Urteil des BAG vom 10.09.2009

BAG: arbeitsbedingungen, unwirksamkeit der kündigung, sanierungsplan, rechtfertigung, senkung, anhörung, streichung, datum, kündigungsfrist, auskunft

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 10.9.2009, 2 AZR 837/07
Parallelentscheidung zu führender Sache - 2 AZR 822/07 -
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln
vom 17. Juli 2007 - 9 Sa 637/07 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von vier ordentlichen Änderungskündigungen.
2 Der Kläger ist seit 1987 bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin als Maschinenführer
beschäftigt. Einschließlich freiwilliger Zulagen und Prämie erzielte er zuletzt einen monatlichen
Bruttoverdienst von 1.877,29 Euro.
3 Die Beklagte wurde im Jahr 1998 aus der insolventen S-Gruppe unter Übernahme von deren
Produktionsbereich Kunststoffverarbeitung gegründet. Sie stellt Kunststoffverpackungen her,
insbesondere für Molkereiprodukte, Fertiggerichte uÄ. In ihrem Betrieb in B beschäftigte sie im Juli
2006 insgesamt 271 Arbeitnehmer, davon 196 Arbeiter und 75 Angestellte.
4 Im Jahr 2001 trat die Beklagte aus dem tarifzuständigen Arbeitgeberverband der Papier, Pappe
und Kunststoffe verarbeitenden Industrie aus. Der zu diesem Zeitpunkt geltende Manteltarifvertrag
(MTV) lief am 31. Dezember 2004 aus. Bereits im Jahr 2002 hatte die Beklagte mit einigen ihrer
nicht gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer ein „Bündnis für Arbeit“ geschlossen.
Gegenstand der Verständigung, an der sich auch der Kläger beteiligte, war ua. eine Erhöhung der
wöchentlichen Arbeitszeit von 35 auf 40 Stunden. Im Gegenzug verpflichtete sich die Beklagte zur
Zahlung von Zuschlägen für die 37., 39. und 40. Wochenstunde. Ferner wurde vereinbart, dass sie
künftig die bisher auf der Grundlage des MTV geleistete Jahressonderzahlung nur noch auf
freiwilliger Basis zahlen würde.
5 Mit Datum vom 24. Juli 2006 erstellte die Beklagte einen Sanierungsplan . Darin ist angegeben, sie
habe im Betrieb B in den vorangegangenen Geschäftsjahren - ausgenommen das Jahr 2004 -
stets ein negatives operatives Ergebnis erzielt. Für die Kalenderjahre 2006 bis 2008 rechne sie
aufgrund vorausschauend erstellter Gewinn- und Verlustrechnungen mit Verlusten im operativen
Geschäft in Höhe von 1.831.000,00 Euro im Jahr 2006, 1.409.000,00 Euro im Jahr 2007 und
702.000,00 Euro im Jahr 2008. Der Sanierungsplan formuliert „zur Sicherung des
Produktionsstandorts in B“ das Ziel, spätestens im Geschäftsjahr 2008 ein positives operatives
Ergebnis zu erwirtschaften. Als einzige Möglichkeit, das Ziel zu erreichen, sieht der Plan - bei
gleichzeitiger Verwerfung von Alternativen - eine Senkung der Personalkosten vor, die durch
insgesamt fünf „Personalmaßnahmen“ realisiert werden soll.
6 Als „Personalmaßnahme Nr. 1“ ist die Vereinheitlichung der Arbeitszeit sämtlicher gewerblicher
Arbeitnehmer auf künftig 37,5 Wochenstunden vorgesehen. Dazu soll eine Arbeitszeit von
35 Wochenstunden ohne Lohnausgleich entsprechend angehoben und im Gegenzug eine
Arbeitszeit von 40 Stunden entsprechend abgesenkt werden. Die „Personalmaßnahme Nr. 2“ sieht
die ersatzlose Streichung einer 15 %igen Spätzulage sowie Kürzungen der Feiertags- und
Sonntagszulage von 150 % auf 100 % bzw. 75 % auf 35 % vor. Gemäß „Personalmaßnahme
Nr. 3“ soll das Urlaubsgeld von 2,3 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns pro Urlaubstag auf
maximal 50 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns begrenzt und künftig nur noch bei Erreichen
eines positiven operativen Ergebnisses gezahlt werden. Die „Personalmaßnahme Nr. 4“ enthält
die Streichung sämtlicher Überstundenzuschläge. Nach „Personalmaßnahme Nr. 5“ soll die
Jahressonderzahlung in Höhe von 95 % eines regelmäßigen Bruttomonatslohns betriebsweit nur
noch erfolgsabhängig gewährt werden. Dabei sollen zur Finanzierung von Urlaubsgeld und
Jahressonderzahlung maximal 30 % des operativen Jahresergebnisses bereitgestellt werden.
