Urteil des BAG vom 15.03.2017

BAG (kläger, ortszuschlag, verhältnis zu, ehefrau, höhe, bag, ehepartner, grund, vergütung, beamtenverhältnis)

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 30.10.2008, 6 AZR 682/07
Vergleichsentgelt nach § 5 TVÜ-VKA - Berücksichtigung des hälftigen Ortszuschlags Stufe 2 - mittelbare
Diskriminierung wegen des Geschlechts - allgemeiner Gleichheitssatz - Schutz von Ehe und Familie
Leitsätze
§ 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA, wonach bei der Überleitung des Beschäftigten vom BAT in den TVöD bei
der Bildung des Vergleichsentgelts die Stufe 1 des Ortszuschlags zugrunde zu legen ist, wenn der
Beschäftigte mit einer Person verheiratet ist, die nach beamtenrechtlichen Grundsätzen einen
Familienzuschlag erhält, verstößt weder gegen Art. 3 Abs. 1 noch gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Niedersachsen vom 8. August 2007 - 2 Sa 1768/06 E - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung nach Überleitung des Klägers vom Bundes-
Angestelltentarifvertrag (BAT) in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) zum
1. Oktober 2005.
2 Der am 21. Februar 1967 geborene Kläger ist bei der Beklagten seit dem 1. Januar 2002 als
vollzeitbeschäftigter technischer Angestellter beschäftigt. Die Ehefrau des Klägers steht in einem
Beamtenverhältnis. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers findet kraft Bezugnahme im
Arbeitsvertrag seit dem 1. Oktober 2005 der TVöD Anwendung.
3 Der Kläger erhielt bis zum September 2005 eine Vergütung in Höhe von insgesamt 3.598,78 Euro.
Diese setzte sich wie folgt zusammen:
Grundvergütung
2.905,36 Euro
Ortszuschlag Stufe 1
502,36 Euro
Ortszuschlag Stufe 2 zur Hälfte 53,45
Euro
allgemeine Zulage
114,60 Euro
Technikerzulage
23,01
Euro.
4 Ohne Technikerzulage betrug das Bruttogehalt 3.575,77 Euro.
5 Nach der Überleitung in den TVöD erhielt der Kläger eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 12
Stufe 3+. Das Vergleichsentgelt betrug 3.522,32 Euro und setzte sich wie folgt zusammen:
Grundvergütung
2.905,36 Euro
Ortszuschlag Stufe 1 502,36 Euro
allgemeine Zulage
114,60 Euro.
6 Der Kläger erhielt zusätzlich die Technikerzulage in Höhe von 23,01 Euro weiterbezahlt. Der
hälftige Ortszuschlag Stufe 2 wurde bei der Bemessung des Vergleichsentgelts nicht
berücksichtigt. Wäre der hälftige Ortszuschlag berücksichtigt worden, hätte sich das
Vergleichsentgelt auf 3.575,77 Euro belaufen und sich für den Kläger eine Eingruppierung in die
Entgeltgruppe 12 Stufe 4+ ergeben.
7 Die Ehefrau des Klägers erhält seit dem 1. Oktober 2005 statt des halben den vollen
Verheirateten-Bestandteil des Familienzuschlags. Auf Grund der neuen Berechnung des
Familienzuschlags und der Nichtberücksichtigung des hälftigen Ortszuschlags Stufe 2 beim
Kläger sank das Familiengesamteinkommen ab dem 1. Oktober 2005 monatlich um 0,81 Euro
brutto.
8 Zum 1. Oktober 2007 hatte der Kläger gem. § 6 Abs. 2 des Tarifvertrags zur Überleitung der
Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts
(TVÜ-VKA) Anspruch auf die nächsthöhere Stufe der Entgeltgruppe 12. Der Verdienst erhöhte
sich damit auf 3.550,00 Euro. Wäre der hälftige Ortszuschlag Stufe 2 bei der Berechnung des
Vergleichsentgelts berücksichtigt worden, wäre der Kläger in die Stufe 5 der Entgeltgruppe 12
aufgestiegen. Er hätte dann einen Monatsverdienst in Höhe von 4.000,00 Euro bezogen.
