Urteil des BAG vom 27.09.2007

BAG (wirtschaftliche einheit, kündigung, bag, betriebsübergang, betrieb, arbeitsverhältnis, einheit, arbeitnehmer, betriebsmittel, anlage)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 27.9.2007, 8 AZR 940/06
Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 27.09.2007, 8 AZR 941/06.
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-
Württemberg - Kammern Mannheim - vom 28. April 2006 - 19 Sa 81/05 - wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer vom Beklagten zu 1) ausgesprochenen Kündigung
sowie um die Frage, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin infolge Betriebsübergangs auf die
Beklagte zu 3), später auf die Berufungsbeklagte zu 4) übergegangen ist.
2 Die Klägerin war seit 1999 in der auf der Mülldeponie S betriebenen Müllsortieranlage als Arbeiterin
für Sortierarbeiten beschäftigt. Eigentümerin dieser Müllsortieranlage war zunächst die
vorinstanzlich Beklagte zu 2), die Si GmbH (im Folgenden: SI). In der Anlage wird gesondert
eingesammelter wertstoffhaltiger Müll in Wertstoffe und Restmüll getrennt, wobei die Wertstoffe
wiederum in eine bestimmte Zahl von Stoffgruppen aufgeteilt (fraktioniert) werden. Die zu einem
hohen Grade automatisierte Anlage verfügt über eine Vielzahl von Laufbändern und maschinelle,
computergesteuerte Trenneinrichtungen. Neben der technischen Überwachung, Wartung und
Störungsbeseitigung muss aber menschliche Arbeitskraft für Beschickungsvorgänge und
Sortierarbeiten, die nicht automatisch bewerkstelligt werden können, eingesetzt werden. Dabei
können die Sortierarbeiten von ungelernten Kräften mit einer kurzen Einarbeitungszeit von wenigen
Stunden verrichtet werden. Die SI vergab ab 1995 die Sortierarbeiten an Drittfirmen, ab 1. April
2001 an die spätere Insolvenzschuldnerin, die S GmbH (im Folgenden: S). Die SI blieb
Arbeitgeberin des zum Betrieb der Sortieranlage benötigten technischen Personals wie
Werkstattleiter, Schlosser und Elektriker. Nach dem Sortiervertrag in Form eines Werkvertrags
hatte die S den von der kreiseigenen Abfallverwertungsgesellschaft an der Anlage abgekippten
unsortierten wertstoffhaltigen Müll mit von der SI überlassenen Radladern aufzunehmen, die in der
Anlage anfallenden manuellen Sortiertätigkeiten zu verrichten und das am Ende des
Sortiervorgangs in Ballen gepresste, sortenreine Material mit wiederum von der SI überlassenen
Gabelstaplern zur Abholung und Weiterverarbeitung bereitzustellen. Die Vergütung der S richtete
sich nach der Zahl der sortierten Tonnen Mülls und der erzielten Sortenreinheit. Um ihre
vertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen, beschäftigte die S in der Anlage 115 Arbeitnehmer,
darunter 32 Leiharbeitnehmer und zwei Vorarbeiter. Im Zwei-Schicht-Betrieb dauerte die
Frühschicht von 06:00 Uhr bis 15:00 Uhr, die Spätschicht von 16:00 bis 24:00 Uhr, wobei die
Sortierkräfte den beiden Schichten nicht fest zugeteilt waren. Die SI als alleinige Gesellschafterin
der S schloss mit dieser am 19. Dezember 2001 einen Beherrschungs- und
Ergebnisabführungsvertrag.
3 Im März 2004 scheiterten Bemühungen der S, durch Änderung des bestehenden
Haustarifvertrages Lohnkosten zu senken. Am 28. März 2004 wurde der zwischen der SI und der
S geschlossene Sortiervertrag dahin geändert, die Menge des zu sortierenden Mülls ab 1. Juli
2004 auf höchstens die Hälfte zu verringern, die Spätschicht nicht mehr durch die S zu betreiben
und den Werklohn pro Tonne um 30 % zu kürzen. Mit Schreiben vom 29. März 2004 kündigte die
SI den Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag zum 31. März 2004. Ihre
Gesellschaftsanteile an der S veräußerte sie mit Vertrag vom 30. März 2004. Mit den in der
Spätschicht anfallenden manuellen Sortierarbeiten beauftragte die SI mit Wirkung ab dem 1. Juli
2004 die Beklagte zu 3). Den infolge Wegfalls der Spätschicht verminderten Personalbedarf glich
die S dadurch aus, dass sie ab dem 1. Juli 2004 keine Leiharbeitnehmer mehr einsetzte.
4 Der von der S noch zu erzielende Werklohn deckte die Lohnkosten nicht mehr. Infolge des von
ihren Gesellschaftern Mitte Juli 2004 gestellten Insolvenzantrages wurde am 1. Oktober 2004 das
Insolvenzverfahren über das Vermögen der S eröffnet und der Beklagte zu 1) zum
Insolvenzverwalter bestellt. Unter Berufung auf die Eröffnung des Insolvenzverfahrens kündigte
die SI den Sortiervertrag mit Wirkung zum 8. November 2004. Nach Abschluss eines
Interessenausgleichs und Sozialplans mit dem Betriebsrat kündigte der Beklagte zu 1) mit
Schreiben vom 3. Februar 2005 der Klägerin, die seit dem 11. Mai 2003 in Elternzeit war, zum
12. Mai 2006. Zuvor hatte das Regierungspräsidium Karlsruhe die Kündigung mit der Maßgabe für
zulässig erklärt, dass der Arbeitsvertrag zum Ende der Elternzeit gekündigt werde. Der Beklagte
zu 1) stellte die Betriebstätigkeit der S zum 6. November 2004 vollständig ein. Die bisher in der
Frühschicht von der S sortierte Müllmenge wurde zu einer Sortieranlage in Südhessen verbracht
und dort sortiert. Ab dem 15. Februar 2005 wurde die Frühschicht in S wieder angefahren, wobei
die SI mit den anfallenden manuellen Sortiertätigkeiten ein unbekanntes Drittunternehmen
beauftragte.