Soweit dies zur vollen Anspruchserfüllung nicht ausreicht, ist die anteilige Kürzung der Leistungen
vorgesehen. Auf diese Weise sollten sich die Personalkosten um etwa 808.000,00 Euro im Jahr
2006 und je 969.000,00 Euro in den Jahren 2007 und 2008 verringern und sollte sich im Jahr 2008
ein Gewinn von 119.000,00 Euro ergeben.
7 Der für den Betrieb B gebildete Betriebsrat stimmte den Personalmaßnahmen zu und vereinbarte
mit der Beklagten einen „Rahmenvertrag zur 37,5 Stundenwoche - Änderung der
einzelvertraglichen Regelungen“. Während 93 % der Arbeitnehmer ihre Zustimmung zu dem
Sanierungskonzept erklärten und später mit der Beklagten entsprechende Änderungsverträge
schlossen, war ua. der Kläger zu einer einvernehmlichen Regelung nicht bereit.
8 Nach Anhörung des Betriebsrats und einer am 25. Juli 2006 erfolgten Massenentlassungsanzeige
sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger mit getrennten Schreiben vom 26. Juli 2006 vier
ordentliche Änderungskündigungen aus. Jede von ihnen hatte eine der im Sanierungsplan
vorgesehenen Personalmaßnahmen Nr. 1 bis Nr. 4 zum Gegenstand. In allen
Kündigungsschreiben heißt es am Ende:
„Ihre sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen (teilweise: Arbeitsvertragsregelungen) bleiben
unverändert.
Wir weisen an dieser Stelle allerdings darauf hin, dass Sie unter heutigem Datum weitere 3
Änderungskündigungen erhalten.“
9 Gegenüber Arbeitnehmern, die noch unverändert eine Jahressonderzahlung nach den Regelungen
des ausgelaufenen MTV beanspruchen konnten, erklärte die Beklagte jeweils fünf
Änderungskündigungen, um auch die im Sanierungsplan festgelegte Personalmaßnahme Nr. 5
umzusetzen.
10 Der Kläger hat die ihm unterbreiteten Änderungsangebote unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG
angenommen und geltend gemacht, die Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt. Die
Änderungsangebote seien unklar und unbestimmt. Aus ihnen gehe nicht hervor, was gelten solle,
wenn einige der Änderungen vorbehaltlos angenommen, andere unter Vorbehalt angenommen und
die übrigen abgelehnt würden. Außerdem fehle es an einem dringenden betrieblichen Erfordernis
zu einer Änderung der Arbeitsbedingungen. Das dem Sanierungsplan zugrunde gelegte
Zahlenwerk sei nicht prüffähig, die Angaben der Beklagten zu einer drohenden Stilllegung der
„Tiefziehlinie“ nicht nachvollziehbar. Ihr Sanierungsziel habe die Beklagte durch die Zustimmung
eines Großteils der Belegschaft bereits erreicht. Schließlich fehle es an der ordnungsgemäßen
Anhörung des Betriebsrats und einer wirksamen Massenentlassungsanzeige.
11 Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Kündigungen vom
26. Juli 2006 (Änderungskündigung Nr. 1: Änderung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit,
Änderungskündigung Nr. 2: Änderung der Spät-, Sonntags- und Feiertagszulagen,
Änderungskündigung Nr. 3: Änderung des Urlaubsgelds, Änderungskündigung Nr. 4: Wegfall
der Überstundenzuschläge) sozial ungerechtfertigt ist.
