Urteil des BAG vom 30.04.2008

BAG (abweisung der klage, arbeitszeit, arbeit, umfang, lehrer, lehrkraft, schule, pflichtstundenzahl, unterricht, vergütung)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 30.4.2008, 5 AZR 502/07
Arbeitspflicht der Lehrer - Lernstundenaufsicht
Leitsätze
Die Lehrkraft an einer Ganztagsschule ist verpflichtet, in angemessenem Umfang Lernstundenaufsicht
zu übernehmen.
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts
München vom 1. März 2007 - 3 Sa 975/06 - aufgehoben.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts
Regensburg vom 28. Juni 2006 - 6 Ca 3334/05 S - abgeändert und die Klage
insgesamt abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über Ansprüche auf restliche Arbeitsvergütung.
2 Die im Jahre 1951 geborene Klägerin ist seit dem 1. September 1993 als vollzeitbeschäftigte
Lehrkraft bei der Beklagten angestellt. Die Beklagte ist Trägerin einer Mädchen-Realschule
(staatlich anerkannte Ersatzschule), die als Ganztagsschule geführt wird. Dem Arbeitsverhältnis
der Parteien liegt ein Arbeitsvertrag vom 1. September 1993 zugrunde, der ua. folgende Regelungen
enthält:
“ …
§ 3
Herr/Frau B erklärt sich bereit, neben den Pflichten, die einem Lehrer an einer vergleichbaren
öffentlichen Schule obliegen, an der Verwirklichung der sich aus dem besonderen Charakter
der Schule ergebenden Ziele mitzuarbeiten.
Sie/Er wird seine/ihre Tätigkeit nach den Anforderungen der für staatlich anerkannte Schulen
geltenden Gesetze und Ordnungen und den Weisungen des Schulleiters in kollegialer
Zusammenarbeit mit den übrigen Lehrern der Schule ausüben.
§ 5
Das Dienstverhältnis regelt sich grundsätzlich nach dem Bundesangestelltentarif (BAT) vom
23.02.1961 in der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Vertrages für die Tarifgemeinschaft
des Bundes und der Länder geltenden Fassung einschließlich künftiger Änderungen und
Zusatzvereinbarungen, soweit nicht abweichende Regelungen getroffen werden.
§ 6
Die Lehrkraft wird in Verg./Bes.Gr. A 13 eingestuft.
Die regelmäßige Pflichtstundenzahl einer vollbeschäftigten Lehrkraft beträgt wöchentlich 23
Unterrichtsstunden. Bei Änderungen der Pflichtstundenzahl im öffentlichen Dienst kann der
Schulleiter die Pflichtstundenzahl entsprechend angleichen. Die Lehrkraft ist derzeit
teilbeschäftigt mit --- Unterrichtsstunden.
…”
3 Im Schuljahr 2004/05 betrug die Unterrichtspflichtzeit für vollzeitbeschäftigte Lehrer im Alter der
Klägerin an Realschulen in Bayern gemäß der Bekanntmachung des Kultusministers vom
19. August 2004 (KWMBl. I S. 306) 24 ½ Unterrichtsstunden je 45 Minuten. Die Beklagte wies der
Klägerin ab August 2004 lediglich 22 Unterrichtsstunden in deren Fächerkombination
Deutsch/Erdkunde/Geschichte zu. Sie forderte die Klägerin auf, statt der fehlenden 2 ½
Unterrichtsstunden fünf Aufsichtsstunden je 45 Minuten im Rahmen der Nachmittagsbetreuung der
Schüler zu erbringen. Die Klägerin war lediglich bereit, drei Aufsichtsstunden je 45 Minuten zu
übernehmen. Daraufhin leistete die Beklagte im Schuljahr 2004/05 eine um
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24,5
gekürzte
Vergütung.
