Urteil des BAG vom 29.09.2020

Betriebsverfassungsrecht - Versetzung

Bundesarbeitsgericht
Beschluss vom 29. September 2020
Erster Senat
- 1 ABR 21/19 -
ECLI:DE:BAG:2020:290920.B.1ABR21.19.0
I. Arbeitsgericht Braunschweig
Beschluss vom 15. Mai 2018
- 6 BV 16/17 -
II. Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschluss vom 29. April 2019
- 12 TaBV 51/18 -
Entscheidungsstichworte:
Betriebsverfassungsrecht - Versetzung
Leitsatz:
Eine - für die Annahme einer Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG bei kurz-
zeitiger Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs zwingend notwen-
dige - erhebliche Änderung der äußeren Umstände, unter denen die Arbeit
zu leisten ist, liegt nur vor, wenn diese Änderung aus objektiver Sicht be-
deutsam und für den betroffenen Arbeitnehmer gravierend ist. Hierbei kann
auch von Bedeutung sein, wie lange der Arbeitnehmer den mit den äuße-
ren Faktoren der Arbeit einhergehenden Belastungen ausgesetzt ist.
ECLI:DE:BAG:2020:290920.B.1ABR21.19.0
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BUNDESARBEITSGERICHT
1 ABR 21/19
12 TaBV 51/18
Landesarbeitsgericht
Niedersachsen
Im Namen des Volkes!
Verkündet am
29. September 2020
BESCHLUSS
Metze, Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten
1.
Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer,
2.
Rechtsbeschwerdeführerin,
hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom
29. September 2020 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt,
die Richterinnen am Bundesarbeitsgericht K. Schmidt und Dr. Ahrendt sowie den
ehrenamtlichen Richter Hayen und die ehrenamtliche Richterin Dr. Schimmer für
Recht erkannt:
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Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird unter Zu-
rückweisung der Rechtsbeschwerde des Betriebsrats der
Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom
29. April 2019 - 12 TaBV 51/18 - teilweise aufgehoben und
zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Be-
schluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom
15. Mai 2018 - 6 BV 16/17 - wird insgesamt zu-
rückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten über ein Beteiligungsrecht nach § 99 Abs. 1
BetrVG.
Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Einrichtungshäuser. Der antrag-
stellende Betriebsrat ist in ihrem Einrichtungshaus in B gebildet, in dem mehr als
250 Arbeitnehmer tätig sind.
An Tagen mit besonders hohem Kundenandrang helfen Arbeitnehmer
aus verschiedenen Bereichen des Betriebs bei personellen Engpässen in den
Bereichen „Kasse“ und „Logistik“ kurzzeitig aus. Die Dauer dieser Einsätze liegt
üblicherweise zwischen einer halben bis maximal sechs Stunden. Die betroffe-
nen Arbeitnehmer kassieren an einer Scannerkasse oder unterstützen Kunden
an den Selbstbedienungskassen.
Bei einem Einsatz im Bereich „Logistik“ füllen
sie entweder Regale auf der Verkaufsfläche auf, kommissionieren aufgrund von
Kundenaufträgen Waren im Lager und bringen diese zur Warenausgabe oder
sind am Warenausgabetresen tätig. Durch die Einsätze ändert sich weder die
Lage ihrer Arbeitszeit noch die Höhe ihrer Vergütung. Die Tätigkeit im Bereich
„Kasse“ zeichnet sich durch eine hohe Lärmbelästigung aus. Zudem sind die Ar-
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beitnehmer in erhöhtem Maße dem Einfluss von Zugluft und - wie auch im Be-
reich „Logistik“ - Temperaturschwankungen ausgesetzt. Im Lager (Talon) können
die Temperaturen im Winter auf 14 Grad Celsius fallen.
Üblicherweise sind die betroffenen Arbeitnehmer als
„Staffplaner“, Haus-
techniker oder in der EDV bzw. den Bereichen Food und Lokales Marketing
(LOMA) tätig. Daneben helfen auch Arbeitnehmer aus der Personalabteilung so-
wie den Bereichen Verkauf, Kommunikation und Einrichtung (KomEin) und Sales
& Supply Support aus, die dort als Teamleiter, Teamassistenten,
sog. „Mitarbei-
ter“ oder - soweit der Bereich KomEin betroffen ist - als Abteilungsleiter beschäf-
tigt sind.