12 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Kündigungen ließen
hinreichend deutlich erkennen, dass sie das Arbeitsverhältnis nur bei Annahme sämtlicher
Änderungsangebote - sei diese auch unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG erklärt worden - habe
fortsetzen wollen. Der Ausspruch gesonderter Kündigungen für die im Einzelnen angestrebten
Änderungen der Arbeitsbedingungen sei der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
geschuldet. Dieser zufolge sei eine Änderungskündigung insgesamt unwirksam, wenn sich auch
nur eine von mehreren angebotenen Änderungen als sozial ungerechtfertigt erweise. Die
Änderungen der Arbeitsbedingungen seien erforderlich gewesen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu
erhalten und einer weiteren Verschlechterung ihrer Geschäftsergebnisse entgegenzuwirken. Sie
habe für die Jahre 2006 bis 2008 mit operativen Verlusten in der im Sanierungsplan dargestellten
Größenordnung rechnen müssen. Diese seien in erster Linie auf stetig steigende Material- und
Energiekosten und eine weit über dem Durchschnitt vergleichbarer Betriebe liegende
Personalkostenquote zurückzuführen. Im Ergebnis habe sich die Senkung der Personalkosten als
einzig mögliche Sanierungsmaßnahme erwiesen.
13 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der
Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Begehren weiter, die Klage
abzuweisen.
Entscheidungsgründe
14 Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht
stattgegeben. Die Änderungen der Arbeitsbedingungen durch die Kündigungen vom 26. Juli 2006
sind nach § 2, § 1 KSchG sozial nicht gerechtfertigt. Auf das Vorliegen sonstiger
Unwirksamkeitsgründe kommt es nicht an.
15 I. Die Kündigungen sind schon deshalb unwirksam, weil die Beklagte dem Kläger in den
Kündigungsschreiben kein hinreichend bestimmtes oder bestimmbares Änderungsangebot
unterbreitet hat.
16 1. Eine Änderungskündigung ist gemäß § 2 Satz 1 KSchG ein aus zwei Willenserklärungen
zusammengesetztes Rechtsgeschäft. Zur Kündigungserklärung muss als zweites Element das
Angebot zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu geänderten Arbeitsbedingungen
hinzukommen. Dieses Angebot muss, wie jedes Angebot iSv. § 145 BGB, eindeutig bestimmt
oder doch bestimmbar sein (vgl. Senat 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 1 der Gründe,
BAGE 112, 58; 17. Mai 2001 - 2 AZR 460/00 - zu II 1 a der Gründe, EzA BGB § 620 Kündigung
Nr. 3). Es muss nach allgemeiner Rechtsgeschäftslehre so konkret gefasst sein, dass es einer
Annahme durch den Arbeitnehmer ohne Weiteres zugänglich ist. Für diesen muss zweifelsfrei
deutlich werden, welche Arbeitsbedingungen zukünftig gelten sollen. Nur so kann er eine fundierte
Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots treffen. Da der Arbeitnehmer von
Gesetzes wegen innerhalb einer kurzen Frist auf das Änderungsangebot reagieren muss, ist
schon im Interesse der Rechtssicherheit zu fordern, dass in dem Änderungsangebot zum
Ausdruck kommt, zu welchen neuen Bedingungen das Arbeitsverhältnis nach dem Willen des
Arbeitgebers fortbestehen soll . Unklarheiten gehen zulasten des Arbeitgebers. Sie führen zur
Unwirksamkeit der Änderungskündigung (Senat 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 16 mwN,
AP KSchG 1969 § 2 Nr. 141).
17 2. Bei der Würdigung, ob das Änderungsangebot diesen Anforderungen genügt, ist dessen Inhalt
durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Dabei können und müssen auch außerhalb des
Kündigungsschreibens liegende, zur Erforschung seines Inhalts geeignete Umstände
herangezogen und berücksichtigt werden. Da sich das Schriftformerfordernis des § 623 BGB bei
der Änderungskündigung nicht nur auf die Kündigungserklärung, sondern auch auf das
Änderungsangebot erstreckt, ist nach der Ermittlung des einschlägigen rechtsgeschäftlichen
Willens weiter zu prüfen, ob dieser in der Urkunde Ausdruck gefunden hat (Senat 16. September
2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 112, 58). Bei formbedürftigen Erklärungen ist
nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist
(Palandt/Ellenberger BGB 68. Aufl. § 133 Rn. 19).
