Urteil des BAG vom 22.01.2009

BAG (bundesrepublik deutschland, kläger, republik, steuerpflicht, arbeitnehmer, arbeitgeber, haftung des arbeitgebers, tätigkeit, aufklärungspflicht, positive vertragsverletzung)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 22.1.2009, 8 AZR 161/08
Schadensersatzanspruch - Aufklärungspflicht - Doppelbesteuerung
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm
vom 11. Dezember 2007 - 14 Sa 1420/07 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagten
wegen der Verletzung der Aufklärungspflicht.
2 Der Kläger war vom 15. April 2001 bis 30. November 2006 bei der Beklagten beschäftigt. Diesem
Arbeitsverhältnis lag ein schriftlicher Anstellungsvertrag vom 5. März 2001 zugrunde. Dieser lautet
- soweit hier von Interesse:
„...
1. Herr O wird von der Firma W GmbH ab 01.07.2001 oder früher als Reisetechniker
eingestellt. Das Aufgabengebiet umfaßt die Qualitätskontrolle und die Steuerung der
Produktion in Produktionsbetrieben im In- und Ausland. Die W GmbH behält sich vor,
Herrn O seinen beruflichen Fähigkeiten entsprechend auch anderweitig einzusetzen.
2. Für seine Tätigkeit erhält Herr O ein monatliches, außertarifliches Bruttogehalt in
Höhe von DM 6.500,00. Für Auslandseinsätze erhält Herr O eine zusätzliche
kalendertägliche Auslandszulage in Höhe von DM 50,00 zuzüglich Erstattung von
Reisekosten und Übernachtungskosten gemäß den Reisekostenrichtlinien der Firma
W GmbH (z.Zt. täglich Verpflegung DM 48,00, Übernachtung DM 100,00).
Notwendige Mehrarbeit ist durch diese Bezüge bereits abgegolten.
Der Auslandseinsatz erfolgt jeweils für 2 Wochen, Anreisetag ist jeweils der Montag,
Rückreisetag ist jeweils der Freitag. Die Wahl der Verkehrsmittel (Flugzeug, Bahn
oder PKW) wird saisonabhängig wetterbedingt festgelegt.
...“
3 Der Kläger erbrachte seine Arbeitsleistung überwiegend in der Tschechischen Republik. Er hatte
die Aufgabe, dort in einer der Produktionsstätten der Beklagten für den reibungslosen
Produktionsablauf zu sorgen. Zu diesem Zwecke musste er sich fast ganzjährig in der
Tschechischen Republik aufhalten. In den Jahren 2002 und 2003 war er berufsbedingt an mehr als
183 Tagen/Jahr in der Tschechischen Republik, weshalb für ihn dort Steuerpflicht bestand. Für
diese beiden Jahre hatte die Beklagte allerdings die auf das Arbeitseinkommen des Klägers
entfallende Lohnsteuer bereits an das für den Kläger zuständige Finanzamt O abgeführt.
4 Aufgrund eines Antrags des Klägers vom 16. Mai 2003, an welchem die „Sozietät P & P -
4 Aufgrund eines Antrags des Klägers vom 16. Mai 2003, an welchem die „Sozietät P & P -
Vereidigter Buchprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt“ in H mitgewirkt hatte, hatte das Finanzamt
B für den Kläger am 11. November 2003 eine „Bescheinigung über die Freistellung des
Arbeitslohns vom Steuerabzug aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung“ für den Zeitraum 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2003 erstellt.
5 Für die Jahre 2002 und 2003 musste der Kläger sein Arbeitseinkommen in der Tschechischen
Republik nachversteuern. Die von der Beklagten für diesen Zeitraum in Deutschland abgeführte
Lohnsteuer wurde dem Kläger erstattet.
6 Der Kläger trägt vor, die tschechischen Steuerbehörden verlangten wegen der zunächst
unterbliebenen Abführung der Lohnsteuer in den Jahren 2002 und 2003 von ihm eine Strafe iHv.