9 Der Kläger hat geltend gemacht, die Regelungen des Tarifvertrags zur Überleitung der
Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts
(TVÜ-VKA) vom 13. September 2005 seien verfassungswidrig. Sie verstießen gegen den
Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen Art. 6 GG. Des Weiteren liege eine mittelbare
Diskriminierung übergeleiteter Männer iSv. § 3 Abs. 2 AGG sowie eine Umgehung der
Vorschriften des Kündigungsschutzgesetzes vor.
10 Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Oktober 2005 Entgelt nach der
Entgeltgruppe 12 Stufe 4+ mit einem Vergleichsentgelt von 3.575,77 Euro brutto zuzüglich
einer Technikerzulage von 23,01 Euro brutto zu zahlen.
11 Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrags die Vorschriften des TVÜ-VKA
als verfassungsgemäß verteidigt.
12 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des
Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
13 Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht
abgewiesen.
14 I. Die Klage ist zulässig. Der Feststellungsantrag bedarf allerdings der Auslegung. Es geht dem
Kläger erkennbar nicht um die Feststellung einer Verpflichtung der Beklagten, ihm ab dem
1. Oktober 2005 eine Vergütung in Höhe von 3.575,77 Euro zu zahlen, sondern um die
Feststellung, dass er zum 1. Oktober 2005 mit diesem Vergleichsentgelt von 3.575,77 Euro in den
TVöD übergeleitet worden ist. Nur dann nimmt der Kläger auch an der tariflichen
Gehaltsentwicklung teil.
15 II. Die Klage ist nicht begründet.
16 1. Die Beklagte hat das nach § 5 TVÜ-VKA zu berechnende Vergleichsentgelt zutreffend
bestimmt. Nach § 5 Abs. 2 TVÜ-VKA setzt sich das für die Zuordnung zu den Stufen der
Entgelttabelle des TVöD zu bildende Vergleichsentgelt bei Beschäftigten aus dem Geltungsbereich
des BAT aus der Grundvergütung, der allgemeinen Zulage und dem Ortszuschlag Stufe 1 oder 2
zusammen. Ist auch eine andere Person iSv. § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT/BAT-O/BAT-
Ostdeutsche Sparkassen ortszuschlagsberechtigt oder nach beamtenrechtlichen Grundsätzen
familienzuschlagsberechtigt, wird nur die Stufe 1 zugrunde gelegt. Da die Ehefrau des Klägers als
Beamtin gem. § 40 BBesG familienzuschlagsberechtigt ist, sind die Voraussetzungen des § 5
Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz TVÜ-VKA erfüllt. Der Kläger war - wie erfolgt - mit dem Ortszuschlag
Stufe 1 in den TVöD überzuleiten.
17 2. § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG.
18 a) Die Tarifvertragsparteien haben bei der tariflichen Normsetzung den Gleichheitssatz des Art. 3
Abs. 1 GG zu beachten. Ihnen steht dabei allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Sie
brauchen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt
vielmehr, wenn für die getroffene Regelung ein sachlich vertretbarer Grund besteht. Der
Gleichheitssatz wird in einer Tarifnorm nur verletzt, wenn es die Tarifvertragsparteien versäumt
haben, tatsächliche Gemeinsamkeiten oder Unterschiede der zu ordnenden Lebensverhältnisse
zu berücksichtigen, die so bedeutsam sind, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken
orientierten Betrachtungsweise beachtet werden müssen. Die Grenzen der Gestaltungsfreiheit
sind insbesondere dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu
anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung
rechtfertigen können (BVerfG 28. Januar 2003 - 1 BvR 487/01 - BVerfGE 107, 133, 141; Senat
25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - Rn. 24, ZTR 2008, 380 mwN) . Die Tarifvertragsparteien
überschreiten ebenso wie der Gesetzgeber im Beamtenbesoldungsrecht die Grenzen der
Gestaltungsfreiheit bei der Bestimmung der Voraussetzungen und der Höhe des
ehegattenbezogenen Bestandteils des Ortszuschlags mit der Folge einer Verletzung des Art. 3
Abs. 1 GG, wenn die ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte mit Gesetzlichkeiten, die
in der Natur der Sache selbst liegen, und mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten
Betrachtungsweise nicht mehr vereinbar ist (BVerfG 15. Oktober 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerfGE 71,
39) . Es muss mit anderen Worten ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Differenzierung
fehlen, es sich also um eine Regelung handeln, die unter keinem sachlich vertretbaren
Gesichtspunkt gerechtfertigt erscheint, so dass die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung
evident ist (so zu § 40 BBesG BVerwG 18. September 2007 - 2 B 27/07 - mwN).
