Urteil des BAG vom 10.05.2007
BAG (kläger, unwirksamkeit der kündigung, arbeitnehmer, kündigung, mitarbeiter, konzern, verhältnis zu, zumutbarkeit, stelle, unternehmen)
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 10.5.2007, 2 AZR 4/06
Zumutbarer Ersatzarbeitsplatz
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln
vom 30. September 2005 - 12 (10) Sa 394/05 - aufgehoben, soweit es dem
Kündigungsschutzantrag stattgegeben und über die Kosten entschieden hat.
2. In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten von Revision und Anschlussrevision - an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
3. Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung, über
die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger einen neuen Arbeitsvertrag zu verschaffen und um
einen Weiterbeschäftigungsanspruch des Klägers.
2 Der Kläger (schwerbehindert mit Grad 50) war bei der Beklagten, einem Unternehmen des L-
Konzerns bzw. zuvor bei der L AG als deren Rechtsvorgängerin seit 1990 beschäftigt, zuletzt als
Expedient und Postabfertiger. Auf das Arbeitsverhältnis finden - neben den konzernweit geltenden
betrieblichen Regelungen - die einschlägigen Tarifverträge Anwendung, ua. der Manteltarifvertrag
Nr. 14 für das Bodenpersonal vom 31. August 1992 (nachfolgend: MTV) und der Tarifvertrag
“Abkommen zum Schutz der Mitarbeiter im D-Konzern vor nachteiligen Folgen aus
Rationalisierungsmaßnahmen (Schutzabkommen)” vom 18. April 1980, idF vom 1. Oktober 1995
(nachfolgend: TV-S). Die Tarifverträge waren ursprünglich für die Angehörigen des
Bodenpersonals der D (D), der L GmbH (L) und der C GmbH (C) abgeschlossen worden. Ihr
Geltungsbereich wurde auf Grund des Tarifvertrags zur Erweiterung des Geltungsbereiches vom
1. Dezember 1994 auf eine Vielzahl von Unternehmen des D-Konzerns erweitert, ua. auch auf die
Beklagte.
3 Nach § 41 Abs. 2 Satz 2 MTV beträgt bei einer Beschäftigungszeit von mehr als 12 Jahren bei
einer ordentlichen Kündigung des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers die Kündigungsfrist sechs
Monate zum Schluss eines Kalendervierteljahres.
4 Im TV-S heißt es ua.:
“§ 2 Zielsetzung
Die Tarifvertragsparteien stimmen überein, dass die Sicherung der
Beschäftigungsverhältnisse eine vorrangige Bedeutung hat. Die Fortsetzung eines
Arbeitsverhältnisses mit einem von einer Maßnahme nach §§ 3 und 4 betroffenen Mitarbeiter
zu geänderten angemessenen Bedingungen im D-Konzern ist daher vornehmliches Ziel der
nachfolgenden Vorschriften.
§ 3 Betriebliche Veränderungen für erhebliche Teile der Belegschaft
Als Maßnahme im Sinne des Tarifvertrages gelten Betriebsänderungen gemäß § 111
BetrVG, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft
zur Folge haben können.
...
§ 6 Einschränkung des ordentlichen Kündigungsrechts
(1) Bewirkt eine Maßnahme nach § 3, dass die bisherige Tätigkeit eines Mitarbeiters in
Quantität und/oder Qualität ganz oder überwiegend entfällt, ist eine Kündigung durch den
Arbeitgeber gleichwohl nicht zulässig, wenn die Weiterbeschäftigung des Mitarbeiters unter
geänderten angemessenen Vertragsbedingungen auf einem anderen zumutbaren
Arbeitsplatz im Konzern (D/C/L) möglich ist und der Mitarbeiter dazu sein Einverständnis
erklärt hat, insbesondere
a) wenn der Mitarbeiter auf einem anderen Arbeitsplatz im selben Betrieb oder in einem
anderen Betrieb innerhalb des Konzerns am gleichen oder einem anderen Ort in seiner
bisherigen Tätigkeit oder in einer anderen zumutbaren Tätigkeit weiterbeschäftigt werden
kann,
b) wenn eine Weiterbeschäftigung im Sinne des Buchstaben a) nach zumutbaren
Umschulungs- und Fortbildungsmaßnahmen möglich ist und ein Mitarbeiter sein
Einverständnis zu Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen erklärt hat.
...
(3) Bei der Beurteilung der Zumutbarkeit im Sinne der Vorschriften der Absätze (1) und (2)
sind neben beruflichen und wirtschaftlichen Umständen auch die sozialen Belange des
Betroffenen im Verhältnis zu den sozialen Belangen anderer Beteiligter ausreichend zu
berücksichtigen. Die Zumutbarkeit des Einsatzes auf einem anderen Arbeitsplatz wird für
jeden Fall unterstellt, wenn sie nach den Maßstäben des Arbeitsförderungsgesetzes
(einschließlich ergänzender Regelungen) bzw. RVO (Verweisungsberufe) gegeben ist.
(4) Lehnt ein Mitarbeiter einen nach den Absätzen (1) und (2) angebotenen zumutbaren
Arbeitsplatz ab, so entfallen Ansprüche aus diesem Tarifvertrag.
…
§ 10 Individualrechte im Interessenausgleich/Sozialplan
a) Die Vorschriften der §§ 111 ff. BetrVG bleiben unberührt. Im
Interessenausgleich/Sozialplan nach §§ 111 ff. BetrVG sind Einzelheiten des Vollzuges nach
den Vorschriften der §§ 6, 7, 9 und 12 dieses Tarifvertrages zu regeln.
...
§ 11 Wiedereinstellung
(1) Werden für Arbeitsplätze im Konzern Einstellungen vorgenommen, sind ehemalige
Mitarbeiter des Konzerns, die aufgrund einer Maßnahme im Sinne des § 3 entlassen worden
sind, anderen (externen) Bewerbern bei gleicher Qualifikation und Eignung vorzuziehen,
wenn seit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr als 36 Monate vergangen
sind.