Zum Bereich Food gehören neben einem Bistro das Kunden- und Mitar-
beiterrestaurant. Die Arbeitnehmer im Bereich KomEin sind zuständig für die De-
koration, das Layout und die Planung von Umbauten. Sie erbringen ihre Arbeits-
leistungen - ebenso wie die
„Mitarbeiter“ des Bereichs LOMA - sowohl in Groß-
raumbüros im Betrieb als auch auf der Verkaufsfläche. Die in der Personalabtei-
lung beschäftigten Arbeitnehmer sind - wie der für die Personaleinsatzplanung
der Arbeitnehmer zuständige
„Staffplaner“ - überwiegend im Personalbüro sowie
in geringerem zeitlichen Umfang auch im gesamten Einrichtungshaus tätig. Die
Teamleiter und
„Mitarbeiter“ des Bereichs Verkauf sind zum Teil ständig, zum
Teil überwiegend auf der Verkaufsfläche eingesetzt. Die für die Warenverfügbar-
keit verantwortlichen Teamleiter und Teamassistenten des Bereichs Sales &
Supply Support arbeiten vorwiegend in Großraumbüros. Die für die Wartung und
Betreuung der technischen Großanlagen sowie die Installation von Hard- und
Software zuständigen Haustechniker erbringen ihre Arbeitsleistung - ebenso wie
die Arbeitnehmer aus dem Bereich EDV - vornehmlich im gesamten Einrich-
tungshaus.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei den kurzzeitigen Ein-
sätzen der Arbeitnehmer an den Kassen und im Bereich
„Logistik“ handele es
sich um Versetzungen iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG. Es liege eine erhebliche Ände-
rung der Umstände vor, unter denen die Arbeit zu leisten sei. Die Aushilfsarbeit
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unterscheide sich durch den fremdbestimmten Arbeitsrhythmus und den Kunden-
kontakt von den üblichen Tätigkeiten. Zudem sei vor allem der Einsatz an den
Kassen mit großem Stress verbunden.
Der Betriebsrat hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung -
zuletzt sinngemäß beantragt
festzustellen, dass er vor folgenden Zuweisungen eines an-
deren Arbeitsbereichs auch dann nach § 99 BetrVG zu be-
teiligen ist, wenn diese voraussichtlich die Dauer von einem
Monat nicht überschreiten:
1.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich „Kasse“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig im Bereich Food be-
schäftigt wird;
2.
Zuweisung ein
er Tätigkeit in den Bereichen „Kasse“
oder „Logistik“, wenn der Mitarbeiter sonst regelmäßig
als Teamleiter Verkauf beschäftigt wird;
3.
Zuweisung ein
er Tätigkeit im Bereich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als
„Mitarbeiter“ Ver-
kauf beschäftigt wird;
4.
Zuweisung ein
er Tätigkeit im Bereich „Kasse“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als Ableitungsleiter
KomEin beschäftigt wird;
5.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bere
ich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als Teamleiter
KomEin beschäftigt wird;
6.
Zuweisung ein
er Tätigkeit im Bereich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als Teamassistent
KomEin beschäftigt wird;
7.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als
„Mitarbeiter“
KomEin beschäftigt wird;
8.
Zuweisung eine
r Tätigkeit in den Bereichen „Kasse“
oder „Logistik“, wenn der Mitarbeiter sonst regelmäßig
als Teamleiter Personal beschäftigt wird;
9.
Zuweisung eine
r Tätigkeit im Bereich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als
„Mitarbeiter“ Per-
sonal beschäftigt wird;
10.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich „Kasse“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als
„Staffplaner“ be-
schäftigt wird;
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11.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich „Kasse“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig im Bereich LOMA
beschäftigt wird;
12.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als Haustechniker
beschäftigt wird;
13. Zuweisung einer Tätigkeit in den Bereich
en „Kasse“
oder
„Logistik“, wenn der Mitarbeiter sonst regelmäßig
in der EDV beschäftigt wird;
14.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als Teamleiter Sales
& Supply Support beschäftigt wird;
15.
Zuweisung einer Tätigkeit im Bereich „Logistik“, wenn
der Mitarbeiter sonst regelmäßig als Teamassistent
Sales & Supply Support beschäftigt wird.
Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Auf die
Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht ihnen teilweise statt-
gegeben. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten ihr jeweiliges Be-
gehren weiter.
