Urteil des BAG vom 20.03.2018

Vorlageanspruch des Betriebsrats - funktionelle Zuständigkeit

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 20. März 2018
Erster Senat
- 1 ABR 74/16 -
ECLI:DE:BAG:2018:200318.B.1ABR74.16.0
I. Arbeitsgericht München
- Kammer Ingolstadt -
Beschluss vom 27. April 2016
- 10 BV 12/15 -
II. Landesarbeitsgericht München
Beschluss vom 11. Oktober 2016
- 9 TaBV 50/16 -
Entscheidungsstichworte:
Vorlageanspruch des Betriebsrats - funktionelle Zuständigkeit
Hinweis des Senats:
Teilweise Parallelentscheidung zu führender Sache - 1 ABR 11/17 -
ECLI:DE:BAG:2018:200318.B.1ABR74.16.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
1 ABR 74/16
9 TaBV 50/16
Landesarbeitsgericht
München
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
20. März 2018
BESCHLUSS
Metze, Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragsteller und Rechtsbeschwerdeführer,
2.
Beschwerdeführerin,
hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Beratung
vom 20. März 2018 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt,
die Richterin am Bundesarbeitsgericht K. Schmidt, den Richter am
Bundesarbeitsgericht Dr. Treber sowie die ehrenamtlichen Richter Berg und
Prof. Dr. Rose für Recht erkannt:
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1 ABR 74/16
ECLI:DE:BAG:2018:200318.B.1ABR74.16.0
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Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Be-
schluss
des
Landesarbeitsgerichts
München
vom
11. Oktober 2016 - 9 TaBV 50/16 - wird zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über einen Vorlageanspruch.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Einzelhandelsunternehmen mit mehreren
Betrieben. Sie beschäftigt ua. schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte be-
hinderte Menschen. In ihrem Betrieb in E besteht der antragstellende Betriebs-
rat. Es ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet.
Der Betriebsrat hat zuletzt die Kopien der an die Bundesagentur für Ar-
beit übermittelten Anzeige nach § 163 Abs. 2 Satz 1 SGB IX zur Berechnung
des Umfangs der Beschäftigungspflicht und der Ausgleichsabgabe sowie die
Verzeichnisse der schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten behinderten
Menschen sowie der sonstigen anrechnungsfähigen Personen iSd. § 163
Abs. 1 SGB IX
verlangt. Ei-
nem Auskunftsersuchen über alle im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten
und ihnen gleichgestellten behinderten Menschen kam die Arbeitgeberin im
Verlauf des vorliegenden Verfahrens nach. Währenddessen hatte das Landes-
arbeitsgericht München mit Beschluss vom 17. Juni 2015
ei-
nen Feststellungsantrag des bei der Arbeitgeberin gebildeten Gesamtbetriebs-
rats rechtskräftig abgewiesen, ihm eine Kopie der an die Bundesagentur für
Arbeit gerichteten Anzeige sowie der Verzeichnisse nach § 163 Abs. 2 Satz 3
SGB IX zu übermitteln. In diesem Verfahren sind der antragstellende wie die
übrigen Betriebsräte nicht nach § 83 Abs. 3 BetrVG angehört worden.
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Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er benötige die für die
Bundesagentur bestimmte Anzeige sowie die nach § 163 Abs. 1 SGB IX für
sämtliche Betriebe zu erstellenden Verzeichnisse der schwerbehinderten, ihnen
gleichgestellten behinderten und der sonstigen anrechnungsfähigen Personen
jeweils in Kopie. Ohnehin habe die Arbeitgeberin ihm diese Unterlagen nach
der spezialgesetzlichen Regelung des § 163 Abs. 2 Satz 3 SGB IX zur Verfü-
gung zu stellen. Sein Anspruch ergebe sich auch aus § 80 Abs. 2 Satz 2 iVm.
