Urteil des BAG vom 03.04.2007

BAG (treu und glauben, land, erhöhung, arbeitszeit, anlage, abweisung der klage, vertrag, schuljahr, erlass, lehrkraft)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 3.4.2007, 9 AZR 281/06
Lehrerpersonalkonzept - Teilzeitbeschäftigung - Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des
Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 31. Januar 2006 - 5 Sa
111/05 - aufgehoben.
Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Stralsund vom 21. Januar 2005 - 1 Ca 393/04 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über den Umfang der Unterrichtsverpflichtung der Klägerin.
2 Die 1962 geborene Klägerin ist als Lehrkraft an einer Grundschule des beklagten Landes
beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags von März 1993 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis
nach den jeweils für das beklagte Land geltenden Tarifverträgen. Nach § 4 des Arbeitsvertrags ist
für die regelmäßige wöchentliche Pflichtstundenzahl für vollzeitbeschäftigte Lehrkräfte der Erlass
über die Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrer in Mecklenburg-Vorpommern in der
jeweils geltenden Fassung maßgebend. Die Klägerin ist tarifgebunden.
3 Nach Nr. 3 SR 2l I zum BAT/BAT-O sind die Arbeitszeitvorschriften des § 15 BAT/BAT-O auf die
Arbeitsverhältnisse der Lehrkräfte im Sinne der Protokollnotiz zu Nr. 1 nicht anzuwenden. Es
gelten die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten. Im Land Mecklenburg-Vorpommern
richtet sich die Arbeitszeit der Lehrkräfte nach den allgemein für Beamte geltenden
Arbeitszeitbestimmungen. Die regelmäßige Arbeitszeit wird nach § 78 Abs. 1 Satz 1 LBG
Mecklenburg-Vorpommern durch die Landesregierung festgelegt. Sie beträgt nach § 3 Abs. 1
Satz 1 der Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Land Mecklenburg-Vorpommern
(Arbeitszeitverordnung - AZVO) vom 19. Januar 2000 (GVOBl. M-V S. 14) im Durchschnitt 40
Wochenstunden. Das Regelstundenmaß der Lehrer wird durch Erlass des Ministeriums für
Bildung, Wissenschaft und Kultur (MBWK) festgelegt. Für den Grundschulbereich waren dies bis
zum Ende des Schuljahres 2003/2004 27 Unterrichtswochenstunden.
4 Im Dezember 1995 schloss das beklagte Land mit den Gewerkschaften und den Berufsverbänden
der Lehrer eine Rahmenvereinbarung (sog. Lehrerpersonalkonzept) mit dem Ziel, den wegen des
demografisch bedingten Rückgangs der Schülerzahlen notwendig werdenden Stellenabbau bei
gleichzeitiger Sicherung und Verbesserung einer qualitativ guten Bildung und Ausbildung
sozialverträglich und unter Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen durchzuführen. In der
Rahmenvereinbarung heißt es auszugsweise:
„3.
Die Unterzeichner werden alles tun, um die Ziele des Lehrerpersonalkonzeptes zu fördern
und alles unterlassen, was dessen Zielen schadet.
Die Gesprächspartner setzen sich dafür ein, dass die in den Anlagen 1 bis 4 dargestellten
Personalmaßnahmen von möglichst vielen Landesbediensteten in Anspruch genommen
werden, da nur auf diesem Wege ein Erfolg des Lehrerpersonalkonzeptes sichergestellt
werden kann.
4.
Bis zur Beendigung des jeweiligen Schuljahres treten die Gesprächspartner zusammen, um
vom Kultusministerium über den bisherigen Verlauf des Personalkonzeptes informiert zu
werden und Erfahrungen auszutauschen. Abgelehnte Anträge auf Teilnahme an den
Personalmaßnahmen werden ausgewertet und in die Besprechung zum Schuljahresende
einbezogen.
5.
Vor Ablauf der Regelungen, die in der Laufzeit beschränkt sind, sind rechtzeitig neue
Verhandlungen aufzunehmen.
6.
Bei wesentlichen Änderungen der zu Grunde gelegten Sach- und Gesetzeslage oder auf
Wunsch einer Seite werden Gespräche mit dem Ziel einer einvernehmlichen Änderung bzw.
Ergänzung des Lehrerpersonalkonzeptes geführt.“
5 In der Anlage 3 „Freiwillige Teilzeitbeschäftigung“ ist bestimmt:
„§ 1 Teilzeittätigkeit
(1) Mit Landesbediensteten, die an dieser Maßnahme teilnehmen können, wird eine
unbefristete Teilzeittätigkeit vereinbart.
(2) Die Teilzeittätigkeit beträgt 50 v. H. eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten.
(3) In besonderen sozialen Härtefällen kann ein Teilzeitarbeitsverhältnis befristet um weitere
bis zu 16 v. H. eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten aufgestockt werden. Die
Härtefallentscheidung trifft die oberste Schulaufsichtsbehörde. Die befristete Aufstockung
unterliegt der Überprüfung durch die oberste Schulaufsichtsbehörde, die bei Änderung der
Verhältnisse des/der Betroffenen das Arbeitsverhältnis auf ein 50 v. H.
Teilzeitarbeitsverhältnis reduziert.
§ 2 Kündigungsschutz
(1) Bei Teilzeitvereinbarung von 50 v. H. besteht unabhängig von einer befristeten höheren
Unterrichtsverpflichtung ein unbefristeter Kündigungsschutz. Gleiches gilt für
Teilzeitarbeitsverhältnisse nach § 1 Abs. 3.
