Urteil des BAG vom 08.12.2009
BAG: Eingruppierung, betriebliche Vergütungsordnung, Gemeinschaftsbetrieb, betriebsrat, tarifvertrag, anhörung, film, betriebsübergang, medien, unternehmen
BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 8.12.2009, 1 ABR 66/08
Eingruppierung - betriebliche Vergütungsordnung - Betriebsübergang - Gemeinschaftsbetrieb
Leitsätze
Geht ein Betrieb oder Betriebsteil unter Wahrung seiner bisherigen Identität durch Rechtsgeschäft auf
einen Betriebserwerber über, tritt dieser betriebsverfassungsrechtlich an die Stelle des früheren
Betriebsinhabers. Der neue Betriebsinhaber ist bis zu einer dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1
BetrVG genügenden Änderung zur Fortführung der im Betrieb bestehenden Vergütungsordnung
verpflichtet.
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen wird der Beschluss des
Landesarbeitsgerichts München vom 26. Februar 2008 - 8 TaBV 43/07 -
teilweise aufgehoben soweit dieses über den Antrag des Betriebsrats auf
Eingruppierung der Arbeitnehmerin V in das betriebliche Vergütungssystem
VTFF entschieden hat.
In diesem Umfang wird das Verfahren zur neuen Anhörung und Entscheidung
an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung einer Arbeitnehmerin.
2 Die zu 2) bis 4) beteiligten Arbeitgeberinnen betreiben am Standort M einen Gemeinschaftsbetrieb
mit knapp 700 Arbeitnehmern. Die Arbeitgeberinnen gehören zur A-Gruppe, deren Gesellschaften
sich mit der Produktion, dem Verleih und dem Vertrieb von digitalen und mechanischen Geräten
zur Filmherstellung befassen. Antragsteller ist der am Standort M gebildete Betriebsrat.
3 Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin führt seit dem 1. Januar 1978 den Geschäftsbetrieb der
vormaligen A KG fort, die am 16. Juli 1960 mit der IG Metall einen Haustarifvertrag in Form eines
Anerkennungstarifvertrags abgeschlossen hatte. Diesen Tarifvertrag wandte die zu 3) beteiligte
Arbeitgeberin in ihrem Betrieb weiter an. Nach einem zwischen ihr und der IG Medien
abgeschlossenen Haustarifvertrag vom 2. März 1990 gelten für die Arbeitnehmer sowie die
Auszubildenden der „Betriebsgruppe Film“ die zwischen der IG Medien und dem Verband
Technischer Betriebe für Film und Fernsehen e. V. (VTFF) geschlossenen Tarifverträge in der
jeweils gültigen Fassung.
4 Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin übertrug zum 1. Juli 2002 im Wege eines Betriebsteilübergangs
ihren Bereich „Leihpark“ auf die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin und den Bereich „Kopierwerk“ auf die
zu 4) beteiligte Arbeitgeberin. Die Beteiligten schlossen dazu am 25. Juni 2002 folgende
Betriebsvereinbarung (BV 2002):
„…
2. Die Betriebsparteien sind sich einig, dass die aufnehmenden Gesellschaften in
bezug auf die genannten Mitarbeiter mit Wirkung zum 01.07.2002
betriebsverfassungsrechtlich in die Rechte und Pflichten der A Cine Technik GmbH
& Co Betriebs KG eintreten. Zudem wird die Tarifvertragsbindung, VTFF Tarifvertrag
der Bereiche Kopierwerk und Leihparks-M, weiter aufrechterhalten.
3. Die aufnehmenden Unternehmen sichern zu, unter beratender Mitwirkung des
Betriebsrates, die Möglichkeiten eines Haustarifvertrages mit der Tarifvertragspartei
zu prüfen.“
5 Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin übernahm von der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin
37 Arbeitnehmer. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen waren 23 Mitarbeiter in den
„Tarifvertrag VTFF“ und ein Mitarbeiter in den „Tarifvertrag IG Metall“ eingruppiert; mit
13 Arbeitnehmern war die Vergütung frei vereinbart. Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin stellte nach
dem 1. Juli 2002 weitere 14 Arbeitnehmer ein, mit denen sie jeweils eine individuelle
Vergütungsabrede traf. Zu diesen Arbeitnehmern gehört die Arbeitnehmerin V, die seit dem
11. April 2005 in der kaufmännischen Projektbetreuung beschäftigt wird. Die vom Betriebsrat
geforderte Eingruppierung von Frau V „nach dem Tarifvertrag VTFF“ lehnte die zu 2) beteiligte
Arbeitgeberin ab.
