Urteil des BAG vom 27.07.2010

Betriebsvereinbarung - Auslegung - Gleichbehandlung

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 27.7.2010, 1 AZR 874/08
Betriebsvereinbarung - Auslegung - Gleichbehandlung
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm
vom 21. August 2008 - 17 Sa 1554/06 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über eine Gehaltserhöhung und ein höheres Weihnachtsgeld.
2 Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der beiden Betriebskrankenkassen Aktiv (BKK Aktiv) und
Opel (BKK Opel), die sich zum 1. Januar 2004 zur BKK Aktiv zusammenschlossen.
3 Der Kläger wurde im Jahr 1982 von der Adam Opel AG in deren Werk Bochum eingestellt. Mit
Wirkung zum 1. Januar 1996 übernahm die BKK Opel die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer der
Adam Opel AG, zu denen auch der Kläger gehörte. Am 29. Mai 1995 schlossen die Adam Opel
AG, der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat und die BKK Opel eine Betriebsvereinbarung zum
„Übergang der Personalhoheit BKK“ (BV 225), die auszugsweise lautet:
I
Diese Vereinbarung gilt sachlich für die Betriebskrankenkasse der Adam Opel AG,
räumlich für deren Geschäftsstellen in ... Bochum ... und persönlich für alle
Beschäftigten der Betriebskrankenkasse der Adam Opel AG, die am 01.01.1995 in
einem ungekündigten Arbeitsverhältnis zur Adam Opel AG standen.
II
Mit Wirkung zum 01.01.1996 wird die Personalhoheit bezüglich sämtlicher
Beschäftigter der BKK, die am 01.01.1995 in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis
zur Adam Opel AG standen, von dieser auf die BKK übertragen.
III
1) Die Beschäftigten werden von der BKK unbefristet weiterhin wie Opel-Mitarbeiter
behandelt, wobei die jeweils geltenden Konditionen am jeweiligen Standort der Adam
Opel AG maßgeblich sind.
…“
4 Bei der Adam Opel AG galt seit dem 1. Juli 2002 eine Betriebsvereinbarung
„Weihnachtsgratifikation“ vom 5. Juli 2002 (BV 2002/0082/A). Nach deren Nr. 1 Abs. 4 sollten
Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 2003 bzw. 2004 eingetreten waren, im Jahr 2005 eine
Weihnachtsgratifikation in Höhe von 130 % eines regelmäßigen Monatseinkommens erhalten. Am
17. März 2005 vereinbarte die Adam Opel AG mit ihrem Gesamtbetriebsrat eine
„Betriebsvereinbarung Zukunftsvertrag 2010“ (BV 2005/0130/A). Diese sah ua. vor, dass
abweichend von der BV 2002/0082/A für den Standort Bochum im Jahr 2005 eine
Weihnachtsgratifikation in Höhe von 85 % des regelmäßigen Monatseinkommens gewährt wird.
5 Die BKK Opel schloss mit dem bei ihr gebildeten Gesamtpersonalrat am 19. Juli 2002 zur
Umsetzung der Tarifrunde für das Jahr 2002 eine Dienstvereinbarung Nr. 8 (DV Nr. 8), die
auszugsweise lautet:
„1. Umsetzung der Tarifrunde 2002 für Mitarbeiter, die unter die Betriebsvereinbarung
225 (BV 225) der Adam Opel AG fallen:
Über die Verweisung in der BV 225 gelten die Arbeitsbedingungen der Adam Opel
AG für tarifliche und außertarifliche Mitarbeiter entsprechend. Dies gilt auch für die
Umsetzung der Tarifrunde 2002.
1.1 Die einzelnen Ergebnisse der Tarifvertragsparteien aus der Tarifrunde 2002 an den
einzelnen Standorten werden entsprechend der zwischen den betrieblichen
Partnern der Adam Opel AG abgeschlossenen Betriebsvereinbarung zur
Umsetzung der Tarifrunde 2002 umgesetzt.
Dies schließt ein, dass die tariflich vereinbarten ERA Struktur-Komponenten in den
Jahren 2002 und 2003 nicht ausgezahlt werden.
