Urteil des BAG vom 10.02.2009

BAG (sozialeinrichtung, antrag, mitbestimmungsrecht, vertrag zugunsten dritter, bag, mitbestimmung, betriebsrat, unternehmen, verwaltung, form)

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluß vom 10.2.2009, 1 ABR 94/07
Mitbestimmung bei Sozialeinrichtung - Kita
Leitsätze
Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei einer Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG setzt
voraus, dass der Wirkungsbereich der Einrichtung auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern
des Arbeitgebers beschränkt ist. Dies ist nicht der Fall, wenn die Einrichtung nach dem vom Arbeitgeber
bestimmten Zweck einem unbestimmten Personenkreis zugänglich ist.
Tenor
1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des
Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 2. August 2007 - 7 TaBV 2/07 -
aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts
Hamburg vom 21. November 2006 - 21 BV 29/06 - abgeändert:
Der Antrag wird abgewiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten darüber, ob der Gesamtbetriebsrat bei der Form, Ausgestaltung und
Verwaltung des von der Arbeitgeberin betriebenen Zentralen Dienstes Kindertagesstätten nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitzubestimmen hat.
2 Die Arbeitgeberin betreibt im Stadtgebiet Hamburg mehrere Krankenhäuser. Bei ihr ist der
antragstellende Gesamtbetriebsrat errichtet. Auf dem Gelände von sechs Krankenhäusern oder in
deren unmittelbarer Nähe befinden sich Kindertagesstätten. Diese waren früher den
Krankenhäusern zugeordnet und deren Leitungen unterstellt. Die Arbeitgeberin wurde im Jahr
2004 privatisiert. Der Privatisierungsvertrag sieht vor, dass „der Investor … Betriebskindergärten
und andere von der Gesellschaft betriebene Sozialeinrichtungen grundsätzlich weiterführen“ wird.
In der Folgezeit entschloss sich die Arbeitgeberin die Kindertagesstätten zu einem Zentralen
Dienst (ZD Kita) zusammenzufassen. Hiervon unterrichtete sie den Gesamtbetriebsrat mit
Schreiben vom 14. November 2005 und teilte ihm darin auch mit, der Wechsel in das sog. Kita-
Gutschein-System der Stadt Hamburg bedinge eine Öffnung der Betriebskindergärten für die
Aufnahme externer Kinder; die bisherigen Betriebskindergärten würden zu grundsätzlich frei
zugänglichen Einrichtungen.
3 Der Leiter des neu eingerichteten ZD Kita, dessen Mitarbeiter nach der Errichtung einen eigenen
Betriebsrat gewählt haben, untersteht unmittelbar der Geschäftsführung der Arbeitgeberin.
Finanziert wurde die Einrichtung im Jahr 2006 über das Kita-Gutschein-System, Beiträge der
Eltern und einen Zuschuss der Arbeitgeberin von ca. 490.000,00 Euro. Die Arbeitgeberin wirbt bei
Stellenausschreibungen mit dem Hinweis auf „hausinterne Kindertagesstätten“. Die
Öffnungszeiten der Kindertagesstätten werden den Mitarbeitern der Arbeitgeberin über das
unternehmensinterne E-Mail-System mitgeteilt. Der Anteil „externer“ Kinder in den
unternehmensinterne E-Mail-System mitgeteilt. Der Anteil „externer“ Kinder in den
Kindertagesstätten ist nach der Umstrukturierung von ca. 10 % auf über 30 % im Juli 2006
angestiegen.
4 Am 26. September 2006 fasste die Geschäftsführung der Arbeitgeberin einen förmlichen
Beschluss , nach dem die Kindertagesstätten „als öffentliche Kindertagesstätten von Mitarbeitern
der L GmbH aber auch von nicht in der L GmbH beschäftigten Eltern genutzt“ werden. In dem
Beschluss heißt es ua.:
㤠2
Die Finanzierung des ZD Kita erfolgt über das Kita-Gutschein-System der Freien und
Hansestadt Hamburg. Dauerhafte Zuschüsse der L GmbH zum Ausgleich eines
Betriebsverlustes des ZD Kita sind nicht vorgesehen. Es wird angestrebt, im ZD Kita
spätestens im Geschäftsjahr 2007 ein positives EBITDA zu erreichen.