(2) Reduziert ein bereits teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer die bisherige Wochenarbeitszeit
auf eine Teilzeit von 50 v. H. eines Vollzeitbeschäftigten, wird Kündigungsschutz
entsprechend Abs. 1 gewährt.
(3) Der Kündigungsschutz nach Abs. 1 wird auch denjenigen Beschäftigten gewährt, die
bereits zu einem früheren Zeitpunkt ein Teilzeitarbeitsverhältnis im Umfang von 50 v. H.
eines entsprechenden Vollzeitbeschäftigten vereinbart haben.
(4) Der Kündigungsschutz gem. Abs. 1 gilt für ordentliche Änderungs- bzw.
Beendigungskündigungen zum Zwecke des Stellenabbaus. Andere als die genannten
Kündigungsgründe bleiben unberührt.
§ 3 Rückkehr in ein Vollzeitarbeitsverhältnis
Die Rückkehr in ein Vollzeitarbeitsverhältnis oder eine Erhöhung der Wochenarbeitszeit wird
den nach dieser Regelung Teilzeitbeschäftigten vorrangig, entsprechend den betrieblichen
Erfordernissen, angeboten.“
6 Zur Umsetzung und Fortentwicklung des Lehrerpersonalkonzeptes bildeten die an der
Rahmenvereinbarung Beteiligten verschiedene Gremien. Der vom MBWK gebildeten
Managementgruppe obliegen vorrangig Koordinierungs- und Unterrichtungsaufgaben. Die
paritätisch besetzte Begleitgruppe hat die Aufgabe, die Rahmenvereinbarung durch konkrete
Einzelregelungen umzusetzen (Anwendungsregelungen). Die sog. „Große Verhandlungsrunde“
berät und beschließt Änderungen oder Ergänzungen der Rahmenvereinbarung. Die Lehrkräfte
werden regelmäßig durch Informationsbroschüren über den jeweiligen Stand des
Lehrerpersonalkonzeptes informiert.
7 Hat sich eine Lehrkraft bereit erklärt, an der sog. flexiblen Teilzeitarbeit teilzunehmen, schließt das
beklagte Land mit ihr regelmäßig zwei Änderungsverträge. Die Musterverträge sind Bestandteil
des Lehrerpersonalkonzeptes. Der sog. Grundvertrag regelt die Einzelheiten der unbefristeten
Verringerung der Beschäftigung. Der sog. X-Vertrag enthält eine auf das Schuljahr beschränkte
Erhöhung des Beschäftigungsumfangs. Nichtteilnehmer am Lehrerpersonalkonzept müssen mit
einer betriebsbedingten Änderungskündigung, gestützt auf fehlenden Beschäftigungsbedarf,
rechnen.
8 Das beklagte Land stellte im Zuge der Planungen für das Schuljahr 2004/2005 fest, dass der auf
der Grundlage eines Regelstundenmaßes von 27 Unterrichtswochenstunden ermittelte
Unterrichtsbedarf durch die haushaltsrechtlich vorgegebenen Stellen nicht gedeckt werden konnte.
Es beabsichtigte deshalb, das Regelstundenmaß auf 27,5 Unterrichtswochenstunden beginnend
mit dem Schuljahr 2004/2005 zu erhöhen. Sein Versuch, hierüber in der „Großen
Verhandlungsrunde“ Einvernehmen herzustellen, blieb vergeblich. Die Einigungsstelle ersetzte am
5. Mai 2004 die Zustimmung des Lehrerhauptpersonalrats. Mit Erlass vom 6. Mai 2004 erhöhte
darauf das MBWK die Unterrichtsverpflichtung auf 27,5 Stunden/Woche. Unter dem 27. Mai 2004
ergänzten die Beteiligten das Rahmenabkommen um den Punkt 1.6:
„Die Landesregierung wird die regelmäßige Pflichtstundenzahl (Regelstundenmaß) sowie die
Anrechnungsstunden wegen Alters, Schwerbehinderung und Lehrerweiterbildung nach dem
Erlass zur Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrerinnen und Lehrer in
Mecklenburg-Vorpommern für das Schuljahr 2004/2005 - Verwaltungsvorschrift des
Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur - während der Laufzeit des
Lehrerpersonalkonzeptes nicht zum Nachteil der Lehrerinnen und Lehrer ändern.“
9 Die Klägerin nimmt an dem flexiblen Teilzeitmodell des Lehrerpersonalkonzeptes teil. Sie
vereinbarte mit dem beklagten Land am 10. Juni 2003 „zur Vermeidung einer betriebsbedingten
Kündigung“ einen „Änderungsvertrag auf der Grundlage der Anlage 3 des
Lehrerpersonalkonzeptes“ (GrundV 2003). Dieser lautet auszugsweise:
§ 1
Änderung des Beschäftigungsumfangs
(1) Die Vertragsparteien vereinbaren ab 01.08.2003 für die Dauer der Teilnahme an der
Teilzeitbeschäftigung nach Anlage 3 des Lehrerpersonalkonzepts einen
Beschäftigungsumfang in Höhe von
78
Vollzeitbeschäftigten.
Das Regelstundenmaß beträgt derzeit 27 Unterrichtswochenstunden.