5 Mit Wirkung ab 1. Juli 2005 wurde die kreiseigene A GmbH (A) Eigentümerin der Sortieranlage in
S. Diese beauftragte mit selbem Datum die Berufungsbeklagte zu 4) mit allen in S anfallenden
Sortierarbeiten.
6 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die vom Beklagten zu 1) ausgesprochene Kündigung
sei sozialwidrig und nach § 613a Abs. 4 BGB unwirksam. Ihr Arbeitsverhältnis sei infolge
Betriebsübergangs am 8. November 2004 auf die in den Vorinstanzen noch beklagte SI und/oder
die Beklagte zu 3) und am 1. Juli 2005 auf die Berufungsbeklagte zu 4) übergegangen. Die
Sortieranlage sei für die S das wesentliche Betriebsmittel gewesen. Es komme nicht darauf an, ob
die S auch berechtigt gewesen sei, die Sortierleistung mit einer anderen Anlage zu erbringen. Dies
sei schon in Anbetracht der im Sortiervertrag vorgesehenen Müllmengen undurchführbar
gewesen. Die S habe auch Aufenthalts- und Sozialräume, Sanitäranlagen und Verwaltungsräume
in der Mülldeponie genutzt, die von den späteren Betreibern der Müllsortieranlage weitergenutzt
wurden. Jedenfalls seien die Rechtsfolgen des § 613a BGB anzuwenden, weil die SI und die
Beklagte zu 3) systematisch einen Betriebsübergang umgangen hätten. Mit der Beauftragung der
Berufungsbeklagten zu 4) ab dem 1. Juli 2005 liege ein weiterer Betriebsübergang vor. Die
Vertriebswege, das angelieferte Material, die Art der Sortierung und die Belegschaft seien identisch
geblieben.
7 Soweit für die Revision noch von Bedeutung hat die Klägerin beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen der klagenden Partei und dem
Beklagten zu 1) durch die Kündigung vom 3. Februar 2005 nicht zum 12. Mai 2006
aufgelöst wurde.
2. Es wird festgestellt, dass zwischen der klagenden Partei und der Beklagten zu 3) seit
dem 8. November 2004 ein ungekündigtes und unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
3. Es wird festgestellt, dass zwischen der klagenden Partei und der Berufungsbeklagten zu
4) seit dem 1. Juli 2005 ein ungekündigtes und unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
8 Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt. Der Beklagte zu 1) hat vorgetragen, zum
Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs habe er nicht davon ausgehen können, dass die
Voraussetzungen eines Betriebsübergangs auf eine der Beklagten gegeben gewesen seien.
Jedenfalls seien die von der SI unter Ausnutzung ihrer vertraglichen und gesellschaftsrechtlichen
Stellung durchgeführten Maßnahmen gegenüber der S darauf ausgerichtet gewesen, einen
Betriebsübergang zu umgehen.
9 Die Beklagte zu 3) hat die Auffassung vertreten, auf sie sei keine wirtschaftliche Einheit unter
Wahrung ihrer Identität übergegangen. Es habe sich um eine reine Funktionsnachfolge gehandelt.
Auch in Etappen sei ein Betriebsübergang nicht erfolgt. Werde mit zulässigen Gestaltungsmitteln
ein Betriebsübergang vermieden, so gehe auch kein Arbeitsverhältnis über. Dies stelle weder eine
“Umgehung” noch einen “Gestaltungsmissbrauch” dar.
10 Die Berufungsbeklagte zu 4) bestreitet, dass ein Betriebsübergang stattgefunden habe.
11 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die auf die Berufungsbeklagte zu 4) erweiterte
Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der im Tenor des Berufungsurteils zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter. Ihre Revision gegen die Beklagte zu 2) hat die
Klägerin zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
12 Die Revision ist unbegründet. Die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 3. Februar 2005 hat das
Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 12. Mai 2006 aufgelöst. Ein Übergang des Betriebs erfolgte
weder auf die Beklagte zu 3) noch später auf die Berufungsbeklagte zu 4).
13 A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die ordentliche Kündigung des Beklagten zu 1) sei
durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG sozial gerechtfertigt. Mit
dem Entzug des Sortierauftrags durch die SI sei die einzige Möglichkeit bei der S entfallen, die
Arbeitnehmer zu beschäftigen. Es habe weder ein Betriebs- noch ein Betriebsteilübergang
vorgelegen. Denn die S habe keinen Betrieb oder Betriebsteil innegehabt. Dies habe der mit der SI
abgeschlossene Sortiervertrag auch nicht erfordert. Zwar sei der Einsatz der Sortieranlage zur
Bewältigung der Sortiermengen unerlässlich gewesen. Mit der Anlage sei auch kein äußerst
einfaches technisches Hilfsmittel gegeben gewesen. Andererseits habe zum Betrieb der
Sortieranlage mehr als die im Rahmen des Sortiervertrags von der S zu leistenden Dienste gehört.
