
allein in Frankfurt erfolge. Das Landesarbeitsgericht hat im Einzelnen festge-
stellt, welche Planungen und Maßnahmen in Deutschland durchgeführt werden
und welche in Indien. Dem setzt der Kläger lediglich seine Ansicht gegenüber,
die er mit der Bezeichnung als „unstreitig“ oder „nachgewiesen“ zu bekräftigen
versucht, ohne dass dies aus dem Berufungsurteil nachvollziehbar wäre.
(5)
Sein Hinweis, dass sich die Beklagte in Nr. 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags
ein Versetzungsrecht vorbehalten habe, ist unbehelflich. Die Parteien haben in
Nr. 1 Abs. 1 des Vertrags Delhi als Heimatbasis festgelegt. Darin liegt ein star-
kes, im Zusammenspiel mit den übrigen Umständen ausschlaggebendes Indiz
für den gewöhnlichen Arbeitsort. Dass die Beklagte diesen Ort - in der Zu-
kunft - ggf. einseitig ändern kann, besagt nichts über dessen Bestimmung in der
Gegenwart.
(6)
Das Landesarbeitsgericht hat die fachlichen und organisatorischen Be-
zugspunkte des Arbeitsverhältnisses zu Deutschland bei der gebotenen Bewer-
tung nicht unberücksichtigt gelassen. Die im Vordergrund stehende Bedeutung
der Heimatbasis werde aber durch kein anderes Kriterium verdrängt, zumal die
Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in Indien auch ein
Personalbüro unterhalte, welches Maßnahmen in Bezug auf das Arbeitsverhält-
nis ausführe und in dem auch fachliche Einweisungen stattfänden. Dies lässt
keinen revisiblen Rechtsfehler erkennen.
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f)
Das Landesarbeitsgericht hat ebenfalls in revisionsrechtlich nicht zu
beanstandender Weise angenommen, dass das sich nach Art. 30 Abs. 2
Halbs. 1 EGBGB (aF) ergebende Vertragsstatut, wonach indisches Recht zur
Anwendung kommt, nicht nach Halbs. 2 der Norm ausgeschlossen ist, weil sich
aus der Gesamtheit der Umstände ergebe, dass das Arbeitsverhältnis engere
Verbindungen zu Deutschland aufweist.
aa)
Das Landesarbeitsgericht hat darauf abgestellt, dass der Kläger die aus
dem Arbeitsverhältnis resultierenden Steuern und Abgaben in Indien entrichtet,
dort sozialversichert ist, die Parteien den Arbeitsvertrag in Indien geschlossen
haben, der Kläger indischer Staatsbürger ist und dort seinen Wohnsitz und Le-
bensmittelpunkt hat, seine Vergütung in indischen Rupien bezahlt wird und dis-
ziplinarische Maßnahmen in den Räumen der Beklagten in Delhi erfolgen. Da-
bei hat es die Anknüpfungspunkte an Deutschland durchaus beachtet, nämlich
den Sitz der Beklagten in Deutschland, wo auch ärztliche Untersuchungen,
Trainings und die Briefings vor den Rückflügen stattfinden, sowie die Einsatz-
und Urlaubsplanung und die Entgegennahme der Krankmeldung, ferner den
Arbeitsort der Führungskräfte, den Abholort für die Arbeitsbekleidung und den
früheren Ort eines Postfachs. Wenn das Landesarbeitsgericht daraus im Rah-
men einer wertenden Gewichtung der Kriterien den Schluss zieht, dass es kei-
ne engere Verbindung des Arbeitsverhältnisses zu Deutschland als zu Indien
gibt, hält sich dies im Rahmen seines Beurteilungsspielraums
. Dies gilt umso
mehr, als die Einzelumstände, die auf eine engere Verbindung zu einem ande-
ren Staat verweisen sollen, insgesamt das Gewicht der Regelanknüpfung deut-
lich übersteigen müssten
.