In den Jahren 2004 und 2005 wird eine Sonderzahlung nach Maßgabe der
betrieblichen Regelung bei der Adam Opel gezahlt.
3.
Die Adam Opel AG hat eine Betriebsvereinbarung zur Beschäftigungssicherung
(2002/0084/A) vom 5.7.2002 mit Folgevereinbarungen zur Behandlung von
Dienstjubiläen und der Weihnachtsgratifikationen für die Jahre 2002 bis 2005
abgeschlossen. Diese Dienstvereinbarung gilt für die Mitarbeiter, die unter die BV
225 fallen entsprechend, soweit die Regelungen anwendbar sind.
Für Mitarbeiter, die nicht unter die BV 225 fallen, wird die Regelung über die Zahlung
der Weihnachtsgratifikationen entsprechend angewandt. ...“
6 Der Kläger erhielt für das Jahr 2005 eine Weihnachtsgratifikation in Höhe von 85 % seines
regelmäßigen Monatseinkommens.
7 Die BKK Aktiv erhöhte zum 1. Oktober 2005 die Gehälter der AT-Angestellten um 1,5 %. Von
dieser Maßnahme nahm sie die acht AT-Angestellten aus, die - wie der Kläger - unter den
Geltungsbereich der BV 225 fielen. Das durchschnittliche Bruttomonatsgehalt dieser Mitarbeiter
belief sich im September 2005 auf 6.675,00 Euro, während das der anderen AT-Angestellten bei
5.640,00 Euro lag.
8 Mit Schreiben vom 12. Januar 2006 machte der seit Juni 2004 wegen seiner Aufgaben als
Vorsitzender des Gesamtpersonalrats von der Arbeit freigestellte Kläger erfolglos die
Gehaltserhöhung ab dem 1. Oktober 2005 sowie eine Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2005
iHv. 130 % geltend.
9 Der Kläger hat gemeint, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die unter die BV 225 fallenden
AT-Angestellten von der im Oktober 2005 erfolgten Entgelterhöhung auszunehmen. Der Anspruch
auf die höhere Weihnachtsgratifikation ergebe sich aus der DV Nr. 8, nach der die
Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Bemessungssatzes von 130 % des regelmäßigen
Monatseinkommens zu zahlen sei.
10 Der Kläger, der nach einem vor dem Arbeitsgericht geschlossenen Teilvergleich jedenfalls am
1. Oktober 2005 bei der BKK Aktiv als AT-Angestellter beschäftigt war und seinen Anspruch auf
die Gehaltserhöhung erst ab 1. August 2006 verfolgt, hat zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 2.804,72 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21. April 2006 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab dem 1. August 2006
über das gezahlte Gehalt in Höhe von 6.021,00 Euro brutto hinaus monatlich weitere
91,00 Euro brutto zu zahlen.
11 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Gruppenbildung bei der
Entgelterhöhung für gerechtfertigt gehalten, weil sie mit dieser beabsichtigt habe, das
unterschiedliche Vergütungsniveau zwischen den AT-Angestellten auszugleichen. Ein Anspruch
auf eine höhere Weihnachtsgratifikation bestehe ebenfalls nicht. Die Höhe der
Weihnachtsgratifikation in der DV Nr. 8 richte sich nach den bei der Adam Opel AG geltenden
Regelungen und betrage für den am Standort Bochum beschäftigten Kläger 85 % seines
regelmäßigen Monatseinkommens.
12 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit
der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
13 Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte ist weder zur Erhöhung der laufenden Bezüge des
Klägers noch zur Zahlung eines weiteren Betrags als Weihnachtsgratifikation verpflichtet.
14 I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Gehaltserhöhung aus dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz.
15 1. a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine
Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei
Anwendung einer selbst gesetzten Regel gleich zu behandeln. Der Gleichbehandlungsgrundsatz
verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb der Gruppe,
sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 17,
BAGE 126, 237). Im Bereich der Arbeitsvergütung ist der Gleichbehandlungsgrundsatz trotz des
Vorrangs der Vertragsfreiheit anwendbar, wenn Arbeitsentgelte durch eine betriebliche
Einheitsregelung generell angehoben werden und der Arbeitgeber die Leistungen nach einem
bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip gewährt, indem er bestimmte
Voraussetzungen oder Zwecke festlegt (BAG 14. März 2007 - 5 AZR 420/06 - Rn. 19 mwN,
BAGE 122, 1).
