Urteil des BAG vom 06.11.2013

Beschluss des Betriebsrats - rechtliche Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds an der Beschlussfassung

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 6.11.2013, 7 ABR
84/11
Beschluss des Betriebsrats - rechtliche Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds an der
Beschlussfassung
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats wird der
Beschluss des Landesarbeitsgerichts München vom 14. Juni
2011 - 7 TaBV 84/10 - aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Anhörung und Entscheidung an das
Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Maßnahme, die der Betriebsrat als
eine mitbestimmungspflichtige Versetzung ansieht, und über einen
Unterlassungsanspruch.
2 Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreibt in P ein Logistikzentrum, in dem der zu 1.
beteiligte, neunköpfige Betriebsrat gebildet ist. Der seit dem 10. November 1997
beschäftigte Arbeitnehmer S ist Mitglied des Betriebsrats. In seinem Arbeitsvertrag - noch
mit der Rechtsvorgängerin der Arbeitgeberin geschlossen - heißt es unter „§ 1 Tätigkeit
und Aufgabengebiet“ ua.: „Die Firma stellt Herrn S als Mitarbeiter im
Logistikzentrum/Wareneingang ein.“
3 Bis zum 8. Februar 2010 war Herr S damit betraut, die durch Spediteure angelieferte Ware
an der Rampe entgegenzunehmen, anhand des Speditionsscheins zu überprüfen und
vorzusortieren („Wareneingang/Warenannahme“). Seit dem 9. Februar 2010 hat er auf
Weisung der Arbeitgeberin die vorsortierte Ware auszupacken, auf Richtigkeit mittels
Lieferschein zu kontrollieren und im EDV-System einzubuchen („Wareneingang/Buchen“
oder auch „Wareneingangsbuchung“). Bei der Zuweisung dieser - nach dem Vorbringen
des Betriebsrats vor allem wegen des Auspackens der Ware körperlich
anspruchsvolleren - Tätigkeit beteiligte die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht. Bei der
Arbeitgeberin existieren interne Arbeitsanweisungen (AA), die zB im Anwendungsbereich
„Inbound Operations“ eine „AA Warenannahme“ und eine „AA Wareneingang“ beinhalten.
4 Der Betriebsrat hat in dem vorliegenden Beschlussverfahren - soweit für die
Rechtsbeschwerde noch von Bedeutung - vor allem die Aufhebung der aus seiner Sicht
als Versetzung anzusehenden Zuweisung der Tätigkeit Wareneingang/Buchen an das
Betriebsratsmitglied S verlangt. In der von Rechtsanwältin E K in Vertretung für
Rechtsanwalt W K unterzeichneten Antragsschrift vom 7. April 2010 ist ua. ausgeführt:
„Der Betriebsrat hat die Einleitung dieses Verfahrens
und die Beauftragung der Rechtsanwälte K & Kollegen
zur Einleitung des Verfahrens und der Vertretung bereits
in den Sitzungen vom 06.04.2010 und 10.02.2010
ordnungsgemäß beschlossen. Im Bestreitensfalle wird
dem Gericht die jeweilige Tagesordnung und das
Protokoll der jeweiligen Betriebsratssitzung vorgelegt.“
5 Zuletzt hat der Betriebsrat - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Interesse
- sinngemäß beantragt,
1. der Arbeitgeberin aufzugeben, die
Versetzung des Mitarbeiters S aufzuheben,
2. der Arbeitgeberin unter Androhung eines
der Höhe nach vom Gericht festzusetzenden
Ordnungsgeldes für jeden Fall der
Zuwiderhandlung aufzugeben, es zu
unterlassen, ohne vom Betriebsrat vorherige
- erteilte, als erteilt geltende oder gerichtlich
ersetzte - Zustimmung Mitarbeiter vom
Arbeitsbereich
Wareneingang/Warenannahme in den
Arbeitsbereich Wareneingang/Buchen zu
versetzen, sofern nicht die Arbeitgeberin das
Verfahren zur Feststellung der dringenden
Erforderlichkeit nach Maßgabe von § 100
Abs. 2 BetrVG eingehalten hat.
6 Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge abzuweisen. Sie hat in Abrede gestellt, dass
der Betriebsrat einen ordnungsgemäßen Beschluss über die Einleitung des Verfahrens
gefasst hat, und im Übrigen gemeint, die Zuweisung des Aufgabenbereichs
Wareneingang/Buchen sei keine mitbestimmungspflichtige Versetzung.
7 Das Arbeitsgericht hat die Anträge als unbegründet abgewiesen. Der Rüge der nicht
ordnungsgemäßen Verfahrenseinleitung ist es ebenso wenig nachgegangen wie der
Betriebsrat seine Ankündigung entsprechender Nachweise umgesetzt hat.