§ 3
Die Kindertagesstätten des ZD Kita nehmen als öffentliche Kindertagesstätten
grundsätzlich alle Kinder auf. Eine bevorzugte Aufnahme oder bevorzugte Behandlung der
Kinder von Mitarbeitern der L GmbH erfolgt nicht. Voraussetzungen für die Aufnahme von
Kindern in eine Kindertagesstätte sind ausschließlich die Vorlage eines entsprechenden
Kita-Gutscheins und das Vorhandensein eines freien Platzes. Dem Kita-Gutschein
gleichgestellt ist die Kostenzusage einer Hamburger Umlandgemeinde.“
5 Der Gesamtbetriebsrat hat die Auffassung vertreten, der ZD Kita sei nach wie vor eine seiner
Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG unterliegende Sozialeinrichtung der Arbeitgeberin.
Das folge vor allem aus dem äußeren Erscheinungsbild, insbesondere der räumlichen Nähe der
Kindertagesstätten zu den Krankenhäusern und dem Umstand, dass in den Kindertagesstätten
Mitarbeiter der Arbeitgeberin tätig seien. Dafür spreche auch die Werbung mit den
Kindertagesstätten und die Benutzung des internen E-Mail-Systems durch die Leitungen der
Kindertagesstätten.
6 Der Gesamtbetriebsrat hat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung -
zuletzt beantragt
festzustellen, dass der Zentrale Dienst Kindertagesstätten eine Sozialeinrichtung der
Arbeitgeberin iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist.
7 Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der
ZD Kita sei keine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mehr, da der Wirkungsbereich
nicht auf ihre Betriebe bzw. ihr Unternehmen beschränkt sei. Die Kindertagesstätten stünden
externen Kindern in gleicher Weise zur Verfügung wie Kindern ihrer Mitarbeiter.
8 Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Gesamtbetriebsrats stattgegeben. Das
Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der vom
Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt die Arbeitgeberin weiterhin die
Abweisung des Antrags.
9 B. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Vorinstanzen haben dem Antrag des
Gesamtbetriebsrats zu Unrecht entsprochen. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet. Der
ZD Kita ist keine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Daher steht dem
Gesamtbetriebsrat nach dieser Vorschrift kein Mitbestimmungsrecht zu.
10 I. An dem Verfahren sind nach § 83 Abs. 3 ArbGG keine weiteren Personen oder Stellen beteiligt.
11 1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats richtet sich die Beteiligung in einem
arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren danach, ob eine Person oder Stelle in ihrer
betriebsverfassungsrechtlichen oder mitbestimmungsrechtlichen Rechtsstellung unmittelbar
betroffen ist. Betroffen ist ein Betriebsverfassungsorgan, wenn es als Inhaber des streitigen
Rechts ernsthaft in Betracht kommt. Reklamiert ein Gesamtbetriebsrat ein Mitbestimmungsrecht,
müssen die örtlichen Betriebsräte nur beteiligt werden, wenn Arbeitgeber oder Gesamtbetriebsrat
hilfsweise deren Zuständigkeit behaupten oder objektiv zumindest ernsthafte Zweifel bestehen
können, ob nicht statt des Gesamtbetriebsrats die örtlichen Betriebsräte Inhaber des streitigen
Mitbestimmungsrechts sind (28. März 2006 - 1 ABR 59/04 - Rn. 11 - 13, BAGE 117, 337; 22. Juli
2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 30, NZA 2008, 1248) .