...”
5 Die Regelungen im TV-S werden durch die Konzernbetriebsvereinbarung
Interessenausgleich/Sozialplan für das Bodenpersonal vom 20. November 1992 idF der
Verlängerungsregelung vom 26. Juli 2000 (nachfolgend: KBV IA/Sozplan) konkretisiert. Gemäß
§ 3 KBV IA/Sozplan werden durch Personalabbau freiwerdende Stellen nur dann neu besetzt,
wenn dies zur Aufrechterhaltung des ordnungsgemäßen Betriebs unerlässlich ist. § 4 KBV
IA/Sozplan lautet auszugsweise:
“§ 4 Vermittlung freier Arbeitsplätze
Gemäß § 3 zu besetzende, freie Arbeitsplätze werden auf der Grundlage der BetrVbgen
“Stellenausschreibung” und “Auswahlrichtlinien” ausgeschrieben, sofern sie nicht durch
Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter besetzt werden können, deren Arbeitsplatz entfallen ist.
Vorrangig sollen Arbeitsplätze am gleichen Ort, im selben Betrieb, einem anderen
Unternehmensbetrieb oder bei anderen Konzerngesellschaften, nachrangig überörtlich im
Unternehmens- und Konzernbereich angeboten und vermittelt werden.
...”
6 Die Beklagte entschied sich am 26. Mai 2003 ihren Betrieb zum 31. Oktober 2003 vollständig
einzustellen. Im Zuge dieser Entscheidung vereinbarte sie am 23. September 2003 mit dem bei ihr
gebildeten Betriebsrat vor dem Hintergrund des TV-S einen Teilinteressenausgleich (nachfolgend:
Teil-IA LDD), der ua. folgenden Inhalt hat:
“§ 1
Regelungsgegenstand
Vorrangiges Ziel des bevorstehenden Interessenausgleichs ist es, den betroffenen
Mitarbeitern eine Beschäftigungsmöglichkeit innerhalb des Konzerns zu erhalten.
LDD wird deshalb gemäß den hier getroffenen Regelungen dafür Sorge tragen, dass vor
Durchführung sonstiger Maßnahmen geprüft worden ist, ob innerhalb des Konzerns
Beschäftigungsmöglichkeiten für die von der Betriebsänderung betroffenen Mitarbeiter
bestehen. Zur Förderung dieses Zieles werden gemäß § 10 Buchst. a) und 6 des
Tarifvertrags Schutzabkommen vom 03.04.1980 in dieser Vereinbarung Vollzugsregelungen
zu § 6 des Tarifvertrages geschaffen.
§ 2
Vermittlungsprozess
Der Vermittlungsprozess wird in zwei Schritten durchgeführt. In einem ersten Schritt ist vor
Durchführung sonstiger Maßnahmen zu versuchen, den betroffenen Arbeitnehmern eine
andere Beschäftigung im Konzern zu vermitteln (Vorvermittlung). In einem zweiten Schritt
wird auch während der Teilnahme von Mitarbeitern an Fördermaßnahmen bzw. bei
Nichtteilnahme auch bis zum Ablauf ihrer Kündigungs-/ sozialen Auslauffrist der Versuch
fortgesetzt, sie auf freie Arbeitsplätze im Konzern zu vermitteln.”
7 § 4 Teil-IA LDD enthält einzelne Vorschriften für das Prüfungsverfahren bei der Vorvermittlung. § 5
Teil-IA LDD regelt für die erfolgreiche Vorvermittlung Folgendes:
“§ 5
Erfolgreiche Vorvermittlung
1. Ist die Vorvermittlung erfolgreich, so schließt der vermittelte Mitarbeiter mit LDD einen
Aufhebungsvertrag und begründet unter Anwendung der entsprechenden
Konzernregelungen einen Arbeitsvertrag mit dem entsprechenden Unternehmen des L
Konzerns (Versetzung im Konzern).
...”
8 Unter dem 10. Oktober 2003 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat einen
Interessenausgleich und Sozialplan (nachfolgend IA/Sozplan LDD), der unter Teil A -
Interessenausgleich - Folgendes vorsieht:
“§ 3
Betriebliche Durchführung
...
6. Weitere Teilbetriebsübergänge werden ebenso angestrebt, wie die individuelle
Vermittlung, insbesondere im Rahmen des Teilinteressenausgleichs vom 23. September
2003.”
9 Für bis 8. November 2003 nicht übergegangene bzw. vermittelte Mitarbeiter sieht der IA/Sozplan
LDD unter Teil B - Sozialplan - ein Beschäftigungssicherungsprogramm mit Übertritt in eine
Transfergesellschaft vor. Daneben enthält der IA/Sozplan LDD Abfindungsregelungen.
10 Im Rahmen der Durchführung des Prüfungsverfahrens zur Vermittlung des Klägers nach § 4 Teil-
1A LDD erhielt der Kläger Ende Oktober 2003 die Anfrage wegen der Stellenbesetzung einer
Fachkraft Fluggastdienste. Die Stelle wurde nicht mit ihm, sondern anderweitig besetzt. Eine
weitere Anfrage erhielt der Kläger ebenfalls Ende Oktober 2003 wegen der Stelle eines Call Center
Agent von der L G T in B. An dieser Stelle war der Kläger nicht interessiert. Bewerbungen des
Klägers auf zwei Poststellen des Hausdienstes bei der L AG blieben erfolglos.
11 Die Beklagte legte ihren Betrieb zum 31. Oktober 2003 endgültig still und beendete sämtliche
81 Arbeitsverhältnisse. Hinsichtlich der Kündigung gegenüber dem Kläger beantragte sie am
10. November 2003 die Zustimmung des Integrationsamtes. Dieses erteilte mit Bescheid vom
23. Dezember 2003 die Zustimmung zur fristgerechten Kündigung des Klägers wegen Stilllegung
des Betriebs zum 31. Oktober 2003. Der Bescheid des Integrationsamtes wurde der Beklagten
am selben Tag ausgehändigt. Der zur Kündigung gehörte Betriebsrat hatte dieser mit Schreiben
vom 11. November 2003 widersprochen. Am 23. Dezember 2003 kündigte die Beklagte das
Arbeitsverhältnis schriftlich zum 30. Juni 2004. Dabei ist zwischen den Parteien streitig, ob das
Kündigungsschreiben vor Zugang der Entscheidung des Integrationsamts abgesandt wurde.