8 Der Betriebsrat hat gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss mit von Rechtsanwalt W K
unterzeichnetem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Nach Anzeige der
Mandatsniederlegung der Rechtsanwälte K & Kollegen ist die Beschwerde mit von
Rechtsanwalt Sch - von der Kanzlei Sch & Collegen - unterschriebenem Schriftsatz
begründet worden. Ausweislich des Protokolls des Anhörungstermins vor dem
Landesarbeitsgericht am 8. März 2011 hat der Verfahrensbevollmächtigte der
Arbeitgeberin - nach der Niederschrift eines widerruflichen Vergleichs - erklärt:
„Ich bestreite, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen,
dass der Antragsteller einen ordnungsgemäßen
Beschluss zur Verfahrenseinleitung getroffen hat.“
9 Im Anschluss an den Widerruf des Vergleichs hat Rechtsanwalt Sch als (damaliger)
Verfahrensbevollmächtigter des Betriebsrats beantragt, Termin zur Fortsetzung der
Anhörung zu bestimmen und als Anlage zu seinem Schriftsatz „den
Verfahrenseinleitungsbeschluss vom 23.09.2010“ überreicht. Die Anlage ist eine Kopie
des „Auszugs aus der Außerordentlichen Betriebsratssitzung“, die als „Datum“ der Sitzung
den „23.09.2011“ und als Datum der Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden den
„26.10.2010“ ausweist. Im Übrigen ist dem Auszug zu entnehmen, dass an der
Betriebsratssitzung - neben fünf Mitgliedern und drei Ersatzmitgliedern des Betriebsrats -
Herr S teilgenommen hat. Als Tagesordnungspunkt 6 ist in dem „Auszug aus der
Außerordentlichen Betriebsratssitzung“ ua. aufgeführt (in wörtlicher Wiedergabe):
„Beschlussfassung über Einleitung von Beschwerde
wegen des Beschluss von Arbeitsgericht München mit
dem Aktenzeichen … 2 BV 147/10 beim
Landesarbeitsgericht München (II. Instanz) und die
Beauftragung der Rechtsanwälte Kühne und Kollegen
… mit der Vertretung des Betriebsrates im
Beschlussverfahren vor dem Landesarbeitsgericht
München (II. Instanz) bezüglich des Verfahrens mit dem
Aktenzeichen … 2 BV 147/10 … Beschlussverfahren
wegen Versetzung von Herrn S …“
10 Zu diesem Tagesordnungspunkt ist als „Beschluss“ festgehalten (in wörtlicher
Wiedergabe):
„Der Betriebsrat hat mit 6 Ja und 3 nein stimmen
mehrheitlich beschlossen, der Einleitung von
Beschwerde wegen des Beschluss von Arbeitsgericht
München mit dem Aktenzeichen … 2 BV 147/10 beim
Landesarbeitsgericht München (II. Instanz) und die
Beauftragung der Rechtsanwälte K und Kollegen … mit
der Vertretung des Betriebsrates im Beschlussverfahren
vor dem Landesarbeitsgericht München (II. Instanz)
bezüglich des Verfahrens mit dem Aktenzeichen … 2
BV 147/10 … Beschlussverfahren wegen Versetzung
von Herrn S …“
11 Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats als unzulässig verworfen
und die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
12 Auf die von Rechtsanwalt Sch für den Betriebsrat erhobene Nichtzulassungsbeschwerde
hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Nach der Anzeige der Niederlegung
des Mandats durch Rechtsanwalt Sch hat Rechtsanwalt Dr. R die Vertretung des
Betriebsrats durch die Kanzlei Dr. R & M schriftsätzlich mitgeteilt. Der
Verfahrensbevollmächtigte der Arbeitgeberin hat im Termin zur mündlichen Anhörung vor
dem Senat erklärt:
„Ich bestreite die ordnungsgemäße
Betriebsratsbeschlussfassung zur Einleitung des
Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie des
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Ich halte die
Rechtsbeschwerde insofern bereits für unzulässig. Ich
bestreite weiter die ordnungsgemäße
Betriebsratsbeschlussfassung für die Bevollmächtigung
zur Einleitung des
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, des
Rechtsbeschwerdeverfahrens sowie zur Wahrnehmung
des heutigen Termins.“
13 Der Betriebsrat hat daraufhin einen „Auszug aus der Betriebsratssitzung vom 13. Oktober
2011“ - nebst Anwesenheitsliste vom 13. Oktober 2011 und Einladung zur
Betriebsratssitzung am 13. Oktober 2011 - sowie einen „Auszug aus der
Betriebsratssitzung vom 16. Oktober 2013“ - nebst Anwesenheitsliste vom 16. Oktober
2013 und Einladung zur Betriebsratssitzung vom 16. Oktober 2013 - zur Akte übergeben.
Nachdem dem Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin Kopien der überreichten
Unterlagen ausgehändigt worden sind, hat er zu Protokoll erklärt:
„Ich bestreite auch die ordnungsgemäße
Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten des
Betriebsrats.“
14 Der Betriebsratsvorsitzende hat zu Protokoll erklärt:
„Ich erteile Herrn Rechtsanwalt Dr. R namens des
Betriebsrats Vollmacht für die Durchführung dieses
Beschlussverfahrens.“
15 Ferner hat er zu Protokoll gegeben:
„Vorsorglich genehmige ich auch die
Prozesshandlungen des Rechtsanwalts Sch.“
16 Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seine Anträge weiter. Die Arbeitgeberin
beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.
17 B. Die zulässige Rechtsbeschwerde des Betriebsrats hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung
des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde des
Betriebsrats als unzulässig verworfen. Die Beschwerdeentscheidung erweist sich auch
nicht aus anderen Gründen als richtig. In der Sache kann der Senat nicht abschließend
entscheiden, weil sich das Landesarbeitsgericht - aus seiner Sicht konsequent - mit der
vor allem für den Antrag zu 1. erheblichen Frage, ob in der Zuweisung von Aufgaben in
der Warenbuchung statt in der Warenannahme eine mitbestimmungspflichtige Versetzung
liegt, nicht befasst hat. Es wird die hierfür erforderlichen Feststellungen zu treffen und eine
rechtliche Wertung ebenso nachzuholen haben wie die - zum Teil damit
zusammenhängenden - Feststellungen und Würdigungen für eine Entscheidung über den
zu 2. gestellten Unterlassungsantrag.
18 I. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.
19 1. Sie ist aufgrund ihrer Zulassung durch den Senat statthaft (§ 92 Abs. 1 Satz 1 ArbGG)
und frist- und formgerecht begründet worden (§ 92 Abs. 2 Satz 1, § 92a Satz 2 iVm. § 72a
Abs. 6 ArbGG).
20 2. Der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin im
Anhörungstermin vor dem Senat eine ordnungsgemäße Beschlussfassung des
Betriebsrats über die Einleitung des Rechtsbeschwerdeverfahrens und des
Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens sowie über die Bevollmächtigung des die
entsprechenden Prozesshandlungen vornehmenden Rechtsanwalts bestritten hat.
Ungeachtet dessen, dass das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren mit dem
Senatsbeschluss über die Zulassung der Rechtsbeschwerde abgeschlossen ist, sind die
Beanstandungen der Arbeitgeberin - bezogen auf das Nichtzulassungsbeschwerde- und
auf das Rechtsbeschwerdeverfahren - nicht begründet.