12 2. Hiernach sind an dem Verfahren weder die Betriebsräte der einzelnen Krankenhäuser noch der
neu errichtete Betriebsrat des ZD Kita beteiligt.
13 a) Allerdings würde durch die begehrte Entscheidung, der antragstellende Gesamtbetriebsrat habe
bei der Ausgestaltung des ZD Kita, darunter auch bei der Regelung von dessen Öffnungszeiten,
nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitzubestimmen, zugleich inzident entschieden, dass dieses
Mitbestimmungsrecht nicht den Betriebsräten der Krankenhäuser oder dem Betriebsrat des
ZD Kita zusteht.
14 b) Die Betriebsräte der einzelnen Krankenhäuser oder der Betriebsrat des ZD Kita kommen aber
als Inhaber des streitbefangenen Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG nicht
ernsthaft in Betracht.
15 aa) Sollte es sich bei dem ZD Kita um eine Sozialeinrichtung der Arbeitgeberin iSv. § 87 Abs. 1
Nr. 8 BetrVG handeln, stünden die sich hiernach ergebenden Mitbestimmungsrechte zweifelsfrei
dem Gesamtbetriebsrat zu. Dessen Zuständigkeit ergäbe sich aus § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die
Ausgestaltung des ZD Kita betrifft jedenfalls mehrere - wenn nicht gar alle - Betriebe der
Arbeitgeberin und kann nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt
werden.
16 bb) Das gilt auch für die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten.
17 (1) Allerdings sind die Öffnungszeiten derzeit unterschiedlich geregelt. Gleichwohl kommt eine
Zuständigkeit der Betriebsräte der Krankenhäuser, auf deren Gelände oder in deren Nähe die
einzelnen Kindertagesstätten liegen, aus diesem Grund nicht ernsthaft in Betracht. Jedenfalls seit
der organisatorischen Zusammenfassung der Kindertagesstätten zum ZD Kita handelt es sich um
eine betriebsübergreifende Einrichtung der Arbeitgeberin. Ein bei deren Ausgestaltung
möglicherweise bestehendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG kann aber
nicht aufgespalten werden in solche Teile, die dem Gesamtbetriebsrat, und solche, die den
örtlichen Betriebsräten zustehen.
18 (2) Die wechselseitige Abhängigkeit der Öffnungszeiten der Tagesstätten sowie der Arbeitszeiten
der dort beschäftigten Arbeitnehmer führt nicht dazu, dass ein hinsichtlich der Öffnungszeiten nach
§ 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bestehendes Mitbestimmungsrecht dem Betriebsrat des ZD Kita
zustünde. Die Öffnungszeiten der Einrichtung sind nicht identisch mit den Arbeitszeiten der dort
beschäftigten Mitarbeiter, hinsichtlich derer der örtliche Betriebsrat des ZD Kita nach § 87 Abs. 1
Nr. 2 BetrVG mitzubestimmen hat. Die Öffnungszeiten der Kindertagesstätten betreffen die
Ausgestaltung der Sozialeinrichtung. Die diesbezüglichen Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1
Nr. 8 BetrVG stehen aber nicht dem in der Sozialeinrichtung errichteten Betriebsrat zu, sondern
dem Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat oder Konzernbetriebsrat, für dessen Betrieb, Unternehmen
oder Konzern die Sozialeinrichtung errichtet ist. Werden die Öffnungszeiten vom Arbeitgeber - ggf.
unter Wahrung der Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG - festgelegt, so sind die
Betriebsparteien der Sozialeinrichtung oder im Streitfall die Einigungsstelle bei den nach § 87
Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mitbestimmten Regelungen der Arbeitszeiten in der Sozialeinrichtung an
diese Öffnungszeiten nicht gebunden (vgl. BAG 13. Oktober 1987 - 1 ABR 10/86 - zu B II 3 c der
Gründe, BAGE 56, 197) , haben sie aber als betriebliche Belange bei der Ausgestaltung der
Arbeitszeiten zu berücksichtigen.
