Urteil des BAG vom 15.03.2017

BAG (betriebsrat, mitbestimmungsrecht, antrag, initiativrecht, arbeitnehmer, arbeitgeber, mitbestimmung, betrieb, verhältnis zu, zpo)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Beschluß vom 21.7.2009, 1 ABR 42/08
Mitbestimmung bei Errichtung einer Beschwerdestelle nach § 13 AGG
Leitsätze
1. Der Betriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen bei der Einführung und
Ausgestaltung des Verfahrens, in dem Arbeitnehmer ihr Beschwerderecht nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG
wahrnehmen können. Er hat insoweit auch ein Initiativrecht.
2. Kein Mitbestimmungsrecht besteht bei der Frage, wo der Arbeitgeber die Beschwerdestelle errichtet
und wie er diese personell besetzt.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des
Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 17. April 2008 - 9 TaBV 9/08 - wird
zurückgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats hinsichtlich des Ortes und
der personellen Besetzung einer Beschwerdestelle nach § 12 Abs. 5, § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG
sowie über ein Initiativrecht des Betriebsrats zur Einführung eines Beschwerdeverfahrens.
2 Die Arbeitgeberin betreibt bundesweit Drogeriemärkte. Durch einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1
Ziff. 3 BetrVG aF sind abweichend von §§ 1, 4 BetrVG Filialen und Betriebsteile zu Betrieben
zusammengefasst. Für die Region T ist der antragstellende Betriebsrat errichtet. Die Verwaltung
der Betriebe erfolgt durch sog. Verkaufsbüros. Für die Region T war 2006 das Verkaufsbüro S
zuständig. Im November 2007 wurden mehrere Verkaufsbüros zu einem Vertriebsbüro
zusammengefasst. Seitdem gehört das frühere Verkaufsbüro S organisatorisch zum
Vertriebsbüro P bei G .
3 Mit Rundschreiben vom Dezember 2006 teilte die Arbeitgeberin den Arbeitnehmern mit, sie habe
eine betriebliche Beschwerdestelle gemäß § 13 AGG eingerichtet, und bat die Mitarbeiter, „alle das
AGG betreffenden Beschwerden an das für Sie zuständige Verkaufsbüro“ zu richten. Dies ist
derzeit das Vertriebsbüro in P. Der antragstellende Betriebsrat reklamierte daraufhin ein
Mitbestimmungsrecht bei der Einrichtung der Beschwerdestelle. Eine auf seinen Antrag vom
Arbeitsgericht zum Regelungsgegenstand „Einrichtung einer Beschwerdestelle gemäß § 13 Abs. 1
AGG“ errichtete Einigungsstelle erklärte sich mit Beschluss vom 13. Juli 2007 für unzuständig und
stellte das Verfahren ein.
4 In dem daraufhin von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Betriebsrat den Spruch der
Einigungsstelle angegriffen. Er hat die Auffassung vertreten, gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein
Mitbestimmungsrecht zu haben hinsichtlich des Ortes der Errichtung der Beschwerdestelle und
hinsichtlich deren Besetzung. Auch habe er ein Initiativrecht zur Einführung eines
Beschwerdeverfahrens. Die von der Arbeitgeberin vorgenommene Einrichtung einer externen, weit
entfernt gelegenen Beschwerdestelle entspreche nicht dem Zweck des Gesetzes.
5 Der Betriebsrat hat beantragt
festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle vom 13. Juli 2007 bezüglich der
Errichtung, Besetzung und des Verfahrens der Beschwerdestelle nach § 13 AGG
unwirksam ist.
6 Das Arbeitsgericht hat den Antrag, wie von der Arbeitgeberin begehrt, abgewiesen. Das
Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag
weiter.
7 B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben den Antrag des Betriebsrats
zu Recht abgewiesen. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht bei der Frage, an welchem
Ort der Arbeitgeber die Beschwerdestelle errichtet und wie er diese personell besetzt. Hinsichtlich
der Einführung eines Beschwerdeverfahrens hat er zwar ein Initiativrecht. Dieses steht aber nicht
ihm, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu.
8 I. Am Verfahren ist gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG neben dem antragstellenden Betriebsrat und der
Arbeitgeberin auch der Gesamtbetriebsrat beteiligt.