21 a) Zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine den Betriebsrat beschwerende
Entscheidung durch einen ordnungsgemäß beauftragten Verfahrensbevollmächtigten
bedarf es prinzipiell keiner gesonderten Beschlussfassung des Betriebsrats. Nach den
auch im Beschlussverfahren geltenden Vorschriften des § 81 ZPO iVm. § 46 Abs. 2 ArbGG
ermächtigt die einmal erteilte Prozessvollmacht im Außenverhältnis - in den zeitlichen
Grenzen des § 87 ZPO - zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen
einschließlich der Einlegung von Rechtsmitteln (vgl. BAG 6. Dezember 2006 - 7 ABR
62/05 - Rn. 12 mwN; 16. November 2005 - 7 ABR 12/05 - Rn. 17, BAGE 116, 192;
9. Dezember 2003 - 1 ABR 44/02 - zu B I 1 c der Gründe, BAGE 109, 61; 11. September
2001 - 1 ABR 2/01 - zu B I der Gründe). Nichts anderes gilt für die Einlegung einer
Nichtzulassungsbeschwerde (BAG 13. Februar 2013 - 7 ABN 106/12 -; vgl. zum weiten
Begriff der Prozesshandlung des § 81 ZPO zB Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann
ZPO 71. Aufl. § 81 Rn. 4). Beruht bereits die Beauftragung des
Verfahrensbevollmächtigten nicht auf einer wirksamen Beschlussfassung des
Betriebsrats, ist der Rechtsanwalt nicht wirksam vom Betriebsrat bevollmächtigt. Allerdings
ist die ordnungsgemäße Erteilung der Anwaltsvollmacht nach dem auch im
Beschlussverfahren anwendbaren § 88 Abs. 2 ZPO grundsätzlich nur auf Rüge eines
Verfahrensbeteiligten zu prüfen. Wird die Erteilung der Vollmacht in Abrede gestellt, hat
der Verfahrensbevollmächtigte seine Vollmacht nachzuweisen. Wird die ordnungsgemäße
Beschlussfassung des Betriebsrats über die Bevollmächtigung bestritten, muss der
Nachweis eines wirksamen Gremiumsbeschlusses geführt werden (zu all dem vgl.
Linsenmaier FS Wißmann S. 378, 389 ff.).
22 b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehen im vorliegenden Streitfall keine
Bedenken gegen die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde.
23 aa) Der Einlegung der Rechtsbeschwerde liegt ein wirksamer Betriebsratsbeschluss
zugrunde.
24 (1) Ein solcher ist bereits in dem Beschluss des Betriebsrats auf seiner Sitzung vom
„23.09.2011“ zu sehen. Allerdings handelt es sich bei der Datumsangabe auf dem
protokollierten „Auszug aus der Außerordentlichen Betriebsratssitzung“ nicht um das
Datum der Beschlussfassung des Betriebsrats, wurde doch der arbeitsgerichtliche
Beschluss vom 4. Oktober 2010 dem Betriebsrat am 19. Oktober 2010 zugestellt und der
„Auszug aus der Außerordentlichen Betriebsratssitzung“ vom Betriebsratsvorsitzenden am
26. Oktober 2010 unterzeichnet. Der in diesem Protokoll dokumentierte Beschluss muss
daher zwischen dem 19. Oktober 2010 und dem 26. Oktober 2010 gefasst worden sein.
Wie seine Auslegung ergibt, erfasst er nicht nur die Einleitung des Beschlussverfahrens,
sondern auch eine etwa noch erforderliche Genehmigung des bisherigen Verfahrens
sowie die etwa noch erforderlich werdende Einlegung von Rechtsmitteln. Der so
verstandene Beschluss ist auch wirksam.
25 (a) Im buchstäblichen Verständnis bezieht sich der Beschluss des Betriebsrats vom
„23.09.2011“ nur auf „Einleitung“ einer Beschwerde gegen die arbeitsgerichtliche
Entscheidung und die „Beauftragung der Rechtsanwälte K und Kollegen … mit der
Vertretung … vor dem Landesarbeitsgericht München“. Der Beschluss umfasst damit aber
auch - zumindest im Sinn einer konkludenten Genehmigung - die Einleitung des
Beschlussverfahrens „an sich“. Der in ihm zum Ausdruck kommende Wille des Gremiums,
gegen eine bestimmte arbeitsgerichtliche Entscheidung das zulässige Rechtsmittel der
Beschwerde einzulegen, würde sinnentleert interpretiert, wenn man ihn nicht zugleich
dahingehend verstünde, dass es dem Betriebsrat darum ging, die
verfahrensgegenständlichen Ansprüche überhaupt einer gerichtlichen Klärung - in der
zulässigen Verfahrensart eines Beschlussverfahrens und vertreten durch einen
Rechtsanwalt - zuzuführen. Der Betriebsrat hat zu erkennen gegeben, dass dies von
seinem Willen getragen ist. Umfasst der Beschluss vom „23.09.2011“ aber (auch) die
Einleitung eines Beschlussverfahrens zur Klärung einer Streitfrage, ist gleichfalls
anzunehmen, dass er auf ein Beschlussverfahren unter Ausschöpfung des möglichen
Instanzenwegs (einschließlich der Nichtzulassungs- und der Rechtsbeschwerde) zielt; die
gegenteilige Annahme ist fernliegend.
26 (b) Der Beschluss vom „23.09.2011“ ist wirksam. Insbesondere ist er nicht deshalb
unwirksam, weil das Betriebsratsmitglied S an der Beratung und Beschlussfassung
beteiligt war.
27 (aa) Beschlüsse des Betriebsrats werden - abgesehen von besonderen, im Gesetz
geregelten Fällen - mit der Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst (§ 33
Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Der Betriebsrat ist beschlussfähig, wenn mindestens die Hälfte der
Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung teilnimmt; Stellvertretung durch
Ersatzmitglieder ist zulässig (§ 33 Abs. 2 BetrVG). Der Betriebsratsvorsitzende hat die
Mitglieder des Betriebsrats zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der
Tagesordnung zu laden, § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG. Er hat nach § 29 Abs. 2 Satz 6 BetrVG
ua. für ein verhindertes Betriebsratsmitglied das Ersatzmitglied zu laden. Die zeitweilige
Verhinderung eines Mitglieds des Betriebsrats iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG setzt nicht
zwingend dessen tatsächliche Verhinderung voraus. Vielmehr kann ein
Betriebsratsmitglied auch aus rechtlichen Gründen zeitweilig an der Wahrnehmung seines
Amts verhindert sein (vgl. BAG 24. April 2013 - 7 ABR 82/11 - Rn. 15; 10. November 2009
- 1 ABR 64/08 - Rn. 22; 3. August 1999 - 1 ABR 30/98 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 92,
162). Um eine solche „rechtliche Verhinderung“ handelt es sich bei Maßnahmen und
Regelungen, die das Betriebsratsmitglied individuell und unmittelbar betreffen (vgl. BAG
24. April 2013 - 7 ABR 82/11 - aaO; 10. November 2009 - 1 ABR 64/08 - aaO; 3. August
1999 - 1 ABR 30/98 - zu B II 1 der Gründe, aaO). Wird für ein - und sei es aus rechtlichen
Gründen - zeitweilig verhindertes Betriebsratsmitglied ein vorhandenes Ersatzmitglied
nicht geladen, ist der Betriebsrat nach der Rechtsprechung des Senats an einer
wirksamen Beschlussfassung gehindert (vgl. zuletzt BAG 24. April 2013 - 7 ABR 82/11 -
Rn. 14 mwN).