19 II. Der Antrag ist zulässig, bedarf jedoch der Auslegung.
20 1. Er ist dahin zu verstehen, dass mit ihm das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des
Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung
des ZD Kita festgestellt werden soll.
21 a) Bei einem am Wortlaut haftenden Verständnis des Antrags würde dieser den Erfordernissen
des § 256 Abs. 1 ZPO nicht genügen.
22 aa) Nach dieser auch im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren Bestimmung
muss der Antrag auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines
Rechtsverhältnisses gerichtet sein. Rechtsverhältnis im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO ist jedes
durch die Herrschaft einer Rechtsnorm über einen konkreten Lebenssachverhalt entstehende
rechtliche Verhältnis einer Person zu einer anderen Person oder zu einer Sache. Bloße Elemente
und Vorfragen können nicht zum Gegenstand eines Feststellungsantrags gemacht werden (BAG
3. Mai 2006 - 1 ABR 63/04 - Rn. 19, AP ArbGG 1979 § 81 Nr. 61) .
23 bb) Der Antrag ist seinem Wortlaut nach auf die Feststellung gerichtet, dass der ZD Kita eine
Sozialeinrichtung der Arbeitgeberin iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG ist. Damit wird bei wörtlichem
Verständnis nicht die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, sondern einer rechtlichen
Eigenschaft des ZD Kita und dessen betriebsverfassungsrechtliche Qualifizierung begehrt. Dabei
handelt es sich allenfalls um ein Element eines Rechtsverhältnisses und um eine Vorfrage für die
Beurteilung, ob Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG in Betracht kommen.
24 b) Der Antrag kann jedoch dahin ausgelegt werden festzustellen, dass der Gesamtbetriebsrat bei
Form, Ausgestaltung und Verwaltung des ZD Kita nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG mitzubestimmen
hat. Dem antragstellenden Gesamtbetriebsrat geht es in der Sache nicht um die
betriebsverfassungsrechtliche Qualifizierung des ZD Kita, sondern um die Feststellung seiner von
der Arbeitgeberin bestrittenen Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG. Bei einem solchen
Verständnis genügt der Antrag den Erfordernissen des § 256 Abs. 1 ZPO. Das Bestehen eines
Mitbestimmungsrechts ist ein Rechtsverhältnis zwischen den Betriebsparteien, das einer
gerichtlichen Feststellung zugänglich ist.
25 2. Bei diesem Verständnis genügt der Antrag auch den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO.
26 a) Allerdings muss in Fällen, in denen über den Inhalt eines Mitbestimmungsrechts gestritten wird,
der Antragsteller eines Beschlussverfahrens die Maßnahme des Arbeitgebers oder den
betrieblichen Vorgang, hinsichtlich dessen das Mitbestimmungsrecht festgestellt werden soll,
regelmäßig so konkret beschreiben, dass der Umfang der mit einer Sachentscheidung
verbundenen Rechtskraft zuverlässig festgestellt werden kann . In Fällen, in denen das
Mitbestimmungsrecht für einen bestimmten Regelungskomplex nicht in seinem Inhalt, sondern
bereits dem Grunde nach streitig ist, genügt es aber, wenn der Regelungskomplex hinreichend
bestimmt ist, und ist es nicht erforderlich, die darunter fallenden Vorgänge sämtlich und im
Einzelnen zu beschreiben (vgl. BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 13/03 - zu B I 2 a aa der Gründe,
BAGE 111, 36).
27 b) Hiernach ist der Antrag hinreichend bestimmt. Zwar sind bei dem aufgrund der Auslegung
gebotenen Verständnis mit der Formulierung „Form, Ausgestaltung und Verwaltung“ die
Maßnahmen und Vorgänge, hinsichtlich derer das Mitbestimmungsrecht festgestellt werden soll,
nicht im Einzelnen beschrieben. Das ist hier aber auch nicht erforderlich. Die Beteiligten streiten
nicht über den Inhalt eines etwa bestehenden Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 8
BetrVG, sondern allein darüber, ob dieses überhaupt besteht. Der Regelungskomplex, für den
über das Mitbestimmungsrecht gestritten wird, ist hinreichend bestimmt. Es geht um die Form,
Ausgestaltung und Verwaltung des ZD Kita.