Qualifizierte Tätigkeiten wie die regelmäßige technische Überwachung, die Störungsbeseitigung
und die Durchführung von Reparaturen, die für den laufenden Betrieb der technisch komplizierten
und störungsanfälligen Anlage unabdingbar gewesen seien, hätten ausschließlich Arbeitnehmer
der SI als Anlagenbetreiberin verrichtet. Die S als Auftragnehmerin des Sortiervertrags habe
demgegenüber nur ergänzende, den Produktionsablauf unterstützende Hilfstätigkeiten zu
erbringen gehabt. Das gelte auch, soweit die Anlage von der S zu beschicken und nach Sortierung
die fraktionierte Müllmenge zur weiteren Abholung bereitzustellen war. Die dafür erforderlichen
technischen Geräte wie Radlader oder Gabelstapler fielen gegenüber der wirtschaftlichen
Bedeutung der Gesamtanlage nicht ins Gewicht. Liege aber der Schwerpunkt der nach
Sortiervertrag zu erbringenden Hilfstätigkeiten nicht in der Nutzung der Anlage, sondern in einer
Unterstützung der Nutzung durch die SI, so sei dem Auftragnehmer der Sortierarbeiten die
Gesamtanlagen nicht als sächliches Betriebsmittel iSd. § 613a BGB zuzurechnen. Die erst in der
Berufungsinstanz erfolgte Erweiterung der Klage auf die Berufungsbeklagte zu 4) sei unzulässig.
14 B. Dem folgt der Senat im Ergebnis.
15 I. Die Kündigung durch den Beklagten zu 1) ist wirksam, ein Betriebsübergang ist nicht gegeben.
16 Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung am 3. Februar 2005 bestand ein Arbeitsverhältnis
zwischen der Klägerin und dem Beklagten zu 1). Es war nicht infolge des Übergangs des Betriebs
oder eines Betriebsteils von der S auf die Beklagte zu 3) am 1. Juli 2004 übergegangen.
17 1. Eine Kündigungsschutzklage ist unbegründet, wenn zum Zeitpunkt der Kündigung kein
Arbeitsverhältnis (mehr) besteht. Das gilt auch im Falle des Betriebsübergangs. Die Kündigung
eines Betriebsveräußerers nach Betriebsübergang geht ins Leere, weil mit ihm kein
Arbeitsverhältnis mehr besteht (BAG 15. Dezember 2005 - 8 AZR 202/05 - AP BGB § 613a
Nr. 294 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 45, zu B I 1 b der Gründe; 18. April 2002 - 8 AZR 346/01 - AP
BGB § 613a Nr. 232 = EzA BGB § 613a Nr. 207, zu I 2 a und b der Gründe) .
18 2. Ein Betriebsübergang liegt aber nicht vor.
19 Ein Betriebs- oder Betriebsteilübergang nach § 613a Abs. 1 BGB setzt die Wahrung der Identität
der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Eine wirtschaftliche Einheit besteht aus einer
organisatorischen Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung
einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine solche Einheit
übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen
berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art
des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen
Betriebsmittel wie Gebäude oder bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt
des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der
Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang
verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Die
Identität der Einheit kann sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren
Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur
Verfügung stehenden Betriebsmitteln ergeben. Den für das Vorliegen eines Übergangs
maßgeblichen Kriterien kommt je nach der ausgeübten Tätigkeit und je nach den Produktions- und
Betriebsmethoden unterschiedliches Gewicht zu (st. Rspr. des Senats im Anschluss an EuGH
11. März 1997 - C-13/95 - [Ayse Süzen] Rn. 13 - 18, EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-Richtlinie
Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145 und zuletzt 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-
233/04 - [Güney-Görres] Rn. 32 - 35, EuGHE I 2005, 11237 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 1 =
EzA BGB 2002 § 613a Nr. 41: BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - AP BGB § 613a Nr. 320 =
EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64, zu II 1 der Gründe; 13. Juni 2006 - 8 AZR 271/05 - AP BGB § 613a
Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53, zu II 1 b aa der Gründe; 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 -
BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49, zu B I 3 a der Gründe;
16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47, zu II 3
a der Gründe; 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - BAGE 111, 283, 291 = AP BGB § 613a Nr. 274 =
EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27, zu B II 1 der Gründe) .
20 In Branchen, in denen es im Wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, kann auch
eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft verbunden
ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen. Die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ist
in diesem Fall anzunehmen, wenn der neue Betriebsinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit
weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals
übernimmt, das sein Vorgänger gezielt für diese Tätigkeit eingesetzt hatte. Hingegen stellt die
bloße Fortführung der Tätigkeit durch einen anderen Auftragnehmer (Funktionsnachfolge) ebenso
wenig einen Betriebsübergang dar wie die reine Auftragsnachfolge (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR
431/06 - AP BGB § 613a Nr. 320 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 64, zu II 1 der Gründe; 13. Juni
2006 - 8 AZR 271/05 - AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53, zu II 1 b aa der
Gründe; 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB
2002 § 613a Nr. 49, zu B I 3 der Gründe) . Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden
werden (EuGH 11. März 1997 - C-13/95 - [Ayse Süzen] Rn. 15, EuGHE I 1997, 1259 = AP EWG-
Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 14 = EzA BGB § 613a Nr. 145) . Der bloße Verlust eines Auftrags an
einen Mitbewerber stellt daher für sich genommen auch keinen Übergang im Sinne der
Betriebsübergangsrichtlinie dar (EuGH 11. März 1997 - C-13/95 - [Ayse Süzen] Rn. 16, aaO) . In
betriebsmittelgeprägten Betrieben kann ein Betriebsübergang auch ohne Übernahme von Personal
vorliegen (vgl. zuletzt EuGH 20. November 2003 - C-340/01 - [Carlito Abler] Rn. 36, 37, EuGHE I
2003, 14023 = AP EWG-Richtlinie Nr. 77/187 Nr. 34 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 13; vgl. auch
BAG 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - BAGE 111, 283, 292 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB
2002 § 613a Nr. 27, zu B II 1 der Gründe) . Der Umstand, dass die von dem neuen Unternehmer
übernommenen Betriebsmittel nicht seinem Vorgänger gehörten, sondern vom Auftraggeber zur
Verfügung gestellt wurden, schließt den Betriebsübergang nicht aus. Auch ist im Fall einer
Auftragsneuvergabe die Überlassung der Betriebsmittel zur eigenwirtschaftlichen Nutzung keine
notwendige Voraussetzung für die Feststellung eines Betriebsübergangs vom ursprünglichen
Auftragnehmer auf den neuen Auftragnehmer (EuGH 15. Dezember 2005 - C-232/04 und C-
233/04 - [Güney-Görres] Rn. 42, EuGHE I 2005, 11237 = AP Richtlinie 2001/23/EG Nr. 1 = EzA
BGB 2002 § 613a Nr. 41; BAG 6. April 2006 - 8 AZR 222/04 - aaO, zu B I 3 b dd der Gründe) .