Zugegangen beim Kläger ist es am 24. Dezember 2003.
12 Der Kläger hat Kündigungsschutzklage erhoben und die Verurteilung der Beklagten zur
Verschaffung eines zumutbaren Arbeitsplatzes bei einem konzernangehörigen Unternehmen
sowie seine Weiterbeschäftigung begehrt, hilfsweise die Feststellung eines
Weiterbeschäftigungsverhältnisses gem. § 102 Abs. 5 BetrVG. Die Kündigung sei schon formell
unwirksam, da vor Zugang der Zustimmung des Integrationsamts abgesandt. Sie sei aber auch
sozialwidrig. Er habe auf Grund der tariflichen Regelung, insbesondere des TV-S einen Anspruch
auf Weiterbeschäftigung bei einem anderen Konzernunternehmen. Entsprechende
Beschäftigungsmöglichkeiten hätten auch bei der AG bzw. einer weiteren L-Tochter bestanden.
Dort würden regelmäßig Leiharbeitnehmer eingesetzt. Auf einen dieser Arbeitsplätze hätte er
übernommen werden können und müssen. Der angebotene Arbeitsplatz in B sei unzumutbar
gewesen, er habe ihn auch nicht einfach abgelehnt, sondern mit Rücksicht auf seine soziale Lage
eine höhere Vergütung als angeboten gefordert. Hinsichtlich der Position der Fachkraft
Fluggastdienst könne die Beklagte nicht einwenden, dass er das Anforderungsprofil der Stelle nicht
erfüllt habe. Er habe an der Universität Rochville den akademischen Grad des Master of Business
Administration mit dem Abschluss summa cum laude erworben und damit zweifellos die
Voraussetzung einer kaufmännischen Ausbildung erfüllt.
13 Der Kläger hat zuletzt beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die ordentliche Kündigung
vom 23. Dezember 2003 nicht aufgelöst worden ist,
2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger einen zumutbaren Arbeitsplatz zu
angemessenen Vertragsbedingungen, insbesondere unter Anerkennung der bisherigen
Konzernzugehörigkeit bei einem konzernangehörigen Unternehmen im Geltungsbereich
des Abkommens zum Schutz der Mitarbeiter im D-Konzern vor nachteiligen Folgen aus
Rationalisierungsmaßnahmen (Tarifvertrag Schutzabkommen) vom 18. April 1980 zu
verschaffen,
3. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des
Kündigungsschutzverfahrens als Postabfertiger oder mit einer vergleichbaren Tätigkeit
zu beschäftigen,
hilfsweise festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Weiterbeschäftigungsverhältnis
gemäß § 102 Abs. 5 BetrVG besteht.
14 Die Beklagte hat zur Stützung ihres Klageabweisungsantrags behauptet, sie habe die Kündigung
erst nach Zugang des Zustimmungsbescheides des Integrationsamts abgesandt. Eine
Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Konzern habe nicht bestanden. Sie habe alle
kollektivrechtlichen Maßnahmen zur Vermittlung des Klägers innerhalb des Konzerns eingehalten.
Die ausgeschriebenen/angebotenen Stellen seien bis auf die Stelle in B für ihn aus
gesundheitlichen oder fachlichen Gründen nicht in Betracht gekommen. Soweit sich der Kläger auf
anderweitige Arbeitsplätze beziehe, die mit Leiharbeitnehmern besetzt seien, sei durch das andere
Konzernunternehmen nur ein vorübergehender Bedarf abgedeckt worden und sie habe in die
Unternehmerentscheidung des anderen Unternehmens, Arbeiten nur vorübergehend durch
Leiharbeitnehmer verrichten zu lassen, nicht eingreifen können. Dies sei ihr weder rechtlich noch
tatsächlich möglich gewesen. Die Position in den Fluggastdiensten sei für den Kläger nicht in
Betracht gekommen, da ärztlicherseits noch kurz vor der Kündigung seine fehlende
Schichtdiensttauglichkeit festgestellt worden sei. Außerdem habe der Kläger das
Anforderungsprofil für diese Stelle nicht erfüllt. Der vom Kläger insoweit für sich in Anspruch
genommene Universitätsabschluss sei nach dem Internet-Auftritt der entsprechenden Institution in
einfacher Ausführung für 499,00 $ und in der “summa cum laude”-Version für weitere 90,00 $ ohne
Studium, ohne Wartefrist und ohne Examen käuflich. Bei der dem Kläger angebotenen Position als
Call Center Agent habe es sich unter diesen Umständen um ein zumutbares Angebot gehandelt.
Der Kläger habe dieses Angebot ohne Weiteres einfach abgelehnt. Er habe sich nicht einmal über
die zahlreichen Vergünstigungen informiert, die nach den einschlägigen Rechtsnormen ihm eine
Umsetzung nach B sozial erleichtert hätten. Ansprüche des Klägers aus dem TV-S seien deshalb
nach dessen § 6 Abs. 4 entfallen. Der Verschaffungsanspruch des Klägers scheitere schon an
seiner fehlenden Zulässigkeit, der Weiterbeschäftigungsanspruch an der Unwirksamkeit des
Widerspruchs des Betriebsrats.
15 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der
Kündigungsschutzklage stattgegeben, den Verschaffungsanspruch und den Hilfsantrag als
unzulässig sowie den Weiterbeschäftigungsanspruch als unbegründet abgewiesen. Das
Landesarbeitsgericht hat für beide Parteien die Revision zugelassen. Mit ihrer Revision verfolgt die
Beklagte weiterhin ihren Antrag auf völlige Klageabweisung, der Kläger mit der Anschlussrevision
seine Ansprüche, soweit er zweitinstanzlich unterlegen ist.