19 b) Der Ortszuschlag Stufe 2 stellt keine Gegenleistung für erbrachte Leistungen, sondern einen
sozialen Ausgleich für den Mehraufwand dar, der sich aus den mit einer Ehe typischerweise
verbundenen finanziellen Belastungen ungeachtet einer konkreten Bedarfssituation ergibt. Ihm
kommt somit in erster Linie eine soziale, familienstandsbezogene Ausgleichsfunktion zu (Senat
17. Juli 2008 - 6 AZR 635/07 - ZTR 2008, 613; 27. April 2006 - 6 AZR 437/05 - BAGE 118, 123 ) .
Für den Ortszuschlag Stufe 2 enthält der BAT in § 29 Abschn. B Abs. 5 eine seit dem Inkrafttreten
des 49. Änderungstarifvertrags zum BAT am 1. Mai 1982 geltende Konkurrenzregelung. Hierdurch
wurde die bis dahin sinngemäß anzuwendende beamtenrechtliche Vorschrift des § 40 BBesG
ersetzt. § 40 BBesG sah ursprünglich für Beamte die vollen Ehegattenanteile des Ortszuschlags
zugunsten beider im öffentlichen Dienst tätiger Ehepartner vor. Durch das
Haushaltsstrukturgesetz vom 18. Dezember 1975 (BGBl. I S. 3091) wurde die dem § 29
Abschn. B Abs. 5 BAT entsprechende Kürzungsregelung eingeführt, die mit Wirkung zum 1. Juli
1978 (BGBl. I S. 869) um die dritte Alternative der „entsprechenden Leistung“ ergänzt wurde. Mit
der Änderung der Ortszuschlagsregelung für beiderseits im öffentlichen Dienst tätige Ehegatten
sollte dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bislang derselbe Tatbestand doppelt aus
öffentlichen Kassen abgegolten wurde. Die Neuregelung sollte sicherstellen, dass grundsätzlich
der volle Ehegattenanteil für beide Ehepartner zusammen übrig bleibt. Da die Tarifvertragsparteien
im Jahr 1982 die Neuregelung des § 40 BBesG in den BAT übernommen haben, sind die
Überlegungen zum Ziel der gesetzlichen Regelung auf den tariflichen Regelungszweck
übertragbar (Senat 6. August 1998 - 6 AZR 166/97 - AP BAT § 29 Nr. 14 = EzBAT BAT § 29
Nr. 25; zu § 40 BBesG vgl. BVerwG 1. September 2005 - 2 C 24/04 - NVwZ 2006, 352) . Die
Konkurrenzregelung in § 29 Abschn. B Abs. 5 BAT bezweckt, der Erwerbsgemeinschaft der
Ehegatten (zu diesem Begriff BAG 9. April 2008 - 4 AZR 149/07 -) den ihr auf Grund ihrer
Familienverhältnisse zustehenden Ortszuschlag grundsätzlich in voller Höhe zu erhalten.