B.
Während die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats in geringem Umfang
unzulässig und im Übrigen unbegründet ist, hat die Rechtsbeschwerde der Ar-
beitgeberin Erfolg.
I.
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unzulässig, soweit sie sich
gegen die Abweisung des - im Antrag unter 2. formulierten - Feststellungsbegeh-
rens richtet, der Betriebsrat sei nach § 99 BetrVG zu beteiligen, bevor einem als
Teamleiter Verkauf beschäftigten Arbeitnehmer eine kurzzeitige Tätigkeit im Be-
reich
„Kasse“ zugewiesen werde.
Ihre Begründung genügt insoweit nicht den ge-
setzlichen Anforderungen.
1.
Nach § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG muss die Rechtsbeschwerdebegrün-
dung angeben, welche rechtliche Bestimmung durch den angefochtenen Be-
schluss verletzt sein und worin diese Verletzung bestehen soll. Dazu hat sie den
Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts so aufzuzeigen, dass Gegenstand und
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Richtung ihres Angriffs erkennbar sind. Dies erfordert eine Auseinandersetzung
mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses
. Bei mehreren Streit- oder Verfahrensgegenstän-
den muss für jeden eine auf die angefochtene Entscheidung zugeschnittene Be-
gründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streit- oder Verfahrensgegen-
stand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig
.
2.
Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der kurzzeitige Einsatz der
Teamleiter Verkauf
im Bereich „Kasse“ stelle keine nach § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG zustimmungspflichtige Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG dar, weil
diese vorrangig auf der Verkaufsfläche tätig seien und damit schon überwiegend
unmittelbaren Kundenkontakt hätten; im Vergleich hierzu liege bei einer Tätigkeit
an den Kassen keine wesentliche Änderung der Umstände vor, unter denen die
Arbeit zu leisten sei.
3.
Mit diesen tragenden Erwägungen setzt sich die Rechtsbeschwerdebe-
gründung des Betriebsrats nicht auseinander. Sie legt lediglich dar, aus welchen
Gründen die Annahme des Landesarbeitsgerichts, der stundenweise Einsatz von
Teamleitern
und „Mitarbeitern“ des Bereichs Verkauf im Bereich „Logistik“ stelle
keine zustimmungspflichtige Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG dar, rechtsfeh-
lerhaft sein soll. Dies genügt nicht. Bei den vom Betriebsrat im Rahmen seiner
Feststellungsanträge zur Entscheidung gestellten einzelnen Begehren handelt es
sich jeweils um unterschiedliche Verfahrensgegenstände. Die verschiedenen
verfahrensgegenständlichen Maßnahmen, deren Zustimmungspflichtigkeit nach
§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zwischen den Beteiligten umstritten ist, sind sowohl
durch die unterschiedlichen Arbeitsbereiche der üblicherweise in anderen Teilen
des Einrichtungshauses eingesetzten Arbeitnehmer als auch durch die unter-
schiedliche Ausgestaltung der einerseits an den Kassen und andererseits im Be-
reich
„Logistik“ erbrachten Arbeiten gekennzeichnet.
II.
Auch im Übrigen war die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats zurückzu-
weisen, während die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin Erfolg hat. Bei den
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Anträgen des Betriebsrats handelt es sich jeweils um Globalanträge, die zwar
zulässig, jedoch unbegründet sind.
1.
Die Anträge sind - bei gebotener Auslegung - zulässig.
a)
Der Betriebsrat begehrt mit seinen einzelnen Anträgen jeweils die Fest-
stellung eines Beteiligungsrechts nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG in einer Viel-
zahl von Fallgestaltungen, in denen betriebsangehörige Arbeitnehmer kurzzeitig
andere Tätigkeiten als sonst üblich ausführen. Die Anträge unterscheiden sich
einerseits danach, in welchen Bereichen und ggf. Funktionen die Arbeitnehmer
normalerweise im Einrichtungshaus der Arbeitgeberin tätig sind und andererseits
danach, welche Tätigkeiten sie kurzzeitig ausführen. Die in den Anträgen nur
schlagwortartig durch die Bezeichnungen
„Kasse“ und „Logistik“ umschriebenen
Tätigkeiten beinhalten -
soweit es den Bereich „Kasse“ betrifft - einen Einsatz der
Arbeitnehmer sowohl an den Scannerkassen als auch an den Selbstbedienungs-
kassen im Einrichtungshaus. Der Einsatz im Bereich „Logistik“ erfasst neben der
Kommissionierung von Kundenaufträgen im Lager und der Bereitstellung der
Ware an der Warenausgabe auch die dortige Ausgabe der Ware an den Kunden
sowie das Auffüllen von Regalen auf der Verkaufsfläche zur Unterstützung des
Warenverkaufsteams. Abweichend vom ausdrücklichen Wortlaut der Anträge be-
zieht sich das Begehren des Betriebsrats jeweils nur auf kurzzeitige Einsätze der
Arbeitnehmer. Wie sein Vorbringen und die von ihm dargelegten Anlassfälle zei-
gen, beträgt deren Dauer arbeitstäglich zwischen einer halben bis maximal sechs
Stunden.