Entscheidungsgründe
16 Die Revision ist begründet, die Anschlussrevision unbegründet. Auf Grund der Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts lässt sich noch nicht abschließend beurteilen, ob die Kündigung das
Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst hat. Die mit der Anschlussrevision verfolgten Ansprüche
des Klägers sind hingegen unbegründet.
17 A. Das Landesarbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und angenommen, die
Unwirksamkeit der Kündigung folge aus § 6 TV-S. Danach sei die Beklagte zur Prüfung einer
konzernweiten Weiterbeschäftigungsmöglichkeit verpflichtet gewesen. Tatsächlich hätten
entsprechende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten bestanden, für die der Kläger geeignet
gewesen sei. Dies gelte vor allem für die bei der L T L GmbH mit Leiharbeitnehmern besetzten
Positionen. Die Beklagte könne sich nicht auf die unternehmerische Freiheit dieses Unternehmens
berufen, Arbeitsplätze nur mit Leiharbeitnehmern besetzen zu wollen. Aus dem besonderen
Schutzzweck der tariflichen Regelungen ergebe sich die Verpflichtung, dem Kläger eine
entsprechende Arbeitsmöglichkeit zu verschaffen. Der Kläger habe seinen Anspruch aus § 6
Abs. 1 TV-S auch nicht nach Abs. 4 verwirkt, weil er den ihm angebotenen Arbeitsplatz als Call
Center Agent in B abgelehnt habe. Diese Beschäftigung sei für ihn unter den hier gegebenen
Umständen nicht zumutbar gewesen. Ob die anderen dem Kläger zunächst angebotenen Stellen
mit ihm hätten besetzt werden müssen, könne deshalb dahinstehen. Der mit dem weiteren Antrag
gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch des Klägers, ihm einen angemessenen
Arbeitsplatz im Konzern zu verschaffen, sei unzulässig, da es dem Antrag an der erforderlichen
Bestimmtheit fehle.
18 B. Dem folgt der Senat nur teilweise.
19 I. Die Unwirksamkeit der Kündigung lässt sich nicht mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen
Begründung bereits aus § 6 Abs. 1 TV-S herleiten. Die bisherigen Feststellungen tragen nicht die
Entscheidung, dass der Kläger bei Ausspruch der Kündigung überhaupt noch Ansprüche aus dem
TV-S herleiten konnte.
20 1. Nach § 6 Abs. 4 TV-S entfallen alle Ansprüche aus diesem Tarifvertrag, wenn der Mitarbeiter
einen nach § 6 Abs. 1 und 2 angebotenen zumutbaren Arbeitsplatz abgelehnt hat. Eine solche
tarifliche Regelung ist sinnvoll und entspricht einem sachgerechten Ausgleich der beiderseitigen
Interessen. Ein tariflicher Sonderkündigungsschutz, wie ihn § 6 TV-S vorsieht, begründet
erhebliche Pflichten des Arbeitgebers, im vorliegenden Fall sogar konzernweit anstatt einer sonst
etwa wegen Betriebsschließung möglichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den
betroffenen Arbeitnehmer anderweitig nach Beschäftigungsmöglichkeiten zu suchen. Diesen
Arbeitgeberpflichten entspricht aber die Obliegenheit des besonders geschützten Arbeitnehmers,
die entsprechenden Bemühungen auf Arbeitgeberseite nicht dadurch zu unterlaufen, dass er sich
gegen Alternativen, die ihm in zumutbarer Weise eine Weiterbeschäftigung ermöglichen, sperrt
(BAG 13. Mai 2004 - 2 AZR 36/04 - AP BGB § 626 Krankheit Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 2;
28. März 1985 - 2 AZR 113/84 - BAGE 48, 220; Buchner, Anm. zu EzA BGB § 626 nF Nr. 96) .
Die durch einen derartigen Sonderkündigungsschutz bewirkte Einschränkung der
Dispositionsfreiheit des Arbeitgebers kann regelmäßig nur dann zu sachgerechten Ergebnissen
führen, wenn auch der Arbeitnehmer eine hinreichende Flexibilität zeigt und etwa bei einer
Betriebsschließung sich auf andere Beschäftigungsmöglichkeiten einlässt, auch wenn sie mit
erheblich geänderten Arbeitsbedingungen verbunden sind. Es ist unter diesen Umständen
rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Tarifpartner bereits an die Ablehnung eines zumutbaren
Arbeitsangebots den Verlust des Sonderkündigungsschutzes insgesamt anknüpfen (BAG
2. Februar 2006 - 2 AZR 222/05 - AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 52) .
21 2. Die Beklagte hat dem Kläger einen Arbeitsplatz als Call Center Agent bei der L G T angeboten.
22 a) Der Kläger hat diesen Arbeitsplatz nach den nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge
angegriffenen und damit den Senat bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
abgelehnt, weil er an dieser Stelle nicht interessiert war. Es kommt nicht entscheidend darauf an,
ob es sich hierbei um eine “einfache” Ablehnung handelte oder der Kläger vor der endgültigen
Ablehnung erfolglos versucht hat, eine höhere Vergütung für diese Tätigkeit zu erzielen. Auch eine
Verpflichtung zum Angebot in Form einer Änderungskündigung enthält § 6 Abs. 4 TV-S nicht.
23 b) Ein Sonderkündigungsschutz nach § 6 Abs. 1 TV-S, wie ihn das Landesarbeitsgericht
angenommen hat, setzt deshalb in jedem Fall voraus, dass es sich bei dem Angebot der Stelle bei
der L G T nicht um das Angebot eines zumutbaren Arbeitsplatzes gehandelt hat und der Kläger auf
Grund seiner Ablehnung seiner Rechte aus dem TV-S nicht bereits nach § 6 Abs. 4 TV-S verlustig
gegangen ist. Das Landesarbeitsgericht ist von einer Unzumutbarkeit des Angebots ausgegangen,
hat aber bei der Prüfung der Zumutbarkeit des bei der L G T angebotenen Arbeitsplatzes im
Wesentlichen nur auf die Sozialdaten des Klägers und den Umstand abgestellt, bei einem anderen
Konzernunternehmen, der L T/L GmbH würden noch Leiharbeitnehmer beschäftigt. Diese
Begründung greift zu kurz.