28 III. Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen unbegründet. Der Gesamtbetriebsrat
hat bei der Form, Ausgestaltung und der Verwaltung des ZD Kita nicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8
BetrVG mitzubestimmen. Der ZD Kita ist zwar eine Sozialeinrichtung. Deren Wirkungsbereich ist
aber nicht auf Betrieb, Unternehmen oder Konzern der Arbeitgeberin beschränkt.
29 1. Nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG hat der Betriebsrat mitzubestimmen bei der Form,
Ausgestaltung und Verwaltung von Sozialeinrichtungen, deren Wirkungsbereich auf den Betrieb,
das Unternehmen oder den Konzern beschränkt ist. Hierzu muss ein zweckgebundenes
Sondervermögen vorhanden sein, die Einrichtung sozialen Zwecken dienen und ihr
Wirkungsbereich auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern beschränkt sein (vgl. BAG
15. September 1987 - 1 ABR 31/86 - zu B II 1 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87
Sozialeinrichtung Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 15) .
30 a) Eine Sozialeinrichtung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG setzt ein zweckgebundenes
Sondervermögen voraus. Hierzu müssen die Mittel für die Sozialleistungen von den laufenden,
anderen Zwecken dienenden Betriebsmitteln abgrenzbar sein (vgl. BAG 9. Dezember 1980 -
1 ABR 80/77 - zu B II der Gründe, BAGE 34, 297) . Dies erfordert regelmäßig eine äußerlich
erkennbare, auf Dauer gerichtete Organisation (vgl. BAG 15. September 1987 - 1 ABR 31/86 - zu
B II 1 a der Gründe, AP BetrVG 1972 § 87 Sozialeinrichtung Nr. 9 = EzA BetrVG 1972 § 87
Sozialeinrichtung Nr. 15) .
31 b) Die Einrichtung dient sozialen Zwecken, wenn den Arbeitnehmern Leistungen oder Vorteile
gewährt werden, die keine unmittelbare Gegenleistung für die geschuldete Arbeitsleistung sind
(vgl. BAG 11. Juli 2000 - 1 AZR 551/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 95, 221) . Die Leistungen
müssen nicht unentgeltlich sein. Dem sozialen Zweck einer Einrichtung steht nicht entgegen,
wenn Teile der Mittel von den Arbeitnehmern selbst aufgebracht werden müssen (BAG 11. Juli
2000 - 1 AZR 551/99 - aaO) . Eine Sozialeinrichtung kann sogar dann vorliegen, wenn sie der
Arbeitgeber mit der Maßgabe einrichtet, dass sie auf Dauer kostendeckende Einnahmen erzielen
soll (vgl. Wiese GK-BetrVG 8. Aufl. § 87 Rn. 688; HSWGNR-Worzalla BetrVG 7. Aufl. § 87
Rn. 393) .
32 c) Die von § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG verlangte betriebs-, unternehmens- oder konzernbezogene
Beschränkung des Wirkungsbereichs setzt voraus, dass die Einrichtung für die Betriebs-,
Unternehmens- oder Konzernangehörigen vorgesehen und nicht einem unbestimmten
Personenkreis zugänglich ist. Unschädlich ist es allerdings, wenn Außenstehende als Gäste
zugelassen werden (vgl. BAG 21. Juni 1979 - 3 ABR 3/78 - zu II 2 a der Gründe, BAGE 32, 39;
11. Juli 2000 - 1 AZR 551/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 95, 221). Ein solches Verständnis
entspricht dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG.