Hieraus ergibt sich eine Mindestbeschäftigung von
21
(2) Soweit der entsprechende Bedarf festgestellt worden ist, wird der
Mindestbeschäftigungsumfang nach Absatz 1 ab 01.08.2003 schuljahresbezogen
befristet erhöht.
§ 2
Vertragsbedingungen
Die im Arbeitsvertrag vom 16.03.93 vereinbarten Bedingungen gelten bis zur Beendigung
des Arbeitsverhältnisses fort, soweit in diesem Vertrag keine abweichenden Regelungen
getroffen werden.
§ 3
Arbeitszeit
Die Arbeitszeit der Lehrkraft richtet sich nach den von der obersten Schulaufsichtsbehörde
zu erlassenden Verwaltungsvorschriften in der jeweils geltenden Fassung.“
10 § 4 enthält den Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen im Umfang von 50 vH eines
Vollzeitbeschäftigten. Nach § 5 gelten ergänzend die Anwendungsregelungen zur Anlage 3 des
Lehrerpersonalkonzeptes vom 26. April 2000.
11 Der mit „Befristeter Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag (X-Vertrag)“ überschriebene Vertrag
vom gleichen Tag sieht für die Dauer des Schuljahres 2003/2004 eine Erhöhung um 3,7 vH einer
vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung vor (§ 1 Abs. 1 des X-Vertrags). Nach § 1 Abs. 2 des X-
Vertrags beträgt der Gesamtbeschäftigungsumfang
„demnach 81,5 von Hundert einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung. Hieraus ergibt sich
ein Beschäftigungsumfang von 22 Unterrichtswochenstunden.“
12 Im Mai 2004 leitete das beklagte Land der Klägerin zwei bereits von ihm am 25. Mai 2004
unterschriebene Verträge zu. Der „Änderungsvertrag auf der Grundlage der Anlage 3 des
Lehrerpersonalkonzeptes“ (GrundV 2004) lautet auszugsweise:
„§ 1 Änderung des Beschäftigungsumfangs
(1) Die Vertragsparteien vereinbaren ab dem 01.08.04 für die Dauer der Teilnahme an der
Teilzeitbeschäftigung nach Anlage 3 des Lehrerpersonalkonzeptes einen
Beschäftigungsumfang in Höhe von 80 von Hundert eines vergleichbaren
Vollzeitbeschäftigten. Maßgebend für die Bestimmung der wöchentlichen Pflichtstunden ist
der Erlass zur Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte in Mecklenburg-
Vorpommern in der jeweils geltenden Fassung. Der Mindestbeschäftigungsumfang beträgt
22 Unterrichtswochenstunden.“
13 Der weitere Text des Vertrags ist wortgleich mit dem Text des im Juni 2003 geschlossenen
Grundvertrags (GrundV 2003). Der gleichzeitig übersandte X-Vertrag (X-Vertrag 2004) sieht eine
auf das Schuljahr 2004/2005 befristete Erhöhung des Beschäftigungsumfangs um 7,273 vH einer
vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung vor. Weiter heißt es, der Gesamtbeschäftigungsumfang
betrage demnach 87,273 von Hundert einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung. Daraus ergebe
sich ein Beschäftigungsumfang von 24 Unterrichtswochenstunden. Die Klägerin übermittelte die
von ihr vorbehaltlos unterschriebenen Verträge dem beklagten Land.
14 Mit ihrer im November 2004 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Erhöhung der
Unterrichtsverpflichtung durch das beklagte Land sei unwirksam. Sie hat vor dem Arbeitsgericht
zuletzt die Feststellung begehrt, die Unterrichtsverpflichtung aus ihrem Grundvertrag vom 25. Mai
2004 betrage 80 % von 27 Unterrichtswochenstunden. Das Arbeitsgericht hat der Klage
stattgegeben.
15 Vor dem Landesarbeitsgericht hat die Klägerin zuletzt beantragt
festzustellen, dass das für die Berechnung der Teilzeitquote im Arbeitsverhältnis der Klägerin
maßgebliche Regelstundenmaß auch ab dem Schuljahr 2004/2005 nur 27 Wochenstunden
beträgt.
16 Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
17 Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des beklagten Landes nach dem
zuletzt gestellten Klageantrag erkannt. Dagegen wendet sich das beklagte Land mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
18 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der
Klage.
19 A. Die Klage ist zulässig.
20 I. Der von der Klägerin zuletzt gestellte Klageantrag ist unter Berücksichtigung des zur Auslegung
heranzuziehenden Streitstoffs hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es soll die
Verpflichtung des beklagten Landes festgestellt werden, in dem bestehenden
Teilzeitarbeitsverhältnis das bis zum 31. Juli 2004 festgesetzte Regelstundenmaß von 27
Unterrichtswochenstunden anzuwenden. Jede Unterrichtsstunde soll dementsprechend mit 1/27
des Entgelts einer vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Lehrkraft bezahlt werden. Der
Beschäftigungsumfang von 80 vH soll sich auf ein Regelstundenmaß von 27
Unterrichtswochenstunden beziehen und das beklagte Land den für das jeweilige Schuljahr
prognostizierten Unterrichtsbedarf auf der Grundlage dieses Regelstundenmaßes ermitteln und
der Klägerin anbieten. In diesem Sinn versteht auch das beklagte Land das klägerische Begehren.