§ 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und aus § 154 SGB IX. Er habe darüber zu wachen,
ob die Arbeitgeberin ihrer Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Men-
schen nachkomme. Zudem sei er nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG verpflichtet,
die Eingliederung schwerbehinderter Menschen sowie den Abschluss von In-
klusionsvereinbarungen zu fördern. Zur Erfüllung dieser Aufgaben müsse er die
Namen sowie die Betriebsstätte aller betroffenen Arbeitnehmer im gesamten
Unternehmen kennen und über die geforderten Unterlagen verfügen.
Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, ihm
einmal jährlich bis spätestens zum 31. März eine Kopie
der Anzeige der Daten, die zur Berechnung des Umfangs
der Beschäftigungspflicht, zur Überwachung deren Erfül-
lung und der Ausgleichsabgabe iSd. § 163 Abs. 2 Satz 1
SGB IX an die für die Arbeitgeberin zuständigen Agentur
für Arbeit gemacht wurden, sowie eine Kopie des Ver-
zeichnisses der bei der Arbeitgeberin beschäftigten
Schwerbehinderten, ihnen gleichgestellten Behinderten
und sonstigen anrechnungsfähigen Personen, gesondert
für jeden Betrieb, zu übermitteln.
Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat - neben einem Auskunftsersuchen über alle im
Betrieb beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinder-
ten Menschen - dem Antrag stattgegeben. Der auf die Stattgabe des Vorlage-
antrags beschränkten Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsge-
richt mit der einschränkenden Maßgabe stattgegeben, dass dem Betriebsrat
neben der Anzeige nach § 163 Abs. 2 Satz 1 SGB IX das Verzeichnis der bei
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der Arbeitgeberin beschäftigten Personen iSd. § 163 Abs. 1 SGB IX für den Be-
trieb zu übermitteln ist, für den er gewählt worden ist. Mit der vom Landesar-
beitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Be-
gehren weiter, auch die Verzeichnisse für die anderen Betriebe zu erhalten.
B.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Das Landes-
arbeitsgericht hat den Antrag jedenfalls insoweit zutreffend abgewiesen.
I.
Der Gesamtbetriebsrat und die anderen Betriebsräte sind nicht nach
§ 83 Abs. 3 ArbGG anzuhören.
1.
Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind diejenigen Stellen zu beteiligen, die
durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stel-
lung unmittelbar betroffen sind. Voraussetzung für ein Betroffensein iSv. § 83
Abs. 3 ArbGG ist, dass eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition des
jeweils anderen Gremiums als Inhaber des vom Antragsteller geltend gemach-
ten Anspruchs oder Rechts materiell-rechtlich ernsthaft in Frage kommt
.
2.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
a)
Der Gesamtbetriebsrat ist nicht mehr nach § 83 Abs. 3 ArbGG anzuhö-
ren. Aufgrund der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts München vom
17. Juni 2015
-
steht ihm gegenüber rechtskräftig fest
, dass ihm der Vorlageanspruch nicht zusteht. Durch eine Entscheidung
des Senats kann in betriebsverfassungsrechtliche Rechtspositionen des Ge-
samtbetriebsrats nicht eingegriffen werden.
b)
Zu Recht hat die Vorinstanz auch von einer Beteiligung der anderen
Betriebsräte abgesehen. Dem antragstellenden Betriebsrat geht es ausschließ-
lich um die Geltendmachung eines eigenen Vorlageanspruchs.
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II.
Der allein noch auf die Übermittlung der Verzeichnisse für die neben
dem Betrieb E bestehenden anderen Betriebe der Arbeitgeberin gerichtete
Feststellungsantrag ist unbegründet.
1.