20 c) Daran gemessen verstößt § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
21 aa) Soweit der Kläger geltend macht, er werde im Verhältnis zu Kollegen, die nicht mit einer
Beamtin verheiratet sind, ungleich behandelt, berücksichtigt er nicht hinreichend den
familienbezogenen Charakter des Ortszuschlags Stufe 2. Wenngleich der Ortszuschlag nach § 26
BAT Teil des Arbeitsentgelts ist, wird er doch unabhängig von der Arbeitsleistung bezahlt und
knüpft bezüglich der Höhe allein an die familiären Umstände an. Der Ortszuschlag Stufe 2 soll der
Erwerbsgemeinschaft der Ehegatten einmal in grundsätzlich voller Höhe zukommen, wenn ein
Ehegatte im öffentlichen Dienst vollbeschäftigt oder beide Ehegatten mit jeweils mindestens der
Hälfte der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit im öffentlichen Dienst
beschäftigt sind (vgl. BAG 16. August 2005 - 9 AZR 580/04 - EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 17) .
Diesem Ziel dient auch die Konkurrenzregelung in § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA, indem dort
bestimmt ist, dass beim Vergleichsentgelt des in den TVöD übergeleiteten verheirateten
Angestellten nur der Ortszuschlag Stufe 1 zu berücksichtigen ist, wenn sein Ehepartner nach
beamtenrechtlichen Grundsätzen familienzuschlagsberechtigt ist und deshalb gem. § 40 Abs. 4
BBesG den vollen Familienzuschlag erhält. Die Erwerbsgemeinschaft der Ehegatten wird in
diesem Fall in Bezug auf die Zahlung des Ortszuschlags Stufe 2 im Wesentlichen genauso
behandelt wie im Falle eines Angestellten des öffentlichen Dienstes, dessen Ehepartner in einem
privatwirtschaftlichen Unternehmen tätig ist; der Angestellte erhält dann den vollen Ortszuschlag
Stufe 2. Marginale Vergütungsdifferenzen ergeben sich allein daraus, dass im Streitzeitraum der
volle Ortszuschlag Stufe 2 mit 106,90 Euro um 1,62 Euro höher war als der hier maßgebliche
beamtenrechtliche Familienzuschlag mit 105,28 Euro. Soweit die Übergangsregelung dazu führt,
dass sich auf Grund des etwas geringeren beamtenrechtlichen Familienzuschlags das
Familieneinkommen um monatlich 0,81 Euro verringert, ist hierin kein sachlich evident
unvertretbarer Sachverhalt zu sehen, der zu einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG führen könnte
(vgl. BAG 27. April 2006 - 6 AZR 437/05 - BAGE 118, 123; BVerwG 18. September 2007 - 2 B
27/07 - Rn. 10 zu einer Vergütungsdifferenz von 1,65 Euro beim Familienzuschlag).
22 bb) Der Hinweis des Klägers, er starte in das neue Vergütungssystem des TVöD, das nur
leistungsbezogen sei, unter schlechteren Voraussetzungen, weil er mit einer Beamtin verheiratet
sei, ist nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen. Richtig ist zwar, dass
der Kläger auf Grund der neu gebildeten Entgeltgruppen in eine höhere Entgeltstufe aufgestiegen
wäre, wenn er weiterhin den halben Ortszuschlag Stufe 2 bezogen hätte. Die Tarifvertragsparteien
waren allerdings nicht verpflichtet, eine Regelung zu schaffen, die dem Kläger einen solchen
Aufstieg ermöglicht hätte. In Bezug auf Leistungen mit besonderem Charakter, wie den tariflichen
Ortszuschlag, sind die Tarifvertragsparteien nicht verpflichtet, ein Regelwerk zu vereinbaren, das
sämtliche auch nur mittelbar auftretende Unterschiede berücksichtigt und finanziell ausgleicht. Die
Tarifvertragsparteien können vielmehr unter Inkaufnahme im Einzelfall eintretender mittelbarer
Nachteile Bestimmungen treffen, die familienbezogene Vergütungsbestandteile in genereller Weise
behandeln. Die Tarifvertragsparteien müssen nicht bei der Aufstellung der Überleitungsregelungen
den bisherigen Zustand unter Berücksichtigung aller Beschäftigungskonstellationen
überzuleitender Paare erhalten (Senat 25. Oktober 2007 - 6 AZR 95/07 - ZTR 2008, 380). Die sich
vorliegend für den Kläger ergebenden Nachteile beruhen auf der Stufenbildung im
Entgeltgruppensystem des TVöD und nicht unmittelbar auf der unterbliebenen Berücksichtigung
des hälftigen Ortszuschlags Stufe 2. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der vom Kläger
angeführte Nachteil nicht entstanden wäre, wenn er etwas älter gewesen und deshalb einer
höheren Lebensaltersstufe (§ 26a BAT) zuzuordnen gewesen wäre. Andererseits hätte der Kläger
auch mit dem vollen Ortszuschlag Stufe 2 nicht die höhere Entgeltstufe 5 der Entgeltgruppe 12
TVöD erreicht, wenn er etwas jünger und deshalb in einer niedrigeren Lebensaltersstufe gewesen
wäre.