21 II. Der Klageantrag ist nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
22 1. Auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses kann geklagt
werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das behauptete
Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Die begehrte
Feststellung muss sich nicht notwendig auf das Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann
sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte
Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken. Bloße
Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses können nicht zum Gegenstand einer
Feststellungsklage gemacht werden (st. Rspr. vgl. BAG 27. Oktober 2005 - 6 AZR 123/05 -
BAGE 116, 160 mwN) .
23 Diese Anforderungen sind erfüllt, obwohl nach dem Klageantrag eine Verpflichtung des beklagten
Landes zur „Berechnung“ festgestellt werden soll. Gemeint ist nicht der Berechnungsvorgang,
sondern die umfänglich anzuwendende Bemessungsgrundlage „Regelstundenmaß
27 Wochenstunden“. Der Antrag zielt nicht auf ein erst künftig zu begründendes Rechtsverhältnis.
Vielmehr stützt sich die Klägerin hierfür auf das nach ihrer Auffassung durch die Teilnahme am
Lehrerpersonalkonzept begründete Rechtsverhältnis.
24 2. Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich aus dem Streit der Parteien über das für
das Teilzeitarbeitsverhältnis maßgebliche Regelstundenmaß.
25 B. In der Sache ist die Klage ohne Erfolg. Der für die Unterrichtsverpflichtung der Klägerin
maßgebliche Nenner, die sog. Teilzeitquote, beträgt seit dem Schuljahr 2004/2005
27,5 Unterrichtswochenstunden.
26 I. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, weil das beklagte Land das
Regelstundenmaß nicht mit Wirkung für die am Lehrerpersonalkonzept teilnehmenden Lehrkräfte
habe erhöhen können. Dabei ist es davon ausgegangen, dass das beklagte Land die Arbeitszeit
der angestellten Lehrkräfte rechtswirksam mit durchschnittlich 40 Stunden/Woche und den
Pflichtunterricht mit 27,5 Stunden/Woche festgelegt habe. Dieses Regelstundenmaß sei aber nicht
Inhalt des Arbeitsverhältnisses geworden. Das ergebe die Auslegung des Grundvertrags. Zwar
basiere der Grundvertrag nach seinem Wortlaut auf dem neuen Regelstundenmaß. Für die
rechtsgeschäftlichen Abreden der Parteien sei aber nicht der Vertragstext, sondern seine
Verankerung in dem Lehrerpersonalkonzept maßgeblich. Diesem liege das bisherige
Regelstundenmaß von 27 Unterrichtsstunden zugrunde. Das beklagte Land habe dieses nicht
einseitig erhöhen dürfen, jedenfalls nicht aus den allein vorliegenden fiskalischen Gründen. In
seiner Hauptbegründung hat das Landesarbeitsgericht hierfür auf § 3 der Anlage 3 abgestellt, der
für die Teilnehmer an der flexiblen Teilzeitarbeit einen Anspruch auf Aufstockung bei festgestelltem
Unterrichtsbedarf begründe. Dieser werde vereitelt, wenn das beklagte Land durch Anhebung des
Pflichtdeputats künstlich einen Personalüberhang erzeuge und damit notwendig das Kontingent an
befristeter Aufstockung verkürze. Das Modell von unbefristetem Grundvertrag und befristeter
Vergabe von X-Verträgen lasse sich bei Einräumung eines einseitigen
Leistungsbestimmungsrechts des beklagten Landes rechtlich nicht rechtfertigen.
27 II. Mit dieser Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden.
28 1. Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Ermittlung
des zwischen den Parteien Vereinbarten nach dem zuletzt von der Klägerin vorbehaltlos
unterzeichneten GrundV 2004 richtet. Damit hatte das Landesarbeitsgericht mit diesem Vertrag
und den sonstigen Vereinbarungen der Parteien Musterverträge auszulegen, die das beklagte
Land bei der Vereinbarung einer Teilzeitbeschäftigung iSd. Anlage 3 zum Lehrerpersonalkonzept
verwendet. Sie enthalten über die persönlichen Daten der Klägerin und die auf ihr Arbeitsverhältnis
abgestimmten Konkretisierungen hinaus keine auf die Besonderheit des Einzelfalls abgestimmte
Vereinbarung. Die Auslegung solcher Verträge unterliegt der uneingeschränkten
revisionsrechtlichen Überprüfung (st. Rspr. vgl. Senat 11. April 2006 - 9 AZR 369/05 - AP ATG 2
Nr. 7 EzA ATG § 2 Nr. 2 mwN) .
29 2. Diesem Prüfmaßstab hält die Auslegung des Landesarbeitsgerichts nicht stand.
30 a) Gemäß § 157 BGB sind Verträge so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die
Verkehrssitte es erfordern. Dabei ist ausgehend vom objektiven Wortlaut nach § 133 BGB der
wirkliche Wille des Erklärenden zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks
zu haften. Bei der Auslegung sind alle tatsächlichen Begleitumstände der Erklärung zu
berücksichtigen, die für die Frage von Bedeutung sein können, welchen Willen der Erklärende bei
seiner Erklärung gehabt hat und wie die Erklärung von ihrem Empfänger zu verstehen war (st.
Rspr. vgl. BAG 20. September 2006 - 10 AZR 715/05 - Rn. 21, AP TVG § 1 Bezugnahme auf
Tarifvertrag Nr. 44; Senat 15. März 2005 - 9 AZR 97/04 - AP BGB § 157 Nr. 33 = EzA TVG § 4
Altersteilzeit Nr. 14).