Der Betriebsrat kann von der Arbeitgeberin nicht nach der spezialge-
setzlich geregelten Vorlagepflicht des § 163 Abs. 2 Satz 3 SGB IX die jährliche
Übermittlung einer Kopie der Verzeichnisse nach § 163 Abs. 1 SGB IX für die
weiteren Betriebe verlangen. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsge-
richts steht der Anspruch nach § 163 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nicht dem einzelnen
Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu, sofern im Unternehmen eines
Arbeitgebers mehrere Betriebe bestehen.
a)
Der Betriebsrat ist nicht schon aufgrund des Wortlauts von § 163 Abs. 2
Satz 3 SGB
IX anspruchsberechtigt. Mit der Formulierung „Betriebsrat“ bringt
der Gesetzgeber
zum Ausdruck, dass die Übermittlungspflicht gegenüber dem
nach den einschlägigen Gesetzen gebildeten Betriebs-, Personal-, Richter-,
Staatsanwaltschafts- und Präsidialrat besteht. Damit wird nicht zugleich die
funktionelle Zuständigkeit innerhalb der nach den betreffenden gesetzlichen
Regelungen möglichen Beteiligungsebenen bestimmt.
b)
Abweichend von der nach dem Betriebsverfassungsgesetz geregelten
Abgrenzung einer Zuständigkeit zwischen der Betriebs- und der Unterneh-
mensebene für die Wahrnehmung eines Überwachungsrechts
obliegt die spezial-
gesetzlich geregelte Vorlagepflicht des Arbeitgebers nach § 163 Abs. 2 Satz 3
SGB IX gegenüber dem Gesamtbetriebsrat, wenn im Unternehmen mehrere
Betriebe bestehen.
aa)
Bereits der Inhalt der Anzeigepflicht nach § 163 Abs. 2 Satz 1 SGB IX
ist unternehmensbezogen ausgestaltet. Er dient vor allem der Veranlagung zur
Ausgleichsabgabe nach § 160 SGB IX. Deren Inhalt wird durch die Vordrucke
der Bundesagentur für Arbeit
näher festgelegt.
Dementsprechend sind in der Anzeige nach Abs. 2 der Vorschrift die Zahl der
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Arbeitsplätze nach § 156 Abs. 1 SGB IX, die Stellen, die gemäß § 156 Abs. 2
SGB IX nicht als Arbeitsplätze gelten, die Ausbildungsplätze entsprechend
§ 157 SGB IX und die Zahl der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten
behinderten Menschen
sowie etwaige Mehrfachanrech-
nungen iSd. § 159 SGB IX bezogen auf das gesamte Unternehmen aufzufüh-
ren. Beizufügen sind die - für jeden Betrieb iSd. Betriebsverfassungsgesetzes
getrennt zu führenden - Verzeichnisse nach § 163
Abs. 1 SGB IX, die alle schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten behinder-
ten Menschen nach § 2 Abs. 2 und Abs. 3 SGB IX sowie die sonstigen anre-
chenbaren Personen
nebst den in den Vordrucken geforderten
Angaben zu den einzelnen Personen erfassen. Auf dieser Datengrundlage hat
der Arbeitgeber im Wege der Selbstveranlagung zu ermitteln, ob und in welcher
Höhe eine Ausgleichsabgabe für das gesamte Unternehmen zu entrichten ist.
bb)
Die für das betreffende Unternehmen in § 163 Abs. 2 Satz 3 SGB IX
geregelte und im Übrigen voraussetzungslose Vorlageverpflichtung an die je-
weilige Interessenvertretung richtet sich an den Gesamtbetriebsrat, wenn in
diesem mehrere Betriebe bestehen. Der Gesamtbetriebsrat ist - nicht zuletzt
aufgrund seiner Zusammensetzung nach § 42 Abs. 2 Satz 1 BetrVG - in der
Lage, die vorstehend dargestellten Angaben zur unternehmensbezogen ausge-
stalteten Beschäftigungspflicht auf ihre Richtigkeit zu überprüfen und ggf. beim
Arbeitgeber auf eine Berichtigung hinzuwirken. Über seine Mitglieder kann er
sich erforderliche Kenntnisse über den jeweiligen Betrieb verschaffen. Aufgrund
der seit dem Inkrafttreten des SGB IX am 1. Juli 2001 nicht mehr wie in der
Vorgängerregelung des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchwbG
„gesondert für jeden Betrieb“ zu erstellenden
Anzeige ist dem jeweiligen Betriebsrat eine Aufschlüsselung der in der Anzeige
unternehmensweit aufgeführten Daten mangels notwendiger Kenntnisse über
die Beschäftigten und die Arbeitsplätze in den anderen Betrieben zumindest
erschwert, wenn nicht unmöglich
. Im
anderen Fall käme es auch zu einer der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung
entgegenstehenden Information der örtlichen Betriebsräte, wenn ihnen die je-
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weiligen Verzeichnisse iSd. § 163 Abs. 1 SGB IX über alle anderen Betriebe
übermittelt würden.