18 3. Diesen Wirksamkeitserfordernissen werden die Änderungskündigungen vom 26. Juli 2006 nicht
gerecht. Dabei kann zugunsten der Beklagten von einem gleichzeitigen Zugang der
Kündigungsschreiben ausgegangen werden. Auch unter dieser Voraussetzung hat die Beklagte
dem Kläger keine ausreichend bestimmten oder bestimmbaren Änderungsangebote unterbreitet.
Der Kläger konnte unter Berücksichtigung aller ihm im Kündigungszeitpunkt bekannten Umstände
den Kündigungsschreiben nicht hinreichend deutlich entnehmen, mit welchem Inhalt das
Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehen solle. Den Schreiben lässt sich
insbesondere nicht zweifelsfrei entnehmen, dass die Beklagte das Arbeitsverhältnis nur bei
Annahme sämtlicher angestrebten Änderungen fortsetzen wolle. Die gegenteilige Auffassung des
Landesarbeitsgerichts findet in den Kündigungserklärungen keine Stütze.
19 a) Die Beklagte hat in einer Vielzahl von Fällen gleichlautende Kündigungen mit inhaltsgleichen
Änderungsangeboten ausgesprochen. Die Auslegung solcher - typischen - Willenserklärungen
durch das Landesarbeitsgericht unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen
Nachprüfung (Senat 17. Januar 2008 - 2 AZR 902/06 - Rn. 37 mwN, AP KSchG 1969 § 23 Nr. 40
= EzA KSchG § 23 Nr. 31).
20 b) Bei isolierter Betrachtung der einzelnen Kündigungen vom 26. Juli 2006 bleibt das mit ihnen
jeweils unterbreitete Änderungsangebot unklar. Zwar hat die Beklagte die jeweilige Änderung der
Arbeitsbedingungen als einzelne konkret und nachvollziehbar beschrieben. Die betreffenden
Kündigungsschreiben geben aber jedes für sich genommen keine hinreichende Auskunft darüber,
mit welchem weiteren Inhalt das Arbeitsverhältnis fortbestehen soll. Sie sind in dieser Hinsicht
widersprüchlich. Während die Erklärung, die „sonstigen Arbeitsvertragsbedingungen“ bzw.
„sonstigen Arbeitsvertragsregelungen“ des Klägers blieben „unverändert“, auf ein abschließendes
Änderungsangebot mit der Folge hindeutet, der übrige Inhalt des Arbeitsverhältnisses solle
unangetastet bleiben, wird dieser Erklärungsgehalt anschließend durch den Hinweis auf zu
erwartende weitere Änderungskündigungen wieder in Frage gestellt. Dabei ist den jeweiligen
Schreiben - für sich genommen - weder zu entnehmen, um welche weiteren Änderungen es gehen
soll, noch geben sie zu erkennen, in welcher Beziehung die einzelnen Kündigungen und die mit
ihnen verbundenen Änderungsangebote zueinander stehen sollen.