b)
Mit diesem Verständnis sind die Anträge zulässig.
aa)
Sie sind hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die verschie-
denen Maßnahmen, hinsichtlich derer der Betriebsrat ein Beteiligungsrecht re-
klamiert, sind ausreichend präzise beschrieben. Der Umstand, dass von den ein-
zelnen Anträgen eine Fülle von Konstellationen erfasst ist, steht ihrer Bestimmt-
heit nicht entgegen
.
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bb)
Da zwischen den Beteiligten Streit darüber besteht, ob es sich bei den
kurzzeitigen Einsätzen um zustimmungspflichtige Versetzungen iSd. § 95 Abs. 3
BetrVG handelt, hat der Betriebsrat an den begehrten Feststellungen ein rechtli-
ches Interesse iSv. § 256 Abs. 1 ZPO. Er kann die Frage, ob die in den Anträgen
beschriebenen Maßnahmen als Versetzungen seinem Mitbestimmungsrecht
nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unterliegen, losgelöst vom konkreten Einzelfall
durch einen abstrakten Feststellungsantrag zur gerichtlichen Entscheidung stel-
len
.
2.
Die Anträge sind unbegründet. Sie erfassen jeweils auch Fallgestaltun-
gen, bei denen kein Beteiligungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG gegeben ist, weil es an zustimmungspflichtigen Versetzungen iSd. § 95
Abs. 3 BetrVG fehlt.
a)
Ein Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst, hat ins-
gesamt keinen Erfolg, wenn er auch Konstellationen enthält, in denen sich der
Antrag als unbegründet erweist
. Das Gericht darf nicht dahin erkennen, dass der geltend ge-
machte Anspruch unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben ist, die
nicht zum Inhalt des Anspruchs erhoben worden sind. Eine solche Tenorierung
hielte sich nicht mehr im Rahmen des Antrags
, da nicht weniger,
sondern etwas anderes als beantragt zugesprochen werden würde
.
b)
Zwar kann der Senat nicht ausschließen, dass die vom Betriebsrat zur
Entscheidung gestellten Anträge jeweils auch Maßnahmen erfassen, bei denen
die Voraussetzungen einer Versetzung iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG gegeben
sind. Zumindest bei einem halbstündigen Aushilfseinsatz der in den einzelnen
Anträgen umschriebenen Personen an den Selbstbedienungskassen (Bereich
„Kasse“) oder zum Auffüllen der Regale auf der Verkaufsfläche (Bereich
„Logistik“) handelt es sich jedoch nicht um die Zuweisung eines anderen Arbeits-
bereichs, die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter
denen die Arbeit zu leisten ist.
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aa)
Nach der Legaldefinition in § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG liegt eine nach
§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zustimmungspflichtige Versetzung bei der Zuweisung
eines anderen Arbeitsbereichs vor, die die Dauer von voraussichtlich einem Mo-
nat überschreitet oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbun-
den ist,
unter denen die Arbeit zu leisten ist. „Arbeitsbereich“ sind die Aufgabe
und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre
Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs. Der Begriff ist räumlich und funk-
tional zu verstehen. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätig-
keit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Um die Zuwei-
sung eines anderen Arbeitsbereichs handelt es sich, wenn sich das gesamte Bild
der Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom
Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters
nunmehr als eine „andere“ anzusehen ist
.
Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben
und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben, kann aus einer Ände-
rung des Arbeitsorts oder der Art der Tätigkeit, dh. der Art und Weise folgen, wie
die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist, und kann mit einer Änderung der Stellung
und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation
durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein
.