23 cc) Das nach § 5 TVÜ-VKA ermittelte Vergleichsentgelt soll den Angestellten gem. § 6 Abs. 1
TVÜ-VKA davor schützen, nach der Überleitung in den TVöD schlechter vergütet zu werden als
zuvor. Das Vergleichsentgelt garantiert, dass auch nach der Überleitung des Arbeitsverhältnisses
der bisherige Besitzstand gewahrt wird (vgl. Senat 26. Juni 2008 - 6 AZR 498/07 - ZTR 2008, 547).
Die in § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA getroffene Übergangsregelung dient der Besitzstandswahrung
entsprechend dem Status des Arbeitnehmers zum Überleitungsstichtag, dem 1. Oktober 2005
(Senat 17. Juli 2008 - 6 AZR 635/07 - ZTR 2008, 613) . Auch wenn es im Geltungsbereich des
TVöD seit dem 1. Oktober 2005 keine familienbezogenen Entgeltbestandteile mehr gibt, waren die
Tarifvertragsparteien nicht gehindert, im Rahmen der Überleitung der Arbeitsverhältnisse vom
BAT in den TVöD den Ortszuschlag bei der Bemessung des Vergleichsentgelts zu
berücksichtigen und so den Besitzstand der Arbeitnehmer zum Überleitungsstichtag zu sichern.
Ob insoweit auch andere, nach Meinung des Klägers bessere Regelungen denkbar sind, ist im
Rahmen der Prüfung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG unerheblich, weil die
Zweckmäßigkeit einer Tarifregelung nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
24 dd) Die Annahme der Revision, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sei auch darin zu sehen, dass
der Kläger im Verhältnis zu einem Arbeitnehmer, dessen Ehefrau sich im September 2005 in
Elternzeit befunden habe, ungleich behandelt werde, weil nach der im Änderungstarifvertrag Nr. 2
vom 31. März 2008 zum TVÜ-VKA enthaltenen Protokollerklärung Nr. 2 zu § 5 Abs. 2 Satz 2
TVÜ-VKA der Beschäftigte befristet für die Dauer des Ruhens des Arbeitsverhältnisses seines
Ehepartners zusätzlich zu seinem Entgelt den vollen Unterschiedsbetrag zwischen der Stufe 1
und der Stufe 2 des Ortszuschlags als Besitzstandszulage erhalte, ist unzutreffend. Hierbei
handelt es sich um eine andere Fallkonstellation. Der Fall, dass sich der Ehepartner des
Angestellten im September 2005 in Elternzeit befand, ist nicht vergleichbar mit dem Fall, dass der
Ehepartner des Angestellten ab Oktober 2005 nach beamtenrechtlichen Grundsätzen den vollen
Familienzuschlag erhält. Dass die Ehefrau des Klägers - wie in der Revisionsbegründung
vorgetragen - im März 2008 ein Kind bekommen hat und nunmehr Elternzeit in Anspruch nimmt,
ist für die Bestimmung des Vergleichsentgelts nach § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA unerheblich. Die
unterschiedliche Behandlung knüpft an einen sachgerecht gewählten Zeitpunkt an, nämlich an die
Verhältnisse im Monat September 2005 als dem Monat, welcher unmittelbar vor dem Inkrafttreten
des TVöD sowie des TVÜ-VKA am 1. Oktober 2005 lag. Stichtagsregelungen sind Ausdruck einer
gebotenen pauschalisierenden Betrachtung und aus Gründen der Praktikabilität ungeachtet der
damit möglicherweise verbundenen Härten zur Abgrenzung des begünstigten Personenkreises
gerechtfertigt, wenn sich die Wahl der Stichtagsregelung - wie hier - am gegebenen Sachverhalt
orientiert und demnach vertretbar ist (vgl. BAG 12. Dezember 2007 - 10 AZR 24/07 - EzA BGB
2002 § 242 Gleichbehandlung Nr. 16).