9 1. Die Beteiligung an einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren richtet sich danach, ob eine
Person oder Stelle durch die begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen oder
mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen ist. Betroffen ist ein
Betriebsverfassungsorgan, wenn es als Inhaber des streitigen Rechts materiellrechtlich ernsthaft
in Betracht kommt (BAG 28. März 2006 - 1 ABR 59/04 - Rn. 11 mwN, BAGE 117, 337).
10 2. Hier ist der Gesamtbetriebsrat durch die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung in seiner
betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar betroffen. Nach dem Wortlaut des vom
Betriebsrat gestellten, auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses der
Einigungsstelle vom 13. Juli 2007 gerichteten Antrags erscheint eine
betriebsverfassungsrechtliche Betroffenheit des Gesamtbetriebsrats zwar zweifelhaft. Die
gebotene Auslegung des Antrags ergibt jedoch, dass dieser auf die Feststellung des Bestehens
von Mitbestimmungsrechten bei der Einrichtung der von der Arbeitgeberin - betriebsübergreifend -
errichteten Beschwerdestelle gerichtet ist (vgl. zur Auslegung des Antrags näher unter B II 1).
Durch eine dem Antrag entsprechende Feststellung würde zugleich ausgesprochen, dass dem
Gesamtbetriebsrat an diesem Regelungsgegenstand kein Mitbestimmungsrecht zusteht. Ein
solches kommt jedoch ernsthaft in Betracht. Daher ist der Gesamtbetriebsrat am Verfahren
beteiligt. Seine Anhörung konnte vom Senat noch im Rechtsbeschwerdeverfahren nachgeholt
werden. Das Unterlassen der Anhörung in den Vorinstanzen und der darin liegende
Verfahrensfehler haben für die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses ohne eine darauf
gerichtete Verfahrensrüge keine Bedeutung (vgl. BAG 31. Mai 2005 - 1 ABR 22/04 - zu B I der
Gründe, BAGE 115, 49). Eine solche Rüge hat keiner der Beteiligten erhoben.
11 II. Der Antrag ist zulässig. Das prozessuale Begehr des Betriebsrats besteht aus drei Anträgen,
die im Wege der objektiven Antragshäufung verfolgt werden. Die mehreren Begehren sind
hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Betriebsrat hat das nach § 256 Abs. 1
ZPO erforderliche rechtliche Interesse an alsbaldiger Feststellung.
12 1. Der Antrag bedarf umfänglicher Auslegung.
13 a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind Anträge möglichst so auszulegen, dass
sie eine erstrebte Sachentscheidung zulassen. Dementsprechend ist ein Antrag, der auf die
Feststellung der Unwirksamkeit des Spruchs einer Einigungsstelle gerichtet ist, mit dem sich
diese mit der Begründung, es fehle für den betreffenden Gegenstand an einem
Mitbestimmungsrecht, für unzuständig erklärt hat, regelmäßig dahin auszulegen, es möge das
Bestehen eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts festgestellt werden (10. Dezember 2002 -
1 ABR 27/01 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 104, 187; 31. Mai 2005 - 1 ABR 22/04 - zu B II 1 a
der Gründe, BAGE 115, 49). Für einen ausschließlich auf die Feststellung der Unwirksamkeit
eines ihre Zuständigkeit verneinenden Spruchs der Einigungsstelle gerichteten Antrag wären die
Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO nicht gegeben. (Zwischen-)Beschlüsse, mit denen eine
Einigungsstelle ihre Zuständigkeit bejaht oder verneint, begründen kein Rechtsverhältnis iSv. § 256
Abs. 1 ZPO (10. Dezember 2002 - 1 ABR 27/01 - aaO; 31. Mai 2005 - 1 ABR 22/04 - aaO).
14 b) Hiernach ist der Antrag des Betriebsrats dahin zu verstehen, es möge das Bestehen der von
der Einigungsstelle verneinten Mitbestimmungsrechte festgestellt werden. Wie die weitere
Auslegung ergibt, reklamiert der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der betrieblichen
Verortung der Beschwerdestelle und deren personeller Besetzung sowie ein Initiativrecht
hinsichtlich der Einführung eines Beschwerdeverfahrens. In diesem Sinne hat auch das
Landesarbeitsgericht, wie sich aus seinen Entscheidungsgründen ergibt, der Sache nach das
Begehr des Betriebsrats verstanden. Der Verfahrensbevollmächtigte des Betriebsrats hat dieses
Verständnis seines Antrags in der Anhörung vor dem Senat ausdrücklich bestätigt.