16 b) Dem Arbeitgeber ist es danach verwehrt, einzelne Arbeitnehmer oder Gruppen von ihnen aus
unsachlichen Gründen von einer Erhöhung der Arbeitsentgelte auszuschließen. Eine sachfremde
Benachteiligung liegt nicht vor, wenn nach dem Leistungszweck Gründe bestehen, die es unter
Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen gewährte
Entgelterhöhung vorzuenthalten. Die Gründe müssen auf vernünftigen, einleuchtenden
Erwägungen beruhen und dürfen nicht gegen höherrangige Wertentscheidungen verstoßen. Die
Gruppenbildung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Unterscheidung einem legitimen Zweck dient
und zur Erreichung dieses Zwecks erforderlich und angemessen ist. Die Zweckbestimmung ergibt
sich vorrangig aus den tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen, von deren Vorliegen und
Erfüllung die Entgelterhöhung abhängig gemacht wird. Die unterschiedliche Leistungsgewährung
muss stets im Sinne materieller Gerechtigkeit sachgerecht sein (BAG 17. März 2010 - 5 AZR
168/09 - Rn. 15 f. mwN, AP BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211).
17 Bestehen in einem Betrieb oder Unternehmen unterschiedlich hohe Vergütungen, rechtfertigt dies
für sich allein genommen nicht die Angleichung der Vergütungsdifferenzen. Vielmehr kommt es
für sich allein genommen nicht die Angleichung der Vergütungsdifferenzen. Vielmehr kommt es
auf die Gründe für die unterschiedlichen Vergütungen an und welche materielle Rechtfertigung den
Vergütungsunterschieden (noch) zugrunde liegt. Nach der Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichts ist bei einer Entgelterhöhung eine Differenzierung zwischen der bisherigen
Belegschaft und den übernommenen Arbeitnehmern zulässig, sofern diese zur Reduzierung der
Vergütungsunterschiede zwischen der Stammbelegschaft und den durch § 613a Abs. 1 Satz 2
BGB begünstigten Arbeitnehmern führt. Die Herstellung einheitlicher Arbeitsbedingungen durch
den Ausgleich von Nachteilen und die Angleichung an die Bedingungen der übernommenen
Belegschaft rechtfertigt eine differenzierte Behandlung der verschiedenen Gruppen (14. März 2007
- 5 AZR 420/06 - Rn. 27, BAGE 122, 1). Unerheblich ist, ob der Arbeitgeber einen gänzlichen oder
nur teilweisen Ausgleich vornimmt (BAG 15. Juli 2009 - 5 AZR 486/08 - Rn. 19, AP BGB § 242
Gleichbehandlung Nr. 209 = EzA BGB 2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 20).
18 c) Steht eine Gruppenbildung fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für die Differenzierung
offenzulegen und so substantiiert darzutun, dass die Beurteilung möglich ist, ob die
Gruppenbildung sachlichen Kriterien entspricht. Liegt ein Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz vor, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Regel auf alle Arbeitnehmer
anzuwenden und diese entsprechend zu begünstigen. Der benachteiligte Arbeitnehmer hat
Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (BAG 17. März 2010 - 5 AZR 168/09 - Rn. 17 mwN, AP
BGB § 242 Gleichbehandlung Nr. 211).
19 2. Danach ist die Beklagte nicht verpflichtet, die Vergütung des Klägers ab dem 1. August 2006 um
1,5 % zu erhöhen.
20 a) Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist anwendbar. Die Beklagte hat zwei Gruppen gebildet. Die
Vergütung für die AT-Angestellten, die nicht vom persönlichen Geltungsbereich der BV 225 erfasst
werden, hat sie ab dem 1. Oktober 2005 um 1,5 % erhöht. Die Vergütung der unter die BV 225
fallenden AT-Angestellten hat sie hingegen unverändert gelassen.
21 b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass Gründe bestehen, die es nach
dem Leistungszweck unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, die Entgelterhöhung
auf den Kreis der nicht unter die BV 225 fallenden AT-Angestellten zu beschränken.