cc)
Diese Auslegung führt auch nicht zu einer Schutzlücke bei der Unter-
richtung des Betriebsrats. Soweit im jeweiligen Betrieb eines Unternehmens mit
mehreren Betrieben ein Betriebsrat besteht, kann er vom Arbeitgeber die not-
wendigen Unterlagen nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG verlangen, um die Durch-
führung der die Arbeitnehmer schützenden Vorschriften iSd. § 80 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG überwachen zu können. Zur Wahrnehmung seiner weiteren Aufgaben
nach § 80 Abs. 1 BetrVG, namentlich derer nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG, sind
dem Betriebsrat gleichfalls nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG die erforderlichen
Unterlagen vorzulegen. Der Betriebsrat kann dann seiner Aufgabe, die Einglie-
derung schwerbehinderter Menschen zu fördern
,
auf
Grundlage der für ihn erforderlichen Unterlagen nachkommen.
2.
Ein weiterer spezialgesetzlich geregelter Vorlageanspruch des Be-
triebsrats folgt auch nicht aus § 176 Satz 2 SGB IX. Dabei muss der Senat nicht
abschließend darüber befinden, ob aus den Überwachungspflichten ein eigen-
ständiger Auskunfts- oder Unterrichtungsanspruch über die Erfüllung der Be-
schäftigungspflicht gegenüber dem Arbeitgeber folgt. Ein solcher wäre jeden-
falls nicht auf diejenigen Daten gerichtet, die Inhalt der Anzeige nach § 163
Abs. 2 Satz 1 SGB IX und der Verzeichnisse iSd. § 163 Abs. 1 SGB IX sind.
3.
Ein betriebsverfassungsrechtlicher Vorlageanspruch des Betriebsrats
besteht nicht.
a)
Ein solcher folgt nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG.
aa)
Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat
zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten
und ihm nach Satz 2 der Bestimmung auf Verlangen die dazu erforderlichen
Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hieraus folgt ein entsprechender An-
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spruch des Betriebsrats, wenn überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gege-
ben ist und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahr-
nehmung dieser Aufgabe erforderlich ist. Dies hat der Betriebsrat darzulegen.
Erst anhand dieser Angaben können der Arbeitgeber und im Streitfall das Ge-
richt prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorlagepflicht vorliegen
.
bb)
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgt ein Anspruch
des Betriebsrats auf die geforderten Unterlagen nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 2
iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Der Betriebsrat hat keine Schutzvorschrift zu-
gunsten von Arbeitnehmern benannt, zu deren Überwachung er die verlangten
Unterlagen benötigt
(1)
Die betriebsverfassungsrechtliche Überwachungsaufgabe iSd. § 80
Abs. 1 Nr.
1 BetrVG ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut auf die „Durch-
führung“ ua. von Gesetzen gerichtet. „Durchzuführen“ sind Verbote und Gebote
.
(2)
Bei der Pflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Selbstveranlagung zur
Ausgleichsabgabe und der hierbei zu fertigenden Anzeige nach § 163 Abs. 2
Satz 1 SGB IX sowie den nach § 163 Abs. 1 SGB IX beizufügenden Verzeich-
nissen handelt es sich um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung des Arbeitge-
bers, nicht aber um ein zugunsten einzelner Arbeitnehmer geltendes Gesetz.