15 2. In dieser Auslegung genügt der Antrag den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Mit
einer Sachentscheidung über das so verstandene Begehr ist hinreichend klar, inwieweit dem
Betriebsrat das streitige Mitbestimmungsrecht zusteht oder nicht.
16 3. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Das Bestehen und der Umfang eines
Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats betrifft ein betriebsverfassungsrechtliches
Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien und kann nach der ständigen Rechtsprechung
des Senats Gegenstand eines Feststellungsbegehrens iSv. § 256 Abs. 1 ZPO sein (vgl.
11. November 2008 - 1 ABR 68/07 - Rn. 12 ff. mwN, NZA 2009, 450). Dies gilt auch für ein
zwischen den Betriebsparteien streitiges Initiativrecht. Der Betriebsrat hat ein berechtigtes
Interesse an alsbaldiger gerichtlicher Feststellung. Die Arbeitgeberin bestreitet die vom Betriebsrat
beanspruchten Rechte. Es handelt sich um einen aktuellen Streit anlässlich der Errichtung der
Beschwerdestelle durch die Arbeitgeberin.
17 III. Die Anträge sind unbegründet.
18 1. Der Betriebsrat hat kein Mitbestimmungsrecht hinsichtlich der Frage, an welchem Ort die
Beschwerdestelle nach § 13 Abs. 1 AGG einzurichten ist. Ein solches Mitbestimmungsrecht folgt
weder unmittelbar aus § 12 Abs. 5, § 13 AGG noch aus dem Betriebsverfassungsgesetz.
19 a) § 13 Abs. 1 AGG begründet selbständig keine Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Die
Bestimmung schließt Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats weder aus noch erweitert sie die
Mitbestimmung (ebenso Fitting BetrVG 24. Aufl. § 87 Rn. 75). Dies macht auch § 13 Abs. 2 AGG
deutlich.
20 b) Auch aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergibt sich kein Recht des Betriebsrats, über den Ort
mitzubestimmen, an dem die Beschwerdestelle zu errichten ist.
21 aa) Ein entsprechendes Mitbestimmungsrecht scheitert nicht bereits an § 87 Abs. 1
Eingangshalbs. BetrVG. Das AGG enthält keine abschließende Regelung, wo die
Beschwerdestelle einzurichten ist. Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG haben die Beschäftigten „das
Recht, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu
beschweren“. Ferner bestimmt § 12 Abs. 5 Satz 1 AGG, dass „Informationen über die für die
Behandlung von Beschwerden nach § 13 zuständigen Stellen ... im Betrieb oder in der Dienststelle
bekannt zu machen“ sind. Damit ist nicht zwingend geregelt, wo die Beschwerdestelle zu errichten
ist. Dabei verlangt der Rechtsstreit keine abschließende Beantwortung der Frage, ob der
Arbeitgeber in jedem seiner Betriebe eine Beschwerdestelle einzurichten hat (so wohl
Bauer/Göpfert/Krieger AGG 2. Aufl. § 13 Rn. 7; Wendeling-Schröder/Stein AGG § 13 Rn. 12) -
und ob ggf. der Betriebsbegriff iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG identisch ist mit demjenigen des
Betriebsverfassungsrechts, insbesondere ob für ihn auch die Fiktion des § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG
gilt - oder ob auch bei Vorliegen mehrerer Betriebe die Errichtung einer für alle Beschäftigten
zuständigen Unternehmensbeschwerdestelle genügt (so zB Kocher in Schiek AGG § 13 Rn. 12;
Oetker NZA 2008, 264, 266; v. Roetteken Stand Juni 2009 AGG § 13 Rn. 18). Jedenfalls ist die
gesetzliche Regelung nicht derart zwingend, dass sie ein Organisationsermessen des
Arbeitgebers bei der Errichtung der Beschwerdestelle ausschlösse (vgl. Bauer/Göpfert/Krieger
§ 13 Rn. 5; Gach/Julis BB 2007, 773; Oetker NZA 2008, 264, 267; ErfK/Schlachter 9. Aufl. § 13
AGG Rn. 2; Wendeling-Schröder/Stein § 13 Rn. 11). Daher hat der Arbeitgeber bei der Verortung
der Beschwerdestelle einen Gestaltungsspielraum, der eine Mitgestaltung durch den Betriebsrat
ermöglichen würde.