21 c) Diese Unklarheit wird durch den Inhalt der jeweils weiteren Kündigungsschreiben und deren
„Durchnummerierung“ von Nr. 1 bis Nr. 4 nicht beseitigt. Zwar deuten diese Gesichtspunkte
darauf hin, dass es der Beklagten darauf ankam, eine Änderung der Arbeitsbedingungen
hinsichtlich aller durch die Kündigungen berührten Beschäftigungsbedingungen zu erreichen. Sie
lassen aber nicht die Annahme zu, die Beklagte habe dem Kläger in Wahrheit keine voneinander
unabhängigen Änderungsangebote, sondern ein einziges, lediglich in mehreren Teilerklärungen
ausgedrücktes Änderungsangebot unterbreiten wollen. Einem solchen Verständnis steht gerade
der Ausspruch getrennter Änderungskündigungen und die in ihnen enthaltene Erklärung entgegen,
die sonstigen Arbeitsbedingungen blieben unverändert. Auch nach den Ausführungen der
Beklagten selbst hat diese mit dem Ausspruch getrennter Änderungskündigungen das Ziel
verfolgt, das Arbeitsverhältnis je nach Ausgang des zu erwartenden Kündigungsschutzprozesses
ggf. lediglich mit einem Teil der angestrebten Änderungen fortzusetzen. Die
Änderungskündigungen enthalten gemäß ihrem objektiven Erklärungswert somit einerseits das
Angebot, das Arbeitsverhältnis nur bei Änderung der Arbeitsbedingungen in allen angesprochenen
Punkten fortzusetzen, andererseits das Angebot, es auch mit einzelnen der betreffenden
Änderungen fortzuführen, ohne dass die Beklagte diese Willenserklärungen in ein von ihr
bestimmtes Verhältnis zueinander gesetzt hätte. Ein solches Angebot ist perplex. Es führt zur
Unwirksamkeit der Änderungskündigungen.
22 d) Die Ansicht der Revision, die gewählte Vorgehensweise sei um der „größtmöglichen
Wirksamkeitsgewährleistungen“ willen nötig, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Es stünde im
Widerspruch zum Recht der Willenserklärung.
23 Zwar trifft es zu, dass bei einer Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber eine Änderung der
Arbeitsbedingungen in mehreren Punkten erreichen will, bereits die Unverhältnismäßigkeit einer
der angestrebten Vertragsänderungen zur Unwirksamkeit der Kündigung insgesamt führt. Das
Gericht kann in einem solchen Fall die Kündigung nicht in Teilen für wirksam erklären (Senat
21. September 2006 - 2 AZR 120/06 - Rn. 26, BAGE 119, 332; 23. Juni 2005 - 2 AZR 642/04 -
Rn. 28, BAGE 115, 149). Gleichwohl bilden Kündigung und Änderungsangebot im Fall der
Änderungskündigung eine innere Einheit (Senat 16. September 2004 - 2 AZR 628/03 - zu B I 2 der
Gründe, BAGE 112, 58). Nach den Grundprinzipien des Kündigungsschutzrechts ist jede
Kündigung mit dem in ihr enthaltenen Änderungsangebot eigenständig und unabhängig von der
Wirksamkeit weiterer Kündigungen und deren Inhalt auf ihre soziale Rechtfertigung hin zu
überprüfen. Das verlangt, dass sich der Änderungswille des Arbeitgebers in der jeweiligen
Änderungskündigung vollständig abbildet. Das Risiko des Arbeitgebers, die von ihm angestrebten
Änderungen im Fall der Unverhältnismäßigkeit einer von ihnen insgesamt nicht durchsetzen zu
können, vermag ihn nicht von der Verpflichtung zu entbinden, dem Arbeitnehmer mit jeder
Kündigung ein in sich klares und annahmefähiges Änderungsangebot zu unterbreiten. Dies ist hier
nicht geschehen.
24 II. Die Änderungskündigungen sind auch deshalb sozial ungerechtfertigt, weil es an einem
dringenden betrieblichen Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen iSd. § 2, § 1 Abs. 2
Satz 1 KSchG fehlt.
25 1. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei
einem anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen
vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR
139/07 - Rn. 16, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 138 = EzA KSchG § 2 Nr. 71). Im Rahmen von § 1, § 2
KSchG ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den
bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der
Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt oder unter Vorbehalt angenommen hat. Ob der
Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich
sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten
anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen.
Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich
nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des
angestrebten Ziels erforderlich ist (Senat 15. Januar 2009 - 2 AZR 641/07 - Rn. 15 mwN, AP
KSchG 1969 § 2 Nr. 141; 26. Juni 2008 - 2 AZR 139/07 - Rn. 17, aaO).