22 aa) Mit der im Oktober 2005 erfolgten Gehaltserhöhung beabsichtigte die BKK Aktiv einen
teilweisen Ausgleich der innerhalb der Gruppe der AT-Angestellten bestehenden
Vergütungsdifferenzen. Dies folgt aus Art und Inhalt der von ihr gewährten Leistung sowie aus den
Voraussetzungen, von deren Vorliegen sie die Entgelterhöhung abhängig gemacht hat. Begünstigt
waren nur AT-Angestellte, die nicht vom persönlichen Geltungsbereich der BV 225 erfasst waren.
23 bb) Diese Gruppenbildung war sachlich gerechtfertigt.
24 Die von der BKK Aktiv gewährte Leistung war geeignet, die mit ihr verbundene Zwecksetzung zu
erfüllen. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen der unter die BV 225 fallenden AT-
Angestellten lag vor der Entgelterhöhung im Oktober 2005 bei 6.675,00 Euro, während das der
anderen AT-Angestellten 5.640,00 Euro betrug. Nach den bindenden Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts wurden diese Vergütungsdifferenzen nicht durch andere geldwerte
Leistungen ausgeglichen. Die unterschiedlichen Entgelthöhen beruhten auf der Regelung in
Nr. III 1 BV 225, wonach die BKK Opel die von der Adam Opel AG übernommenen Arbeitnehmer
auch nach der Übernahme der Personalhoheit ohne zeitliche Begrenzung wie Opel-Mitarbeiter
behandeln musste. Die darauf gestützte Annahme des Landesarbeitsgerichts, wonach die in der
BV 225 enthaltene Verpflichtung zu den unterschiedlichen Vergütungshöhen im AT-Bereich geführt
hat, lässt einen revisiblen Rechtsfehler nicht erkennen und wird auch von dem Kläger nicht in
Zweifel gezogen. Danach ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das Ausbleiben einer
Entgelterhöhung bei der Adam Opel AG im Jahr 2005 nicht zum Anlass genommen hat, die
Gehaltsanhebung um 1,5 % auf alle AT-Angestellten zu erstrecken, um damit zumindest einen
Teilausgleich der bestehenden Gehaltsdifferenzen zu bewirken. Die durch die BV 225 vermittelte
Absicherung der zuvor bei der Adam Opel AG beschäftigten Arbeitnehmer übertrifft den in § 613a
Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmten Inhaltsschutz. Der Senat muss nicht entscheiden, ob die
Vereinbarung in Nr. III 1 BV 225 gegen die Regelungssperre in § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, § 75
Abs. 5 Satz 1 BPersVG verstößt oder die Betriebsparteien überhaupt eine Vereinbarung über die
Arbeitsbedingungen für die Zeit nach dem Wechsel der Arbeitnehmer zur BKK Opel treffen
konnten (vgl. BAG 18. September 2002 - 1 ABR 54/01 - zu B III 2 b ee der Gründe, BAGE 102,
356). Die BKK Opel hat den in Nr. I BV 225 bezeichneten Personenkreis jedenfalls tatsächlich wie
„Opel-Mitarbeiter“ behandelt und den bei ihr beschäftigten AT-Angestellten eine höhere Vergütung
gewährt, als diejenige, die vergleichbare AT-Angestellte bei der BKK Aktiv erhalten haben. Diese
konnte daher das unterschiedliche Leistungsniveau zum Anlass nehmen, durch die Beschränkung
der Entgelterhöhung auf die nicht unter die BV 225 fallenden AT-Angestellten einen Teilausgleich
herbeizuführen.
25 c) Der Beklagten ist es nicht verwehrt, sich auf die von der BKK Aktiv herangezogenen Gründe für
die Gruppenbildung zu berufen.