4 Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Differenzvergütung. Sie habe ihre Arbeitspflicht voll erfüllt
und sei nicht verpflichtet, in dem geforderten Umfang Lernstundenaufsicht zu leisten. Diese
Tätigkeit sei nicht vertragsgemäß und nicht auf Grund zwingender schulischer Belange
gerechtfertigt.
5 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von 2.015,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu verurteilen.
6 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Klägerin müsse wie die an staatlichen
Schulen beschäftigten Lehrkräfte im Rahmen ihrer Arbeitszeit von 41 Stunden/Woche
Aufsichtstätigkeiten übernehmen. Nach der Gesamtplanung für das Schuljahr 2004/05 hätten sich
für die Klägerin 22 Unterrichtsstunden wöchentlich ergeben. Da die Klägerin sich geweigert habe,
zwei weitere Aufsichtsstunden je 45 Minuten abzuleisten, sei die Kürzung der Vergütung berechtigt.
7 Das Arbeitsgericht hat der Klage iHv. 1.177,69 Euro nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen
mit der Begründung abgewiesen, die Ansprüche bis Dezember 2004 seien mangels rechtzeitiger
Geltendmachung verfallen. Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte
Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hält die
Beklagte an ihrem Antrag auf vollständige Abweisung der Klage fest.
Entscheidungsgründe
8 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter
Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur vollständigen Abweisung der Klage. Für den geltend
gemachten Anspruch fehlt es an einer Grundlage.
9 I. Der Anspruch folgt nicht aus § 611 Abs. 1 BGB.
10 1. Die Klägerin macht geltend, die ungekürzte Vergütung stehe ihr schon deshalb zu, weil sie die
versprochenen Dienste allein durch die 22 Unterrichts- und drei Aufsichtsstunden wöchentlich
geleistet habe. Dem kann nicht gefolgt werden.
11 a) Die Arbeitszeit der Klägerin in dem maßgebenden Zeitraum des Schuljahres 2004/05 betrug
41 Stunden wöchentlich.
12 aa) Die Arbeitspflicht der Klägerin wurde nicht durch die in § 6 Abs. 5 des Arbeitsvertrags
genannten 23 Unterrichtsstunden erfüllt. Vielmehr richtet sich die Dauer der vertraglichen
Arbeitszeit nach der Verweisung in § 5 des Arbeitsvertrags. Dessen § 6 Abs. 5 stellt nur einen
Hinweis auf die bei Vertragsschluss geltende Pflichtstundenzahl dar (vgl. nur BAG 12. September
2006 - 9 AZR 675/05 - BAGE 119, 248, 252 ff.) .
13 bb) Nach § 5 des Arbeitsvertrags der Parteien richtete sich die regelmäßige Arbeitszeit der
Klägerin grundsätzlich nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) einschl. dessen
Änderungen und Zusatzvereinbarungen. In dem hier maßgeblichen Zeitraum fand nach Nr. 3 der
damit ebenfalls in Bezug genommenen Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 l I
BAT) die tarifliche Regelung der Arbeitszeit in § 15 BAT keine Anwendung. Für angestellte
Lehrkräfte galten vielmehr die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten (Senat
19. Dezember 2007 - 5 AZR 260/07 -, Rn. 10 mwN) . Gemäß § 2 der auf Grund der Ermächtigung
in Art. 80 Abs. 1 BayBG ergangenen Verordnung über die Arbeitszeit für den bayerischen
öffentlichen Dienst (AzV) vom 25. Juli 1995 (GVBl. S. 409) betrug die regelmäßige Arbeitszeit der
Beamten seit dem 1. September 2004 ab Beginn des 51. Lebensjahres bis zur Vollendung des