26 2. Die Unrentabilität des Betriebs kann einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu
unveränderten Arbeitsbedingungen entgegenstehen und ein dringendes betriebliches Erfordernis
zur Änderung der Arbeitsbedingungen sein. Voraussetzung ist, dass durch die Senkung der
Personalkosten die Stilllegung des Betriebs oder eine deutliche Reduzierung der Belegschaft
verhindert werden kann und die Kosten durch andere Maßnahmen nicht zu senken sind (st. Rspr.,
Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR 139/07 - Rn. 19, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 138 = EzA KSchG § 2
Nr. 71). Regelmäßig bedarf es deshalb eines umfassenden Sanierungsplans, der alle gegenüber
der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft (Senat 1. Juli 1999 - 2 AZR
826/98 - zu II 1 c der Gründe mwN, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 53 = EzA KSchG § 2 Nr. 35). Der
Arbeitgeber hat die Finanzlage des Betriebs, den Anteil der Personalkosten, die Auswirkung der
erstrebten Kostensenkungen für den Betrieb und für die Arbeitnehmer darzustellen und
darzulegen, weshalb andere Maßnahmen nicht in Betracht kommen (Senat 26. Juni 2008 - 2 AZR
139/07 - Rn. 20 mwN, aaO; KR/Rost 9. Aufl. § 2 KSchG Rn. 107a ff.; APS/Künzl 3. Aufl. § 2
KSchG Rn. 257 ff.).
27 3. Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag der Beklagten nicht.
28 a) Die Beklagte hat geltend gemacht, sie verspreche sich von der Vereinheitlichung der
Wochenarbeitszeit durch die Änderungskündigung Nr. 1 „positive Auswirkungen auf das
Betriebsklima“. Dies vermag das dem Kläger angetragene Änderungsangebot nicht zu
rechtfertigen. Die Beklagte hat keine konkreten Störungen dargelegt, die durch die
unterschiedlichen Arbeitszeiten der Beschäftigten eingetreten wären und ihr eine Aufrechterhaltung
der bisherigen Regelungen unzumutbar machten. Das bloße Interesse des Arbeitgebers an der
Vereinheitlichung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit stellt kein dringendes betriebliches
Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG dar (st. Rspr., Senat 12. Januar 2006 - 2 AZR 126/05 -
Rn. 28, AP KSchG 1969 § 2 Nr. 82 = EzA KSchG § 2 Nr. 56).
29 b) Die Änderungen der Beschäftigungsbedingungen gemäß den Änderungskündigungen Nr. 1 bis
Nr. 4 sind nicht wegen Sanierungsbedürftigkeit des Betriebs in B gerechtfertigt. Sie zielen auf die
Einsparung von Personalkosten und führen beim Kläger zu entsprechenden
Einkommenseinbußen. Zu ihrer sozialen Rechtfertigung fehlt es an einem schlüssigen, die
Notwendigkeit der Änderungen der Arbeitsbedingungen aufzeigenden Sanierungskonzept.
30 aa) Aus dem Vorbringen der Beklagten wird nicht deutlich, weshalb die prognostizierten operativen
Verluste in absehbarer Zeit zu einer Reduzierung eines erheblichen Teils der Belegschaft hätten
führen müssen. Auch ohne die ergriffenen Personalmaßnahmen erwartete sie einen Rückgang
ihrer Verluste, vom Jahr 2007 auf das Jahr 2008 sogar um die Hälfte. Ihre Behauptung, sie hätte
bei gleichbleibenden Personalkosten spätestens im Jahr 2008 Teile des Betriebs stilllegen
müssen, ist schon aus diesem Grund nicht hinreichend nachvollziehbar.
31 bb) Dies gilt auch für ihre Behauptung, sie habe sich in einer ihre Existenz bedrohenden Lage
befunden. Um seine drohende Existenzgefährdung darzutun, muss der Arbeitgeber seine
allgemeine Geschäftslage im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung nachprüfbar offenlegen. Das
kann regelmäßig durch Vorlage der Bilanzen und dazugehöriger betriebswirtschaftlicher
Auswertungen geschehen. Die Ausführungen der Beklagten zu Bilanzergebnissen erschöpfen
sich demgegenüber in der Behauptung, ihr sei im Jahr 2002 ein „Turnaround“ insoweit gelungen,
als sie erstmals einen bilanziellen Gewinn erzielt habe. Daraus lässt sich nicht auf eine
Bestandsgefährdung schließen.