22 bb) Gleichwohl besteht bei der Frage, wo die Beschwerdestelle zu errichten ist, kein
Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 BetrVG. Ein solches folgt insbesondere nicht aus § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Die Verortung der Beschwerdestelle ist keine Frage der Ordnung des
Betriebs oder des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb.
23 (1) Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche
Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Es beruht darauf, dass die
Arbeitnehmer ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen
Arbeitsorganisation erbringen und dabei dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den
Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Belegschaft im Betrieb
beeinflussen und koordinieren sollen. Bei solchen Maßnahmen hat der Betriebsrat
mitzubestimmen. Das soll gewährleisten, dass die Arbeitnehmer gleichberechtigt an der
Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens teilhaben (BAG 28. Mai 2002 - 1 ABR 32/01 - zu
B I 2 a der Gründe mwN, BAGE 101, 216). Die „Ordnung des Betriebs“ iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 1
BetrVG ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dessen Organisation. Diese unterfällt nicht der
Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Wiese GK-BetrVG 8. Aufl. § 87
Rn. 173 mwN; Fitting § 87 Rn. 63). Organisatorische Maßnahmen unterliegen vielmehr - in
bestimmten Fällen - den schwächeren Beteiligungsrechten nach §§ 90, 91 BetrVG. Zur
mitbestimmungsfreien Organisation des Arbeitgebers gehört auch dessen Befugnis zu
bestimmen, welche Personen oder Stellen für ihn im Verhältnis zu den Arbeitnehmern Rechte
wahrzunehmen und Pflichten zu erfüllen haben (BAG 13. Mai 1997 - 1 ABR 2/97 - zu B II 2 b der
Gründe mwN, AP BetrVG 1972 § 37 Nr. 119 = EzA BetrVG 1972 § 37 Nr. 135).
24 (2) Danach unterliegt die Entscheidung des Arbeitgebers, wo er die Beschwerdestelle einrichtet,
nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG . Bei der Bestimmung
der Beschwerdestelle geht es nicht um das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken
der Arbeitnehmer, sondern darum, welche Stelle oder Person für den Arbeitgeber berechtigt und
verpflichtet ist, die Beschwerden der Arbeitnehmer entgegenzunehmen. Dies betrifft die
mitbestimmungsfreie Organisation des Arbeitgebers.
25 2. Gleiches gilt für die personelle Besetzung der Beschwerdestelle.
26 a) Auch insoweit ist die Mitbestimmung des Betriebsrats nicht bereits nach § 87 Abs. 1
Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen. Vielmehr hat der Arbeitgeber einen
Gestaltungsspielraum, mit welchen Personen er die Beschwerdestelle besetzt. So kann nach der
Gesetzesbegründung zuständige Stelle iSv. § 13 Abs. 1 Satz 1 AGG beispielsweise ein
Vorgesetzter, eine Gleichstellungsbeauftragte oder eine betriebliche Beschwerdestelle sein (BT-
Drucks. 16/1780 S. 37).
27 b) Die personelle Besetzung der Beschwerdestelle betrifft - ebenso wenig wie die organisatorische
Verortung - nicht die Ordnung im Betrieb oder das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb iSv. § 87
Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Bauer/Göpfert/Krieger § 13 Rn. 6a; Fitting § 87 Rn. 75; Gach/Julis BB 2007,
773, 774; Oetker NZA 2008, 264, 270; v. Roetteken § 13 Rn. 20; Wendeling-Schröder/Stein § 13
Rn. 23; aA DKK/Klebe BetrVG 11. Aufl. § 87 Rn. 50; Ehrich/Frieters DB 2007, 1026, 1027; Hayen
JbArbR Bd. 44 S. 23, 44). Auch die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers, wen er mit der
Entgegennahme von Beschwerden betraut, ist Teil seiner mitbestimmungsfreien Organisation. Die
Besorgnis, der Arbeitgeber könne die Beschwerdestelle mit dafür ungeeigneten Personen
besetzen , rechtfertigt nicht die Annahme eines gesetzlich nicht vorgesehenen
Mitbestimmungsrechts. Falls der Arbeitgeber seine Verpflichtung, eine den Erfordernissen des
AGG genügende Beschwerdestelle einzurichten, in grober Weise verletzt, kann der Betriebsrat
dagegen nach § 17 Abs. 2 Satz 1 AGG vorgehen (Fitting § 87 aaO).