60. Lebensjahres 41 Stunden in der Woche (§ 1 Ziff. 1 der Verordnung vom 27. Juli 2004 - GVBl.
S. 347). Die Verweisungsklausel im Arbeitsvertrag ist wirksam (Senat 19. Dezember 2007 -
5 AZR 260/07 -, Rn. 8) und hält einer AGB-Kontrolle stand (Senat 14. März 2007 - 5 AZR 630/06 -
, Rn. 19 ff., AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 45 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 18; BAG
29. August 2007 - 4 AZR 561/06 -, Rn. 34) .
14 cc) Die Parteien haben eine Vollzeitbeschäftigung vereinbart. Das steht zwischen ihnen außer
Streit und ist vom Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei im Einzelnen ausgeführt worden. Die
Klägerin hatte danach im hier maßgeblichen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Juli 2005
41 Stunden wöchentlich zu arbeiten.
15 b) Die Klägerin hat im Schuljahr 2004/05 nicht mehr als 39 Stunden und 20 Minuten wöchentlich
gearbeitet.
16 aa) Die drei Aufsichtsstunden je 45 Minuten stellen einschl. der Pausenzeiten insgesamt Arbeit im
Umfang von zwei Stunden und 30 Minuten dar. Die Klägerin macht selbst nicht geltend, diese
Arbeit müsse im Rahmen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit besonders gewichtet
werden. Vielmehr fallen Vor- und Nachbereitungstätigkeiten oder sonstige
Zusammenhangstätigkeiten bei der Lernaufsicht nicht an.
17 bb) Die Beklagte räumt ein, mit den 22 Unterrichtsstunden nebst den Zusammenhangstätigkeiten
habe die Klägerin 36 Stunden und 40 Minuten gearbeitet. Das ergebe sich aus der
Unterrichtsverpflichtung von 24
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Stunden einer mit 41 Stunden/Woche in Vollzeit arbeitenden
Lehrkraft und der hieran anknüpfenden sog. 100-Minuten-Regelung. Die Klägerin hat zwar
gemeint, diese Regelung könne eigentlich nur im öffentlichen Dienst, nicht für private Schulen
gelten. Sie hat aber nicht vorgetragen, ihre Unterrichtsleistung müsse in bestimmter Art und Weise
höher gewichtet werden. Nach den Darlegungen der Klägerin kann keinesfalls angenommen
werden, sie habe im Zusammenhang mit ihren 22 Unterrichtsstunden je 45 Minuten mehr als 36
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Zeitstunden gearbeitet. Die Klägerin durfte sich nicht darauf beschränken, die Geltung der
Umrechnungsregelung zu bestreiten. Vielmehr ist sie darlegungs- und beweispflichtig, wenn sie
geltend macht, der Unterricht sei höher zu gewichten. Dem wird ihr Vortrag nicht gerecht.
18 cc) Hiervon abgesehen umfasst der Verweis in § 5 des Arbeitsvertrags auch die öffentlich-
rechtlichen Regelungen über die Unterrichtspflichtzeit der Lehrer an Realschulen einschl. der hier
maßgebenden Konkretisierung der Arbeitszeit durch die Bekanntmachung des Kultusministers
vom 19. August 2004 (KWMBl. I S. 306). Mit dieser vertraglichen Regelung soll eine Gleichstellung
der Klägerin mit den angestellten und beamteten Lehrern des öffentlichen Dienstes erreicht
werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Parteien auf eine eigenständige Konkretisierung der
Arbeitszeit verzichtet haben und letztlich die Bestimmung der Unterrichtspflichtstunden dem
Freistaat Bayern als dem Dienstherrn der beamteten Lehrer überlassen haben. Denn bei der
Festsetzung der Pflichtstundenzahl für beamtete Lehrkräfte sind die Grenzen billigen Ermessens
zu wahren (BAG 15. Dezember 2005 - 6 AZR 227/05 - BAGE 116, 346, 349 ff., 351; speziell für
Bayern: 13. Juni 2006 - 9 AZR 588/05 -, Rn. 20 bis 22, AP TVG § 1 Altersteilzeit Nr. 30 = EzA
TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 21; 12. September 2006 - 9 AZR 675/05 - BAGE 119, 248, 251; Senat
8. November 2006 - 5 AZR 5/06 -, Rn. 17, AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 177 = EzA BGB
2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 10, alle mwN) . Die Klägerin hat eine Verletzung der Grenzen
des billigen Ermessens nicht annähernd dargelegt. Ihre Arbeitspflicht wurde ebenso wie die der im
öffentlichen Dienst beschäftigten Realschullehrer wirksam auf 24
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Unterrichtsstunden
konkretisiert.