bb)
Die hiergegen im Revisionsverfahren erhobenen Sachrügen sind unbe-
gründet. Das für den Kläger bei einer Bank in Deutschland geführte Spesenkon-
to hat gemessen an den übrigen Umständen der Bezahlung, Versteuerung und
Sozialversicherung erkennbar kein entscheidendes Gewicht. Soweit er in Zwei-
fel zieht, dass sein Lebensmittelpunkt in Indien sei, widerspricht das den bin-
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denden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts. Dies gilt gleichermaßen für
sein Tatsachenvorbringen zu den Trainings, Untersuchungen und Briefings am
Umlaufbeginn. Ebenso enthält der Arbeitsvertrag keine ausdrückliche Bezug-
nahme auf den MTV oder den TV PV.
5.
Vorschriften des deutschen Rechts, die einer Wirksamkeit der Kündi-
gung entgegenstehen könnten, sind nicht trotz der Geltung des indischen
Rechts für das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, weil es sich um soge-
nannte „Eingriffsnormen“ handelte.
a)
Nach Art. 34 EGBGB (aF) bleiben ohne Rücksicht auf eine nach
Art. 27 ff. EGBGB (aF) getroffene Rechtswahl und das hiernach auf den Vertrag
anzuwendende Recht diejenigen Bestimmungen des deutschen Rechts unbe-
rührt, die den Sachverhalt zwingend regeln. Nach Art. 9 Abs. 1 Rom I-VO, der
zwar auf den Streitfall nicht anwendbar ist, aber zur Orientierung insoweit her-
angezogen werden kann
, sind „Eingriffsnormen“ zwingende Vorschriften, deren Einhal-
tung von einem Staat als so entscheidend für die Wahrung seines öffentlichen
Interesses, insbesondere seiner politischen, sozialen oder wirtschaftlichen Or-
ganisation, angesehen wird, dass sie auf alle in Betracht kommenden Sachver-
halte angewendet werden müssen
. Art. 34 EGBGB (aF) will zwingende Bestimmungen des deutschen
Rechts ohne Rücksicht auf ihren Schutznormcharakter und „ohne Rücksicht auf
das auf den Vertrag anwendbare Recht
“ durchsetzen
.
aa)
Nicht alle nach deutschem Recht zwingenden Bestimmungen sind Ein-
griffsnormen. Dies folgt für arbeitsrechtliche Vorschriften aus Art. 30 Abs. 1
EGBGB (aF). Danach darf die vereinbarte Rechtswahl dem Arbeitnehmer nicht
den Schutz zwingenden deutschen Arbeitsrechts entziehen, sofern dieses ohne
Rechtswahl nach den objektiven Anknüpfungen des Art. 30 Abs. 2 EGBGB (aF)
anzuwenden wäre. Diese Vorschrift wäre überflüssig, wenn jede vertraglich un-
abdingbare arbeitsrechtliche Norm über Art. 34 EGBGB (aF) auf das Arbeits-
verhältnis einwirken würde
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. Es reicht nicht aus, dass die betreffende Norm als Arbeitneh-
merschutznorm einseitig zwingend und günstiger als die nach dem an sich an-
wendbaren ausländischen Recht einschlägige Vorschrift ist.
bb)
Inländische Gesetze sind daher nur dann Eingriffsnormen iSd. Art. 34
EGBGB (aF), wenn sie entweder ausdrücklich
oder nach ihrem Sinn und Zweck
ohne Rücksicht auf das nach deutschen Kollisionsnormen anwendbare Recht
gelten sollen. Erforderlich ist, dass die Vorschrift nicht nur auf den Schutz von
Individualinteressen der Arbeitnehmer gerichtet ist, sondern mit ihr zumindest
auch öffentliche Gemeinwohlinteressen verfolgt werden
.
cc)
Bei der Bestimmung einer innerstaatlichen Norm als international zwin-
gende Eingriffsnorm ist Zurückhaltung geboten, wie sich auch aus Erwägungs-
grund 37 zur Rom I-VO ergibt, nach dem
der Begriff „Eingriffsnormen“ eng aus-
gelegt werden soll
.