24 3. Bei der Auslegung des Begriffs Zumutbarkeit iSv. § 6 Abs. 4 TV-S sind insbesondere Sinn und
Zweck und Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung zu berücksichtigen. Die Tarifpartner
gehen hier davon aus, dass bei Betriebsänderungen der vorliegenden Art eine
Weiterbeschäftigung der betreffenden Arbeitnehmer im Konzern als die bevorzugenswerte Lösung
anzusehen ist (§§ 6 ff. TV-S). Sie sehen jedoch bei fehlender Möglichkeit einer
Weiterbeschäftigung andere Schutzmechanismen vor (§§ 10 ff. TV-S). Damit ist ersichtlich kein
derart starker Schutz der betroffenen Arbeitnehmer beabsichtigt, dass die zeitnahe Durchführung
der beabsichtigten Betriebsänderung letztlich ganz erheblich verzögert oder gar blockiert werden
könnte. Dem entspricht es, dass die Tarifpartner in § 10 TV-S festgelegt haben, die Einzelheiten,
wie die konzernweite Suche nach anderen Arbeitsplätzen stattzufinden habe, seien im
Interessenausgleich/Sozialplan zu regeln. Eine derartige betriebsnahe Regelung durch die
Betriebsparteien macht einen Sonderkündigungsschutz, wie ihn § 6 TV-S gewährt, erst
handhabbar und ermöglicht einem Konzernunternehmen mit ca. 80 Mitarbeitern, in einem Konzern
mit über 50.000 Arbeitnehmern seiner Pflicht der konzernweiten Suche nach anderen
Beschäftigungsmöglichkeiten sinnvoll nachzukommen. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit eines
anderweitigen Beschäftigungsangebots nach § 6 Abs. 4 TV-S sind deshalb insbesondere auch die
Verfahrensvorschriften, hier also die entsprechende Konzernbetriebsvereinbarung, der
Teilinteressenausgleich und der Interessenausgleich und Sozialplan vom 10. Oktober 2003 mit zu
berücksichtigen.
25 a) Nach § 6 Abs. 3 TV-S sind bei der Prüfung der Zumutbarkeit eines Beschäftigungsangebots die
sozialen Belange des Betroffenen nur neben beruflichen und wirtschaftlichen Umständen zu
berücksichtigen und auch dies nur im Verhältnis zu den sozialen Belangen anderer Beteiligter.
Lässt sich konzernweit nur ein Arbeitsplatz für den betroffenen Arbeitnehmer finden, so dürfen
zwar eine damit verbundene Einkommensminderung und ein erforderlicher Umzug nicht
unberücksichtigt bleiben. Es steht jedoch nach der tariflichen Regelung fest, dass nach Wertung
der Tarifpartner auch entfernter gelegene Arbeitsplätze im Konzern zumutbar sein können; die
Nachteile durch eine etwaige Umsetzung und/oder Einkommensminderung werden darüber
hinaus nach §§ 7 ff. TV-S durch weitere Schutzmaßnahmen erheblich abgemildert. Soweit ein
Arbeitnehmer versucht, unabhängig von diesen Schutzregelungen eine tariflich nicht zu
rechtfertigende höhere Vergütung für die angebotene Stelle zu erzielen, so kann er mit der
Ablehnung einer solchen übertariflichen Bezahlung durch den Arbeitgeber nach dem
Gesamtzusammenhang des TV-S jedenfalls nicht die Unzumutbarkeit des angebotenen
Arbeitsplatzes iSv. § 6 Abs. 4 TV-S begründen.
26 b) Ergeben sich mehrere Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, für die auch andere Arbeitnehmer
mit einem entsprechenden Sonderkündigungsschutz fachlich und persönlich in Frage kommen, so
hat der Arbeitgeber nach § 6 Abs. 3 TV-S die sozialen Belange der in Frage kommenden
Arbeitnehmer zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen, die Berücksichtigung beruflicher
und wirtschaftlicher Umstände bei seiner Entscheidung ist ihm jedoch nicht verwehrt. Hier darf vor
allem die unterschiedliche fachliche und persönliche Eignung der betreffenden Mitarbeiter
berücksichtigt werden. Auch eine Auswahlentscheidung, die unter angemessener
Berücksichtigung dieser Umstände den nach den bloßen Sozialdaten schutzbedürftigen
Mitarbeiter auswählt, wird regelmäßig als ausreichend anzusehen sein.
27 c) Bestehen für den Arbeitnehmer mit Sonderkündigungsschutz mehrere Möglichkeiten der
Weiterbeschäftigung, ohne dass berufliche und wirtschaftliche Umstände und die sozialen Belange
anderer Arbeitnehmer dem entgegenstünden, so fordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass
der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer den Arbeitsplatz anbietet, der seine Interessen am wenigsten
beeinträchtigt und mit der geringsten Abweichung von den bisherigen Arbeitsbedingungen
verbunden ist. Verstößt der Arbeitgeber hiergegen und bietet dem Arbeitnehmer einen anderen
Arbeitsplatz an, der zwar als einzige Weiterbeschäftigungsmöglichkeit noch zumutbar wäre, der
die Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers aber mehr als erforderlich verschlechtert, so zieht die
Ablehnung des Arbeitsangebots, das nicht dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entspricht, nicht
die Rechtsfolge des § 6 Abs. 4 TV-S nach sich.