25 ee) Die durch den Änderungstarifvertrag Nr. 2 vom 31. März 2008 zum TVÜ-VKA weiterhin
eingefügte Protokollerklärung Nr. 3 zu § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA, wonach für den Fall, dass die
andere familienzuschlagsberechtigte Person im September 2005 aus dem öffentlichen Dienst
ausgeschieden ist, das Tabellenentgelt ab dem 1. Juli 2008 auf Antrag neu zu berechnen ist und
Basis der Neuberechnung die Stufenzuordnung ist, die sich zum 1. Oktober 2007 ergeben hätte,
wenn das Vergleichsentgelt unter Berücksichtigung der Stufe 2 des Ortszuschlags gebildet
worden wäre, ist entgegen der Auffassung der Revision gleichfalls nicht geeignet, einen Verstoß
des § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu begründen. Auch diese Regelung
knüpft allein an die Verhältnisse im Monat September 2005 an, der für die Bildung des
Vergleichsentgelts maßgeblich ist. Der Neuregelung liegt in Bezug auf Eheleute zugrunde, dass
die Erwerbsgemeinschaft der Ehegatten zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVöD den
Ortszuschlag Stufe 2 grundsätzlich in voller Höhe erhalten soll, sei es, dass er in das
Vergleichsentgelt eingerechnet wird, als voller beamtenrechtlicher Familienzuschlag oder
Ortszuschlag dem Ehegatten zufließt oder, soweit auf das Arbeitsverhältnis des Ehegatten der
TVöD Anwendung findet, der jeweils individuell zustehende Teil des Unterschiedsbetrags
zwischen den Stufen 1 und 2 des Ortszuschlags in das Vergleichsentgelt beider Ehegatten
einfließt. Das ist beim Kläger und seiner Ehefrau geschehen, denn die Ehefrau des Klägers erhält
seit dem 1. Oktober 2005 den vollen Familienzuschlag.
26 ff) Auch soweit der Kläger geltend macht, die Überleitung in den TVöD habe bei ihm zu einer
rechtswidrigen Vergütungskürzung geführt, verkennt er, dass die Tarifvertragsparteien
zulässigerweise auf die Erwerbsgemeinschaft von Eheleuten abgestellt haben und dass die
Verringerung seines Verdienstes mit einer Bezügeerhöhung seiner Ehefrau einhergegangen ist,
die seit dem 1. Oktober 2005 den vollen Familienzuschlag erhält. Die Erwerbsgemeinschaft der
Ehegatten hat damit - abgesehen von den rechtlich nicht erheblichen 0,81 Euro monatlich - keine
Einkommenseinbuße erlitten.
27 3. § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG.
28 a) Die Tarifvertragsparteien sind nicht unmittelbar grundrechtsgebunden (Senat 27. Mai 2004 -
6 AZR 129/03 - BAGE 111, 8, 15) . Sie sind deshalb verfassungsrechtlich nicht verpflichtet,
familienbezogene Vergütungsbestandteile zu vereinbaren. Es steht ihnen vielmehr frei, ob und in
welchem Umfang sie neben den rein arbeitsleistungsbezogenen Vergütungen durch einen
zusätzlichen Vergütungsbestandteil einen sozialen, familienbezogenen Ausgleich gewähren wollen
(BAG 16. August 2005 - 9 AZR 580/04 - EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 17; ErfK/Dieterich 8. Aufl.