b)
Nach diesem Maßstab sind die vom Kläger angeführten Vorschriften
des deutschen Rechts - insbesondere des BGB und des BEEG - keine Ein-
griffsnormen iSv. Art. 34 EGBGB (aF).
aa)
Dies gilt zunächst für Vorschriften des allgemeinen Kündigungsschut-
zes
. Sie dienen nach dem individualrechtlichen Konzept
des deutschen Kündigungsschutzrechts in erster Linie dem Ausgleich eines
Konflikts zwischen Privatleuten und nur mittelbar sozialpolitischen Zweckset-
zungen
. Das gilt ebenso für die Regelungen zur außerordentli-
chen Kündigung
und zu den Kündigungsfristen
. Die-
se gewähren einen temporären Bestandsschutz, der letztlich nur auf ein Über-
gangsinteresse zielt
. Der
Hinweis des Klägers auf den grundsätzlich zwingenden Charakter der gesetzli-
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chen Regelung
ver-
kennt, dass nicht jede individualrechtlich zwingende Norm eine Eingriffsnorm
darstellt.
bb)
§ 174 BGB schützt das Interesse des am einseitigen Rechtsgeschäft
nicht willentlich Beteiligten an Sicherheit darüber, ob der handelnde Vertreter
bevollmächtigt war und das Rechtsgeschäft Wirksamkeit erlangt hat
. Die Norm dient allein dem Individualinteresse.
cc)
Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass es sich bei § 18
Abs. 1 BEEG jedenfalls dann nicht um eine Eingriffsnorm iSv. Art. 34
EGBGB (aF) handelt, wenn der die Elternzeit beanspruchende Arbeitneh-
mer - wie der Kläger - seinen gewöhnlichen Arbeitsort nicht im Inland hat.
(1)
Ob die §§ 15 ff. BEEG Eingriffsnormen sind, wird im Schrifttum unter-
schiedlich beurteilt
. Zum Teil wird zumindest ein gewöhnlicher Arbeitsort im Inland gefordert
.
(2)
§ 15 BEEG soll die Betreuung und Erziehung eines Kindes in den ers-
ten Lebensjahren durch einen Elternteil fördern
. Der Vor-
schriftenkomplex über die Inanspruchnahme der Elternzeit, bei dem es sich in
der Sache um ein Gestaltungsrecht handelt, enthält bei Beendigung des Ar-
beitsverhältnisses während der Elternzeit zwar öffentlich-rechtliche Gestal-
tungselemente
. Gleichwohl sind die §§ 15 bis 21 BEEG
nicht dem öffentlichen Recht, sondern dem Arbeitsrecht als Privatrecht zuzu-
rechnen. Bei der Elternzeit geht es nicht um die Durchsetzung von Schutzbe-
stimmungen mit hoheitlichen Mitteln, sondern um Vorgaben für das Arbeitsver-
hältnis, deren Inanspruchnahme zwar nicht auf der freien Entscheidung beider
Vertragsparteien, aber doch auf jener des Arbeitnehmers und nicht des Staates
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beruht. Als Anspruch auf Freistellung von der Arbeit in Verbindung mit einem
besonderen Kündigungsschutz sind die Vorschriften der §§ 15 bis 21 BEEG
dem Arbeitsrecht als dem Sonderprivatrecht der Arbeitnehmer, das Teil des
Bürgerlichen Rechts ist, zuzuordnen
.
(3)
Gemessen an diesen Zwecken dienen die §§ 15 ff. BEEG Individualin-
teressen, wenn auch Gemeinschaftsbelange nicht völlig unerheblich sind. Mit
der gesetzlichen Regelung wird letztlich ein Anspruch des Arbeitnehmers auf
Betreuung seines Kindes abgesichert, wobei es ihm freisteht, davon Gebrauch
zu machen. Gegen eine international zwingende Regelung sprechen die Frei-
willigkeit der Inanspruchnahme von Elternzeit
und - jedenfalls in Bezug auf nicht in Deutschland
tätige Arbeitnehmer - das Territorialitätsprinzip
. Die Regelungen über die Elternzeit
müssen zudem im Zusammenhang mit den Bestimmungen
über das Elterngeld
betrachtet werden
. § 1
Abs. 1 Nr. 1 BEEG lässt erkennen, dass der Gesetzgeber den Gemeinwohlbe-
lang - soweit er vorliegend von Bedeutung sein könnte - allein auf das Inland
bezogen hat.