Sächliche Betriebsmittel sind im Rahmen einer Auftragsneuvergabe wesentlich, wenn bei
wertender Betrachtungsweise ihr Einsatz den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung
erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 -
aaO, zu II 1 der Gründe; 13. Juni 2006 - 8 AZR 271/05 - aaO, zu II 1 b bb (1) der Gründe; 6. April
2006 - 8 AZR 222/04 -, zu B I 3 b bb der Gründe) und sie somit unverzichtbar zur
auftragsgemäßen Verrichtung der Tätigkeiten sind (BAG 15. Februar 2007 - 8 AZR 431/06 - aaO,
zu II 2 b (1) der Gründe) .
21 Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein.
Voraussetzung ist, dass der bisherige Inhaber seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb
einstellt und der Übernehmer die wirtschaftliche Einheit im Wesentlichen unverändert fortführt.
Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme
der Geschäftstätigkeit. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht
bedarf es wegen des Merkmals der Fortführung des Betriebs nicht (BAG 6. April 2006 - 8 AZR
222/04 - BAGE 117, 349 = AP BGB § 613a Nr. 299 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 49, zu B I 3 a der
Gründe) .
22 Der Übergang eines Betriebsteils steht für dessen Arbeitnehmer dem Betriebsübergang gleich.
Auch bei dem Erwerb eines Betriebsteils ist es erforderlich, dass die wirtschaftliche Einheit ihre
Identität bewahrt. Betriebsteile sind Teileinheiten (Teilorganisationen) des Betriebs. § 613a BGB
setzt für den Betriebsteilübergang voraus, dass die übernommenen Betriebsmittel bereits bei dem
früheren Betriebsinhaber die Qualität eines Betriebsteils hatten. Es reicht nicht aus, wenn der
Erwerber mit einzelnen bislang nicht teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln einen Betrieb oder
Betriebsteil gründet (BAG 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 - BAGE 111, 283, 292 = AP BGB § 613a
Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27, zu B II 1 der Gründe) . Überdies ist erforderlich, dass der
Erwerber gerade die wesentlichen Betriebsmittel des Teilbetriebs oder bei betriebsmittelarmen
Teilbetrieben wesentliche Teile des dem Teilbetrieb zugeordneten Personals übernimmt (BAG
16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47, zu
II 3 a der Gründe) .
23 3. Der Betrieb oder ein Betriebsteil der S ist nicht zum 1. Juli 2004 auf die Beklagte zu 3) oder ein
anderes Unternehmen übergegangen.
24 a) Die S hat mit dem 30. Juni 2004 ihren Betrieb nicht eingestellt, sondern ihre wirtschaftliche
Betätigung im Rahmen eines reduzierten Sortierauftrags fortgeführt. Zur Sortierung des in der
Frühschicht anfallenden Teils des Müllvolumens hat sie im Wesentlichen weiter die bisher bei ihr
angestellten Arbeitnehmer eingesetzt und sich lediglich von den Leiharbeitnehmern getrennt. Die
Beklagte zu 3) hat nur denjenigen Teil der Müllmenge zur Sortierung übernommen, der in der
Spätschicht anfiel. Weder hat damit die S ihren Betrieb teilweise eingestellt noch hat die Beklagte
zu 3) den Betrieb der S im Wesentlichen unverändert weitergeführt. Dass die Beklagte zu 3) den
zuvor bei der S beschäftigten Schichtführer R beschäftigt hat, ist unerheblich, da nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Hauptbelegschaft bei der S blieb und ein nach
Anzahl oder Sachkunde für die Identität des Betriebs wesentlicher Teil der Arbeitnehmer nicht auf
die Beklagte zu 3) übergegangen ist.
25 b) Mit der Sortierung des in der Spätschicht anfallenden Mülls hat die Beklagte zu 3) auch keinen
organisatorisch selbständigen Betriebsteil der S übernommen, dem die Klägerin zugeordnet
gewesen wäre.