Diese Beurteilung wird durch § 176 Satz 2 Halbs. 1 SGB IX bestätigt. § 163
SGB IX wird von denjenigen Bestimmungen ausgenommen, auf deren Erfüllung
der Betriebsrat durch den Arbeitgeber zu achten hat. Eine etwaige Kontrolle
wird über die spezialgesetzlich geregelte Übermittlungspflicht des § 163 Abs. 2
Satz 3 SGB IX ermöglicht
.
(3)
Die aus § 154 SGB IX folgende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Be-
schäftigung schwerbehinderter Menschen ist ebenfalls keine
„zugunsten der
Arbeitnehmer“ geltende Bestimmung iSd. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Sie be-
gründet für den Arbeitgeber eine öffentlich-rechtliche Pflicht und führt nicht zu
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einer rechtlichen Verpflichtung zugunsten einzelner schwerbehinderter Arbeit-
nehmer oder Stellenbewerber. Die Vorschrift vermittelt diesem Personenkreis
keine unmittelbaren subjektiven Rechte
.
Darauf hat auch die Erörterungspflicht nach § 164 Abs. 1 Satz 7 bis Satz 9
SGB IX keinen Einfluss. Nach § 164 Abs. 1 Satz 1 SGB IX hat ein Arbeitgeber
zunächst zu prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit einem bei ihm beschäftigten oder
einem arbeitslos oder arbeitsuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen
besetzt werden können. Erfüllt er seine Beschäftigungspflicht gemäß § 154
SGB IX nicht, hat er seine Entscheidung zur Nichtberücksichtigung eines
schwerbehinderten Arbeitnehmers oder Stellenbewerbers mit der Schwerbe-
hindertenvertretung und dem Betriebsrat zu erörtern
. Eine Verletzung des Prüf- und Konsultationsverfahrens nach § 164
Abs. 1 SGB IX kann zwar einen Betriebsrat zur Zustimmungsverweigerung
nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei einer beabsichtigten Einstellung berechtigen
. Das begründet
aber keinen subjektiven Anspruch zugunsten betroffener schwerbehinderter
Menschen.
b)
Für sein Vorlagebegehren kann sich der Betriebsrat schließlich nicht
auf eine Förderpflicht iSd. § 80 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG
stützen. Die von ihm begehrte Vorlage von Unterlagen lässt keinen entspre-
chenden Aufgabenbezug erkennen.
Der Betriebsrat hat nicht dargelegt, für welche konkrete Aufgabe nach
§ 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG - die Eingliederung schwerbehinderter Menschen ein-
schließlich des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen und sonstiger be-
sonders schutzbedürftiger Personen zu fördern - er die Vorlage einer Kopie der
Anzeige nach § 163 Abs. 2 Satz 1 SGB IX nebst den einzelnen Verzeichnissen
iSd. § 163 Abs. 1 SGB IX bedarf. Sein allgemeiner Hinweis auf eine enge Zu-
sammenarbeit zwischen ihm und dem Gesamtbetriebsrat nach § 182 Abs. 1
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SGB IX ist ersichtlich untauglich
. Gleiches gilt für das nicht näher ausgeführte Vorbringen, er könne ggf.
darauf hinwirken, dass die Beschäftigungsquote nach § 154 Abs. 1 Satz 1
SGB IX in dem Betrieb, für den er gewählt wurde, erfüllt oder, wenn sie in ande-
ren Betrieben nicht erreicht werde, sogar übererfüllt werde. Unabhängig davon,
ob und inwieweit dieses Anliegen Teil der Förderpflicht des § 80 Abs. 1 Nr. 4
BetrVG ist, bedarf es dazu keiner Vorlage der noch geforderten Unterlagen. Es
genügt, wenn die Arbeitgeberin über den Umfang der Beschäftigung Auskunft
erteilt.
Schmidt
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