241.565,00 CZK. Dieser Betrag entspreche 8.599,71 Euro. Zum Beleg hat er Schreiben des
Finanzamts P vom 16. August 2006 und vom 28. Mai 2007 nebst deutschen Übersetzungen
vorgelegt. Aus dem Schreiben des Finanzamts vom 28. Mai 2007 ergibt sich, dass dieses von
einem „Zahlungsrückstand“ des Klägers iHv. 241.565,00 CZK ausgeht. Diese Strafzahlung hat der
Kläger nach seiner Einlassung bislang noch nicht geleistet.
7 Er meint, die Beklagte hätte die einbehaltene Lohnsteuer nicht an die deutschen Steuerbehörden
abführen dürfen. Vielmehr hätte sie ihn entweder über seine Steuerpflicht in der Tschechischen
Republik aufklären oder die einbehaltene Lohnsteuer unmittelbar an die tschechischen
Finanzbehörden abführen müssen.
8 Da er mit einer Vollstreckung der von der tschechischen Finanzverwaltung gegen ihn verhängten
Geldstrafe rechnen müsse, sei die Beklagte im Wege des Schadensersatzes verpflichtet, diese
Strafe an das tschechische Finanzamt zu zahlen.
9 Der Kläger hat in der Revisionsinstanz beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von der Zahlung einer Strafe iHv. 241.565,00 CZK
(entsprechend 8.599,71 Euro) freizustellen.
10 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
11 Sie behauptet, den Kläger auf die in der Tschechischen Republik bestehende Steuerpflicht
hingewiesen zu haben. Im Übrigen hätte sich der Kläger selbst um die Versteuerung seines
Arbeitseinkommens in der Tschechischen Republik kümmern müssen. Er habe auch
diesbezügliche Erfahrungen, weil er bereits früher in Rumänien und Bulgarien als Reisetechniker
gearbeitet habe. Aus diesem Grunde wäre sie überhaupt nicht verpflichtet gewesen, ihn über seine
Steuerpflicht in der Tschechischen Republik zu belehren. Letztlich bestreitet die Beklagte mit
Nichtwissen, dass der Kläger zu einer Steuerstrafe verurteilt worden sei.
12 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das
Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger
sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
13 Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht einen
Schadensersatzanspruch des Klägers wegen Verletzung der Aufklärungspflicht verneint.
14 A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
15 Es habe keine Verpflichtung der Beklagten bestanden, den Kläger auf die Steuerpflichtigkeit seiner
Tätigkeit in der Tschechischen Republik hinzuweisen. Schuldner der Lohnsteuer sei der
Arbeitnehmer. Dieser sei im eigenen Interesse gehalten, sich um steuerrechtliche Fragen im
Zusammenhang mit seiner Tätigkeit zu kümmern. Dazu gehöre bei einem Auslandseinsatz, sich
über die steuerrechtlichen Folgen entweder beim Finanzamt oder bei einem Steuerberater zu
erkundigen. Zumindest müsse er gegenüber dem Arbeitgeber einen eventuellen Beratungsbedarf
offenlegen. Dann stehe es diesem frei, die Beratung selbst zu erbringen oder den Arbeitnehmer an
geeignete Stellen, wie zB ein Finanzamt oder einen Steuerberater, zu verweisen. Im Streitfalle
habe sich der Kläger bei der Beklagten um eine Tätigkeit als Reisetechniker beworben. Dabei
habe er keinen besonderen Aufklärungsbedarf in steuerlichen Fragen offenbart. Ein solcher habe
sich für die Beklagte auch nicht aufdrängen müssen. Das Angebot der Beklagten auf Abschluss
eines Arbeitsvertrags sei nicht mit einem auf Initiative des Arbeitgebers abgeschlossenen
Aufhebungsvertrag vergleichbar. Bei einem solchen erwecke der Arbeitgeber den Eindruck, er
werde die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht erheblichen atypischen Risiken
ohne ausreichende Auskunft aussetzen. Ob die Beklagte über Mitarbeiter verfüge, die ihr eine
überlegene Sachkunde in sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Fragen ermöglichten, sei
unerheblich. Entscheidend sei, dass es ohne besonderen Anlass dem Arbeitnehmer obliege, sich
über Inhalt und Umfang seiner Steuerpflicht selbst zu vergewissern und zwar auch dann, wenn es
um eine Auslandstätigkeit gehe.