19 2. Darüber hinaus ist die Klägerin der Auffassung, die beanspruchte Vergütung stehe ihr zu, weil
sie die versprochenen Dienste anderweitig, nämlich durch zusätzliche Arbeiten geleistet habe. Sie
hat sich insoweit auf Arbeitstätigkeiten neben dem Unterricht und der Lernstundenaufsicht berufen.
Damit hat sie aber nicht schlüssig vorgetragen, sie habe im vollen Umfang ihrer vertraglichen
Wochenarbeitszeit gearbeitet; denn bei den aufgeführten Tätigkeiten handelt es sich nicht um
zusätzliche Arbeiten, sondern überwiegend um Zusammenhangstätigkeiten mit dem Unterricht
oder um Tätigkeiten, die an die Stelle des Unterrichts treten, aber zeitlich nicht wie Unterricht
gewichtet werden. Zudem hat die Klägerin die Dauer der angeblich zusätzlichen Arbeiten nicht
genannt. Ob sie bis zu drei Vertretungsstunden im Monat ohne zusätzliche Vergütung ableisten
muss, bedarf danach keiner Entscheidung.
20 II. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 611 Abs. 1 in Verb. mit § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte
ist nicht mit der Annahme der Arbeitsleistung im Umfang von einer Unterrichtsstunde wöchentlich
in Verzug gekommen. Vielmehr hat die Klägerin eine vertraglich geschuldete, billigem Ermessen
genügende und zeitlich der Unterrichtslücke entsprechende Arbeitsleistung abgelehnt.
21 1. Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt (§ 293
BGB). Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht haben unter Hinweis auf die
Entscheidung des Neunten Senats vom 19. Januar 1999 (- 9 AZR 679/97 - BAGE 90, 329) ein
Angebot der Klägerin als nach § 296 BGB entbehrlich angesehen. Dem ist nicht zu folgen. Zwar
kann die Klägerin Arbeitsleistungen erst erbringen, wenn die Beklagte einen Stundenplan
aufgestellt und die Klägerin zur Arbeit eingeteilt hat. Doch ist hierfür nicht eine Zeit nach dem
Kalender bestimmt. Die Beklagte kann die Lage der Arbeitszeit, insbesondere einzelner Stunden,
um die es hier nur geht, jederzeit nach den schulischen Erfordernissen bestimmen. Im
ungekündigt bestehenden Arbeitsverhältnis ist § 296 BGB regelmäßig unanwendbar (Senat
25. April 2007 - 5 AZR 504/06 -, Rn. 19, AP BGB § 615 Nr. 121 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 20) .
Andererseits bedurfte es keines tatsächlichen Angebots (§ 294 BGB). Ein wörtliches Angebot der
Klägerin, eine weitere Unterrichtsstunde leisten zu wollen, genügte, weil die Beklagte bei und durch
Erstellung des Stundenplans erklärt hatte, sie werde diese Leistung nicht annehmen, und weil für
die Ableistung der weiteren Unterrichtsstunde eine Ergänzung des Stundenplans erforderlich war
(§ 295 Satz 1 BGB). Besteht zwischen den Arbeitsvertragsparteien Streit darüber, welche Arbeit
erfüllungstauglich ist, bedarf es keines tatsächlichen Angebots der vom Arbeitgeber bereits als
erfüllungsuntauglich eingestuften Arbeit.
22 2. Annahmeverzug der Beklagten liegt auch dann nicht vor, wenn die Klägerin die Leistung einer
weiteren Unterrichtsstunde angeboten hat.