32 cc) Zudem fehlt es - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - an schlüssigen
Darlegungen dazu, dass das angestrebte Sanierungsziel nur durch Personalkostensenkungen
erreicht werden konnte. Weshalb Einsparungen in anderen Bereichen ausschieden, wird aus dem
Vorbringen der Beklagten nicht hinreichend deutlich. So hat sie etwa die betriebliche Notwendigkeit
der vorgesehenen Erhaltungsinvestitionen von rund einer Million Euro jährlich nicht näher
dargelegt. Weder hat sie erläutert, wie sich diese Position im Einzelnen zusammensetzt, noch wird
aus ihrem Vorbringen deutlich, weshalb auf derartige Investitionen keinesfalls und selbst teilweise
nicht verzichtet werden konnte.
33 dd) Ihr Vorbringen lässt auch nicht erkennen, weshalb von ihren Gesellschaftern keine
Sanierungsbeiträge mehr erwartet werden konnten. Soweit sich die Beklagte in diesem
Zusammenhang auf eine persönliche Risikoübernahme durch die „hinter ihr stehende“
Privatperson J beruft, hat sie nicht dargelegt, welche Belastungen mit dieser Übernahme
verbunden waren. Dies geht auch aus dem Sanierungsplan nicht hervor.
34 ee) Soweit die Beklagte meint, es gebe keinen vernünftigen Grund, an der Richtigkeit der im
Sanierungsplan offengelegten Informationen und Wirtschaftsdaten zu zweifeln, die Details des
Sanierungsplans seien als ihre unternehmerische Entscheidung hinzunehmen, verkennt sie ihre
sich aus § 2 iVm. § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG ergebende Darlegungslast. Erst eine hinreichende
Konkretisierung der ihrer Entscheidung zugrunde liegenden Angaben ermöglicht dem
Arbeitnehmer eine sachliche Stellungnahme und den Gerichten die Nachprüfung und ggf.
Beweisaufnahme (vgl. Senat 20. August 1998 - 2 AZR 84/98 - zu II 2 b der Gründe, AP KSchG
1969 § 2 Nr. 50 = EzA KSchG § 2 Nr. 31).
35 Damit werden an die soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur
Kostensenkung keine im Verhältnis zur betriebsbedingten Beendigungskündigung überzogenen
Anforderungen gestellt. Die Beklagte übersieht, dass die Behauptung der Unrentabilität eines
Betriebs oder eines Betriebsteils als solche nicht nur eine Änderungskündigung, sondern auch
eine Beendigungskündigung nicht zu rechtfertigen vermag. Nur wenn der Arbeitgeber die
Unrentabilität zum Anlass für eine Organisationsentscheidung nimmt, die ihrerseits zur
Verringerung des Beschäftigungsbedarfs führt, kann sich daraus die Rechtfertigung einer
betriebsbedingten Beendigungskündigung iSv. § 1 Abs. 2 KSchG ergeben. Dazu hat der
Arbeitgeber die Auswirkungen seiner Organisationsentscheidung auf den betrieblichen
Beschäftigungsbedarf im Einzelnen und nachprüfbar darzulegen (vgl. Senat 12. November 1998 -
2 AZR 91/98 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 90, 182). Spricht der Arbeitgeber eine
Änderungskündigung zur Kostenreduzierung aus und beruft er sich zu ihrer Rechtfertigung auf die
Unrentabilität des Betriebs, hat er die betriebliche Unabweisbarkeit seiner für den Arbeitnehmer
nachteiligen, einseitig in das vertragliche Gefüge von Leistung und Gegenleistung eingreifenden
Entscheidung nachprüfbar darzutun. Seine Darlegungen müssen dabei nicht höheren, sondern -
analog zum Kündigungsgrund - anderen Anforderungen genügen. Beide Male wird vom
Arbeitgeber lediglich verlangt, die Tatsachen vorzutragen, die die Kündigung bedingen.
Kreft
Eylert
Berger
Bartz
A. Claes