6 Der Betriebsrat hat das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet und zuletzt beantragt,
1. der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin aufzugeben, die mit Wirkung zum 11. April 2005
eingestellte Arbeitnehmerin Frau V in das betriebliche Vergütungssystem VTFF
einzugruppieren, eine Eingruppierungsentscheidung zu treffen und die Zustimmung
des Betriebsrats hierzu einzuholen und im Zustimmungsverweigerungsfall das
Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG zu betreiben,
2. die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin für jeden einzelnen Fall und Tag der Zuwiderhandlung
nach einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung nach Ziff. 1 mit einem
Zwangsgeld von bis zu 250,00 Euro zu belegen.
7 Die Arbeitgeberinnen haben beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie haben die Auffassung
vertreten, es fehle an einer betrieblichen Vergütungsordnung, in die die Arbeitnehmerin V
einzugruppieren sei.
8 Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1
entsprochen und die weitergehende Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit der
Rechtsbeschwerde beantragen die Arbeitgeberinnen die vollständige Abweisung der Anträge.
9 B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat dem in der
Rechtsbeschwerdeinstanz allein noch anhängigen Antrag zu 1 zu Unrecht entsprochen. Auf der
Grundlage der bisherigen Feststellungen durfte es nicht von der Pflicht der zu 2) beteiligten
Arbeitgeberin ausgehen, die Arbeitnehmerin V in eine im Gemeinschaftsbetrieb geltende
Vergütungsordnung VTFF einzugruppieren. Dies führt zur teilweisen Aufhebung seiner
Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht. Der Senat kann
über den Antrag nicht selbst entscheiden. Es fehlt an ausreichenden Feststellungen über den
Inhalt einer betrieblichen Vergütungsordnung, die für die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin maßgeblich
ist.
10 I. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberinnen ist zulässig.
11 1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer durch die
angefochtene Entscheidung beschwert ist und er mit seinem Rechtsmittel gerade die Beseitigung
dieser Beschwer begehrt. Die Beschwer eines Beteiligten besteht, wenn er durch die angegriffene
Entscheidung nach ihrem materiellen Inhalt in seiner Rechtsstellung, die seine
Beteiligungsbefugnis begründet, unmittelbar betroffen wird (BAG 10. Februar 2009 - 1 ABR 36/08 -
Rn. 14, EzA TVG § 2 Tarifzuständigkeit Nr. 12; 29. Januar 1992 - 7 ABR 29/91 - zu B II 2 a der
Gründe, AP ArbGG 1979 § 11 Prozeßvertreter Nr. 14 = EzA ArbGG 1979 § 11 Nr. 11). Nach § 83
Abs. 3 ArbGG haben in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen ein
Recht auf Anhörung, die nach dem Betriebsverfassungsgesetz im einzelnen Fall beteiligt sind.
Beteiligte in Angelegenheiten des Betriebsverfassungsgesetzes ist jede Stelle, die durch die
begehrte Entscheidung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen ist
(BAG 26. Oktober 2004 - 1 ABR 31/03 (A) - zu B I 1 der Gründe mwN, BAGE 112, 227).
12 2. Danach sind sämtliche Arbeitgeberinnen rechtsbeschwerdebefugt. Sie sind durch die
Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beschwert.
13 a) Für die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin folgt dies bereits daraus, dass ihr durch den Tenor der
angefochtenen Entscheidung die Pflicht zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin V auferlegt worden
ist.