28 d) Bei der Prüfung, auf welche Arbeitsplätze sich der Arbeitnehmer in diesem Zusammenhang
überhaupt berufen kann, sind - wie bereits dargelegt - die Verfahrensvorschriften zu beachten, die
nach § 10 TV-S regeln, wie im Einzelnen der Arbeitgeber vorzugehen hat, um konzernweit die
Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die betroffenen Arbeitnehmer zu prüfen. Da diese
Verfahrensvorschriften überhaupt erst sicherstellen, dass ein kleineres Konzernunternehmen etwa
bei einer Betriebsschließung Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die hiervon betroffenen
Arbeitnehmer in zumutbarer Weise und in zumutbarer Zeit prüfen kann, sprechen Sinn und Zweck
und Gesamtzusammenhang des Tarifvertrags dafür, dass die Tarifvertragsparteien in erster Linie
auf die Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten abstellen wollten, die sich aus dem in allen Einzelheiten
zu regelnden Prüfungsverfahren ergeben. Erst in einem solchen - auf seine sachgerechte
Durchführung ohne Weiteres überprüfbaren - Verfahren kann das einzelne Konzernunternehmen
überhaupt Kenntnis davon erlangen, welche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für die betroffenen
Arbeitnehmer konzernweit bestehen. Bei der Prüfung der Zumutbarkeit eines Angebots iSv. § 6
Abs. 3, 4 TV-S kann sich das einzelne Konzernunternehmen deshalb in der Regel auf die
Arbeitsplätze beschränken, die bei ordnungsgemäßer Durchführung des konzernweiten
Prüfungsverfahrens bekannt geworden sind oder von denen es zumindest Kenntnis erlangen
konnte. Eine Auslegung, die die Zumutbarkeit eines angebotenen Arbeitsplatzes schon deshalb
entfallen lässt, weil ohne Kenntnis oder auch nur Möglichkeit der Kenntnisnahme in einem
ordnungsgemäß geregelten Verfahren an anderer Stelle in einem großen Konzern doch noch ein
geeigneter freier Arbeitsplatz vorhanden war, überspannt deshalb regelmäßig die
Prüfungspflichten, die die Tarifvertragsparteien dem einzelnen Konzernunternehmen erkennbar
allein auferlegen wollten. Um solche Risiken auch noch auszuschließen, müsste das einzelne
Konzernunternehmen, wenn es dazu überhaupt die Möglichkeit hätte, Untersuchungen in einem
Umfang anstellen, der eine sachgerechte Vorbereitung einer derartigen Betriebsänderung kaum
mehr in zumutbarer Weise durchführbar machen würde. Nur ausnahmsweise (etwa bei einem
hierauf gestützten Widerspruch des Betriebsrats) sind danach andere Arbeitsplätze, auf die sich
der Arbeitnehmer nachträglich bezieht, überhaupt in die Prüfung nach § 6 Abs. 4 TV-S
einzubeziehen.
29 e) § 6 Abs. 4 iVm. § 6 Abs. 3 TV-S stellt im Übrigen, wie die mit § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG insoweit
gleiche Formulierung erkennen lässt, auf freie Arbeitsplätze ab. Wird dem Arbeitnehmer ein freier
Arbeitsplatz angeboten, so kann er regelmäßig die Zumutbarkeit des Angebots nicht mit dem
Hinweis bestreiten, es hätte für ihn ein anderer, noch günstigerer Arbeitsplatz freigemacht werden
müssen (BAG 18. Oktober 2000 - 2 AZR 494/99 - BAGE 96, 78) . Das gilt insbesondere deshalb,
weil ein einzelnes Konzernunternehmen regelmäßig nicht die rechtliche und tatsächliche Macht
hat, auf die wirtschaftlichen Entscheidungen eines entsprechenden anderen
Konzernunternehmens hinreichend Einfluss zu nehmen. Dies muss insbesondere für
Beschäftigungsmöglichkeiten gelten, die das andere Konzernunternehmen auf Grund seiner
unternehmerischen Entscheidung gar nicht als Arbeitsplätze iSv. § 6 Abs. 4 TV-S vorhält, sondern
den entsprechenden Bedarf in anderer Weise (Werkvertrag, Arbeitnehmerüberlassung etc.)
abdeckt. Der Senat muss hier nicht entscheiden, wie im Rahmen des § 1 KSchG der Umstand zu
bewerten wäre, dass ein Arbeitgeber betriebsbedingt kündigen möchte, obwohl er für die
entsprechenden Arbeiten in seinem Betrieb auch Leiharbeitnehmer einsetzt. Im Rahmen der hier
erforderlichen Zumutbarkeitsprüfung ergibt schon die Auslegung des § 6 TV-S, dass der
tatsächlich vorhandene und dem Arbeitnehmer angebotene Arbeitsplatz einer vom Arbeitnehmer
nachträglich geltend gemachten theoretischen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in einem Bereich,
in dem erst ein von einem Arbeitnehmer zu besetzender Arbeitsplatz geschaffen werden müsste,
vorgeht.
30 4. Nach diesen Grundsätzen reichen die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts
nicht aus, eine Unzumutbarkeit des dem Kläger gemachten Arbeitsplatzangebots anzunehmen.
31 a) Bei dem dem Kläger von der Beklagten angebotenen und nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts von ihm abgelehnten Arbeitsplatz handelt es sich zwar nicht um einen
ortsnahen Arbeitsplatz. Das Landesarbeitsgericht hat bei der Prüfung der Zumutbarkeit des
Arbeitsplatzes auch zutreffend auf die soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers abgestellt, für den
angesichts seiner Familienverhältnisse und insbesondere seiner Schwerbehinderteneigenschaft
ein Arbeitsplatz in Wohnortnähe jedenfalls eher zumutbar gewesen wäre. Andererseits hat das
Landesarbeitsgericht, wie die Revision zutreffend rügt, unberücksichtigt gelassen, dass die
tariflichen Regelungen und insbesondere der Interessenausgleich/Sozialplan die nachteiligen
Folgen der Betriebsschließung für die Arbeitnehmer nicht lediglich durch § 6 Abs. 1 TV-S
absichern. Es hätten vielmehr für den Fall, dass der Kläger den von seinem Wohnort entfernten
Arbeitsplatz annahm, Übergangsregelungen gegolten, die geeignet gewesen wären, dem Kläger
den Übergang in ein Arbeitsverhältnis bei der anderen Konzernfirma erheblich zu erleichtern.