(4)
Daneben enthält § 18 BEEG - wie § 168 SGB IX - keinen privatrechtli-
chen Unwirksamkeitsbefehl. Die Nichtigkeit einer Kündigung, die ohne die er-
forderliche vorherige Zustimmung durch die für den Arbeitsschutz zuständige
oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle erklärt wurde, folgt
nicht aus § 18 BEEG selbst, sondern erst aus der - dem deutschen Vertragssta-
tut zugehörigen - Vorschrift des § 134 BGB
. Es bedarf einer
zivilrechtlichen Norm, um einen Verstoß gegen die öffentlich-rechtliche Vor-
schrift des § 18 BEEG im - deutschen - Privatrecht zu sanktionieren. Fände
ausländisches Vertragsrecht Anwendung und kennte dies entweder keine § 134
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BGB vergleichbare Norm oder wäre diese nicht dazu berufen, Vorschriften des
deutschen öffentlichen Rechts Geltung zu verschaffen, bliebe § 18 BEEG inso-
weit folgenlos und stellte sich das Erfordernis, die Zustimmung einer deutschen
Behörde einzuholen, als bloße Förmelei dar
.
(5)
Die Annahme, der Gesetzgeber habe § 18 BEEG international zwin-
gend ausgestaltet, ist umso weniger naheliegend, als durch das BEEG die
Richtlinie 2010/18/EU umgesetzt wird. Diese fordert in § 5 Nr. 4 der Rahmen-
vereinbarung über den Elternurlaub aber nicht zwingend einen Sonderkündi-
gungsschutz, sondern nur die „erforderlichen Maßnahmen“, worunter zB auch
Abfindungszahlungen fallen können
.
dd)
§ 102 TV PV iVm. § 102 BetrVG kommt als Eingriffsnorm nicht in Be-
tracht. Tarifverträge können allenfalls dann international zwingende Eingriffs-
normen darstellen, wenn sie durch besonderen Akt (Allgemeinverbindlicher-
klärung, Verordnung oder Gesetz) in staatlich gesetzte Normen überführt und
ihnen damit ein staatlicher Geltungsgrund verliehen wurde
.
Tarifliche Bestimmungen, die nicht durch staatlich normativen Anwendungsbe-
fehl wirken, scheiden als Eingriffsnorm von vornherein aus
. Der TV PV hat
nicht durch einen besonderen Akt einen staatlichen Geltungsgrund erhalten.
Der Kläger verkennt, dass § 117 Abs. 2 BetrVG zwar den Tarifvertragsparteien
erlaubt, die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung durch Tarifvertrag zu
regeln. Damit macht sich der Gesetzgeber den Inhalt von entsprechenden tarif-
lichen Regelungen aber nicht zu eigen.
6.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Kündigung auch nicht un-
mittelbar deshalb unwirksam, weil die Personalvertretung nicht nach § 102
TV PV iVm. § 102 BetrVG dazu angehört wurde. Eine Regelungskompetenz der
Tarifvertragsparteien nach dem TVG besteht grundsätzlich nur für Arbeitsver-
hältnisse, die deutschem Arbeitsrecht unterliegen
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. Daran fehlt es vorliegend. Darüber hinaus
wäre auch § 102 BetrVG - auf den § 102 TV PV lediglich verweist - auf ständig
im Ausland beschäftigte Arbeitnehmer, die keine Beziehung zu einem Inlands-
betrieb haben, nicht anwendbar
.
III.
Das Landesarbeitsgericht hat die auf Weiterbeschäftigung und Erteilung
eines Zwischenzeugnisses gerichteten Anträge zu Unrecht beschieden. Diese
sind als uneigentliche Hilfsanträge nicht zur Entscheidung angefallen.