Das Beteili-
gungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bei der Versetzung
knüpft dabei ausschließlich an die tatsächliche Zuweisung eines neuen Arbeits-
bereichs als Realakt an
. Unerheblich für den Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 BetrVG
ist hingegen, ob der Arbeitgeber individualrechtlich im Verhältnis zum betroffenen
Arbeitnehmer zur Versetzung befugt ist
.
bb)
Überschreitet die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs voraussicht-
lich nicht die Dauer von einem Monat, stellt dies nur dann eine Versetzung dar,
wenn die Zuweisung mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden
ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Hierbei handelt es sich um die äußeren
Umstände, unter denen der Arbeitnehmer seine - ohnehin andere - Tätigkeit zu
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verrichten hat. Dazu zählen etwa die zeitliche Lage der Arbeit, die Ausstattung
des Arbeitsplatzes mit technischen Hilfsmitteln und zudem Faktoren wie Lärm,
Schmutz, Hitze, Kälte oder Nässe
.
Einzelne
dieser Umstände müssen sich nicht nur überhaupt geändert haben. Ihre Ände-
rung muss „erheblich“ sein, um ein Beteiligungsrecht nach § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG bei nur kurzzeitiger Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs auszulö-
sen
.
Durch diese
gesteigerten Anforderungen will das Gesetz die nur temporäre Zuweisung eines
anderen Arbeitsbereichs - wie sie insbesondere in kurzfristigen Vertretungs- und
Aushilfsfällen erforderlich werden kann - erleichtern. Diese soll nur dann zum
Schutz des betroffenen Arbeitnehmers der Zustimmung des Betriebsrats bedür-
fen, wenn sie mit einer gravierenden Änderung der äußeren Bedingungen ver-
bunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist
. Ob die Änderung
der Umstände erheblich ist, bestimmt sich allerdings nicht nach dessen subjekti-
ver Einschätzung, sondern ist vom Standpunkt eines neutralen Beobachters aus
zu beurteilen
.
cc)
Soweit der Begriff der Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG unbestimmte
Rechtsbegriffe enthält, steht dem Landesarbeitsgericht bei deren Prüfung ein Be-
urteilungsspielraum zu.
Seine entsprechende tatrichterliche Würdigung ist in der
Rechtsbeschwerdeinstanz nur darauf überprüfbar, ob es den Rechtsbegriff selbst
verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungsgrundsätze oder allge-
meine Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände außer Acht gelas-
sen hat
.
dd)
Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die angefochtene Ent-
scheidung nicht stand.
(1)
Bereits die - nicht näher begründete - Annahme des Landesarbeitsge-
richts, den von den Anträgen erfassten Arbeitnehmern würden die verschiedenen
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Tätigkeiten an den Kassen
und im Bereich „Logistik“ arbeitgeberseitig zugewie-
sen, wird durch seine Feststellungen nicht getragen. Nach den Ausführungen im
tatbestandlichen Teil der angefochtenen Entscheidung werden bei der Arbeitge-
berin durch eine intern als „Lucky-Luke-Ausruf“ bezeichnete Ansage „alle verfüg-
baren Kräfte in der Kommissionierung konzentriert“. Weitergehende Feststellun-
gen dazu, wie und ggf. durch wen die kurzzeitigen Einsätze der verschiedenen
Arbeitnehmer an den Kassen - die ausweislich der vom Betriebsrat eingereichten
tabellarischen Übersichten nicht selten am selben Tag im halbstündigen Wechsel
der Arbeitnehmer erfolgen - angeordnet oder zumindest koordiniert werden, hat
das Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Gleiches gilt für die Einsätze der Arbeit-
nehmer an der Warenausgabe oder beim Auffüllen der Regale auf der Verkaufs-
fläche. Der bloße Umstand, dass diese Aushilfseinsätze nach der
„Unterneh-
menskultur“ bei der Arbeitgeberin üblich sind, ist für die Annahme einer entspre-
chenden Zuweisung unzureichend.