28 (bb) Es kann offenbleiben, ob uneingeschränkt an der im Beschluss des Senats vom
24. April 2013 (- 7 ABR 82/11 -) zum Ausdruck kommenden Beurteilung festzuhalten ist,
wonach die Mitwirkung eines rechtlich verhinderten Betriebsratsmitglieds - stets - zur
Unwirksamkeit des unter seiner Beteiligung gefassten Betriebsratsbeschlusses führt.
Hiergegen könnte die - generelle - Überlegung sprechen, dass nicht jeder Verstoß gegen
die formellen Anforderungen einer ordnungsgemäßen Betriebsratssitzung die
Unwirksamkeit eines darin gefassten Beschlusses bewirkt, sondern nur ein solcher, der so
schwerwiegend ist, dass der Fortbestand des Beschlusses von der Rechtsordnung nicht
hingenommen werden kann (vgl. dazu BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 2/13 (A) - Rn. 38 f.).
Hinsichtlich der weitreichenden Rechtsfolge der Unwirksamkeit des
Betriebsratsbeschlusses wegen der Mitwirkung eines „befangenen“ Betriebsratsmitglieds
wäre ggf. auch zu bedenken, dass das Betriebsverfassungsgesetz - anders als etwa in
§ 49 ArbGG oder § 41 ff. ZPO geregelt - kein (Zwischen-)Verfahren zur Feststellung der
Befangenheit von Betriebsratsmitgliedern kennt und die entsprechenden Beurteilungen
typischerweise schwierige Wertungsfragen beinhalten. Im vorliegenden Fall war das
Betriebsratsmitglied S aber ohnehin nicht aus rechtlichen Gründen verhindert, am
Beschluss vom „23.09.2011“ mitzuwirken. Der Beschluss ist mithin nicht
verfahrensfehlerhaft zustande gekommen.
29 (aaa) Ein Betriebsratsmitglied ist grundsätzlich von seiner Organtätigkeit ausgeschlossen
bei Maßnahmen und Regelungen, die es individuell und unmittelbar betreffen (BAG
24. April 2013 - 7 ABR 82/11 - Rn. 15; 10. November 2009 - 1 ABR 64/08 - Rn. 22;
3. August 1999 - 1 ABR 30/98 - zu B II 1 der Gründe, BAGE 92, 162). Als Teil der vom
Betriebsrat repräsentierten Belegschaft sind die Betriebsratsmitglieder indes häufig von
den vom Betriebsrat im Rahmen seiner Mitbestimmung zu treffenden Entscheidungen
mehr oder weniger auch selbst betroffen. Von ihnen wird daher erwartet, dass sie sich als
von der Belegschaft gewählte Amtsinhaber bei diesen Entscheidungen nicht von
persönlichen Interessen leiten lassen. Ein Ausschluss von der Ausübung ihres Amts ist
demnach auch aus Gründen der Rechtssicherheit und der Funktionsfähigkeit des
Betriebsrats nur dann geboten und gerechtfertigt, wenn typischerweise davon
ausgegangen werden muss, dass das Betriebsratsmitglied sein Amt wegen seiner
persönlichen Interessen nicht mehr mit der erforderlichen Unabhängigkeit wahrnehmen
kann. Hiervon ist in den Fällen der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit des
Betriebsratsmitglieds auszugehen (BAG 24. April 2013 - 7 ABR 82/11 - aaO). An einer
individuellen Betroffenheit fehlt es, wenn das Betriebsratsmitglied lediglich als
Angehöriger eines aus mehreren Personen bestehenden Teils der Belegschaft betroffen
ist. Eine unmittelbare Betroffenheit liegt nicht vor, wenn mit der Maßnahme oder Regelung
nur mittelbare Auswirkungen oder Reflexe verbunden sind. Für die Mitbestimmung des
Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen nach § 99 BetrVG bedeutet dies, dass von
einer unmittelbaren und individuellen Betroffenheit des Betriebsratsmitglieds regelmäßig
nur dann gesprochen werden kann, wenn das Betriebsratsmitglied gerade die Person ist,
auf die sich ein Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers unmittelbar richtet (vgl. BAG
24. April 2013 - 7 ABR 82/11 - Rn. 16). Ist dagegen streitig, ob es sich bei einem
bestimmten Akt oder bei einer bestimmten Sachverhaltskonstellation überhaupt um eine
der Mitbestimmung nach § 99 BetrVG unterliegende personelle Maßnahme handelt, geht
es gerade nicht um ein „personalisiertes“ Zustimmungsersuchen, sondern um die Klärung
oder - so bei einem Verfahren nach § 101 BetrVG - die Sicherung des gremienbezogenen
Beteiligungsrechts. Für sich gesehen genügt dies regelmäßig nicht, das
Betriebsratsmitglied als von seiner Amtsausübung ausgeschlossen anzusehen.