23 a) Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, ob die Klägerin die Leistung einer weiteren
Unterrichtsstunde wörtlich angeboten hat. Dies liegt freilich nahe, da sie erst im Prozess mit
Erfüllung argumentiert hat, davor aber nur das Ansinnen abgelehnt hat, weitere
Lernstundenbetreuung statt Unterricht zu übernehmen. An ein konkludentes Angebot sind in
diesem Zusammenhang keine hohen Anforderungen zu stellen.
24 b) Jedoch ist die Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 Satz 1 in Verb. mit § 6 Abs. 2
GewO Sache des Arbeitgebers. Verlangt der Arbeitgeber eine bestimmte Arbeit in rechtlich
einwandfreier Art und Weise, kommt er nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer diese
Arbeit ablehnt und stattdessen eine andere, ebenfalls vertragsgemäße Arbeit anbietet. Wie
ausgeführt durfte die Beklagte von der Klägerin außer der schon zugewiesenen Arbeit im Umfang
von 22 Unterrichtsstunden nebst drei Betreuungsstunden noch Arbeit im Umfang von 100 Minuten
verlangen. Zeitlich entspricht das zwei Betreuungsstunden je 45 Minuten zuzüglich einer
zehnminütigen Pause. Die Beklagte durfte auch zwei weitere Betreuungsstunden zuweisen,
obwohl die Klägerin bereits drei Betreuungsstunden übernommen hatte.
25 aa) Der Inhalt der Arbeitspflicht eines Arbeitnehmers ergibt sich in erster Linie aus dem
Arbeitsvertrag. Das Landesarbeitsgericht hat den Vertrag nicht ausgelegt, sondern ist ohne
Begründung davon ausgegangen, die Klägerin schulde nur Unterricht einschl. der damit
verbundenen Zusammenhangstätigkeiten, es habe deshalb zur Ersetzung durch andere
Tätigkeiten einer wirksamen allgemeinen Regelung im Arbeitsvertrag oder einer speziell auf die
Ersetzung bezogenen Abrede der Parteien bedurft. Der Senat kann den Vertrag demgegenüber
unabhängig davon, inwieweit es sich um eine typische Regelung handelt, selbst auslegen; denn
der maßgebliche Auslegungsstoff steht fest.
26 bb) Die Klägerin ist als “Lehrkraft” eingestellt worden. § 6 Abs. 5 des Arbeitsvertrags nennt eine
bestimmte regelmäßige Pflichtstundenzahl. Konkrete Aufgaben werden darüber hinaus nicht
festgelegt. Hieraus lässt sich nicht schließen, die Arbeitspflicht erschöpfe sich in der
Unterrichtserteilung und den sog. Zusammenhangstätigkeiten. Die Pflichtstundenzahl begrenzt
vielmehr nur den zeitlichen Umfang der Arbeitspflicht. Dem Inhalt nach schuldet der Lehrer alle
Dienstleistungen, die üblicherweise mit der Aufgabenstellung eines Lehrers an einer
allgemeinbildenden Schule verknüpft sind (BAG 26. April 1985 - 7 AZR 432/82 - BAGE 48, 327,
333 f. - Klassenfahrten) . Mangels näherer Festlegung sind das Berufsbild des betreffenden
Fachlehrers und die bei Vertragsschluss für beide Seiten erkennbaren Umstände maßgebend. Die
Unterrichtserteilung ist die Regel, von der aber durchaus Ausnahmen bestehen können.
27 cc) Die Lehrkraft an einer Ganztagsschule muss in angemessenem Umfang Lernstundenaufsicht
übernehmen.