(2)
Auch die Begründung des Beschwerdegerichts, warum es sich bei den
Tätigkeiten an den Kassen und im Bereich
„Logistik“ jeweils um andere Arbeits-
bereiche iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG handelt, ist rechtfehlerhaft. Das Landesarbeits-
gericht hat die grundsätzlich andersartigen Zuschnitte der üblicherweise und der
vorübergehend ausgeübten Tätigkeiten (auch) aus deren unterschiedlichen tarif-
lichen Bewertungen abgeleitet. Damit hat es den unbestimmten Rechtsbegriff
des anderen Arbeitsbereichs iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG verkannt. Dieser zeichnet
sich durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art sei-
ner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs, nicht jedoch
durch die tarifliche Wertigkeit der auszuführenden Tätigkeiten aus.
(3)
Seine tatrichterliche Prüfung, bei welchen stundenweisen Einsätzen der
verschiedenen Arbeitnehmer
an den Kassen oder im Bereich „Logistik“ eine er-
hebliche Änderung der Umstände vorliegt, unter denen die Arbeit zu leisten ist,
ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.
(a)
Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, eine Versetzung iSd.
§ 95 Abs. 3 BetrVG sei gegeben, wenn Mitarbeiter aus der EDV an den Kassen
und
im Bereich „Logistik“ sowie Teamleiter Personal und „Mitarbeiter“ Personal
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im Bereich
„Logistik“ aushelfen, fehlt es bereits an jeglicher konkreten maßnah-
menbezogenen Würdigung der geänderten Umstände, unter denen die Arbeit zu
leisten ist. Gleiches gilt, soweit es bei der kurzzeitigen Aushilfe von Teamleitern
des Bereichs Verkauf in der
„Logistik“ eine Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG
verneint hat.
(b)
Im Übrigen ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, zu den Um-
ständen, unter denen die Arbeit zu leisten ist, gehöre auch die Frage, ob die Tä-
tigkeit
überwiegend „mit oder ohne Kundenkontakt“ zu erbringen sei; da im Han-
delsbereich die Bedürfnisse des Kunden Vorrang genössen, stehe dies einer
freien Disposition der zu erledigenden Aufgaben diametral entgegen. Damit hat
das Landesarbeitsgericht übersehen, dass es sich bei den Umständen der Arbeit,
die bei der Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs von weniger als einem Mo-
nat eine erhebliche Änderung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG zu begründen vermögen,
nur um äußere Bedingungen handeln kann. Bei einer Tätigkeit an den Kassen
des Einrichtungshauses oder - im Logistikbereich - an der Warenausgabe gehört
der damit verbundene „Kundenkontakt“ jedoch untrennbar zum Inhalt der zu er-
bringenden Arbeitsleistung. Kern dieser Aufgaben ist es, die Ware vom Kunden
abzukassieren oder - an den Selbstbedienungskassen - den Kunden bei deren
Bedienung zu helfen. Gleiches gilt für die Tätigkeit am Warenausgabetresen, bei
denen die erworbene Ware an die Kunden der Arbeitgeberin herausgegeben
werden muss. Der hier
mit jeweils verbundene „Kundenkontakt“ der Arbeitnehmer
mag die Andersartigkeit des neuen Arbeitsbereichs im Vergleich zur üblichen Tä-
tigkeit begründen, ist aber nicht zugleich ein äußerer Umstand dieser Arbeiten
iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG.
(c)
Dies gilt auch, soweit das Landesarbeitsgericht bei seiner diesbezügli-
chen Würdigung berücksichtigt hat, ob die Arbeitnehmer üblicherweise die
„Rei-
henfolge und Wichtigkeit
“ ihrer zur erledigenden Aufgaben „frei disponieren“ und
damit „selbständig priorisieren“ können oder ob es sich wegen des „mechani-
sch
en“ Abarbeitens einzelner Arbeitsschritte um fremdbestimmte Tätigkeiten
handelt. Diese Kriterien kennzeichnen die Andersartigkeit der Arbeitsbereiche bei
den Aushilfseinsätzen der Arbeitnehmer im Vergleich zu ihrer üblichen Arbeit. Sie
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sind der Art und Weise, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist, immanent. Damit
vermögen sie nicht die Erheblichkeit der geänderten äußeren Arbeitsumstände
zu begründen, die für die Annahme einer Versetzung bei einer die Dauer von
einem Monat nicht überschreitenden Zuweisung eines anderen Arbeitsbe-
reichs notwendig ist.
(d)
Das Beschwerdegericht ist zudem zu Unrecht davon ausgegangen, der
Dauer der Aushilfstätigkeiten könne bei der Prüfung, ob sich bei diesen die äu-
ßeren Arbeitsumstände erheblich ändern, aus Gründen der Rechtssicherheit
keine Bedeutung beigemessen werden.