16 Eine Aufklärungspflicht oder Pflichtverletzung folge auch nicht daraus, dass die Beklagte in den
Jahren 2002 und 2003 die Lohnsteuer für den Kläger an das zuständige deutsche Finanzamt
abgeführt habe. Dazu sei sie mangels einer Freistellungsbescheinigung verpflichtet gewesen. Aus
der Abführung der Lohnsteuer habe der Kläger nicht schließen dürfen, die Frage der
Steuerpflichtigkeit seiner Tätigkeit in der Tschechischen Republik sei geklärt.
17 B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält im Ergebnis einer revisionsrechtlichen
Überprüfung stand.
18 I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf
Freistellung von der Verpflichtung zu, die von der Finanzbehörde in P (Tschechische Republik)
festgesetzte Geldstrafe iHv. 241.565,00 CZK zu entrichten. Ein solcher Freistellungsanspruch, der
sich als Schadensersatzanspruch aus § 249 Abs. 1 BGB ergeben könnte (Palandt/Heinrichs BGB
68. Aufl. Vorb. v. § 249 Rn. 46) , scheitert daran, dass es an zum Schadensersatz verpflichtenden
Handlungen oder Unterlassungen der Beklagten fehlt.
19 1. Nach dem klägerischen Sachvortrag hat das Finanzamt P ihm gegenüber die Verpflichtung zur
Zahlung von 241.565,00 CZK festgestellt. Dabei handele es sich um eine Steuerstrafe, weil er in
den Jahren 2002 und 2003 seiner Steuerpflicht gegenüber den tschechischen Finanzbehörden
nicht nachgekommen sei.
20 a) Der Kläger war verpflichtet, die auf seine von der Beklagten gezahlte Arbeitsvergütung für
diesen Zeitraum anfallende Einkommenssteuer in der Tschechischen Republik und nicht in der
Bundesrepublik Deutschland zu zahlen.
21 Die Bundesrepublik Deutschland hat mit der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik am
19. Dezember 1980 (BGBl. II 1982, 1022) ein Abkommen zur Vermeidung einer
Doppelbesteuerung (Doppelbesteuerungsabkommen) (im Folgenden: DBA) geschlossen. Dieses
gilt auf Grund einer mit der Tschechischen Republik getroffenen Vereinbarung für diese weiter
(BGBl. II 1993, 762). Ein DBA geht innerstaatlichem Recht vor (Stache in Horowski/Altehoever
LStR Stand Januar 2009 § 39b Rn. 391) . Liegen die Anwendungsvoraussetzungen eines
Doppelbesteuerungsabkommens vor, entfällt das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates des
Arbeitnehmers. Das DBA greift nur dann ein, wenn sich der grundsätzlich nach § 1 Abs. 1 Satz 1
EStG in der Bundesrepublik Deutschland steuerpflichtige Arbeitnehmer während des betreffenden
Steuerjahres (Kalenderjahres) länger als 183 Tage in dem ausländischen Tätigkeitsstaat, dh.
vorliegend in der Tschechischen Republik, aufhält. Dies war nach dem unstreitigen Vorbringen der
Parteien beim Kläger in den Jahren 2002 und 2003 der Fall.
22 Daher hätte der Kläger für diesen Zeitraum in der Bundesrepublik Deutschland keine
Einkommenssteuer (Lohnsteuer) entrichten müssen, wobei es nicht darauf ankommt, ob der
Kläger in der Tschechischen Republik tatsächlich zur Lohnsteuer oder einer vergleichbaren Steuer
herangezogen worden ist (BFH 31. Juli 1974 - I R 27/73 - BFHE 113, 437) .