14 b) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts berührt auch die betriebsverfassungsrechtliche
Rechtsstellung der übrigen am Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Arbeitgeberinnen. Die
Eingruppierung eines Arbeitnehmers betrifft zwar im Gemeinschaftsbetrieb lediglich die
Rechtsbeziehung zum Vertragsarbeitgeber. Nur diesem gegenüber stehen dem Arbeitnehmer
vertragliche Vergütungsansprüche zu, nur dieser kann und muss ggf. die in der Eingruppierung
liegende Beurteilung korrigieren (BAG 14. Dezember 2004 - 1 AZR 504/03 - zu II 2 a der Gründe,
BAGE 113, 121). Überdies können im Gemeinschaftsbetrieb zudem für die an ihm beteiligten
Arbeitgeber jeweils im Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern verschiedene Vergütungsordnungen zur
Anwendung gelangen (BAG 12. Dezember 2006 - 1 ABR 38/05 - Rn. 26, AP BetrVG 1972 § 1
Gemeinsamer Betrieb Nr. 27 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 13). Wird
dem vorliegenden Antrag des Betriebsrats aber entsprochen, stünde dennoch fest, dass bei der zu
3) beteiligten Arbeitgeberin vor dem Betriebsteilübergang auf die zu 2) und 4) beteiligten
Arbeitgeberinnen eine betriebliche Vergütungsordnung bestanden hat. Zu deren Beachtung wären -
soweit das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht durch
den Eingangshalbsatz ausgeschlossen ist - bei Fehlen von abändernden Vereinbarungen mit dem
Betriebsrat auch die zu 3) und 4) beteiligten Arbeitgeberinnen im Verhältnis zu den bei ihnen
beschäftigten Arbeitnehmern verpflichtet, sofern die Arbeitsverhältnisse vom persönlichen
Geltungsbereich dieser Vergütungsordnung erfasst werden.
15 II. Der Antrag des Betriebsrats ist zulässig.
16 1. Der Antrag bedarf der Auslegung.
17 Er ist seinem Wortlaut nach auf die Eingruppierung der Arbeitnehmerin V in die „betriebliche
Vergütungsordnung VTFF“ gerichtet. Der Betriebsrat hat in der Anhörung vor dem Senat
klargestellt, dass diese Vergütungsordnung nicht die Eingruppierungsmerkmale des zuletzt
zwischen ver.di und dem VTFF abgeschlossenen Entgelttarifvertrags vom 20. Februar 2008 zum
Inhalt hat. Mit der im Antrag verwandten Formulierung sollten vielmehr die zum Zeitpunkt des
Betriebsteilübergangs bei der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin geltenden tariflichen Regelungen
bezeichnet werden. Dies sind nach der Verweisung in dem Haustarifvertrag vom 2. März 1990 der
Gehaltstarifvertrag sowie der Lohntarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den
technischen Betrieben für Film und Fernsehen e.V. (VTFF) vom 8./22. August 2000 (GTV 2000
bzw. LTV 2000). Dieses Antragsverständnis ist von seinem Wortlaut und der dazu vom
Betriebsrat gegebenen Antragsbegründung umfasst.
18 2. Mit diesem Inhalt ist der Antrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und ggf.
vollstreckungsfähig gem. § 85 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 ArbGG iVm. § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die zu
2) beteiligte Arbeitgeberin kann anhand der gewählten Antragsformulierung und ihrer Klarstellung
erkennen, anhand welches Vergütungssystems sie eine Eingruppierungsentscheidung für die
Arbeitnehmerin V treffen muss.
19 III. Ob die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin V in die sich aus
dem Entgeltschema des GTV/LTV 2000 ergebende betriebliche Vergütungsordnung VTFF
verpflichtet ist, kann aufgrund der bisher vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen
nicht entschieden werden. Dies führt im Umfang ihrer Anfechtung zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung (§ 562 Abs. 1 ZPO).
20 1. Der Betriebsrat kann zur Sicherung seines Mitbeurteilungsrechts nach § 99 Abs. 1 BetrVG in
entsprechender Anwendung von § 101 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber
aufzugeben, eine Eingruppierungsentscheidung vorzunehmen und ihn um Zustimmung zu
ersuchen, falls der Arbeitgeber die gebotene Eingruppierung unterlässt . Eine Eingruppierung iSv.
§ 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG besteht in der rechtlichen Beurteilung des Arbeitgebers, dass der
Arbeitnehmer aufgrund seiner Tätigkeit einer bestimmten Vergütungsgruppe einer im Betrieb
geltenden Vergütungsordnung zuzuordnen ist. Voraussetzung ist, dass der Betriebsrat für den
Betrieb des Arbeitgebers überhaupt zuständig ist und die im Betrieb bestehende
Vergütungsordnung für den Arbeitnehmer gilt (BAG 12. Dezember 2006 - 1 ABR 38/05 - Rn. 19,
AP BetrVG 1972 § 1 Gemeinsamer Betrieb Nr. 27 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche
Lohngestaltung Nr. 13).