31 b) Gemessen daran haben die Arbeitsvertragsparteien die Mindestbeschäftigung der Klägerin im
GrundV 2004 und die Aufstockung im X-Vertrag 2004 auf der Grundlage des seit 1. August 2004
geltenden Regelstundenmaßes von 27,5 Stunden vereinbart.
32 aa) Für dieses Auslegungsergebnis spricht bereits der Wortlaut des GrundV 2004. Hiervon ist das
Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend ausgegangen. Denn § 1 Abs. 1 Satz 1 GrundV 2004
regelt die auf Dauer vereinbarte Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin ab dem 1. August 2004.
Die Klägerin sollte nunmehr mit einer Mindestbeschäftigung von 80 vH eines vergleichbaren
Vollzeitbeschäftigten beschäftigt werden. Aus § 1 Abs. 1 Satz 2 des GrundV 2004 ergibt sich
sodann die Grundlage, nach der die Parteien die Teilzeitbeschäftigung von 80 vH ermittelt haben.
Als maßgebend wird dort der Erlass zur Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung der Lehrkräfte in
Mecklenburg-Vorpommern in der jeweils geltenden Fassung bestimmt. Nach dem zur Zeit des
Vertragsschlusses am 25. Mai 2004 geltenden Erlass vom 6. Mai 2004 waren das ab 1. August
2004 die dort für Grundschullehrer geregelten 27,5 Unterrichtsstunden/Woche.
33 bb) Die Heranziehung dieser Bemessungsgrundlage wird durch § 1 Abs. 1 Satz 3 des GrundV
2004 bestätigt. Die angegebene Zahl von „22 Unterrichtswochenstunden“ entspricht dem
Verhältnis von 80 vH zu 100 vH, bezogen auf 27,5 Unterrichtswochenstunden.
34 cc) Dasselbe Bild zeigt der X-Vertrag 2004, in dem die für die Beschäftigung der Klägerin
vereinbarten Daten ebenfalls konkret ausgewiesen sind. Die dort vereinbarte Erhöhung des
Beschäftigungsumfangs um 7,273 vH einer vergleichbaren Vollzeitbeschäftigung auf insgesamt
87,273 vH und die Wiedergabe des rechnerischen Ergebnisses „Beschäftigungsumfang von
24 Unterrichtswochenstunden“ lassen keinen Raum für die Auslegung, tatsächlich seien die
Parteien für das am 1. August 2004 beginnende neue Schuljahr von dem nur bis 31. Juli 2004
geltenden Regelstundenmaß von 27 Unterrichtswochenstunden ausgegangen.
35 dd) Das von dem Landesarbeitsgericht entgegen dem Wortlaut des GrundV 2004 als richtig
angesehene Auslegungsergebnis lässt sich nicht aus einer „Verankerung“ in dem
Lehrerpersonalkonzept herleiten.
36 (1) Die zwischen dem beklagten Land, den Gewerkschaften und Lehrerverbänden geschlossene
Rahmenvereinbarung ist eine sonstige Koalitionsvereinbarung (vgl. BAG 14. April 2004 - 4 AZR
232/03 - BAGE 110, 164). Eine solche Vereinbarung gilt grundsätzlich nur zwischen den an ihr
Beteiligten. Das schließt nicht aus, dass sich der Arbeitgeber in ihr verpflichtet, über bestimmte
Rechte nicht zu verfügen (vgl. Däubler/Däubler TVG 2. Aufl. Einl. Rn. 881). Das beklagte Land hat
sich gegenüber den Koalitionspartnern jedoch erst unter dem 27. Mai 2004 verpflichtet, das
nunmehr durch den Erlass vom 6. Mai 2004 festgesetzte Regelstundenmaß von 27,5 Stunden
nicht zum Nachteil der Lehrkräfte zu ändern.
37 (2) Mit der Eingangsformulierung, der Änderungsvertrag werde „auf der Grundlage der Anlage 3
des Lehrerpersonalkonzeptes“ geschlossen, wird nach allgemeinem Sprachverständnis lediglich
ausgedrückt, dieses Konzept sei Ausgangslage für die dann folgenden Vereinbarungen (vgl. BAG
14. April 2004 - 4 AZR 232/03 - BAGE 110, 164 zur Anlage 1 des Lehrerpersonalkonzeptes). Dies
führt zwar nicht dazu, dass die Verweisung auf die Vertragsgrundlage ohne jede Bedeutung für die
Auslegung des Vertrags wäre; im Vertrag festgelegte Abweichungen sind damit nicht
ausgeschlossen. Im Streitfall stellt sich aber entgegen dem Landesarbeitsgericht nicht die Frage,
ob die Parteien eine vom Lehrerpersonalkonzept abweichende Regelung getroffen haben. Denn
die Anlage 3 enthält keine Festlegung des Regelstundenmaßes, von dem aus das beklagte Land
den jährlichen Unterrichtsbedarf zu ermitteln hätte. Im Gegenteil heißt es in dem „Allgemeinen Teil“
der Anlage 3 Nr. 7 unmissverständlich, für das Regelstundenmaß gelte der Erlass über die
Festsetzung der Unterrichtsverpflichtung in seiner jeweiligen Fassung. Dass die
Anwendungsregelungen nicht von den Gewerkschaften und den beteiligten Lehrerverbänden
unterzeichnet sind, ist für die Ermittlung des Vertragsinhalts entgegen der Auffassung des
Landesarbeitsgerichts unerheblich.