28 Die Aufgabenstellung einer allgemeinbildenden Schule erschöpft sich nicht in der Vermittlung von
spezifischem Fachwissen in den einzelnen Unterrichtsfächern. Der Bildungs- und
Erziehungsauftrag der Schule erfordert in der heutigen Gesellschaft und angesichts der modernen
Arbeitswelt in einem bestimmten Umfang auch die qualifizierte Betreuung der Schüler in
Ganztagsschulen. Eine Lernstundenaufsicht am Nachmittag durch fachlich und pädagogisch
befähigte Lehrkräfte prägt den Charakter einer Ganztagsschule und kann entscheidend zu ihrem
guten Ruf beitragen; das gilt gerade dann, wenn die Aufsicht führenden Lehrer selbst an der
Schule unterrichten, die Schüler kennen und deren “Hausaufgaben” punktuell begleiten und
betreuen. Diese Umstände sind nicht ohne Einfluss auf das durch die Arbeitsaufgaben geprägte,
gesetzlich und tariflich nicht abschließend festgelegte Berufsbild des Lehrers. Die
Lernstundenaufsicht ist dem Berufsbild des Lehrers nicht fremd. Dessen Arbeitsaufgabe muss
sich insgesamt auf den Dienst als Lehrkraft beziehen, die “Wertigkeit” der einzelnen Tätigkeit ist
kein geeignetes Abgrenzungskriterium (vgl. BAG 16. Oktober 2007 - 9 AZR 144/07 -, Rn. 45 ff.,
48, ZTR 2008, 208, 209) .
29 Schließt der Lehrer einen Arbeitsvertrag mit dem Träger einer Ganztagsschule, ergeben die
Umstände, dass zum Inhalt der Arbeitspflicht in angemessenem Umfang auch die
Lernstundenaufsicht gehört. Ein Anteil von zehn Prozent der Gesamtarbeitszeit ist im Hinblick auf
die wachsende Bedeutung der außerunterrichtlichen Tätigkeiten regelmäßig nicht unangemessen.
Damit wird nicht in Frage gestellt, dass die den Kern des Lehrerberufs ausmachende
Unterrichtstätigkeit deutlich überwiegt. Mit dem Abschluss des Arbeitsvertrags hat sich die
Klägerin in das pädagogische Konzept der Ganztagsschule der Beklagten eingeordnet und die
bezeichneten Pflichten übernommen.
30 dd) Unter Einbeziehung der typischen Vertragszwecke, wie sie von verständigen und redlichen
Vertragsparteien verfolgt werden, besteht an der Vertragsauslegung kein Zweifel iSv. § 305c
Abs. 2 BGB. Eine Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB scheidet aus, weil nicht eine von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelung (§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB) zu
beurteilen ist, sondern unmittelbar die Hauptleistung der Klägerin festgelegt wird. Eine
unangemessene Benachteiligung gem. § 307 Abs. 1 Satz 2 in Verb. mit Abs. 3 Satz 2 BGB liegt
nicht vor. Das Transparenzgebot verlangt von dem Verwender nicht, alle möglichen
Konkretisierungen der Arbeitspflicht und des Weisungsrechts ausdrücklich zu regeln. Vielmehr ist
das Weisungsrecht gem. § 106 GewO Ausfluss und Folge der vertraglichen Festlegung der
Arbeitspflicht. Die Vertragsparteien können es dabei belassen. Nach diesem Maßstab ist die
Festlegung der Arbeitspflicht im Streitfall unter Berücksichtigung der Begleitumstände des
Vertragsschlusses (§ 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB) und der begrenzten Möglichkeiten für eine
Konkretisierung im Vorhinein ausreichend transparent (vgl. Senat 13. Juni 2007 - 5 AZR 564/06 -,
Rn. 29, 30, EzA GewO § 106 Nr. 2 mwN) .
31 ee) Aus den speziellen Regelungen des Arbeitsvertrags und seinen Verweisen auf andere
Bestimmungen lässt sich demgegenüber für die Verpflichtung zur Lernaufsicht weder positiv noch
negativ etwas gewinnen.