Darüber hinaus enthält der Sozialplan umfangreiche Regelungen zu einem
Beschäftigungssicherungsprogramm, durch das für die ehemaligen Mitarbeiter der Beklagten, die
daran teilnehmen, die unmittelbaren Folgen einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses ebenfalls
wirtschaftlich erheblich erträglicher gemacht werden. Eine Teilnahme an diesem
Beschäftigungsprogramm hat der Kläger aber abgelehnt. Da nach § 6 Abs. 3 TV-S die sozialen
Belange des betroffenen Arbeitnehmers nur neben beruflichen und wirtschaftlichen Umständen
auch zu berücksichtigen sind, hätte das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung der Zumutbarkeit
des Angebots einer Weiterbeschäftigung nicht unberücksichtigt lassen dürfen, dass die
Arbeitnehmer, die infolge der Betriebsschließung nicht weiterbeschäftigt werden können, durch
erhebliche weitere Schutzmaßnahmen zusätzlich abgesichert sind.
32 b) Das von den Tarifvertrags- und Betriebsparteien festgelegte Prüfungsverfahren hat für den Fall
des Klägers mehrere Stellen in verschiedenen Konzernunternehmen ergeben, die für eine
Weiterbeschäftigung des Klägers grundsätzlich in Frage kamen. Dabei standen einer Besetzung
der Stelle bei der L G T mit dem Kläger aus Sicht der Beklagten und dieses anderen
Konzernunternehmens keine Bedenken entgegen. Hinsichtlich der anderen Arbeitsplätze, die sich
im Rahmen des Prüfungsverfahrens für den Kläger ergeben haben, hat das Landesarbeitsgericht,
von seinem rechtlichen Ansatzpunkt her konsequent, keine Feststellungen getroffen und die
Zumutbarkeit dieser Stellen für den Kläger weder im Rahmen des § 6 Abs. 1, noch im Rahmen
des § 6 Abs. 4 TV-S geprüft. Dies wird nach der Zurückverweisung nachzuholen sein.
33 c) Angesichts der danach erfolgreichen Durchführung des tariflich vorgesehenen
Prüfungsverfahrens ist es rechtsfehlerhaft, dass das Landesarbeitsgericht eine Unzumutbarkeit
des Arbeitsplatzes bei der L G T allein mit der Begründung angenommen hat, die Beklagte habe
nicht hinreichend dargelegt, dass der Kläger nicht anstatt eines Leiharbeitnehmers bei der L T/L
GmbH hätte weiterbeschäftigt werden können. Nach den Feststellungen des
Landesarbeitsgerichts bestand bei diesem Konzernunternehmen kein Arbeitsplatz, der nach dem
unternehmerischen Konzept dieses Unternehmens für die Besetzung mit einem Arbeitnehmer frei
gewesen wäre. Es ist kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass die Beklagte wusste oder auch nur
nach ordnungsgemäßer Durchführung des von den Tarifvertragsparteien vorgesehenen
Prüfungsverfahrens wissen konnte, dass das andere Konzernunternehmen für Arbeiten, die für
den Kläger möglicherweise in Betracht gekommen wären, Leiharbeitnehmer beschäftigte. Ebenso
wenig ist ersichtlich, dass die Beklagte bei einer derartigen Kenntnis auch nur die geringsten
rechtlichen oder tatsächlichen Möglichkeiten gehabt hätte, auf das unternehmerische Konzept des
anderen Konzernunternehmens Einfluss zu nehmen und zu erreichen, dass die L T/L GmbH
anstatt der in einem bestimmten Bereich bisher beschäftigten Leiharbeitnehmer den Kläger oder
mehr oder weniger zahlreiche Arbeitnehmer einstellte, für die die Beklagte selbst infolge der
Betriebsschließung keine Arbeit mehr hatte. Würde man von einem kleinen Konzernunternehmen
wie der Beklagten verlangen, im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung nach § 6 TV-S auch
konzernweit solche entfernt liegenden Möglichkeiten einer Weiterbeschäftigung zu prüfen, so
wären Betriebsänderungen wie die Schließung des Betriebes der Beklagten zeitnah kaum mehr
durchzuführen. Es ist angesichts der Gesamtregelung des TV-S nicht davon auszugehen, dass
die Tarifpartner den Schutz des § 6 TV-S in solch unpraktikabler Weise zu Gunsten der
betroffenen Arbeitnehmer ausdehnen wollten.
34 II. Da das Landesarbeitsgericht die von ihm angenommene Unwirksamkeit der Kündigung schon
aus der Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung bei der L T/L GmbH hergeleitet hat, hat es aus
seiner Sicht konsequent die Wirksamkeit der Kündigung im Übrigen, insbesondere nach § 1
KSchG und §§ 85 ff. SGB IX nicht geprüft. Dies wird nach der Zurückverweisung nachzuholen
sein.
35 III. Die Anschlussrevision ist unbegründet.
36 1. Der Antrag des Klägers auf Verschaffung eines angemessenen Arbeitsvertrags durch die
Beklagte bei einem konzernangehörigen Unternehmen im Geltungsbereich des TV-S genügt nicht
dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
37 a) Nach dieser Norm muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des
Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Streitgegenstand
und der Umfang der gerichtlichen Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis müssen klar umrissen
sein (vgl. BAG 19. März 2003 - 4 AZR 271/02 - BAGE 105, 275) . Die klagende Partei muss
eindeutig festlegen, welche Entscheidung sie begehrt (vgl. BAG 9. Oktober 2002 - 5 AZR 160/01 -
AP ZPO § 253 Nr. 40 = EzA ZPO § 253 Nr. 23) . Bei einer stattgebenden Entscheidung darf keine
Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen (BAG 23. Januar 2002 - 4 AZR 461/99 -) .