26 aa) Ein nach § 613a BGB selbständig übergangsfähiger Betriebsteil setzt voraus, dass innerhalb
des betrieblichen Gesamtzwecks ein Teilzweck verfolgt wird. Die Wahrnehmung eines
Teilzwecks führt nur dann zu einer selbständigen übergangsfähigen Einheit, wenn eine organisierte
Gesamtheit von Personen und Sachen vorliegt. Diese Voraussetzungen eines übergangsfähigen
Betriebsteils sind von demjenigen darzulegen und zu beweisen, der sich auf einen
Betriebsteilübergang beruft (BAG 26. August 1999 - 8 AZR 718/98 - AP BGB § 613a Nr. 196 =
EzA BGB § 613a Nr. 185, zu B II 2 und 3 c der Gründe) . Wird mit einzelnen bislang nicht
teilbetrieblich organisierten Betriebsmitteln ein Betrieb oder Betriebsteil gegründet, kann dies einen
Betriebsteilübergang nicht begründen (BAG 16. Februar 2006 - 8 AZR 211/05 - AP BGB § 613a
Nr. 301 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 47, zu II 3 a der Gründe; 22. Juli 2004 - 8 AZR 350/03 -
BAGE 111, 283, 292 = AP BGB § 613a Nr. 274 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 27, zu B II 1 der
Gründe) .
27 bb) Diese Voraussetzungen hat die Klägerin nicht dargelegt. Nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts waren den beiden Schichten der S bis zum 30. Juni 2004 keine sächlichen
Betriebsmittel oder bestimmte Arbeitnehmer fest zugeordnet. Die Frühschicht und Spätschicht
stellen somit keine Betriebsteile der S dar. Die Klägerin war wie alle Arbeitnehmer der S nicht einer
Schicht fest zugeordnet, also auch nicht der Spätschicht, die ab 1. Juli 2004 in der Sortierleistung
von der Beklagten zu 3) bewältigt wurde.
28 II. Die Kündigung des Beklagten zu 1) vom 3. Februar 2005 ist aus betriebsbedingten Gründen
sozial gerechtfertigt nach § 1 Abs. 2 KSchG. Sie hat das Arbeitsverhältnis unter Wahrung der
Kündigungsfrist nach § 113 Satz 2 InsO mit Wirkung zum 12. Mai 2006 aufgelöst. Die nach § 18
Abs. 1 Satz 2 und 3 BErzGG (in der bis 31. Dezember 2006 geltenden Fassung) erforderliche
Zulässigkeitserklärung für diese Kündigung war zuvor erteilt worden. Die Kündigung ist nicht
wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochen worden (§ 613a Abs. 4 Satz 1 BGB). Sie ist auch
nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umgehung des § 613a BGB unwirksam.
29 1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 KSchG) handelt es sich um die
Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft
werden kann, ob das Berufungsgericht den Begriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung
des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine
Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem
Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt
hat und ob das Berufungsurteil in sich widerspruchsfrei ist (st. Rspr.; vgl. BAG 24. März 1983 -
2 AZR 21/82 - BAGE 42, 151, 157 = AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 12 =
EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 21, zu B II der Gründe; 13. Juni 2006 - 8 AZR
271/05 - AP BGB § 613a Nr. 305 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 53, zu II 1 der Gründe) .
30 2. Diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
stand.
31 a) Eine Kündigung ist aus innerbetrieblichen Gründen sozial gerechtfertigt, wenn sich der
Arbeitgeber zu einer organisatorischen Maßnahme entschließt, bei deren Umsetzung das
Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer entfällt (BAG
5. Dezember 2002 - 2 AZR 522/01 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 126 =
EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 50, zu B I 1 der Gründe mwN; 28. Oktober 2004 - 8 AZR
391/03 - BAGE 112, 273, 278 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 69 = EzA KSchG § 1
Soziale Auswahl Nr. 56, zu II 2 a der Gründe) . Zu den dringenden betrieblichen Erfordernissen,
die nach § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG einen Grund zur sozialen Rechtfertigung der Kündigung
abgeben können, gehören die Stilllegung des gesamten Betriebs, einer Betriebsabteilung oder
eines Betriebsteils durch den Arbeitgeber (BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - BAGE 109,
40, 42 = AP KSchG 1969 § 1 Soziale Auswahl Nr. 64 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 128, zu B I 1 der Gründe; 22. Januar 1998 - 8 AZR 243/95 - AP BGB § 613a
Nr. 173 = EzA BGB § 613a Nr. 161, zu B III 1 der Gründe) . Unter Betriebsstilllegung ist die
Auflösung der zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Betriebs- und
Produktionsgemeinschaft zu verstehen, die ihre Veranlassung und ihren unmittelbaren Ausdruck
darin findet, dass der Unternehmer die bisherige wirtschaftliche Betätigung in der ernstlichen
Absicht einstellt, die Verfolgung des bisherigen Betriebszwecks dauernd oder für eine ihrer Dauer
nach unbestimmte, wirtschaftlich nicht unerhebliche Zeitspanne nicht weiter zu verfolgen (BAG
27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - aaO; 18. Januar 2001 - 2 AZR 514/99 - BAGE 97, 10, 13 =
AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 115 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 109, zu 2 der Gründe) . Mit der Stilllegung des gesamten Betriebs entfallen alle
Beschäftigungsmöglichkeiten. Der Arbeitgeber muss endgültig entschlossen sein, den Betrieb
stillzulegen (BAG 29. September 2005 - 8 AZR 647/04 - AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte
Kündigung Nr. 139 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 140, zu II 2 a der Gründe;
16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210, zu B III 1 b bb
der Gründe mwN) . Demgemäß ist von einer Stilllegung auszugehen, wenn der Arbeitgeber seine
Stilllegungsabsicht unmissverständlich äußert, allen Arbeitnehmern kündigt, etwaige Mietverträge
zum nächstmöglichen Zeitpunkt auflöst, die Betriebsmittel, über die er verfügen kann, veräußert
und die Betriebstätigkeit vollständig einstellt (vgl. BAG 22. Mai 1997 - 8 AZR 101/96 - BAGE 86,
20, 25 = AP BGB § 613a Nr. 154 = EzA BGB § 613a Nr. 149, zu B II 2 b der Gründe) . Die
betreffenden betrieblichen Umstände müssen greifbare Formen angenommen haben. Diese liegen
vor, wenn im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung auf Grund einer vernünftigen,
betriebswirtschaftlichen Betrachtung davon auszugehen ist, zum Zeitpunkt des
Kündigungstermins sei mit einiger Sicherheit der Eintritt eines die Entlassung erforderlich
machenden betrieblichen Grundes gegeben (BAG 27. November 2003 - 2 AZR 48/03 - aaO mwN;