33 aa) Nach dem Wortlaut der Regelung verlangt das Mitbestimmungsrecht die „Beschränkung“ des
„Wirkungsbereichs“ der Sozialeinrichtung auf den Betrieb, das Unternehmen oder den Konzern
des Arbeitgebers. Dem Wortsinn nach bedeutet dies, dass die Personen, denen die Leistungen
der Einrichtung zugute kommen sollen, jedenfalls typischerweise Betriebs-, Unternehmens- oder
Konzernangehörige sind. Eine generelle Öffnung der Einrichtung für einen unbestimmten
Personenkreis ist damit nicht vereinbar.
34 bb) Dies entspricht auch dem systematischen Zusammenhang der Vorschrift. Die
Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 BetrVG sind - wie generell die Mitbestimmung der
Betriebsverfassungsorgane - belegschaftsbezogen. Die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 8
BetrVG tritt - ähnlich wie diejenige nach § 87 Abs. 1 Nr. 9 BetrVG - ergänzend neben die
Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Durch § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG werden -
soziale - Leistungen des Arbeitgebers, die nicht ohne Weiteres unter § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG
fallen, ebenfalls der Mitbestimmung des Betriebsrats unterworfen. Soweit der Arbeitgeber eine
Sozialeinrichtung bezuschusst und damit zusätzliches Entgelt leistet, verdrängt das speziellere
Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG den Mitbestimmungstatbestand des § 87
Abs. 1 Nr. 10 BetrVG (BAG 11. Juli 2000 - 1 AZR 551/99 - zu II 1 a der Gründe, BAGE 95, 221) .
Diese „Belegschaftsbezogenheit“ rechtfertigt es, die Mitbestimmung auf die Fälle zu beschränken,
in denen die Leistungen der Sozialeinrichtung zumindest ganz überwiegend und vorrangig den
Belegschaftsmitgliedern dienen.
35 cc) Ein solches Verständnis entspricht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Beschränkung.
Diese ist jedenfalls auch Ausdruck davon, dass die Legitimation des Betriebsrats sich von der
Belegschaft ableitet, die ihn gewählt hat und die er gegenüber dem Arbeitgeber repräsentiert (vgl.
BAG 21. Juni 1979 - 3 ABR 3/78 - zu II 2 b der Gründe, BAGE 32, 39). Für betriebs-,
unternehmens- und konzernfremde Nutzungsberechtigte einer Sozialeinrichtung haben der
Betriebsrat, der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat keine entsprechende Legitimation.
Auch werden sie sich deren Interessen regelmäßig nicht verpflichtet sehen. Dies rechtfertigt es,
eine Mitbestimmung zu verneinen, wenn die Sozialeinrichtung unterschiedslos für einen
unbestimmten Nutzerkreis geöffnet ist. Im Übrigen hat die Einrichtung in einem solchen Fall
regelmäßig einen anderen Charakter. Ihre Funktion besteht dann nicht mehr darin, betriebs-,
unternehmens- oder konzernangehörigen Arbeitnehmern soziale Leistungen zugute kommen zu
lassen. Vielmehr dient sie in einem solchen Fall der Öffentlichkeit.
36 d) Maßgeblich für die Beurteilung ist der - letzte - vom Arbeitgeber vorgegebene Zweck der
Sozialeinrichtung. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitgeber die Zweckbestimmung der
Sozialeinrichtung ändert. Auf das „äußere Erscheinungsbild“ kommt es entgegen der Auffassung
des Landesarbeitsgerichts grundsätzlich nicht an. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG stellt auf den
„Wirkungsbereich“ der Sozialeinrichtung ab. Dieser hängt entscheidend von deren
Zweckbestimmung ab. Dabei kann dahinstehen, ob es Ausnahmefälle geben mag, in denen trotz
rechtlicher Öffnung einer Sozialeinrichtung faktische Zugangshindernisse bestehen, die eine
Beschränkung des Wirkungskreises zur Folge haben.