30 (bbb) Hiernach war das Betriebsratsmitglied S nicht gehindert, an der Beratung und
Beschlussfassung des Betriebsrats am „23.09.2011“ teilzunehmen. Der in der Sitzung
gefasste Beschluss betrifft den Schutz und die Sicherung eines - streitigen -
Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG und nicht die in Konkretisierung des
Mitbestimmungsrechts vom Betriebsrat zu treffende, ggf. sein Mitglied S unmittelbar
betreffende Entscheidung. Das gilt ohne weiteres für den Unterlassungsantrag zu 2. Es gilt
ebenso für den Antrag zu 1., der auf die Aufhebung einer Herrn S betreffenden Maßnahme
gerichtet ist. Auch dieser dient der Sicherung des nach Auffassung des Betriebsrats
bestehenden Beteiligungsrechts „an sich“ und nicht der inhaltlichen Wahrnehmung oder
Ausfüllung der Mitbestimmung. Betriebsrat und Arbeitgeberin vertreten unterschiedliche
Ansichten darüber, ob es sich bei einem Wechsel von der „Warenannahme“ zur
„Warenbuchung“ überhaupt um eine personelle Einzelmaßnahme iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1
BetrVG handelt. In der Betriebsratssitzung am „23.09.2011“ ging es zunächst (nur) darum,
dass der Arbeitgeber - nach Auffassung des Betriebsrats - vor der Zuweisung der Tätigkeit
„Wareneingang/Buchen“ an Herrn S ein Zustimmungsverfahren nach § 99 BetrVG
durchzuführen hat. Es ging (noch) nicht darum - und erst das hätte Herrn S unmittelbar und
individuell betroffen -, wie sich der Betriebsrat inhaltlich zu der Maßnahme stellt, ob er ihr
also zustimmt oder Zustimmungsverweigerungsgründe geltend macht.
31 (cc) Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des Betriebsratsbeschlusses aus anderen
Gründen bestehen nicht. So weist nichts darauf hin, dass keine ordnungsgemäße Ladung
erfolgt oder der Betriebsrat - vor allem im Hinblick auf die drei hinzugezogenen
Ersatzmitglieder - nicht korrekt „besetzt“ gewesen ist. Im „Auszug aus der
Außerordentlichen Betriebsratssitzung“ vom „23.09.2011“ sind außerdem die
Beschlussfähigkeit des Betriebsrats und das Treffen eines stimmenmehrheitlichen
Beschlusses über die Einleitung des Beschwerdeverfahrens und die entsprechende
Bevollmächtigung dokumentiert.
32 (2) Stellte man nicht auf den Beschluss vom „23.09.2011“ ab, wären die Einleitung des
Nichtzulassungs- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens jedenfalls von dem auf der
Betriebsratssitzung am 13. Oktober 2011 gefassten Beschluss gedeckt.
33 (a) Der hierzu im Anhörungstermin vor dem Senat zur Akte und in einer Abschrift der
Arbeitgeberin überreichte „Auszug aus der Betriebsratssitzung“ dokumentiert (in wörtlicher
Wiedergabe):
„Der Betriebsrat hat mit 6 ja, 2 Enthaltung und 1
dagegen Stimmen mehrheitlich beschlossen gegen die
Entscheidung des LAG München vom 14.06.2011 …
Nichtzulassungsbeschwerde beim BAG einzulegen. Mit
der Durchführung des Verfahrens werden die
Rechtsanwälte Sch & Coll. beauftragt. …“
34 Dies beinhaltet auch eine Willensentschließung des Betriebsrats bezogen auf die
Einleitung des Rechtsbeschwerdeverfahrens. Nach § 92a Satz 2 iVm. § 72a Abs. 6 Satz 1
ArbGG wird das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren
fortgesetzt, wenn der Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - stattgegeben wird.
Gemäß § 92a Satz 2 iVm. § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG gilt die frist- und formgerechte
Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde.
35 (b) Der Beschluss vom 13. Oktober 2011 ist wirksam. Auch an ihm hat - wie sich dem
„Auszug aus der Betriebsratssitzung“ entnehmen lässt - das Betriebsratsmitglied S
mitgewirkt. Wie bereits ausgeführt, ist dies aber nicht verfahrensfehlerhaft.
36 (3) Schließlich hat der Betriebsratsvorsitzende mit zu Protokoll des Anhörungstermins vor
dem Senat gegebener Erklärung die Prozesshandlungen des Rechtsanwalts Sch
vorsorglich genehmigt. Der Betriebsrat kann - in der Erklärung vertreten durch seinen
Vorsitzenden - grundsätzlich das in seinem Namen eingelegte Rechtsmittel bis zum
Abschluss der Rechtsmittelinstanz wirksam genehmigen (vgl. Linsenmaier FS Wißmann
S. 378, 392 mwN).
37 bb) Die Verfahrensbevollmächtigung für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde -
welche wegen der Zulassung der Rechtsbeschwerde durch den Senat nach § 92a Satz 2
iVm. § 72a Abs. 6 Satz 2 ArbGG als Einlegung der Rechtsbeschwerde gilt - durch
Rechtsanwalt Sch beruht auf einem ordnungsgemäßen Beschluss des Betriebsrats. Dies
folgt aus dem in der Betriebsratssitzung am 13. Oktober 2011 gefassten Beschluss, zu
dem der Betriebsratsvorsitzende im Anhörungstermin vor dem Senat den entsprechenden
„Auszug aus der Betriebsratssitzung“ zur Akte gereicht hat.
38 3. Schließlich steht das Bestreiten der Arbeitgeberin zur ordnungsgemäßen
Bevollmächtigung des Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats im Anhörungstermin
vor dem Senat der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht entgegen.
39 a) Es hat schon deshalb keine Bedeutung, weil der Betriebsrat das
Rechtsbeschwerdeverfahren selbst führen kann (§ 92 Abs. 2 Satz 2 iVm. § 11 Abs. 1
Satz 1 ArbGG). Selbst wenn man also annähme, Rechtsanwalt Dr. R sei nicht wirksam
vom Betriebsrat beauftragt, hinderte sein dann vorliegendes vollmachtloses Auftreten für
den Betriebsrat im Anhörungstermin die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde nicht.