21 2. Eine Vergütungsordnung ist ein kollektives, mindestens zwei Vergütungsgruppen enthaltendes
Entgeltschema, das eine Zuordnung der Arbeitnehmer zu einer der Vergütungsgruppen nach
bestimmten, generell beschriebenen Merkmalen vorsieht (BAG 26. Oktober 2004 - 1 ABR 37/03 -
zu B II 2 b cc (1) der Gründe mwN, BAGE 112, 238) . Sie spiegelt die ihr zugrunde liegenden
Vergütungsgrundsätze wider. Damit ist sie Ausdruck einer Entscheidung über die Wertigkeit der
jeweiligen Arbeitnehmertätigkeiten im Verhältnis zueinander, die sich im relativen Abstand der mit
den jeweiligen Vergütungsgruppen verbundenen konkreten Entgeltsätze niederschlägt. Für die
Maßgeblichkeit der Vergütungsordnung im Verhältnis von Arbeitgeber und Arbeitnehmer kommt
es nicht darauf an, weshalb sie im Betrieb Anwendung findet, ob aufgrund bestehender
Tarifbindung, einer Betriebsvereinbarung, allgemein eingegangener vertraglicher Verpflichtungen
oder einseitiger Praxis des Arbeitgebers (BAG 28. April 2009 - 1 ABR 97/07 - Rn. 20 mwN,
NZA 2009, 1102). Findet eine Vergütungsordnung im Betrieb Anwendung, ist der Arbeitgeber
daran betriebsverfassungsrechtlich gebunden. Das hat zur Folge, dass die in ihr enthaltenen
Entlohnungsgrundsätze selbst nach dem Wegfall des ursprünglichen Geltungsgrundes der
Vergütungsordnung zu beachten sind und vom Arbeitgeber nicht einseitig verändert werden
können. Vielmehr bedarf er hierfür nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Mitbestimmung des
Betriebsrats (BAG 12. Dezember 2006 - 1 ABR 38/05 - Rn. 25, AP BetrVG 1972 § 1
Gemeinsamer Betrieb Nr. 27 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 13; 2. März
2004 - 1 AZR 271/03 - zu IV 1 c aa der Gründe, BAGE 109, 369), sofern diese nicht nach § 87
Abs. 1 Eingangshalbsatz BetrVG ausgeschlossen ist. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts
sind jedoch nur die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen, dh.
die abstrakt-generellen Grundsätze der Entgeltfindung und nicht die konkrete, absolute Höhe des
Arbeitsentgelts (BAG 15. April 2008 - 1 AZR 65/07 - Rn. 22, AP BetrVG 1972 § 87 Lohngestaltung
Nr. 133 = EzA BetrVG 2001 § 87 Betriebliche Lohngestaltung Nr. 15).
22 3. Geht ein Betrieb oder Betriebsteil unter Wahrung seiner bisherigen Identität durch
Rechtsgeschäft auf einen Betriebserwerber über, tritt dieser betriebsverfassungsrechtlich an die
Stelle des früheren Betriebsinhabers. Mit dem vom BetrVG verwandten Begriff des Arbeitgebers
wird der jeweilige Inhaber des Betriebs als Organ der Betriebsverfassung bezeichnet (BAG 5. Juni
2002 - 7 ABR 17/01 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 101, 273; 28. September 1988 - 1 ABR 37/87 -
zu B I 1 b der Gründe, BAGE 59, 371). Der neue Betriebsinhaber ist daher zur Fortführung einer
im Betrieb bzw. Betriebsteil bestehenden Vergütungsordnung verpflichtet. Mit welchem Inhalt
diese allerdings bei dem Erwerber weiter gilt, richtet sich grundsätzlich nach dem Geltungsgrund
vor dem Betriebsübergang.
23 a) Beruhte die Anwendung einer betrieblichen Vergütungsordnung auf der Tarifbindung des
Veräußerers, ist für deren dynamische Fortgeltung grundsätzlich die Tarifbindung des Erwerbers
(§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) erforderlich. Endet die normative Geltung des Tarifvertrags mit dem
Übergang des Betriebs auf einen nicht tarifgebundenen Erwerber, ist dieser
betriebsverfassungsrechtlich nur gehalten, das bei dem Veräußerer geltende tarifliche
Entgeltschema mit dem im Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Inhalt fortzuführen.