38 (3) Das gilt auch für seinen Hinweis auf das zur Zeit des Abschlusses der Rahmenvereinbarung
im Dezember 1995 geringere Pflichtdeputat einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft und das Ziel des
Lehrerpersonalkonzeptes, den als erforderlich angesehenen Personalabbau sozialverträglich
durchzuführen, während die Erhöhung des Pflichtdeputats nach dem Erlass vom 6. Mai 2004
gegenläufig der Abdeckung eines erhöhten Unterrichtsbedarfs diente. Auch die vom
Landesarbeitsgericht behandelten Rechtsfragen, ob § 3 der Anlage 3 zum Lehrerpersonalkonzept
als Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB) einen Anspruch der am Lehrerpersonalkonzept
teilnehmenden Lehrkräfte auf Aufstockung begründet sowie der aus seiner Sicht nur bei
Beibehaltung des früheren Regelstundenmaßes zulässigen Kombination von Grundvertrag und
schuljahresbezogener befristeter Aufstockung, betreffen die Wirksamkeit der vertraglichen
Regelung und nicht deren Inhalt.
39 III. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als
richtig.
40 1. Die Festlegung des Regelstundenmaßes mit Wirkung vom 1. August 2004 ist individualrechtlich
wirksam.
41 a) Die kraft Tarifbindung (§ 3 Abs. 1 TVG) und einzelvertraglicher Vereinbarung anzuwendende
Verweisung in Nr. 3 der SR 2l I zu § 15 BAT/BAT-O auf die Arbeitszeitregelungen beamteter
Lehrkräfte ist rechtswirksam (st. Rspr. vgl. Senat 12. September 2006 - 9 AZR 675/05 - AP BGB
§ 611 Lehrer, Dozenten Nr. 176 = EzA BGB 2002 § 310 Nr. 4). Sie rechtfertigt sich aus dem
anerkannten Bedürfnis nach einer von der Beschäftigungsgrundlage unabhängigen
Gleichbehandlung der Lehrkräfte (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 227/05 - BAGE 116, 346)
.Dem für das Beamtenrecht zuständigen Normgeber ist überlassen, ob die Arbeitszeit der
Lehrkräfte in Unterrichtswochenstunden ausgedrückt wird oder ob die für Beamte geltende
Regelarbeitszeit zur Anwendung gebracht wird. Soweit die Regelarbeitszeit normativ festgelegt ist,
kann die Unterrichtsverpflichtung auch durch Verwaltungsvorschrift bestimmt werden (BVerwG
21. September 2005 - 2 B 25.05 - mit Anm. v. Roetteken jurisPR-ArbR 49/2005 Anm. 4).
42 Die Festlegung der Unterrichtswochenstunden durch Erlass des MBWK des beklagten Landes ist
danach rechtlich unbedenklich. Die regelmäßige Arbeitszeit der Beamten ist normativ geregelt. Sie
beträgt nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AZVO M-V iVm. § 78 Abs. 1 LBG M-V auch für Lehrkräfte
durchschnittlich 40 Wochenstunden.
43 b) Nach der tariflichen Konzeption wirkt sich das Gestaltungsrecht des Arbeitgebers als Dienstherr
der Beamten auf die Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis aus. Das Regelstundenmaß kann zu
ihren Gunsten aber auch zu ihren Lasten geändert werden. Dabei muss das Pflichtdeputat so
bemessen sein, dass unter Berücksichtigung des unterrichtsbezogenen Aufwands für Vor- und
Nacharbeiten und die mit dem Schulbetrieb im Übrigen verbundenen Arbeiten wie Konferenzen,
Elternbesprechungen, Ausrichtung und Teilnahme an schulischen Veranstaltungen usw. die für
Beamte geltende auf ein Jahr bezogene Gesamtarbeitszeit nicht überschritten wird (vgl. BAG
15. Dezember 2005 - 6 AZR 227/05 - BAGE 116, 346).
44 c) Die Erhöhung des Pflichtunterrichts um wöchentlich eine halbe Stunde von 27 Stunden auf
27,5 Stunden ist nicht deshalb unwirksam, weil der zusätzliche Unterricht zu einer Überschreitung
der regelmäßigen Arbeitszeit führt.
45 aa) Die Unterrichtszeit ist nur ein Teil der Arbeitszeit der Lehrkräfte. Dass nur dieser Teil der
zeitlichen Belastung konkret geregelt wird, erklärt sich aus den Besonderheiten des Lehrerberufs.
Exakt messbar ist lediglich die Erteilung von Unterricht. Dagegen entziehen sich der
unterrichtsbezogene Aufwand für Vor- und Nacharbeiten sowie die mit dem Schulbetrieb im
Übrigen verbundenen Arbeiten wie Konferenzen, Elternbesprechungen, Ausrichtung und von
Teilnahme an schulischen Veranstaltungen usw. einer im Einzelfall festzulegenden Größe. Das gilt
insbesondere deshalb, weil der für diesen Aufgabenbereich aufzuwendende Zeitanteil nach
Schülerzahl, Schulfächern und schließlich individuell nach Fähigkeiten und Erfahrung der
Lehrkräfte differiert; er lässt sich daher - grob pauschalierend - nur schätzen (Senat 13. Juni 2006 -
9 AZR 588/05 - AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 30 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 21; vgl. auch
BVerwG 28. Januar 2004 - 2 C 19.03 - NVwZ-RR 2004, 593).