1.
Hinsichtlich des Anspruchs auf vorläufige Weiterbeschäftigung bezieht
sich der Kläger ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Großen Senats vom
27. Februar 1985
. Der Antrag auf vorläufige Wei-
terbeschäftigung während eines Kündigungsschutzverfahrens wird regelmäßig
ein unechter Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem Bestandsschutzan-
trag sein
. Das gilt auch dann, wenn die Formulierung des
Antrags seinen Hilfscharakter nicht unmittelbar zu erkennen gibt
. Die Ausführungen des Klägers im vorliegenden Fall geben keinen An-
lass zu einem anderen Verständnis.
2.
Auch der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf ein Zwischen-
zeugnis ist als uneigentlicher Hilfsantrag für den Fall des Obsiegens mit dem
Bestandsschutzantrag auszulegen. Zwar kann auch während eines Bestands-
schutzrechtsstreits und unabhängig von einer positiven Bescheidung des dies-
bezüglichen Antrags ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis bestehen
. Der Kläger bezieht sich zur Be-
gründung seines Anspruchs aber ausdrücklich auf eine Entscheidung des Hes-
sischen Landesarbeitsgerichts
, die un-
ter II 2 der Gründe davon ausgeht, dass nach Ablauf der Kündigungsfrist der
Anspruch auf ein Zwischenzeugnis grundsätzlich entfällt und dieser dann nur
noch im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses geltend gemacht werden
kann, wenn (in der betreffenden Instanz) der Bestandsschutzklage stattgege-
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ben wird. Damit bringt er hinreichend klar zum Ausdruck, dass er seinen Antrag
auf Erteilung eines Zwischenzeugnisses als unechten Hilfsantrag für den Fall
des Obsiegens mit seinem Bestandsschutzantrag verstanden haben will.
3.
Da der Kläger weder in der Berufungsinstanz noch in der Revision mit
seinem Bestandsschutzantrag Erfolg hatte, sind die Anträge auf Erteilung eines
Zwischenzeugnisses und vorläufige Weiterbeschäftigung nicht zur Entschei-
dung angefallen. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Kläger erst-
instanzlich mit seinem Bestandsschutzantrag erfolgreich war. Bei dem die Un-
wirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteil muss es sich um ein solches
der aktuellen Instanz handeln
.
IV.
Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist aufzuheben
, da es zwar zum zutreffenden Ergebnis gekommen ist, indisches Recht
sei auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anwendbar, es die Klage aber rechts-
fehlerhaft abgewiesen hat, ohne den Inhalt des indischen Rechts zu ermitteln.
1.
Die richtige Anwendung des deutschen internationalen Privat- und Zivil-
verfahrensrechts ist im Revisionsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Soweit
danach ausländisches Recht anzuwenden ist, hat das Tatsachengericht dieses
gemäß § 293 ZPO von Amts wegen zu ermitteln. Die Ermittlung darf sich nicht
auf die Heranziehung der einschlägigen Rechtsquellen beschränken, sondern
muss auch die konkrete Ausgestaltung des Rechts in der ausländischen
Rechtspraxis, insbesondere die ausländische Rechtsprechung, berücksichtigen.
In welcher Weise sich das Tatsachengericht die notwendigen Kenntnisse ver-
schafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Das Revisionsgericht darf
insoweit lediglich überprüfen, ob es sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt,
insbesondere sich anbietende Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der
Umstände des Einzelfalls hinreichend ausgeschöpft hat. Gibt die angefochtene
Entscheidung keinen Aufschluss darüber, dass das Gericht seiner Pflicht nach-
gekommen ist, ausländisches Recht zu ermitteln, ist davon auszugehen, dass
eine ausreichende Erforschung des ausländischen Rechts verfahrensfehlerhaft
unterblieben ist
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.
2.