Zwar entfällt mangels Tarifbindung des Erwerbers der bisherige Geltungsgrund der
Vergütungsordnung (BAG 20. Juni 2001 - 4 AZR 295/00 - zu I 1 c der Gründe, AP TVG § 1
Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 18 = EzA BGB § 613a Nr. 203). Gleichwohl bleibt die
ursprünglich tarifliche Vergütungsordnung die für den Betrieb maßgebliche Entgeltstruktur. Zu einer
Nachbindung des Erwerbers an die für den Veräußerer geltenden Tarifverträge nach § 3 Abs. 3
TVG kommt es nicht. Die nach einem Betriebsübergang vereinbarten tariflichen Änderungen des
Entgeltschemas wirken sich daher nicht mehr auf die statisch weiter geltende betriebliche
Vergütungsordnung aus.
24 b) Hat der tarifgebundene Betriebsveräußerer die tariflichen Entlohnungsgrundsätze aufgrund einer
einzelvertraglichen Bezugnahme oder aufgrund betrieblicher Übung auch auf die nicht
tarifgebundenen Arbeitnehmer des Betriebs angewandt, hat er damit für diese Arbeitnehmergruppe
einen eigenständigen Geltungsgrund geschaffen. In diesem Fall besteht im Betrieb
betriebsverfassungsrechtlich eine einheitliche Vergütungsordnung für die tarifgebundenen und die
nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer. Mit welchem Inhalt diese nach einem Betriebsübergang
weiter gilt, ist abhängig von der ursprünglichen Ausgestaltung ihres Geltungsgrundes beim
Veräußerer. Wird das tarifliche Entgeltschema in seiner jeweiligen Fassung in Bezug genommen,
ist durch Auslegung zu ermitteln, ob es sich dabei um eine bloße Gleichstellungsabrede oder um
eine vom Wegfall der Tarifbindung des Arbeitgebers unabhängige dynamische Bezugnahme auf
das Tarifrecht handelt (dazu BAG 18. April 2007 - 4 AZR 652/05 - Rn. 26 ff., BAGE 122, 74). Liegt
eine Gleichstellungsabrede vor, ist der Erwerber nicht zur Anpassung der betrieblichen
Vergütungsordnung an künftige Änderungen des einschlägigen tariflichen Entgeltschemas
verpflichtet. Hingegen richtet sich ihr Inhalt nach dem jeweils einschlägigen tariflichen
Entgeltschema, wenn es sich um eine von der Tarifbindung des Veräußerers unabhängige
Bezugnahmeklausel handelt.
25 c) Diese Grundsätze gelten auch für einen Arbeitgeber, der nicht den gesamten Betrieb, sondern
nur einen Betriebsteil übernimmt und ihn ohne wesentliche Änderung der bestehenden
Organisation gemeinsam mit dem Veräußerer als Gemeinschaftsbetrieb iSd. § 1 Abs. 1 Satz 2
BetrVG fortführt. Im Gemeinschaftsbetrieb sind Inhaber der betrieblichen Leitungsmacht und damit
Arbeitgeber iSd. BetrVG alle Unternehmen, die sich zur einheitlichen Leitung des Betriebs
verbunden haben. Die betriebsverfassungsrechtliche Pflichtenstellung von Arbeitgeber und
Betriebsrat knüpft an den Begriff des Betriebs und damit an die bestehende organisatorische
Einheit an. Deren Identität bleibt unverändert, wenn in einem Teilbereich der bestehenden
Organisation lediglich die Person des Betriebsinhabers ausgewechselt wird und die verbundenen
Unternehmen den Betrieb nunmehr gemeinsam fortführen. Der neue Betriebsinhaber tritt jedoch
gegenüber den übernommenen Arbeitnehmern an die Stelle des bisherigen Betriebsinhabers,
soweit es für die Anwendung des BetrVG auf die Stellung als Vertragsarbeitgeber ankommt.
26 4. Das Landesarbeitsgericht hat es rechtsfehlerhaft für ausreichend angesehen, dass sich die
zu 3) beteiligte Arbeitgeberin bereits vor dem Betriebsteilübergang bei der deutlichen Mehrheit der
übernommenen Arbeitnehmer an dem Vergütungssystem des Tarifvertrages VTFF orientiert habe.