23 Um einen ungerechtfertigten Einbehalt der Lohnsteuer und deren Abführung an die deutschen
Finanzbehörden zu vermeiden, sieht § 39b Abs. 6 Satz 1 EStG die Möglichkeit vor, dass dann,
wenn nach einem DBA der von einem inländischen Arbeitgeber gezahlte Arbeitslohn von der
Lohnsteuer freizustellen ist, das Betriebsstättenfinanzamt auf Antrag des Arbeitnehmers oder des
Arbeitgebers eine entsprechende Bescheinigung erstellt. Eine solche hatte auf Antrag des Klägers
vom 16. Mai 2003 das Finanzamt B am 11. November 2003 für den Zeitraum 1. Januar bis
31. Dezember 2003 (rückwirkend) erteilt.
24 b) Entsprechend der bestehenden Rechtslage wurde dem Kläger die von der Beklagten für die Zeit
vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2003 vom Arbeitslohn einbehaltene und an das
Betriebsstättenfinanzamt abgeführte Lohnsteuer wieder erstattet.
25 2. Es kann dahinstehen, ob, wie die Beklagte vorträgt, bei Abschluss des Arbeitsvertrags eine
Belehrung des Klägers über die steuerrechtliche Behandlung seiner Arbeitsvergütung während
seiner Auslandstätigkeit erfolgt ist. Die Beklagte wäre nicht verpflichtet gewesen, den Kläger von
sich aus bei Beginn seiner Tätigkeit auf die bestehende Rechtslage hinzuweisen. Sie hätte
insoweit keine vertragliche Aufklärungspflicht verletzt.
26 Da im Streitfalle die ab dem 1. Januar 2002 geltende Neufassung des BGB für die Zeit des
Bestehens des Arbeitsverhältnisses vor diesem Zeitpunkt noch nicht heranzuziehen ist, sind für
die Zeit vom 5. März 2001 (Abschluss des Anstellungsvertrages) bis zum 31. Dezember 2001 die
Regeln über die positive Vertragsverletzung des Arbeitsvertrags der Parteien bzw. des
Verschuldens beim Vertragsschluss anzuwenden (vgl. BAG 25. Juni 2002 - 9 AZR 155/01 -
BAGE 101, 351 = AP ATG § 3 Nr. 4 = EzA ATG § 3 Nr. 2) .
27 a) Aus einem Schuldverhältnis erwachsen einer Vertragspartei nicht nur Leistungs- sondern auch
Verhaltenspflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen
Vertragsteils. Diese nunmehr mit Wirkung ab 1. Januar 2002 in § 241 Abs. 2 BGB ausdrücklich
normierten Pflichten waren bereits vor Inkrafttreten dieser Norm aus § 242 BGB abgeleitet worden.
Die Pflichten können sich auch auf Aufklärung des Vertragspartners richten (st. Rspr., vgl. Senat
26. Juli 2007 - 8 AZR 707/06 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6) .
28 b) Grundsätzlich hat jeder Vertragspartner selbst für die Wahrnehmung seiner Interessen zu
sorgen (Senat 12. Dezember 2002 - 8 AZR 497/01 - AP BGB § 611 Haftung des Arbeitgebers
Nr. 25) . Der jeder Partei zuzubilligende Eigennutz findet seine Grenze jedoch in dem
schutzwürdigen Lebensbereich des Vertragspartners. Wo diese Grenze liegt, ist anhand der
Umstände des Einzelfalles und mittels einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln.
Dabei sind insbesondere das erkennbare Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers einerseits und
die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits zu beachten und gegeneinander
abzuwägen (Senat 26. Juli 2007 - 8 AZR 707/06 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6) .
29 aa) Gesteigerte Hinweis- und Aufklärungspflichten können den Arbeitgeber vor allem dann treffen,
wenn eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Vereinbarung auf seine Initiative hin
und in seinem Interesse zustande kommt oder wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der
Arbeitnehmer durch eine sachgerechte und vom Arbeitgeber redlicherweise zu erwartende
Aufklärung vor der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bewahrt werden muss, weil er sich durch
diese aus Unkenntnis selbst schädigen würde (BAG 16. November 2005 - 7 AZR 86/05 - AP ATG
§ 8 Nr. 2 = EzA ATG § 8 Nr. 1) .