46 bb)Damit wird dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber kein unbegrenzter Gestaltungsspielraum
eingeräumt. Seine Festlegungen müssen sich im Rahmen der für die Beamten geltenden
Arbeitszeit von 40 Stunden/Woche halten. Die Erhöhung des Pflichtunterrichts ist dann unzulässig,
wenn unter Abwägung der Umstände und bei Berücksichtigung der außerhalb des Unterrichts zu
erbringenden Leistungen die für Beamte allgemein geltende Arbeitszeit, bezogen auf das Jahr,
überschritten wird (vgl. BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 227/05 - BAGE 116, 346).
47 Nach den von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts führt die
Anhebung des Pflichtdeputats auf 27,5 Unterrichtswochenstunden zu keiner solchen
Überschreitung. Mit dem Landesarbeitsgericht ist deshalb davon auszugehen, dass das beklagte
Land auf Grund der Erhöhung der Anzahl der Pflichtunterrichtsstunden von den
vollzeitbeschäftigten Lehrkräften keine Mehrarbeit abfordert. Es hat den Lehrkräften anheim
gestellt, das Mehr an Unterrichtszeit durch Verringerung der Vor- und Nachbereitungszeit
auszugleichen. Einer Entlastung von ausdrücklich genannten Aufgaben bedurfte es angesichts
des von weitgehender Selbstständigkeit geprägten Berufsbilds von Lehrkräften nicht.
48 2. Dem beklagten Land ist nicht nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verwehrt, sich auf
die mit Wirkung vom 1. August 2004 erhöhte Anzahl der Unterrichtsstunden zu berufen.
49 a) Das Landesarbeitsgericht hat die Erhöhung des Regelstundenmaßes gegenüber den
Teilnehmern an der flexiblen Teilzeitarbeit als treuwidrig beurteilt. Ausschließlich fiskalpolitisch
begründet, verstoße das beklagte Land damit gegen die vertraglich geschuldeten Rücksichtnahme
auf die Interessen des Vertragspartners. Es nutze das flexible Instrument, einen durch die
Pflichtstundenerhöhung künstlich erzeugten Personalüberhang auszugleichen. Damit verwende es
das zur Bewältigung der demografischen Entwicklung geschaffene Instrument zweckwidrig. Wie in
der übrigen Landesverwaltung müsse ein unter Umständen wegen der Finanzlage notwendiges
Sonderopfer mit den Gewerkschaften ausgehandelt werden, ggf. könnte zum Mittel der nach dem
Lehrerpersonalkonzept nicht gänzlich ausgeschlossenen betriebsbedingten Kündigung gegriffen
werden.
50 b) Dem stimmt der Senat nicht zu. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin sich wegen der
vorbehaltlosen Annahme der ihr vom beklagten Land beginnend mit dem Schuljahr 2004/2005
angebotenen Vertragsänderungen noch auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten berufen könnte.
51 aa) Im Einzelfall kann die Durchsetzung einer vertraglich begründeten Rechtsposition gegen Treu
und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen. Das kommt unter dem Gesichtspunkt des
widersprüchlichen Verhaltens in Betracht, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als
rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen. Das wird ua. angenommen, wenn durch das Verhalten
der einen Seite - bewusst oder unbewusst - für die andere ein schützenswertes Vertrauen auf den
Fortbestand des Bisherigen geschaffen worden ist (vgl. BAG 23. August 2006 - 4 AZR 417/05 - AP
BAT §§ 22, 23 Rückgruppierung Nr. 4 = EzA TVG § 4 Rückgruppierung Nr. 5) . Dem verwandt ist
die ebenfalls auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes beruhende Verwirkung. Der Verwirkung
unterliegt grundsätzlich jeder Anspruch und jedes Recht. Dazu kann auch das
Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers gehören. Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber
sein Recht über einen bestimmten Zeitraum hin nicht wahrgenommen hat, obwohl er dazu in der
Lage war (sogenanntes Zeitmoment) und der andere sich wegen dieser Untätigkeit bei objektiver
Beurteilung nach Treu und Glauben auf die neue Leistungsbestimmung nicht einlassen muss
(sogenanntes Umstandsmoment). Zum Zeitablauf müssen deshalb besondere Umstände
hinzukommen, die die Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts als der anderen Vertragspartei
unzumutbar erscheinen lassen (vgl. Senat 12. Dezember 2006 - 9 AZR 747/06 - EzA BGB 2002
§ 242 Verwirkung Nr. 1) . Dabei obliegt die Beurteilung der tatsächlichen Umstände regelmäßig
vorrangig dem Tatrichter, dessen Entscheidung nur einer eingeschränkten revisionsrechtlichen
Überprüfung unterliegt.
52 bb) Diesem eingeschränkten Prüfmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht
stand.