Das Beschwerdegericht hat jedoch keine nachprüfbaren Feststellungen zum Inhalt und
Geltungsgrund der von ihm als maßgeblich angesehenen Vergütungsordnung getroffen. Ebenso
hat es nicht aufgeklärt, ob die Arbeitnehmerin V aufgrund ihrer ausgeübten Tätigkeit in diese
Vergütungsordnung einzugruppieren ist. Dies führt zur Aufhebung seiner darauf bezogenen
Entscheidung .
27 IV. Der Senat kann über den geltend gemachten Anspruch nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO selbst
entscheiden. Die vom Landesarbeitsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen sind hierfür
nicht ausreichend. Die Sache war daher gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das
Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Bei der neuen Anhörung wird das Landesarbeitsgericht
von Folgendem auszugehen haben:
28 1. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet, wenn die Arbeitnehmerin V bei der Einstellung
Mitglied der Gewerkschaft ver.di war und ihre Tätigkeit dem persönlichen Geltungsbereich des
GTV 2000 oder des LTV 2000 unterfällt. Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin ist verpflichtet, die in
diesen Tarifverträgen geregelten Gehalts- und Lohngruppen als betriebliche Vergütungsordnung
bei der Eingruppierungsentscheidung einer tarifgebundenen Arbeitnehmerin zu beachten.
29 a) Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin ist seit dem 2. März 1990 an den mit der IG Medien
abgeschlossenen Haustarifvertrag nach § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG gebunden. Dessen § 1 enthält
eine dynamische Bezugnahme auf die jeweils zwischen der IG Medien (seit dem 2. Juli 2001:
ver.di) und dem VTFF abgeschlossenen Tarifverträge. Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin war vor
den Betriebsteilübergängen der Bereiche „Leihpark“ und „Kopierwerk“ aufgrund ihrer Tarifbindung
gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern zur Anwendung der jeweils einschlägigen Lohn-
und Gehaltstarifverträge verpflichtet. Hierin liegt der Geltungsgrund für die Einführung der
betrieblichen Vergütungsordnung bei der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin. Der Inhalt der
Vergütungsordnung bestimmte sich für die am 30. Juni 2002 in der Betriebsgruppe Film
beschäftigten Arbeitnehmer nach den in § 2 GTV 2000 bzw. § 2 LTV 2000 enthaltenen
Eingruppierungsvorschriften.
30 b) Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin ist nach dem Betriebsteilübergang in die
betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin eingetreten.
Damit war sie gehalten, die sich aus dem GTV/LTV 2000 ergebende betriebliche
Vergütungsordnung für die bei ihr beschäftigten tarifgebundenen Arbeitnehmer weiter anzuwenden.
Diese Pflicht betraf nicht nur die übernommenen, sondern auch die ab dem 1. Juli 2002 neu
eingestellten tarifgebundenen Arbeitnehmer, sofern deren Arbeitsverhältnisse dem persönlichen
Geltungsbereich des GTV/LTV 2000 unterfallen. Eine Änderung der Vergütungsordnung, zu der
auch die Beschränkung ihres persönlichen Geltungsbereichs auf die bis zum 30. Juni 2002
eingestellten Arbeitnehmer zählt, hätte nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Beteiligung des
Betriebsrats bedurft, an der es vorliegend fehlt.
31 2. Auf die Mitgliedschaft der Arbeitnehmerin V in der Gewerkschaft ver.di kommt es allerdings
nicht an, wenn die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin vor dem Betriebsteilübergang des Leihparks nicht
nur die tarifgebundenen Arbeitnehmer nach den jeweils einschlägigen tariflichen Vorschriften
eingruppiert hat, sondern auch Nichtgewerkschaftsmitglieder. In diesem Fall hätte das tarifliche
Entgeltschema zunächst bei der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin als betriebliche Vergütungsordnung
aufgrund der vertraglichen Inbezugnahme des GTV/LTV 2000 oder ihrer Anwendung kraft
betrieblicher Übung gegolten. Über den Inhalt der Arbeitsverträge bei der zu 3) beteiligten
Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht bisher keine Feststellungen getroffen. Der Senat kann
daher auch nicht beurteilen, mit welchem Inhalt eine solche Vergütungsordnung von der zu 2)
beteiligten Arbeitgeberin nach dem Betriebsteilübergang fortzuführen ist.