(aa)
Eine erhebliche Änderung der äußeren Umstände, unter denen die Arbeit
zu leisten ist, kann nur angenommen werden, wenn diese Änderung aus objekti-
ver Sicht bedeutsam und für den betroffenen Arbeitnehmer gravierend ist. Hierbei
kann auch dem zeitlichen Moment eine Bedeutung zukommen. Die mit äußeren
Faktoren der Arbeit einhergehenden Belastungen können für den Arbeitnehmer
geringer sein, wenn er diesen nur in einem zeitlich sehr begrenzten Ausmaß aus-
gesetzt ist. Damit kann nicht nur der Grad, sondern auch die Dauer der Belastung
deren Intensität beeinflussen.
(bb)
Die Systematik des § 95 Abs. 3 BetrVG steht einem solchen Verständnis
nicht entgegen. Aus dem Umstand, dass das Gesetz bei der Zuweisung eines
anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat über-
schreitet, stets von einer nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zustimmungspflichtigen
Versetzung ausgeht, lässt sich nicht ableiten, bei kurzzeitigeren Einsätzen dürfe
deren zeitlicher Umfang bei der Würdigung, ob die damit einhergehende Ände-
rung der äußeren Arbeitsumstände erheblich ist, keine Rolle spielen. Für einen
solchen Umkehrschluss bietet das Gesetz keine hinreichenden Anhaltspunkte.
Die in § 95 Abs. 3 BetrVG festgelegte zeitliche Vorgabe knüpft nur an die (vo-
raussichtliche) Zuweisung des geänderten Arbeitsbereichs an, schließt es aber
nicht aus, im Rahmen des (vom Gesetzgeber nicht näher definierten) unbestimm-
ten Rechtsbegriffs der Erheblichkeit bei - mit kurzzeitigeren Zuweisungen ver-
bundenen - Änderungen äußerer Arbeitsumstände auch deren zeitliche Dauer in
die Würdigung einfließen zu lassen.
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(cc)
Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts führt ein solches Ver-
ständnis des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG nicht zu unpraktikablen Ergebnissen.
Der Rechtsbegriff der Erheblichkeit verlangt von den Betriebsparteien - ebenso
wie von den bei Streitigkeiten angerufenen Tatsachengerichten - stets eine Be-
wertung tatsächlicher Art, und ist damit regelmäßig mit gewissen Spielräumen
und damit einhergehenden Unwägbarkeiten verbunden.
ee)
Die Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führen zwar nach § 562
Abs. 1 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Es bedarf jedoch
keiner Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, da das Ver-
fahren zur Endentscheidung reif ist
. Dabei kann der Senat
zugunsten des Betriebsrats unterstellen, die stundenweisen Einsätze der in den
verschiedenen Anträgen bezeichneten Arbeitnehmer(gruppen) an den Kassen
und im Bereich „Logistik“ beruhten auf einer arbeitgeberseitigen Zuweisung
und führten stets zu einer Änderung der jeweiligen Arbeitsbereiche. Denn jeden-
falls in den Fällen, in denen betroffene Arbeitnehmer für eine halbe Stunde an
den Selbstbedienungskassen (Bereich
„Kasse“) aushelfen oder das Warenver-
kaufsteam beim Auffüllen der Regale auf der Verkaufsfläche (Bereich
„Logistik“)
unterstützen, liegen keine nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zustimmungspflichti-
gen Versetzungen vor. Es handelt sich um Konstellationen, in denen sich die
äußeren Umstände, unter denen die Arbeitnehmer ihre Arbeit zu leisten haben,
für sie nicht erheblich ändern.