40 b) Ungeachtet dessen ist Rechtsanwalt Dr. R ordnungsgemäß beauftragt. Der Betriebsrat
hat ausweislich des im Anhörungstermin vor dem Senat zur Akte und in einer Abschrift der
Arbeitgeberin überreichten „Auszugs aus der Betriebsratssitzung“ am 16. Oktober 2013 -
wirksam - beschlossen (in wörtlicher Wiedergabe):
„Der Betriebsrat hat mit 6 dafür, 2 dagegen und 1
Enthaltung mehrheitlich zugestimmt über die
Beauftragung der Rechtsanwälte Dr. R & M … mit der
Vertretung des Betriebsrates beim Bundesarbeitsgericht
… in der Sache Versetzung von Herrn S …“
41 c)Schließlich ist das Bestreiten auch dann unerheblich, wenn man es im Sinn der
Geltendmachung eines Mangels der Vollmacht nach § 88 ZPO versteht. Jedenfalls wegen
der zu Protokoll des Anhörungstermins vor dem Senat gegebenen Erklärung des
Betriebsratsvorsitzenden, er erteile Rechtsanwalt Dr. R namens des Betriebsrats
Vollmacht, scheidet ein Vollmachtsmangel aus. Eine Vollmachterteilung zum
Sitzungsprotokoll ist möglich und genügt (vgl. zB Thomas/Putzo/Hüßtege ZPO 34. Aufl.
§ 81 Rn. 9).
42 II. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist begründet.
43 1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Beschwerde des
Betriebsrats gegen den seinen Aufhebungs- und Unterlassungsantrag abweisenden
arbeitsgerichtlichen Beschluss unzulässig ist. Wegen dieses Rechtsfehlers unterliegt die
angefochtene Entscheidung der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO).
44 a) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Beschwerde des Betriebsrats sei
unzulässig, weil der Betriebsrat keinen wirksamen „Verfahrenseinleitungs- und
Mandatierungsbeschluss“ gefasst habe, weshalb er in dem Beschwerdeverfahren bis zum
Ablauf der einmonatigen Beschwerdeeinlegungsfrist des § 87 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 66
Abs. 1 Satz 1 ArbGG nicht wirksam vertreten gewesen und ein Prozessrechtsverhältnis
nicht zustande gekommen sei. Der Beschluss des Betriebsrats vom „23.09.2011“ zur
Einleitung des Beschwerdeverfahrens und Mandatierung der Rechtsanwälte K & Kollegen
(als damalige Verfahrensbevollmächtigte) sei nichtig, weil das unmittelbar persönlich
betroffene Betriebsratsmitglied S bei der abschließenden Beratung und Beschlussfassung
mitgewirkt habe.
45 b) Dies hält der rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung nicht stand. Der
Betriebsratsbeschluss vom „23.09.2011“ beinhaltet - wie bereits ausgeführt nicht nur, aber
immerhin wörtlich - die Beschwerdeeinlegung und die Beauftragung der (vormaligen)
Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats. Der Beschluss ist - wie bereits ausgeführt -
nicht deshalb unwirksam, weil das Betriebsratsmitglied S zur Beratung und
Beschlussfassung hinzugezogen worden ist.
46 c) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Verwerfung der Beschwerde als
unzulässig erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Die
Beschwerde ist frist- und formgerecht eingelegt und begründet (§ 87 Abs. 2 Satz 1 iVm.
§ 66 Abs. 1 Satz 1 und § 89 Abs. 1 ArbGG). Zwar ist die auf den 17. Januar 2011
datierende Beschwerdebegründung durch Rechtsanwalt Sch - also nicht die vormalig
Bevollmächtigten Rechtsanwälte K & Kollegen, auf die sich der Betriebsratsbeschluss
vom „23.09.2011“ bezieht - erfolgt. Auch bedurfte die Begründung der Beschwerde nach
§ 89 Abs. 1 iVm. § 11 Abs. 4 und Abs. 5 ArbGG einer Vertretung durch
Verfahrensbevollmächtigte, also zB einen Rechtsanwalt. Die Bevollmächtigung von
Rechtsanwalt Sch zur Beschwerdebegründung hat die Arbeitgeberin aber ebenso wenig
beanstandet wie einen Vollmachtsmangel nach § 88 ZPO geltend gemacht. Ungeachtet
dessen wäre die Prozesshandlung im Hinblick auf die vom Betriebsratsvorsitzenden zu
Protokoll des Anhörungstermins vor dem Senat gegebene Erklärung genehmigt.
Schließlich genügt die Beschwerdebegründung den Anforderungen von § 89 Abs. 2
Satz 2 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO, wonach die Umstände, aus denen sich
die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt,
zu bezeichnen sind. Die Beschwerdebegründung befasst sich in diesem Sinn mit den
rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des arbeitsgerichtlichen Beschlusses.
47 2. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Zwar kann von einer
ordnungsgemäßen Einleitung des Beschlussverfahrens und Bevollmächtigung hierzu
ausgegangen werden. Die Anträge sind also nicht als unzulässig abzuweisen. Ob aber
die - auch im Übrigen keinen Zulässigkeitsbedenken unterliegenden - Anträge begründet
oder unbegründet sind, bedarf noch weiterer Feststellungen und einer dem
Beschwerdegericht vorbehaltenen Würdigung aller Umstände der vorliegenden
Fallkonstellation.
48 a) Die Anträge sind zulässig.
49 aa) Sie sind nicht mangels ordnungsgemäßer Beschlussfassung des Betriebsrats über die
Verfahrenseinleitung unzulässig.
50 (1) Wie bereits ausgeführt, bedarf die Einleitung des arbeitsgerichtlichen
Beschlussverfahrens durch den Betriebsrat - ebenso wie die Beauftragung des für ihn
auftretenden Rechtsanwalts - eines Beschlusses des Betriebsrats. Ist dies unterblieben
oder fehlerhaft erfolgt, ist der für den Betriebsrat gestellte Antrag als unzulässig
abzuweisen (vgl. BAG 19. Januar 2005 - 7 ABR 24/04 - zu B I 1 der Gründe; 18. Februar
2003 - 1 ABR 17/02 - zu B I 2 der Gründe, BAGE 105, 19). Der Betriebsrat kann die bereits
erfolgte Einleitung eines Beschlussverfahrens (und auch die Beauftragung eines
Verfahrensbevollmächtigten) allerdings genehmigen (vgl. BAG 18. Februar 2003 - 1 ABR
17/02 - zu B I 2 b der Gründe, aaO). Die Genehmigung durch eine nachträgliche
Beschlussfassung ist bis zum Ergehen einer Prozessentscheidung, durch die der Antrag
als unzulässig abgewiesen wird, möglich (vgl. zur Bevollmächtigung auch Gemeinsamer
Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 17. April 1984 - GmS-OGB 2/83 - BGHZ 91,
111).