53 (1) Die unmittelbare Einbindung der Grundverträge in das Lehrerpersonalkonzept und der mit ihm
verbundene Appell der an der Rahmenvereinbarung Beteiligten an die Lehrkräfte, zur Vermeidung
betriebsbedingter Kündigungen die Folgen der demografischen Entwicklung solidarisch ua. durch
das Arbeitszeitmodell „flexible Teilzeitarbeit“ (mit) zu tragen, legt nahe, dass sich die Klägerin wie
auch alle anderen Lehrkräfte auf dieses Modell in der (stillschweigenden) Erwartung eingelassen
haben, das beklagte Land werde einen erkannten Beschäftigungsbedarf auf sie verteilen und den
Beschäftigungsbedarf nicht durch Aufstockung des Regelstundenmaßes abdecken. Hierfür
sprechen insbesondere die mit der Festlegung des erhöhten Regelstundenmaßes verbundenen
Folgen für die Vergütung. Zwar bleibt die Vergütung aus dem Grundvertrag unverändert. Insoweit
verschiebt sich lediglich der Anteil zwischen Unterricht und den weiteren schulischen Aufgaben
der Lehrkraft. Das Entgelt beträgt unverändert 80 vH des Entgelts einer vollzeitbeschäftigten
Lehrkraft. Betroffen ist aber die Chance, durch einen schuljahresbezogenen befristeten X- und Y-
Vertrag den Mindestbeschäftigungsumfang zu erhöhen und auf diesem Weg einen Mehrverdienst
zu erreichen. Sie sinkt in demselben Maß, in dem das beklagte Land den ermittelten
Beschäftigungsbedarf durch Erhöhung des Regelstundenmaßes befriedigt.
54 (2) Gleichwohl begründen diese Umstände nicht die vom Landesarbeitsgericht angenommene
Treuwidrigkeit. Es hat bei seiner Würdigung entscheidungserhebliche Umstände nicht hinreichend
berücksichtigt, die einem Vertrauensschutz entgegenstehen.
55 (2.1) Den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts steht bereits der Inhalt des Arbeitsvertrags und
die Verweisung auf das Tarifrecht entgegen. Auch wenn das beklagte Land das Pflichtdeputat
einer vollzeitbeschäftigten Lehrkraft seit mehreren Jahren nicht angehoben hatte, konnte objektiv
nicht damit gerechnet werden, dass es von seinem tariflich begründeten Bestimmungsrecht zu
Lasten der Lehrkräfte keinen Gebrauch machen werde. Das gilt auch für die vom
Landesarbeitsgericht festgestellte ausschließlich fiskalische Motivation des beklagten Landes. Mit
einer durch die Haushaltslage veranlassten Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts ist
regelmäßig zu rechnen.
56 (2.2) Die Erhöhung des Regelstundenmaßes kann außerdem nicht allein aus Sicht der Teilnehmer
an der flexiblen Teilzeitarbeit iSd. Lehrerpersonalkonzeptes beurteilt werden. Denn nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist das beklagte Land Mitglied der Tarifgemeinschaft
deutscher Länder und damit grundsätzlich verpflichtet, die Tarifverträge bei beiderseitiger
Tarifbindung anzuwenden. Es beschäftigt außerdem auch Lehrkräfte in Vollzeit. Beides kann nicht
ausgeblendet werden. Für die in Vollzeit beschäftigten Lehrkräfte konnte das Regelstundenmaß
ohne weiteres angehoben werden, da die Erhöhung nicht zu einer Überschreitung der
durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden führt. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BAT-O hat
eine teilzeitbeschäftigte Lehrkraft Anspruch auf das Entgelt, das dem Verhältnis ihrer Arbeitszeit
zu der eines vergleichbaren Vollzeitbeschäftigten entspricht. Wollte man die teilzeitbeschäftigten
Lehrkräfte aus der Erhöhung des Regelstundenmaßes herausnehmen, begründete dies
zwangsläufig eine tarifwidrige Ungleichbehandlung der im Dienst des beklagten Landes stehenden
Lehrkräfte. Folge der Erhöhung des Regelstundenmaßes ist die Vergütung der einzelnen
Unterrichtswochenstunde mit 1/27,5 des Entgelts eines Vollzeitbeschäftigten, insgesamt damit
27,5/27,5. Dagegen erhielten die Teilzeitbeschäftigten eine auf die einzelne
Unterrichtswochenstunde bezogene höhere Vergütung. Sie erhielten für jede Stunde 1/27 des
Entgelts eines Vollzeitbeschäftigten.
57 (2.3) Die Erwägung des Landesarbeitsgerichts, das beklagte Land hätte wegen der Erhöhung des
Regelstundenmaßes das Einverständnis der Gewerkschaften und Lehrerverbände einholen
müssen, löst den zutreffend aufgezeigten Konflikt nicht. Aus Sicht der betroffenen Lehrkräfte ist
unerheblich, ob der Arbeitgeber die benachteiligenden Regelungen einseitig einführt oder ob er
hierzu das Einvernehmen mit der Gewerkschaft und den Lehrerverbänden herstellt. Das Ergebnis
ist gleich. Die Lehrkraft muss die Erhöhung des Pflichtdeputats und die damit verminderte Chance
eines aufstockenden Zusatzvertrags hinnehmen.
58 (2.4) Vor diesem Hintergrund hat der Senat erwogen, ob das beklagte Land den Interessen der
bereits vor dem Schuljahr 2004/2005 am Lehrerpersonalkonzept in der Form der flexiblen
Teilzeitarbeit teilnehmenden Lehrkräfte dadurch hätte Rechnung tragen müssen, dass es einer
Rückkehr der Lehrkraft in ein Vollzeitarbeitsverhältnis mit nunmehr
27,5 Unterrichtswochenstunden hätte zustimmen müssen. Ein solcher Anspruch wird indessen
nicht geltend gemacht.
59 C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Düwell
Düwell
Reinecke
Otto
Düwell