32 § 3 des Arbeitsvertrags verweist auf die Pflichten, die einem Lehrer an einer vergleichbaren
öffentlichen Schule obliegen, sowie auf die Anforderungen der für staatlich anerkannte Schulen
geltenden Gesetze und Ordnungen. In Betracht kommen die §§ 5 und 9, ggf. in Verb. mit § 40 der
Dienstordnung für Lehrkräfte an staatlichen Schulen in Bayern (LDO) vom 24. August 1998
(KWMBl. I S. 466). Während § 5 LDO lediglich die allgemeine Aufsichtspflicht und die Aufsicht im
Zusammenhang mit dem Unterricht und sonstigen schulischen Veranstaltungen betrifft, fordert § 9
LDO erzieherischen Einsatz auch außerhalb des Unterrichts, ohne bei der Regelung der
Einzelpflichten nach Abs. 3 (“insbesondere”) die Lernaufsicht zu erwähnen. § 9a LDO, der
ausdrücklich das Profil der Schule im Zusammenhang mit den außerunterrichtlichen Aufgaben
nennt, ist erst am 1. August 2005 in Kraft getreten. Art. 31 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über
das Erziehungs- und Unterrichtswesen regelt zwar eine Mittagsbetreuung an Schulen, aber nicht
durch wen.
33 Ebenso ergibt die Verweisung auf den BAT und die SR 2 l BAT gem. § 5 des Arbeitsvertrags
nichts. Die Tarifregelungen begründen keine spezifischen Arbeitspflichten. Das gilt auch für § 8
Abs. 2 BAT, der das Weisungsrecht des Arbeitgebers im Rahmen der allgemeinen Grundsätze
umschreibt.
34 ff) Die Weisung der Beklagten entsprach billigem Ermessen, §§ 106, 6 Abs. 2 GewO. Das kann
der Senat selbst abschließend entscheiden. Die Klägerin hat keine billigem Ermessen
entgegenstehenden Gesichtspunkte vorgebracht. Sie hat nicht einmal geltend gemacht, die von ihr
verlangte Lernaufsicht im Umfang von ca. zehn Prozent der Arbeitszeit habe über dem
Durchschnitt des gesamten Lehrerkollegiums gelegen. Vielmehr hat sie dem Vortrag der
Beklagten, der Durchschnitt im Kollegium habe bei zwölf Prozent gelegen, nicht widersprochen.
Besondere Umstände, die gegen den vorgesehenen Einsatz der Klägerin sprechen, sind nicht
ersichtlich. Es geht nicht an, dass die Klägerin die Beklagte über § 106 GewO zwingt, von dem
Konzept einer qualifizierten Lernaufsicht abzugehen. Die Einstellung einer weiteren Lehrkraft mit
der Fächerkombination der Klägerin zum Schuljahr 2004/05 änderte nichts daran, dass die
Lernaufsichtsstunden anfielen und auf das Lehrerkollegium zu verteilen waren. Die Beklagte
musste nicht etwa die neue Kollegin vorrangig mit Lernaufsicht betrauen. Sie hat zudem die
Pausen zwischen den Lernaufsichtsstunden als Arbeitszeit berücksichtigt, die Klägerin hätte statt
100 Minuten Arbeit nur zweimal 45 Minuten Lernaufsicht führen sollen.
35 c) Da die Klägerin die ihr angetragene Arbeit abgelehnt hat, ist die Beklagte nicht in
Annahmeverzug geraten. Der Vortrag der Klägerin, die Beklagte habe die Lernstundenbetreuung
gar nicht zugewiesen, liegt neben der Sache. Da die Klägerin die Zuteilung abgelehnt hat, brauchte
die Beklagte einen entsprechenden Plan nicht aufzustellen. Die Klägerin hätte ihre etwaige
Leistungsbereitschaft mittels Aufforderung zur Aufnahme in den Lernstundenbetreuungsplan
wieder anzeigen müssen, § 295 Satz 1 und 2 BGB.
36 III. Die Klägerin hat gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
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