28. Oktober 2004 - 8 AZR 391/03 - BAGE 112, 273, 280 = aaO, zu II 2 a bb der Gründe) .
32 Eine Stilllegungsabsicht des Arbeitgebers liegt allerdings dann nicht vor, wenn dieser seinen
Betrieb veräußert. Die Veräußerung des Betriebs allein ist - wie sich aus der Wertung des § 613a
BGB ergibt - keine Stilllegung, weil die Identität des Betriebs gewahrt bleibt und lediglich ein
Betriebsinhaberwechsel stattfindet (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 =
EzA BGB § 613a Nr. 210, zu B III 1 b bb (2) der Gründe) . Betriebsveräußerung und
Betriebsstilllegung schließen sich systematisch aus (vgl. BAG 12. Februar 1987 - 2 AZR 247/86 -
AP BGB § 613a Nr. 67 = EzA BGB § 613a Nr. 64, zu II 1 a der Gründe) . Dabei kommt es auf das
tatsächliche Vorliegen des Kündigungsgrundes und nicht auf die vom Arbeitgeber gegebene
Begründung an. Eine vom Arbeitgeber mit einer Stilllegungsabsicht begründete Kündigung ist nur
dann sozial gerechtfertigt, wenn sich die geplante Maßnahme objektiv als Betriebsstilllegung und
nicht als Betriebsveräußerung darstellt, weil etwa die für die Fortführung des Betriebs wesentlichen
Gegenstände einem Dritten überlassen werden sollten und der Veräußerer diesen Vorgang aber
rechtlich unzutreffend als Betriebsstilllegung wertet (BAG 16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - aaO;
10. Dezember 1998 - 8 AZR 264/98 -, zu II 1 b der Gründe) .
33 b) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, zum
Zeitpunkt der Kündigung habe der Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit als betriebsbedingter
Grund für die Kündigung der Klägerin bereits greifbare Formen angenommen. Nach den vom
Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen hing die Möglichkeit zur Beschäftigung der
Arbeitnehmer, also auch der Klägerin, von dem Auftrag durch die SI ab. Anderweitige Aufträge
existierten nicht und waren auch nicht in Sicht. Folgerichtig hat daher der Beklagte zu 1) nach der
Auftragskündigung seitens der SI am 29. Oktober 2004 mit dem Betriebsrat einen
Interessenausgleich und Sozialplan abgeschlossen und sämtliche frei kündbaren
Arbeitsverhältnisse zum 31. Januar 2005 gekündigt. Im Interessenausgleich wurde von den
Betriebsparteien festgehalten, eine Sanierung des Unternehmens oder eine Übertragung des
Betriebs als solcher seien nicht möglich. Daher solle auf Grund der Kündigung des Auftrags
seitens der SI das Unternehmen mit Wirkung ab dem 6. November 2004 stillgelegt werden. Zweck
des gleichzeitig abgeschlossenen Sozialplans sollte es sein, die Nachteile der im
Interessenausgleich als unumgänglich dargestellten Betriebsschließung zu mindern.
34 3. Im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs war ein Betriebsübergang nach den Feststellungen
des Landesarbeitsgerichts weder geplant noch absehbar. Zum 8. November 2004 ist der Betrieb
der S nicht auf die Beklagte zu 3) oder ein anderes Unternehmen übergegangen.
35 a) Ein Betriebsübergang kann nur dann zur Unwirksamkeit einer Kündigung nach § 613a Abs. 4
Satz 1 BGB führen, wenn die ihn ausmachenden Tatsachen zum Zeitpunkt des Zugangs der
Kündigung bereits feststehen oder zumindest greifbare Formen angenommen haben (BAG
16. Mai 2002 - 8 AZR 319/01 - AP BGB § 613a Nr. 237 = EzA BGB § 613a Nr. 210, zu B III 1 c der
Gründe; 26. April 2007 - 8 AZR 695/05 -, zu B III 4 der Gründe) . Diese Voraussetzungen lagen im
Streitfall nicht vor.
36 b) Ein Betriebsübergang ist nicht schon deswegen zu verneinen, weil die S schon nicht Inhaberin
eines nach § 613a BGB übergangsfähigen Betriebs gewesen wäre. Ein Unternehmen, welches
Arbeitnehmer in Ausführung seiner wirtschaftlichen Betätigung beschäftigt, unterhält stets einen
Betrieb iSv. § 613a BGB. Auch ein reiner Dienstleistungsbetrieb ist ein nach § 613a BGB
übergangsfähiger Betrieb. Sofern er als betriebsmittelarm anzusehen ist, ist der Übergang von
Betriebsmitteln für die Frage des Betriebsübergangs nicht entscheidend. Davon zu trennen ist die
Prüfung eines eventuellen Betriebsteilübergangs. Nur dafür ist die Frage, ob eine übergangsfähige
wirtschaftliche Einheit vorliegt, relevant.