51 (2) Im vorliegenden Fall ist nicht aufgeklärt, ob es außer dem Beschluss vom „23.09.2011“
zur Einleitung des Beschwerdeverfahrens - und der diesbezüglichen Bevollmächtigung
der Rechtsanwälte K & Kollegen - noch einen anderen, die Einleitung des gerichtlichen
Beschlussverfahrens „an sich“ beinhaltenden und bis zum Zeitpunkt der Verkündung des
arbeitsgerichtlichen Beschlusses getroffenen ordnungsgemäßen Betriebsratsbeschluss
gibt. Letztlich ist dies aber unschädlich. Wie bereits ausgeführt, liegt in dem
Betriebsratsbeschluss vom „23.09.2011“ (auch) eine (genehmigende) Beschlussfassung
über die Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung
des für den Betriebsrat auftretenden Rechtsanwalts. Dass die Beschlussfassung erst nach
Verkündung der arbeitsgerichtlichen Entscheidung erfolgte, hindert die Annahme der
Zulässigkeit der Anträge jedenfalls im vorliegenden Streitfall nicht.
52 (a) Zwar kann nach Erlass einer Prozessentscheidung, mit dem ein Antrag oder mehrere
Anträge im Beschlussverfahren mangels Vollmacht des Vertreters abgewiesen wurden,
eine rückwirkende Heilung dieses Mangels durch nachträgliche Vollmachtserteilung nicht
mehr erfolgen. Mit Erlass des gerichtlichen Prozessbeschlusses besteht keine
genehmigungsfähige Rechtslage mehr; eine nachträgliche Genehmigung würde nicht den
Mangel der Vollmacht beseitigen, sondern nur der richtigen Prozessentscheidung die
Grundlage entziehen. Auch können diese Grundsätze auf das Fehlen eines
ordnungsgemäßen Beschlusses des Betriebsrats, der der Vollmachtserteilung zugrunde
liegt, übertragen werden (vgl. BAG 18. Februar 2003 - 1 ABR 17/02 - zu B I 3 a der Gründe
mwN, BAGE 105, 19).
53 (b) Im vorliegenden Streitfall ist die Sachlage aber anders: Das Arbeitsgericht hat keine die
Anträge als unzulässig abweisende Prozessentscheidung getroffen, sondern die von ihm
als zulässig angesehenen Anträge als unbegründet abgewiesen. Es hat zu Unrecht
unterlassen, der von der Arbeitgeberin angebrachten Rüge der ordnungsgemäßen
Beschlussfassung des Betriebsrats über die Verfahrenseinleitung - die durch die für den
Betriebsrat auftretenden Rechtsanwälte K & Kollegen erfolgt ist - nachzugehen und ggf.
entsprechende gerichtliche Hinweise zu geben (vgl. hierzu zB BAG 6. Dezember 2006 -
7 ABR 62/05 - Rn. 21 mwN). Im Ergebnis hat das Arbeitsgericht damit die entsprechende
Anwendung von § 89 Abs. 1 ZPO verkannt. Nach § 89 Abs. 1 ZPO kann ein
vollmachtloser Vertreter einstweilen zur Prozessführung zugelassen werden. Die
Endentscheidung darf in diesen Fällen erst erlassen werden, nachdem eine für die
Beseitigung des Mangels oder die Beibringung der Genehmigung zur Prozessführung zu
bestimmende Frist abgelaufen ist (vgl. BAG 6. Dezember 2006 - 7 ABR 62/05 - aaO).
Bleibt der Vertretungsmangel aber in der unteren Instanz unentdeckt, so ist auch noch in
der Rechtsmittelinstanz eine Genehmigung möglich; sie kann in diesen Fällen sogar noch
nach Eintritt der Rechtskraft erklärt werden (vgl. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO; Linsenmaier FS
Wißmann S. 378, 391; Zöller/Vollkommer ZPO 29. Aufl. § 89 Rn. 11). Daher kann der
Beschluss vom „23.09.2011“ als die Verfahrenseinleitung und vor allem auch die
Bevollmächtigung hierzu genehmigende Entschließung des Betriebsrats berücksichtigt
werden.
54 bb) Auch im Übrigen sind die Anträge zulässig.
55 (1) Das gilt zunächst für den Antrag zu 1., mit dem der Betriebsrat die Verpflichtung der
Arbeitgeberin zur Aufhebung der Versetzung des Mitarbeiters S anbringt. Der darin
liegende Leistungsantrag orientiert sich an § 101 BetrVG. Er ist - trotz der Verwendung des
Rechtsbegriffs „Versetzung“ im Antrag - hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO,
weil die Beteiligten zwar zu der rechtlichen Bewertung eines bestimmten Sachverhalts als
eine „Versetzung“ unterschiedliche Auffassungen vertreten, der Tatbestand selbst aber
klar und nicht umstritten ist: Es geht um die Zuweisung von
„Wareneingangsbuchungstätigkeiten“ an Herrn S anstelle der von diesem bisher
ausgeführten „Warenannahmetätigkeiten“. Es ist damit zureichend beschrieben, auf
welche tatsächliche Maßnahme sich das Aufhebungsbegehren des Betriebsrats bezieht.
56 (2) Auch der Antrag zu 2. ist zulässig. Das mit ihm geltend gemachte
Unterlassungsbegehren ist insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO und ggf. vollstreckungsfähig gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 ArbGG iVm. § 888
Abs. 1 Satz 1 ZPO (vgl. zu einem ähnlich formulierten Unterlassungsantrag BAG 23. Juni
2009 - 1 ABR 23/08 - Rn. 10 bis 12, BAGE 131, 145). Bei einer dem Antrag stattgebenden
Entscheidung kann die Arbeitgeberin eindeutig erkennen, welcher Handlungen sie sich
enthalten soll und wann sie wegen eines Verstoßes mit der Verhängung eines
Ordnungsgeldes rechnen muss. Die Abgrenzung der im Antrag genannten Bereiche
„Wareneingang/Warenannahme“ und „Wareneingang/Buchen“ steht zwischen den
Beteiligten außer Streit und ist unter Hinzuziehung der Antragsbegründung sowie der bei
der Arbeitgeberin existierenden internen Arbeitsanweisungen (AA) objektiv klar. Auch der
Vorbehalt, dass nicht die Zustimmung des Betriebsrats vorher erteilt worden ist, als erteilt
gilt oder gerichtlich ersetzt wurde, ist hinreichend eindeutig. Ob eine der Alternativen
vorliegt, ist unschwer zu klären. Schließlich steht dem Bestimmtheitserfordernis des § 253
Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht entgegen, dass der Betriebsrat diejenigen Fälle von seinem
Begehren ausgenommen wissen will, in denen die Arbeitgeberin einen vorläufigen
Personaleinsatz durchführt und insofern das Verfahren zur Feststellung der dringenden
Erforderlichkeit nach Maßgabe von § 100 Abs. 2 BetrVG eingehalten hat. Die
Arbeitgeberin soll den Personaleinsatz in solch einer Konstellation nicht unterlassen
müssen, weil sie sich unter dieser Voraussetzung nicht betriebsverfassungswidrig verhält.