32 Für die Begründetheit des Antrags ist es ohne Bedeutung, ob die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin für
außertarifliche Arbeitsverhältnisse eine weitere Vergütungsordnung in ihrem Betrieb eingeführt hat.
Der Betriebsrat hat seinen Antrag auf die Eingruppierung der Arbeitnehmerin V in die betriebliche
Vergütungsordnung VTFF beschränkt.
33 3. Die danach gebotene Sachverhaltsaufklärung ist nicht deshalb entbehrlich, weil die
Betriebsparteien in Nr. 2 Satz 2 BV 2002 die Anwendung der beim Betriebsteilübergang geltenden
tariflichen Eingruppierungsvorschriften als betriebliche Vergütungsordnung vereinbart haben. Mit
diesem Inhalt verstößt Nr. 2 Satz 2 BV 2002 gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1
BetrVG und ist daher unwirksam.
34 a) Nach dieser Bestimmung können Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch
Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer
Betriebsvereinbarung sein. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nur dann nicht, wenn ein
Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Betriebsvereinbarungen ausdrücklich zulässt. Die
Sperrwirkung des § 77 Abs. 3 BetrVG hängt nicht davon ab, dass der Arbeitgeber tarifgebunden
ist. Die Vorschrift dient der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie sowie der
Erhaltung und Stärkung der Funktionsfähigkeit der Koalitionen (BAG 30. Mai 2006 - 1 AZR
111/05 - Rn. 26, BAGE 118, 211). Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie wird auch dann
gestört, wenn die Betriebsparteien für nicht tarifgebundene Arbeitgeber kollektivrechtliche
Konkurrenzregelungen in Form von Betriebsvereinbarungen treffen. Zu diesen zählen
Betriebsvereinbarungen, die sich darauf beschränken, eine bestehende tarifvertragliche Regelung
unverändert zu übernehmen und sie damit auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer zu
erstrecken. Für das Bedürfnis nach betriebsnaher Regelung stehen Firmentarifverträge als
kollektivrechtliche Gestaltungsmittel zur Verfügung (BAG 20. November 2001 - 1 AZR 12/01 - zu
II 2 a der Gründe, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70).
35 b) Die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG besteht allerdings nicht im Geltungsbereich des
§ 87 Abs. 1 BetrVG. Die erzwingbare Mitbestimmung des Betriebsrats wird nicht dadurch
ausgeschlossen, dass die entsprechende Angelegenheit nur üblicherweise durch Tarifvertrag
geregelt wird oder zwar tariflich geregelt, der Arbeitgeber aber an den betreffenden Tarifvertrag
nicht gebunden ist. Andernfalls würde durch einen im Betrieb nicht geltenden Tarifvertrag zum
Nachtteil der Beschäftigten eine mitbestimmte Regelung in den Angelegenheiten des § 87 Abs. 1
BetrVG überhaupt ausgeschlossen. Dies widerspräche der Schutzfunktion der Regelung (BAG
20. November 2001 - 1 AZR 12/01 - zu II 2 c der Gründe mwN, EzA BetrVG 1972 § 77 Nr. 70).
36 c) Die Betriebsparteien haben die Übernahme des zum Zeitpunkt des Betriebsteilübergangs
geltenden Entgeltschemas des GTV/LTV 2000 als betriebliche Vergütungsordnung nicht wirksam
vereinbart. Nr. 2 Satz 2 BV 2002 enthält schon dem Wortlaut nach keine Übernahme der tariflichen
Eingruppierungsvorschriften als Entlohnungsgrundsätze iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Der
Betriebsrat hat vielmehr versucht, mit der BV 2002 die fehlende Tarifbindung der zu 2) und 4)
beteiligten Arbeitgeberinnen zu kompensieren. Eine solche betriebliche Konkurrenzregelung
verstößt gegen die Tarifsperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Entgegen der erstmals in der
Anhörung vor dem Senat geäußerten Auffassung des Betriebsrats war die Geltung der
Regelungssperre des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG auch nicht durch § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG
ausgeschlossen. Die BV 2002 ist nach ihrem Regelungsgehalt ersichtlich kein Sozialplan iSd.
§ 112 Abs. 1 BetrVG. Es kann daher dahinstehen, ob die Fortführung einer betrieblichen
Vergütungsordnung für künftig einzustellende Arbeitnehmer überhaupt Bestandteil eines
Sozialplans sein kann.
Schmidt
Linck
Koch
Münzer
Brunner