Da die Ermittlung des ausländischen Rechts gemäß § 293 ZPO von
Amts wegen zu erfolgen hat, kommt eine Entscheidung nach den Grundsätzen
der Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des Inhalts des ausländischen
Rechts nicht in Betracht
. Aus-
ländische Rechtsnormen sind Rechtssätze und keine Tatsachen. Eine pro-
zessuale Beweisführungslast einer Partei für den Inhalt des ausländischen
Rechts besteht im Rahmen des § 293 ZPO nicht
. Nur der Umfang der Ermittlungspflicht kann durch den Vortrag der Parteien
beeinflusst werden
.
3.
Nach dem Vortrag des Klägers, dem die Beklagte entgegengetreten ist,
soll die Kündigung auch nach indischem Recht unwirksam sein. In diesem Zu-
sammenhang hat sich der Kläger zwar nicht auf konkrete Normen des indi-
schen Rechts bezogen, aber jedenfalls in Bezug auf das „Domestic Enquiry“-
Verfahren ansatzweise Tatsachen benannt, aus denen sich dessen Fehlerhaf-
tigkeit ergeben soll.
a)
Das Landesarbeitsgericht hat keinerlei Nachforschungen zum Inhalt
des indischen Rechts angestellt, keine eigenen Kenntnisse des indischen
Rechts behauptet und auch keinen Parteivortrag zum Inhalt indischen Rechts
als zutreffend übernommen. Es legt auch nicht dar, von welchem Inhalt indi-
schen Rechts es in Bezug auf die Streitgegenstände ausgeht. Vielmehr stellt es
darauf ab, der Kläger habe nicht dargelegt, dass die Ansprüche nach indischem
Recht begründet wären.
b)
Die Verkennung der Darlegungs- und Beweislast ist ein materieller
Rechtsfehler, der revisionsrechtlich ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu
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beachten ist
.
V.
Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen
, da der Senat nicht in der Sache selbst entscheiden kann.
1.
Dabei ist keine Entscheidung veranlasst, ob der Senat schon deshalb
nicht selbst den Inhalt des indischen Rechts aufklären darf, weil dieses nicht
revisibel ist.
a)
Allerdings hat der Senat, der zunächst von der Irrevisibilität ausländi-
schen Rechts ausgegangen ist
in der Fol-
gezeit angenommen, aus § 73 ArbGG folge - im Unterschied zu § 549 Abs. 1
ZPO in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung
-, dass ausländisches
Recht im arbeitsgerichtlichen Verfahren revisibel sei
.
b)
Dieser Auffassung, die vom Senat in der Folgezeit bestätigt wurde
, haben sich auch andere Senate
des Bundesarbeitsgerichts angeschlossen
. Zuletzt hat der Senat die Frage wieder offengelassen
.
c)
Der Bundesgerichtshof hat für den Bereich des Zivilrechts - ausgehend
vom ehemaligen Wortlaut des § 549 Abs. 1 ZPO bzw. § 545 Abs. 1 ZPO - stets
die Revisibilität ausländischen Rechts verneint
An dieser Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof festgehalten, auch nach-
dem der Wortlaut des § 545 Abs. 1 ZPO seit dem 1. September 2009 eine dem
§ 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG ähnliche Fassung erhalten hat
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.