26 Zwar hatte der Arbeitgeber nach einer früheren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die
Gründe für die Ungleichbehandlung - soweit diese nicht ohnehin aus dem Leistungszweck
erkennbar waren - spätestens dann offenzulegen, wenn die Arbeitnehmer, die die geltende
Besserstellung für sich in Anspruch nehmen, an ihn herantreten (9. September 1981 - 5 AZR
1182/79 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 36, 187; 22. Dezember 1970 - 3 AZR 52/70 - zu III 3 a, b der
Gründe, AP BGB § 305 Billigkeitskontrolle Nr. 2 = EzA BGB § 315 Nr. 4). Kam der Arbeitgeber
dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, war sein Vorbringen insoweit nicht
berücksichtigungsfähig (BAG 5. März 1980 - 5 AZR 881/78 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 33, 57).
Diese Rechtssätze hat das Bundesarbeitsgericht in nachfolgenden Entscheidungen nicht mehr
aufrechterhalten. Vielmehr wird dem Arbeitnehmer gegenüber seinem Arbeitgeber ein ggf. im
Wege der Stufenklage durchsetzbarer Auskunftsanspruch über die für eine Gehaltserhöhung
verwendeten Regeln zugebilligt (BAG 1. Dezember 2004 - 5 AZR 664/03 - zu II 2 a der Gründe,
BAGE 113, 55). Dies eröffnet einem Arbeitnehmer eine ausreichende Möglichkeit, sich Kenntnis
über die Gründe für die Ungleichbehandlung zu verschaffen und die Chancen für die weitere
Rechtsverfolgung einzuschätzen.
27 II. Der Kläger kann weder aus der DV Nr. 8 noch aus dem arbeitsrechtlichen
Gleichbehandlungsgrundsatz die Zahlung eines Betrags von 2.804,72 Euro als weitere
Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2005 verlangen.
28 1. Der Kläger hat nach der DV Nr. 8 für das Jahr 2005 nur einen Anspruch auf eine
Weihnachtsgratifikation in Höhe von 85 % seines regelmäßigen Monatseinkommens. Diesen
Anspruch hat die BKK Aktiv erfüllt.
29 a) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts enthält die DV Nr. 8 nicht lediglich eine
deklaratorische Regelung für den unter die BV 225 fallenden Personenkreis. Die bis zum
31. Dezember 1995 bei der BKK Opel beschäftigten Arbeitnehmer der Adam Opel AG hatten
aufgrund der BV 225 keinen normativen Anspruch auf Leistungen, wie sie die bei der Adam Opel
AG beschäftigten Arbeitnehmer erhalten. Dies folgt aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der
BV 225. Nach Nr. III 1 BV 225 sollte dieser Personenkreis unbefristet wie die an den jeweiligen
Opel-Standorten beschäftigten Mitarbeiter behandelt werden. In der BV 225 hat sich die BKK Opel
damit lediglich verpflichtet, den von ihrem persönlichen Geltungsbereich erfassten Arbeitnehmern
die gleichen Leistungen wie Opel-Mitarbeitern zu gewähren. Diese Verpflichtung hat die BKK Opel
für die in der Tarifrunde 2002 vereinbarten Arbeitsbedingungen in der DV Nr. 8 umgesetzt. Erst
durch deren Abschluss haben die BKK Opel und der bei ihr errichtete Gesamtpersonalrat eine
normative Anspruchsgrundlage für die sich aus der Tarifrunde 2002 ergebenden Ansprüche der
unter die BV 225 fallenden Arbeitnehmer geschaffen.
30 b) Nr. 3 DV Nr. 8 enthält eine dynamische Bezugnahme auf die bei der Adam Opel AG geltenden
Regelungen über die Weihnachtsgratifikation für das Jahr 2005. Diese beträgt für Arbeitnehmer am
Standort Bochum 85 % des regelmäßigen Monatseinkommens.
31 aa) Die Auslegung von Dienst- und Betriebsvereinbarungen richtet sich wegen ihres normativen
Charakters nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung. Auszugehen ist danach vom Wortlaut
der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Insbesondere bei unbestimmtem
Wortsinn ist der wirkliche Wille der Betriebsparteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck zu
berücksichtigen, sofern und soweit sie im Text ihren Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist
ferner auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Regelungen. Im Zweifel gebührt
derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch
brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Bestimmung führt (BAG 11. Dezember
2007 - 1 AZR 953/06 - Rn. 20 mwN, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 37 = EzA
BetrVG 2001 § 77 Nr. 22).