37 2. Hiernach steht dem Gesamtbetriebsrat bei der Form, Ausgestaltung und Verwaltung des
ZD Kita kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG zu.
38 a) Der ZD Kita bildet allerdings ein zweckgebundenes Sondervermögen der Arbeitgeberin. Die in
ihm zusammengefassten einzelnen Kindertagesstätten sind mit den Räumen,
Einrichtungsgegenständen, Betriebsmitteln und Arbeitskräften eine äußerlich erkennbare,
abgrenzbare und auf Dauer gerichtete Organisation.
39 b) Die Einrichtung dient auch sozialen Zwecken. Durch die Möglichkeit ihrer Nutzung werden -
jedenfalls auch - Arbeitnehmern der Arbeitgeberin Vorteile gewährt. Dies gälte selbst dann, wenn
die Arbeitgeberin den ZD Kita nicht mehr - wie im Jahr 2006 mit immerhin noch 490.000,00 Euro -
bezuschussen, sondern dieser sich finanziell selbst tragen würde.
40 c) Der Wirkungsbereich des ZD Kita ist jedoch nicht - mehr - auf die Betriebe oder das
Unternehmen der Arbeitgeberin beschränkt. Die Möglichkeit der Nutzung der Kindertagesstätten
ist vielmehr generell für einen unbestimmten Personenkreis eröffnet.
41 aa) Nach § 3 des Beschlusses der Geschäftsführung der Arbeitgeberin vom 26. September 2006
nehmen die Kindertagesstätten des ZD Kita „als öffentliche Kindertagesstätten grundsätzlich alle
Kinder auf“. Ausdrücklich heißt es ferner, dass eine bevorzugte Aufnahme oder Behandlung der
Kinder von Mitarbeitern der Arbeitgeberin nicht erfolgt und die Aufnahme ausschließlich die
Vorlage eines entsprechenden Kita-Gutscheins und das Vorhandensein eines freien Platzes
voraussetzt. Der generellen Öffnung der ZD Kita für einen unbestimmten Personenkreis steht
nicht entgegen, dass sich die Kindertagesstätten auf dem Gelände der Krankenhäuser oder in
deren Nähe befinden. Gleiches gilt für den Umstand, dass die Arbeitgeberin bei der
Stellenausschreibung mit den Kindertagesstätten wirbt und deren Leitungen die Öffnungs- und
Schließungszeiten ins Intranet der Arbeitgeberin einstellen. Der Wirkungsbereich des ZD Kita wird
dadurch weder rechtlich noch faktisch beschränkt. Dies zeigt auch der Umstand, dass die
Einrichtung im Jahr 2006 zu über 30 % von Eltern genutzt wird, die nicht im Unternehmen der
Arbeitgeberin beschäftigt sind.
42 bb) Der Arbeitgeberin ist es auch nicht verwehrt, sich gegenüber dem Gesamtbetriebsrat auf die
generelle Öffnung des Wirkungskreises des ZD Kita zu berufen. Dem steht insbesondere nicht
entgegen, dass nach dem Privatisierungsvertrag „der Investor“ - also wohl die Arbeitgeberin -
„Betriebskindergärten und andere von der Gesellschaft betriebene Sozialeinrichtungen
grundsätzlich weiterführen“ wird. Selbst wenn darin eine wirksame schuldrechtliche Verpflichtung
der Arbeitgeberin läge und diese als Vertrag zugunsten Dritter Rechte der Arbeitnehmer auf
Fortführung der Betriebskindergärten und anderer Sozialeinrichtungen begründen sollte, so ergäbe
sich daraus kein Anspruch des Gesamtbetriebsrats darauf, dass die Arbeitgeberin die
Betriebskindergärten als Sozialeinrichtungen iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG fortführt und sie nicht
für einen unbestimmten Personenkreis öffnet.
Schmidt
Kreft Linsenmaier
Gentz
Olaf Kunz