28 3. Der Antrag des Betriebsrats, ein Initiativrecht hinsichtlich der Einführung eines
Beschwerdeverfahrens festzustellen, ist ebenfalls unbegründet. Zwar besteht ein solches
Initiativrecht, falls eine Beschwerdestelle eingerichtet ist. Wenn und solange aber nicht eine
betriebliche, sondern ausschließlich eine betriebsübergreifende Beschwerdestelle errichtet ist,
steht dieses Initiativrecht nicht dem örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu. So
liegt der Fall hier.
29 a) Das entsprechende Initiativrecht folgt aus § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Das Beschwerdeverfahren
nach § 13 Abs. 1 AGG betrifft das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb. Der Betriebsrat hat
insoweit nicht nur ein Mitgestaltungsrecht bei vom Arbeitgeber beabsichtigten Maßnahmen,
sondern kann selbst initiativ werden.
30 aa) Nach der Rechtsprechung des Senats hat der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG bei
der Einführung und Ausgestaltung eines jedenfalls in gewissem Umfang standardisierten
Meldeverfahrens mitzubestimmen (BAG 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 68 mwN, AP BetrVG
1972 § 87 Nr. 14 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Ordnung Nr. 3). Durch ein standardisiertes
Meldeverfahren wird das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb gesteuert. Jedenfalls dann, wenn
das Meldeverfahren nicht lediglich das Arbeitsverhalten betrifft, unterliegt seine Ausgestaltung
daher der Mitbestimmung.
31 bb) Hiernach unterfällt die Einführung und Ausgestaltung eines Beschwerdeverfahrens nach § 13
Abs. 1 AGG der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG . Die Ausgestaltung des
Verfahrens ist darauf angelegt, das Ordnungsverhalten der Arbeitnehmer in standardisierter Weise
zu steuern. Dies genügt. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG setzt nicht
voraus, dass es sich um verbindliche, verhaltensbegründende Regeln handelt (BAG 22. Juli 2008
- 1 ABR 40/07 - Rn. 59, AP BetrVG 1972 § 87 Nr. 14 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche
Ordnung Nr. 3).
32 b) Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist mit einem entsprechenden
Initiativrecht des Betriebsrats verbunden (ebenso Bauer/Göpfert/Krieger § 13 Rn. 6a;
Ehrich/Frieters DB 2007, 1026, 1027; Fitting § 87 aaO; Hayen JbArbR Bd. 44 S. 23, 44; aA
Gach/Julis BB 2007, 773, 775 f.). Soweit sich aus dem Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87
Abs. 1 BetrVG keine Beschränkungen ergeben, enthält das Mitbestimmungsrecht ein Initiativrecht
des Betriebsrats (vgl. etwa Wiese GK-BetrVG § 87 Rn. 233 mwN; H/S/W/G/N/R-Worzalla BetrVG
7. Aufl. § 87 Rn. 115a; Richardi BetrVG 11. Aufl. § 87 Rn. 201). Derartige Beschränkungen sind
hier nicht ersichtlich.
33 c) Dem Antrag des Betriebsrats kann gleichwohl auch insoweit nicht entsprochen werden. Da die
von der Arbeitgeberin eingerichtete Beschwerdestelle sich nicht auf den Betrieb Region T
beschränkt, sondern darüber hinaus weitere Betriebe erfasst, steht das Mitbestimmungsrecht
nicht dem antragstellenden örtlichen Betriebsrat, sondern dem Gesamtbetriebsrat zu. Dies folgt
aus § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Bei der Ausgestaltung des Beschwerdeverfahrens für eine
überbetriebliche Beschwerdestelle handelt es sich um eine Angelegenheit, die mehrere Betriebe
betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden kann.
Schmidt
Kreft
Linsenmaier
Brunner
M. Zumpe