32 bb) Der Wortlaut der DV Nr. 8 ist nicht eindeutig.
33 In Nr. 3 Satz 1 und 2 DV Nr. 8 werden für die unter die BV 225 fallenden Arbeitnehmer die
Regelungen aus der BV 2002/0082/A der Adam Opel AG übernommen. Eine bestimmte Höhe der
Weihnachtsgratifikation ist in der DV Nr. 8 allerdings nicht festgelegt, da in Nr. 3 Satz 2 DV Nr. 8
nur die entsprechende Geltung der anwendbaren Regelungen der BV 2002/0082/A bestimmt ist.
Nach deren Nr. 1 Abs. 4 beträgt die Höhe der Weihnachtsgratifikation im Jahr 2005 130 % eines
regelmäßigen Monatseinkommens. Dieser Bemessungssatz ist jedoch für die am Standort
Bochum beschäftigten Arbeitnehmer durch die BV 2005/0130/A für das Kalenderjahr 2005 in
rechtlich nicht zu beanstandender Weise auf 85 % ermäßigt worden (BAG 23. Januar 2008 -
1 AZR 988/06 - Rn. 20 ff., AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung Nr. 40 = EzA BetrVG 2001
§ 77 Nr. 24). Der Wortlaut von Nr. 3 DV Nr. 8 lässt allerdings offen, ob die Übernahme der für die
Adam Opel AG geltenden Regelungen über die Weihnachtsgratifikation in der jeweils geltenden
oder in der am 5. Juli 2002 vereinbarten Fassung der BV 2002/0082/A erfolgen sollte.
34 cc) Für eine dynamische Bezugnahme auf die bei der Adam Opel AG geltende Regelung über die
Weihnachtsgratifikation spricht der Regelungszweck der DV Nr. 8.
35 Die BKK Opel und ihr Gesamtpersonalrat haben durch den Abschluss der DV Nr. 8 der in der
BV 225 enthaltenen Gleichstellungsverpflichtung entsprochen und die im Jahr 2002 getroffenen
Vereinbarungen über die Beschäftigungssicherung bei der Adam Opel AG übernommen. Dies folgt
aus dem in Nr. 1 Satz 1 DV Nr. 8 vorangestellten Hinweis auf die Geltung der BV 225. Zu diesen
Arbeitsbedingungen gehörten ua. die Regelungen in der BV 2002/0082/A über die Behandlung der
Weihnachtsgratifikation für die Jahre 2002 bis 2005. Für eine Regelungsabsicht, die in der BV
2002/0082/A bestimmte Anspruchshöhe unabhängig von nachfolgenden betrieblichen
Vereinbarungen bei der Adam Opel AG festzuschreiben, sind keine Anhaltspunkte erkennbar.
Vielmehr spricht gerade die in Nr. III 1 BV 225 festgelegte Verpflichtung, den unter ihren
Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmern eine standortsbezogene Entwicklung der bei der Adam
Opel AG vereinbarten Arbeitsbedingungen zukommen zu lassen, für eine dynamische
Bezugnahme auf die jeweils geltenden Bestimmungen über die Weihnachtsgratifikation. Da
danach Nr. 3 Satz 2 DV Nr. 8 eine Bezugnahme auf die jeweils bei der Adam Opel AG geltende
Regelung über die Weihnachtsgratifikation enthält, ist mit dem Abschluss der BV 2005/0130/A
zugleich der Bemessungssatz für die vormals am Standort Bochum beschäftigten Arbeitnehmer
der BKK Opel auf 85 % abgesenkt worden, ohne dass es einer Änderung der DV Nr. 8 bedurfte
hätte.
36 2. Ein Anspruch aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kommt nicht in
Betracht. Der Kläger hat ein gestaltendes Verhalten der Beklagten, das über den bloßen
Normvollzug hinausgeht und Ausgangspunkt für eine von ihr selbst gesetzte Regel sein könnte
(BAG 23. Januar 2008 - 1 AZR 988/06 - Rn. 43, AP BetrVG 1972 § 77 Betriebsvereinbarung
Nr. 40 = EzA BetrVG 2001 § 77 Nr. 24), nicht dargelegt.
Schmidt
Linck
Koch
Rath
Hayen