(1)
Soweit die Arbeitnehmer bei den - nur eine sehr kurze Zeit umfassen-
den - Tätigkeiten an den Selbstbedienungskassen der Gefahr von Zugluft, etwa-
igen Temperaturschwankungen sowie einem höheren Lärmpegel ausgesetzt
sind, stellt sich die dadurch bedingte Änderung der äußeren Arbeitsumstände
aus objektiver Sicht für sie nicht als besonders gravierend dar. Dies gilt auch,
soweit der Betriebsrat (ohnehin erstmalig in der Rechtsbeschwerde) geltend
macht, in den Kassenbereich komme nur wenig Tageslicht. Die mit diesen geän-
derten äußeren Arbeitsbedingungen einhergehenden Belastungen für die Arbeit-
nehmer sind angesichts ihrer lediglich 30-minütigen Dauer nicht von einer Art,
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die die von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geforderte Erheblichkeitsschwelle über-
schreiten würde. Alle betroffenen Arbeitnehmer sind - wie der Verfahrensbevoll-
mächtigte des Betriebsrats in der Anhörung vor dem Senat noch einmal aus-
drücklich ausgeführt hat - im Rahmen ihrer üblichen Tätigkeit auch
„auf der Flä-
che
“ und damit erforderlichenfalls in dem Teil des Einrichtungshauses tätig, in
dem sich die Kassen befinden. Damit sind sie bei ihren normalerweise auszufüh-
renden Arbeiten ebenfalls nicht gänzlich davor geschützt, kurzzeitig ungünstige-
ren klimatischen Verhältnissen oder höheren Geräuschimmissionen ausgesetzt
zu sein. Sonstige Aspekte, die dazu führen könnten, dass die Änderung der äu-
ßeren Umstände als erheblich anzusehen ist, sind nicht ersichtlich. Die Tätigkeit
an den Selbstbedienungskassen findet am selben Ort (Einrichtungshaus) und
während der üblichen Arbeitszeit statt. Sie bedingt keinen Einsatz in einem neuen
Team und hat daher nicht zur Folge, dass die Mitarbeiter (befristet) unmittelbar
mit anderen Kollegen zusammenarbeiten müssen. Auch der Hinweis des Be-
triebsrats, Arbeitnehmer aus dem Bereich Food hätten wegen des dort geltenden
„strengen Hygienestandards“ einen erhöhten Aufwand vor der Wiederaufnahme
ihrer üblichen Tätigkeit, verfängt insoweit nicht, da es sich hierbei nicht um äu-
ßere Arbeitsumstände handelt. Gleiches gilt für seinen Einwand, die Tätigkeit an
den Kassen sei wegen des Kundenandrangs für die Arbeitnehmer stressig. Un-
erheblich ist zudem, ob die kurzzeitigen Tätigkeiten für einige betroffene Arbeit-
nehmer mit einer erheblichen Änderung ihrer Stellung in der betrieblichen Hierar-
chie verbunden sind. Für den Versetzungsbegriff des § 95 Abs. 3 BetrVG ist nicht
maßgebend, ob die Arbeitgeberin - was in einigen Fällen zweifelhaft sein
könnte - im Rahmen ihres Weisungsrechts überhaupt berechtigt ist, die Aus-
übung der Aushilfstätigkeiten anzuordnen.
(2)
Entsprechendes gilt für halbstündige Einsätze der Arbeitnehmer zum
Auffüllen der Regale auf der Verkaufsfläche (
Bereich „Logistik“). Etwaige damit
einhergehende belastende Umstände in Form von Temperaturschwankungen
beschränken sich auf eine sehr kurze Dauer und sind in ihrer Intensität nicht gra-
vierend. Da ausweislich der vom Betriebsrat selbst eingereichten Übersicht die
Arbeitnehmer das Warenverkaufsteam bereits ab 08:00 Uhr und damit vor Öff-
nung des Einrichtungshauses unterstützen, sind die betroffenen Arbeitnehmer
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bei dieser Arbeit auch nicht stets einer (durch Kunden bedingten) höheren Lärm-
belästigung ausgesetzt. Ob - wie vom Betriebsrat geltend gemacht - auch eine
mit den vorübergehenden Arbeiten verbundene körperliche Anstrengung als äu-
ßerer Arbeitsumstand iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG zu berücksichtigen wäre, kann da-
hinstehen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die Warenverräumung immer - un-
geachtet der jeweiligen Verkaufsware - mit einer erheblichen körperlichen An-
strengung für die Arbeitnehmer verbunden ist. Die streitbefangene Tätigkeit be-
inhaltet das Auffüllen von Regalen auf der gesamten Verkaufsfläche. Zu dieser
gehört nicht nur das Selbstbedienungslager, sondern auch die sog.
„Markthalle“,
in der die Arbeitgeberin bekanntermaßen nicht nur schwere Gegenstände des
Einrichtungsbedarfs anbietet.
Schmidt
K. Schmidt
Ahrendt
Hayen
Dr. Ronny Schimmer