Der Streit der Parteien darf nicht in die Vollstreckung verlagert werden.
38 b) Diesen Anforderungen wird der Antrag, dem Kläger einen angemessenen Arbeitsvertrag bei
einem konzernangehörigen Unternehmen im Geltungsbereich des TV-S zu verschaffen, nicht
gerecht.
39 aa) Bereits die - an § 6 Abs. 5 Satz 2 TV-S angelehnte - Formulierung der Verschaffung eines
“angemessenen” Arbeitsvertrags lässt nicht erkennen, welchen Inhalt der Arbeitsvertrag im
Hinblick auf die Art der begehrten Beschäftigung und deren Umfang haben soll. Es wäre
zumindest erforderlich gewesen, dass der Kläger konkrete, seiner Auffassung nach verfügbare
Beschäftigungsmöglichkeiten im Konzern benennt, die er wahrnehmen kann und die ihm die
Beklagte verschaffen soll. In diesem Fall wäre die Frage der Angemessenheit der Überprüfung im
Rahmen der Begründetheit zugänglich gewesen. Ohne eine entsprechende Einschränkung war
die Beklagte hingegen nicht in der Lage, zu erkennen, welcher Verpflichtung sie nachkommen soll.
Gleiches gilt, soweit der Kläger einen Vertrag bei “einem konzernangehörigen Unternehmen”
begehrt, ohne dass konkrete Unternehmen genannt werden. Auch hier ist der Umfang der
Verschaffungspflicht nicht bestimmbar.
40 bb) Die weit gefasste Antragsformulierung lässt sich auch nicht mit dem Argument rechtfertigen,
der Kläger wolle mit ihr lediglich die materielle Rechtslage berücksichtigen.
41 Zwar beinhaltet die vom Kläger aus § 6 Abs. 5 Satz 2 TV-S hergeleitete Verschaffungspflicht eine
Wahlschuld nach §§ 262 ff. BGB, bei der das Wahlrecht im Zweifel der Beklagten als Schuldnerin
zusteht. Auch das Vorliegen einer Wahlschuld führt jedoch nicht zur Zulässigkeit eines
unbestimmten Antrags. Bei einer Wahlschuld mit Wahlberechtigung des Schuldners muss der
Gläubiger alternativ auf Bewirkung der einen oder der anderen Leistung klagen; die entsprechende
Verurteilung lässt das Wahlrecht des Schuldners unberührt, da erst der Beginn der
Zwangsvollstreckung dieses Wahlrecht gemäß § 264 BGB beschneidet (MünchKomm
BGB/Krüger 4. Aufl. § 262 Rn. 9; Staudinger/Selb BGB 1995 § 262 Rn. 17; Stein/Jonas/Schumann
ZPO 21. Aufl. § 253 Rn. 122) .
42 Die Aufzeigung konkreter Beschäftigungsmöglichkeiten ist dem Kläger auch nicht wegen der
Konzernstruktur unzumutbar. Zwar trifft im Rahmen einer Kündigungsschutzklage bei einem
ausnahmsweise vorliegenden Konzernbezug des Arbeitsverhältnisses den Arbeitgeber im
Bestreitensfall eine gesteigerte und den Arbeitnehmer eine geringere Darlegungslast hinsichtlich
der Einsatzmöglichkeiten bei anderen zum Konzern gehörenden Unternehmen, bei denen der
Arbeitnehmer vereinbarungsgemäß beschäftigt werden könnte (Senat 21. Januar 1999 - 2 AZR
648/97 - BAGE 90, 353) . Dabei kann - je nach den Umständen - eine abgestufte Darlegungs- und
Beweislast in Betracht kommen (vgl. BAG 20. November 2003 - 8 AZR 580/02 - NZA 2004, 489;
BGH 3. Mai 2002 - V ZR 115/01 - NJW-RR 2002, 1280) . Dies ändert jedoch nichts daran, dass
der Kläger grundsätzlich anzugeben hat, wie er sich seine anderweitige konzernweite
Beschäftigung auf einem zudem freien Arbeitsplatz vorstellt.
43 2. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen
hat - mit dem Hauptantrag unbegründet, mit dem Hilfsantrag unzulässig.
44 a) Die Anschlussrevision bringt keine überzeugenden Argumente dagegen vor, dass eine
Weiterbeschäftigung des Klägers zu den im Hauptantrag genannten Arbeitsbedingungen
unmöglich ist. Infolge der Betriebsschließung hat die Beklagte keine Arbeiten mehr, mit denen sie
den Kläger als Postabfertiger oder in einer vergleichbaren Tätigkeit beschäftigen könnte.
Abgesehen davon bestehen auch erhebliche Bedenken dagegen, einen ordnungsgemäßen
Widerspruch des Betriebsrats anzunehmen. Indem der Betriebsrat auf Arbeitsmöglichkeiten in
anderen Konzernunternehmen verweist, macht er keinen der Widerspruchsgründe des § 102
Abs. 3 BetrVG geltend. Eine Ausdehnung der Widerspruchsgründe nach § 102 BetrVG auf eine
konzernweite Weiterbeschäftigung unterliegt grundsätzlichen Bedenken.
45 b) Hinsichtlich des Hilfsantrags ist das Landesarbeitsgerichts zutreffend von dessen
Unzulässigkeit ausgegangen. Wenn der Kläger als einziges Interesse an seinem
Feststellungsantrag geltend macht, er wolle einen Zahlungsantrag vorbereiten, so ist die
Zahlungsklage vorrangig und der Kläger hat kein hinreichendes rechtliches Interesse iSv. § 256
ZPO, mehrfach, zunächst auf Feststellung, später auf Zahlung zu klagen.
46 IV. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung auch insgesamt über die Kosten
des Rechtsstreits zu entscheiden haben.
Rost
Bröhl
Schmitz-Scholemann
Thelen
Heise