Ob die Arbeitgeberin das Verfahren nach § 100 Abs. 2 BetrVG eingehalten hat, lässt sich
aber (ggf. auch vom Vollstreckungsgericht) einfach feststellen und überprüfen.
57 b) Ob die Anträge in der Sache Erfolg haben oder nicht, kann der Senat aufgrund bislang
unterlassener Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilen.
58 aa) Mit dem Antrag zu 1. verfolgt der Betriebsrat ein Aufhebungsbegehren iSv. § 101
BetrVG.
59 (1) Nach § 101 Satz 1 BetrVG kann der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, dem
Arbeitgeber aufzugeben, eine personelle Maßnahme iSd. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG
aufzuheben, wenn dieser die Maßnahme ohne seine - des Betriebsrats - Zustimmung
durchgeführt hat. Der Beseitigungsanspruch ist nur begründet, wenn der Arbeitgeber
tatsächlich eine personelle Maßnahme iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG vorgenommen hat,
bei der ein Beteiligungsrecht des Betriebsrats besteht (vgl. zB BAG 8. Dezember 2009 -
1 ABR 37/09 - Rn. 17). Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf die Versetzung eines
Arbeitnehmers in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten
Arbeitnehmern der Zustimmung des Betriebsrats. Versetzung ist nach der Legaldefinition
des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die
entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder mit einer
erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet
werden muss. Der „Arbeitsbereich“ iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird in § 81 Abs. 2 iVm.
Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die
Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben.
Der Begriff ist demnach räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben dem Ort
der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der
betrieblichen Organisation (vgl. BAG 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 - Rn. 21). Die Vorschrift
erfordert nach ihrem Wortlaut einen Wechsel des Arbeitsbereichs, in dem der
Arbeitnehmer beschäftigt wird. Der Arbeitsbereich ändert sich, wenn der bisherige
Gegenstand der Arbeitsleistung und Inhalt der Arbeitsaufgabe ein „anderer“ wird und sich
deshalb das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers ändert. Es kommt darauf an, ob
sich die Tätigkeiten vor und nach der Zuweisung so voneinander unterscheiden, dass die
neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten
Beobachters nicht mehr als die bisherige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl. BAG
29. September 2004 - 1 AZR 473/03 - zu II 4 a aa der Gründe).
60 (2) Hiernach unterliegt die vom Antrag zu 1. umfasste Maßnahme der Mitbestimmung des
Betriebsrats, wenn es sich um eine Versetzung handelt.
61 (a) In dem Unternehmen der Arbeitgeberin sind regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte
Arbeitnehmer beschäftigt.
62 (b) Ob in der - die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitenden - Zuweisung
des Einsatzes im Wareneingang/Buchen statt im Wareneingang/Warenannahme eine
betriebsverfassungsrechtliche Versetzung liegt, hat das Landesarbeitsgericht nicht geprüft.
Für die Zuweisung eines „anderen Arbeitsbereichs“ mag neben anderen Umständen eine
ggf. anders zu wertende Verantwortung in der Wareneingangsbuchung sprechen oder
auch die Tatsache, dass die im Wareneingang tätigen Mitarbeiter offensichtlich für längere
Zeit immer nur entweder in der „Warenannahme“ oder in der „Wareneingangsbuchung“
eingesetzt sind. Das würde ggf. dann aber nicht gelten, wenn zumindest ein gelegentlicher
Einsatz in der Wareneingangsbuchung von Beginn an zum regulären Tätigkeitsbereich
eines Mitarbeiters in der „Warenannahme“ gehört und deshalb „immer schon“ zu dessen
Aufgaben gezählt hätte. Mit einem entsprechenden Einsatz wäre dann keine Zuweisung
eines anderen Arbeitsbereichs verbunden. Nähere Feststellungen hierzu hat das
Landesarbeitsgericht nicht getroffen. Die Sache ist daher zur neuen Anhörung und
Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, damit es die - nach seiner
Rechtsauffassung konsequent - bisher nicht getroffenen Feststellungen und Wertungen
aller Umstände des Einzelfalles nachholen kann. Insbesondere das Prinzip der „Änderung
des Arbeitsbereichs“, auf das es im Zusammenhang mit dem
betriebsverfassungsrechtlichen Versetzungsbegriff entscheidend ankommt, ist in seiner
Anwendung eng mit der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse verknüpft. Diese obliegt
vorrangig den Instanzgerichten.
63 bb) Beim Antrag zu 2. wird das Landesarbeitsgericht zu prüfen haben, ob die
Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG vorliegen. Nur hierauf kann die erstrebte
Unterlassung gestützt werden. Dem Betriebsrat steht kein allgemeiner, von den
Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG unabhängiger Unterlassungsanspruch zur
Seite, um eine gegen § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (oder § 100 Abs. 2 BetrVG) verstoßende
personelle Einzelmaßnahme zu verhindern (grds. BAG 23. Juni 2009 - 1 ABR 23/08 -
BAGE 131, 145). Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG kann ua. der Betriebsrat dem
Arbeitgeber aber nur bei einem groben Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem
BetrVG durch das Arbeitsgericht ua. aufgeben lassen, eine Handlung zu unterlassen.
Diese Wertung bleibt - so es denn überhaupt darauf ankommt, weil in dem Wechsel der
Tätigkeiten „Wareneingang/Warenannahme“ und „Wareneingang/Buchen“ eine
mitbestimmungspflichtige Versetzung liegt - dem Landesarbeitsgericht vorbehalten.
Linsenmaier
Zwanziger
Schmidt
Busch
Rose