d)
Unbeschadet des ursprünglich unterschiedlichen Wortlauts von § 73
ArbGG und § 549 Abs. 1 ZPO bzw. § 545 Abs. 1 ZPO sowie der Gesetzge-
bungsgeschichte zur Neufassung des § 545 Abs. 1 ZPO
sprechen die besseren Argumente
dafür, auch für das arbeitsgerichtliche Verfahren nicht von einer Revisibilität
ausländischen Rechts auszugehen. Zwar stünde der Wortlaut von § 73 Abs. 1
Satz 1 ArbGG der Einbeziehung ausländischen Rechts nicht entgegen. Auslän-
dische Rechtsnormen sind für deutsche Gerichte Rechtssätze, nicht Tatsachen
. Auch aus einer (ehemaligen)
gesetzesübergreifenden Systematik könnte abgeleitet werden, dass der Ge-
setzgeber für den Bereich des Zivilrechts und des Arbeitsrechts differenzieren-
de Regelungen habe schaffen wollen. Der Zweck des Revisionsverfahrens
spricht aber im arbeitsgerichtlichen Verfahren - ebenso wie im zivilgericht-
lichen Verfahren - gegen die Revisibilität ausländischen Rechts. Über seinen
Inhalt könnte in der Revisionsinstanz nicht von deutschen Gerichten verbindlich
entschieden werden. Diese haben ausländisches Recht vielmehr so anzuwen-
den, wie es die Gerichte des betreffenden Landes auslegen und anwenden
. Die Klärung derartiger Rechtsfragen ist der
ausländischen Rechtspraxis vorbehalten; die Instanzgerichte müssen - unab-
hängig von der Spruchpraxis des Bundesarbeitsgerichts - die aktuelle Rechts-
lage im Ausland stets aufs Neue überprüfen
. Ebenso könnte eine Divergenz
nicht durch das Bundesarbeitsgericht aufgelöst werden, da auch
insoweit die Rechtspraxis des ausländischen Staates maßgeblich wäre. Aus
den vorgenannten Gründen hält der Senat an seiner Auffassung, ausländisches
Recht sei revisibel, nicht weiter fest.
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2.
Unabhängig von der vorstehend erörterten Frage nach der Revisibilität
ausländischen Rechts bedarf es einer Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht jedenfalls schon deshalb, weil nach der Feststellung des
Inhalts des indischen Rechts beiden Parteien Gelegenheit zu weiterem Sach-
vortrag
gegeben werden muss.
a)
Allerdings kann in Fällen, in denen das Berufungsgericht das ausländi-
sche Recht weder ermittelt noch angewendet hat, eine solche Rechtsermittlung
und Anwendung durch das Revisionsgericht in Betracht kommen
. Dies gölte auch dann, wenn ausländisches Recht nicht revisibel
wäre, da es sich hierbei nicht um die unzulässige Nachprüfung einer Entschei-
dung des Berufungsgerichts handelte
.
b)
Einer Zurückverweisung der Sache bedarf es aber jedenfalls dann,
wenn - wie hier - im Rahmen der Ermittlung ausländischen Rechts neuer Sach-
vortrag der Parteien zu erwarten ist. Diese haben sich vorinstanzlich fast aus-
schließlich mit der Anwendbarkeit deutschen Rechts auseinandergesetzt und
die Frage der Wirksamkeit der Kündigung und des Fortbestands des Arbeits-
verhältnisses nach indischem Recht nur schlagwortartig behandelt. Im Rahmen
der Ermittlung der Maßstäbe des indischen Rechts ist zu erwarten, dass die
Parteien ihren Sachvortrag hierzu vertiefen.
3.
Das Landesarbeitsgericht wird daher aufzuklären haben, nach welchen
Maßstäben indischen Rechts die fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses
zu bewerten ist und ob eine etwaige Unwirksamkeit - entsprechend dem Klage-
ziel des Klägers - zum Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses führte. Wäre
dies der Fall, hätte sich das Landesarbeitsgericht mit den Hilfsanträgen auf vor-
läufige Weiterbeschäftigung und der Erteilung eines Zwischenzeugnisses zu
befassen. Bei den Ermittlungen zum Inhalt des indischen Rechts - ggf. unter
Einholung eines Sachverständigengutachtens - wird es zu beachten haben,
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dass es die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausschöpfen muss
. In diesem Zu-
sammenhang wird das Landesarbeitsgericht den Parteien Gelegenheit zu wei-
terem Sachvortrag zu geben haben. Der Kläger hat bislang zumindest kurso-
risch geltend gemacht, seine Klage sei auch nach indischem Recht begründet.
Die Beklagte hat darauf lediglich erwidert, die Kündigung sei nach Maßgabe
indischen Rechts wirksam und die Anforderungen des
„Domestic Enquiry“-
Verfahrens seien erfüllt.
Koch
Rachor
Schlünder
Krüger
B. Schipp