Art. 6 GG Rn. 16; aA Wiedemann/Wiedemann TVG 7. Aufl. Einl. Rn. 270) . Die
Tarifvertragsparteien müssen jedoch zur Vermeidung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG die
Wertentscheidungen des Art. 6 GG beachten. Ihr Gestaltungsspielraum ist insoweit eingeschränkt
und unterliegt in diesem Rahmen der gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerfG 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86
ua. - BVerfGE 87, 1, zu C II 2 d der Gründe für den Gesetzgeber; BAG 25. Februar 1987 - 8 AZR
430/84 - BAGE 54, 210, 215) . Tarifverträge dürfen nicht gleichheitswidrig wegen des
Familienstandes differenzieren (vgl. ErfK/Dieterich 8. Aufl. Art. 6 GG Rn. 15) .
29 b) § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA hat dem Kläger und seiner Ehefrau zum Überleitungsstichtag den
die Ehe berücksichtigenden Entgelt- und Besoldungsbestandteil im Wesentlichen ungeschmälert
erhalten, denn die Ehefrau des Klägers bezieht seit dem 1. Oktober 2005 den vollen
Familienzuschlag. Durch § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA ist damit der Besitzstand der Eheleute
gewahrt worden. Eine Ungleichbehandlung des Klägers wegen seines Familienstandes liegt nicht
vor.
30 4. Der Kläger wird durch § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA nicht mittelbar wegen seines Geschlechts
benachteiligt. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche Benachteiligung überhaupt anhand der
Vorschriften des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des TVÜ-VKA am 1. Oktober 2005 noch nicht
geltenden AGG überprüft werden kann, oder ob insoweit der damals noch geltende § 611a BGB
bzw. Art. 141 EG Prüfungsmaßstab ist. Der Kläger meint, § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA führe dazu,
dass die in den TVöD übergeleitete Gruppe der Männer, die mit verbeamteten Frauen verheiratet
sind, gegenüber der in den TVöD übergeleiteten Gruppe der Frauen, die mit verbeamteten
Männern verheiratet sind, benachteiligt werde, weil das Familieneinkommen der Familien der in
den TVöD übergeleiteten Männer bei der Inanspruchnahme von Elternzeit durch die beamtete
Ehefrau um den Familienzuschlag sinke. Da überwiegend Frauen Elternzeit beanspruchten,
bewirke § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts.
Dies ist unzutreffend. Die vom Kläger dargestellten finanziellen Folgen der Elternzeit entstehen
nicht, weil mehr Frauen als Männer Elternzeit in Anspruch nehmen, sie hängen vielmehr davon ab,
welcher Ehegatte im Angestelltenverhältnis bzw. Beamtenverhältnis steht. Nur wenn die Frau in
einem Beamtenverhältnis tätig ist, tritt der vom Kläger aufgezeigte Nachteil auf. Das
Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht festgestellt und der Kläger hat auch nicht behauptet, dass
dann, wenn beide Ehegatten im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, mehr Frauen als Männer in
einem Beamtenverhältnis stehen.
31 5. Entgegen der Auffassung des Klägers wird durch § 5 Abs. 2 Satz 2 TVÜ-VKA der gesetzliche
Kündigungsschutz nicht umgangen. Der Wegfall des hälftigen Ortszuschlags Stufe 2 bei der
Bemessung des Vergleichsentgelts stellt keine „Teilkündigung der Vergütung“ dar. Auch insoweit
verkennt der Kläger den besonderen Charakter dieser Leistung und beachtet nicht, dass seine
Ehefrau seit dem 1. Oktober 2005 den vollen Familienzuschlag erhält. Im Übrigen steht es den
Tarifvertragsparteien frei, bisher gewährte tarifvertragliche Leistungen mit Wirkung für die Zukunft
einzuschränken oder zu streichen.
32 III. Der Kläger hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der Revision zu tragen.
Fischermeier
Linck
Spelge
Augat
B. Stang