37 c) Der Betrieb der S wie der anderen, mit den Sortieraufgaben befassten Unternehmen ist nicht als
betriebsmittelarm anzusehen. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war
Gegenstand des Sortierauftrags der S die gesamte Sortierung des zu der Anlage - zuletzt noch in
der Frühschicht - verbrachten Mülls vom Abkippen bis zum Bereitstellen der in einzelne
Wertstoffballen verpressten Wertstofffraktionen für die Abholung durch Dritte. Dazu musste die
von der SI zur Verfügung gestellte Sortieranlage nebst Ausrüstung genutzt werden. Nach den
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war die Vergütung der S nach Zahl der sortierten
Tonnagen und vor allem ergebnisbezogen vereinbart. Danach ist die SI zwar Betreiberin der
Sortieranlage geblieben, hat aber die gegenüber ihren Auftraggebern geschuldete Sortierung des
Mülls insgesamt an die S fremdvergeben, ab 1. Juli 2004 noch hinsichtlich der in der Frühschicht
anfallenden Müllmenge. Danach muss die zur Nutzung überlassene Sortieranlage nebst
Ausrüstung als Betriebsmittel angesehen werden, mit der die S ihren Betriebszweck
“Müllsortierung” erfüllte.
38 d) Weder die Beklagte zu 3) noch ein anderes Unternehmen hat zu oder nach dem 7. November
2004 die Nutzung der S Müllsortieranlage auch während der Frühschicht oder Arbeitnehmer der S
übernommen. Solches war für den Beklagten zu 1) im Kündigungszeitpunkt auch nicht absehbar.
Die S hat zwar ihre zuletzt noch während der Frühschicht ausgeübte Tätigkeit zum 6. November
2004 vollständig eingestellt. Allein dadurch ist jedoch ihr Betrieb nicht auf die Beklagte zu 3)
übergegangen, die wie schon seit dem 1. Juli 2004 die Müllsortierung nur während der Spätschicht
durchführte. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass der Ausfall der seitens der S bis zum
6. November 2004 erbrachten Sortierleistung von der SI dadurch kompensiert wurde, dass eine
entsprechende Menge des früher in S für die Frühschicht abgekippten Mülls zu einer Sortieranlage
eines in K (Hessen) ansässigen Betreibers verbracht und dort sortiert wurde. Erst mit dem
15. Februar 2005 hat die SI den Müll wieder in der Frühschicht in S und zwar von einem dritten,
nicht bekannten Unternehmen sortieren lassen. Nach Einstellung der Betriebstätigkeit der S
beschränkte sich die Nutzung der Sortieranlage in S durch die SI und die Beklagte zu 3) auf die
Spätschicht. Diese Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Klägerin nicht mit erheblichen
Verfahrensrügen angegriffen. Sie hat auch nicht behauptet, dass eine Wiederaufnahme der
Frühschicht ab 15. Februar 2005 dem Beklagten zu 1) im Kündigungszeitpunkt bekannt gewesen
wäre.
39 4. Die Kündigung ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer Umgehung des § 613a BGB unwirksam.
40 a) Nur Rechtsgeschäfte, welche die Rechtsfolgen eines gegebenen Betriebsübergangs umgehen
sollen, zB das Kündigungsverbot nach § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, sind unwirksam (BAG
18. August 2005 - 8 AZR 523/04 - BAGE 115, 340, 346 = AP BGB § 620 Aufhebungsvertrag
Nr. 31 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 40, zu II 2 a der Gründe) . Ein solches Umgehungsgeschäft ist
zwischen den Parteien nicht im Streit.
41 b) Die nicht wegen eines Betriebsübergangs ausgesprochene Kündigung des Beklagten zu 1)
unterliegt dem Kündigungsverbot gem. § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB nicht. Mit dem Verbot von
Umgehungsgeschäften lässt sich keine Erweiterung des Anwendungsbereichs von § 613a BGB
begründen. Das Verbot von Umgehungsgeschäften greift dann, wenn ein nach Inhalt und Zweck
einer Verbotsnorm verbotener Erfolg auf andere Weise herbeigeführt werden soll
(Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 134 Rn. 28 mwN) . Jedoch verbietet § 613a BGB nicht die
Gestaltung von wirtschaftlichen Prozessen derart, dass die tatsächlichen Voraussetzungen eines
Betriebsübergangs vermieden werden. Oder mit anderen Worten: nicht jede Veräußerung einer
wirtschaftlichen Einheit stellt einen Betriebsübergang iSd. § 613a BGB dar. Eine Analogie kommt
mangels Regelungslücke und mangels Vergleichbarkeit der Interessenlagen nicht in Betracht.
Ebenso können nicht in entsprechender Anwendung von § 162 Abs. 1 BGB die Voraussetzungen
eines Betriebsübergangs fingiert werden, wenn bei unterschiedlichen Handlungsmöglichkeiten
diejenige gewählt wird, bei der ein Betriebsübergang vermieden wird. Zwar enthält § 162 BGB auch
den allgemeinen Rechtsgedanken, dass niemand aus einem von ihm treuwidrig herbeigeführten
Ereignis Vorteile herleiten darf und ist daher bei vergleichbarer Interessenlage entsprechend
anzuwenden (BAG 20. September 1957 - 1 AZR 136/56 - BAGE 4, 306 = AP KSchG § 1 Nr. 34) .
Jedoch haben sich weder der Beklagte zu 1) noch die SI oder die S treuwidrig verhalten. Der
Arbeitgeber ist grundsätzlich befugt, Rechtsgeschäfte so zu gestalten, dass § 613a BGB nicht
eingreift (BAG 18. August 2005 - 8 AZR 523/04 - BAGE 115, 340, 346 = AP BGB § 620
Aufhebungsvertrag Nr. 31 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 40, zu II 2 a der Gründe) . Die Neuvergabe
eines Dienstleistungsauftrags kann so gestaltet werden, dass eine bloße Funktionsnachfolge
vorliegt (KR-Pfeiffer 8. Aufl. § 613a BGB Rn. 200) .
42 c) Auch die Richtlinie 2001/23/EG gebietet keine andere Auslegung oder erweiternde Anwendung
von § 613a BGB. Auch nach ihrem Art. 1 Abs. 1 ist sie nur auf den Übergang von Unternehmen,
Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche
Übertragung oder Verschmelzung anwendbar, wobei eine ihre Identität bewahrende wirtschaftliche
Einheit im Sinne einer organisatorischen Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer
wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit übergehen muss. Die Betriebsübergangsrichtlinie
enthält keine Regelung, nach welcher ein Betriebsübergang unter dem Gesichtspunkt der
Umgehung zu fingieren wäre, wenn Parteien Vertragsgestaltungen wählen, bei denen ein
Betriebsübergang nicht eintritt.
43 III. Mangels Betriebsübergangs auf die Beklagte zu 3) ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin auf
diese nicht übergegangen. Der gegen die Beklagte zu 3) gerichtete Feststellungsantrag ist daher
unbegründet. Soweit der Beklagte zu 1) in der Revisionsinstanz neue Tatsachen vorgetragen hat,
die darauf hindeuten, dass ursprünglich geplant war, die Beklagte zu 3) solle Personalreserven
vorhalten, um im Fall der Betriebseinstellung bei der S deren Sortiertätigkeit in S zu übernehmen,
ist es nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu nicht gekommen. An diese
Feststellungen ist das Revisionsgericht gebunden.
44 IV. Der gegen die Berufungsbeklagte zu 4) gerichtete Feststellungsantrag ist zulässig, aber
ebenfalls unbegründet.
45 1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts war die Klageerweiterung auf die
Berufungsbeklagte zu 4) in der Berufungsinstanz nach den §§ 533, 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2
Nr. 3 ZPO zulässig. Bei der Erweiterung der Klage auf eine weitere Beklagte handelt es sich um
eine Klageänderung, deren Zulässigkeit im Berufungsrechtszug nach § 533 ZPO zu prüfen ist.
Danach ist eine Klageänderung zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für
sachdienlich hält und diese auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner
Verhandlung und Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat. Die
Berufungsbeklagte zu 4) hat sich mit der in der Berufungsinstanz erfolgten Erweiterung der Klage
einverstanden erklärt. Bei den von der Klägerin zur Begründung ihres Feststellungsantrags
vorgetragenen Tatsachen handelte es sich zwar um neue Tatsachen iSv. § 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.
Nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO kann aber auch in die Berufungsinstanz neu eingeführt werden, was
ohne Nachlässigkeit der Partei, hier der Klägerin, in der ersten Instanz nicht vorgetragen wurde.
Dazu gehören die erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz entstandenen
oder bekannt gewordenen Umstände. Die Tatsache der Übernahme aller Sortiertätigkeiten in der
Sortieranlage S durch die Berufungsbeklagte zu 4) ab 1. Juli 2005 ist erst nach Verkündung des
erstinstanzlichen Urteils am 12. Mai 2005 entstanden.
46 2. Nichts anderes ergibt sich, wenn man § 67 ArbGG als Spezialregelung zur Berücksichtigung
neuer Tatsachen in der Berufungsinstanz des arbeitsgerichtlichen Verfahrens versteht, die § 531
Abs. 2 ZPO vorgeht (BAG 25. Januar 2005 - 9 AZR 44/04 - BAGE 113, 247, 254 = AP AEntG § 1
Nr. 22 = EzA AEntG § 1 Nr. 8) . Nach § 67 Abs. 4 ArbGG ist neues Vorbringen, das nicht in der
Berufungsbegründung erfolgt, nur zulässig, wenn die neuen Angriffs- und Verteidigungsmittel erst
danach entstanden sind, das neue Vorbringen die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern
würde oder die Verspätung nicht auf einem Verschulden der Partei beruht. Das
Landesarbeitsgericht hat jedoch § 67 ArbGG nicht angewandt und folglich die Frage nicht geprüft,
ob die Zulassung des Vorbringens die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte, § 67 Abs. 4
Satz 2 ArbGG.
47 3. Da der Feststellungsantrag bereits auf Grund der bisherigen Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts unbegründet ist, kann das Revisionsgericht wegen Entscheidungsreife
auch selbst eine Sachentscheidung treffen (vgl. BGH 23. November 1960 - V ZR 102/59 - BGHZ
33, 398, 401) . Das Arbeitsverhältnis der Klägerin ist durch die wirksame Kündigung des Beklagten
zu 1) vom 3. Februar 2005 zum 12. Mai 2006 beendet worden. Der Klageantrag, dass ein
ungekündigtes Arbeitsverhältnis zwischen der Klägerin und der Berufungsbeklagten zu 4) seit dem
1. Juli 2005 besteht, war daher zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts
unbegründet, da das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt war.
Hauck
Böck
Breinlinger
zugleich für den ehrenamtlichen
Richter Bähringer,
der wegen Ablaufs der Amtszeit
an der Unterschrift verhindert ist
Hauck
Hickler