30 Die Voraussetzungen für eine solche gesteigerte Hinweis- oder Aufklärungspflicht waren im
Streitfalle allein deshalb nicht gegeben, weil keine Vereinbarung über die Beendigung eines
Arbeitsverhältnisses vorgelegen hat.
31 bb) Die Rechtsprechung hat eine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem
Arbeitnehmer auch dann bejaht, wenn dieser in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den
Umfang seiner Rechte, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, im Ungewissen
ist, während der Arbeitgeber unschwer Auskunft geben kann (Senat 26. Juli 2007 - 8 AZR 707/06 -
EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6 mwN) . Insbesondere darf der Arbeitgeber bei den
Vertragsverhandlungen nicht verschweigen, was die vollständige Vertragsdurchführung in Frage
stellen kann und was ihm bekannt ist oder bekannt sein müsste (vgl. Senat 14. Juli 2005 - 8 AZR
300/04 - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 242 Nr. 1) . Auch hat der
Arbeitgeber den Arbeitnehmer unaufgefordert über alle Umstände zu informieren, die dem
Arbeitnehmer unbekannt, aber für die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Durchführung
des Arbeitsvertrags erheblich sind (BAG 4. Oktober 2005 - 9 AZR 598/04 - AP BGB § 242
Auskunftspflicht Nr. 42 = EzA BGB 2002 § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 3) .
32 Solche Fallgestaltungen liegen im Streitfalle ebenfalls nicht vor. Die Frage, inwieweit der Kläger
während seines Auslandseinsatzes in der Tschechischen Republik Steuern für sein von der
Beklagten gezahltes Arbeitsentgelt an die tschechischen Finanzbehörden abführen muss, ist keine
solche, welche den Umfang seiner im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden
Rechte und Pflichten gegenüber der Beklagten als seiner Arbeitgeberin, betrifft. Es handelt sich
dabei auch nicht um eine Frage, welche die vollständige Durchführung des Arbeitsverhältnisses
infrage stellen kann oder für Entscheidungen des Klägers im Zusammenhang mit der
Durchführung des Arbeitsvertrags erheblich ist. An welche Behörde der Kläger die auf seine
Arbeitsvergütung anfallende Steuer entrichten muss, betrifft nicht sein Verhältnis zur Beklagten
und hat auch keinen Einfluss auf die Durchführung seines Arbeitsverhältnisses mit dieser.
Insbesondere ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger den Abschluss des Arbeitsvertrags,
welcher ausdrücklich eine Beschäftigung im Ausland vorsah, davon abhängig gemacht hat, an
welchen Staat er für den während seines Auslandseinsatzes gezahlten Arbeitslohn Steuer
abzuführen haben werde.
33 c) Da sich die Aufklärungspflicht des Arbeitgebers im Regelfalle im Wesentlichen auf die Rechte
des Arbeitnehmers aus seinem Arbeitsverhältnis bezieht (ErfK/Preis 9. Aufl. § 611 BGB Rn. 633) ,
besteht keine allgemeine Aufklärungs- und Hinweispflicht auf sämtliche für den Zweck des
Arbeitsverhältnisses bedeutsamen Umstände (HWK/Thüsing 3. Aufl. § 611 BGB Rn. 245) ,
sondern nur auf besondere atypische Risiken für den Arbeitnehmer (AnwK-ArbR/Mestwerdt § 611
BGB Rn. 235) . Im Allgemeinen muss der Arbeitgeber nämlich ohne das Vorliegen besonderer
Umstände nicht von einem Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ausgehen. Zudem darf die
Aufklärungs- und Informationsverpflichtung keine übermäßige Belastung des Arbeitgebers
begründen (BAG 18. August 1999 - 10 AZR 424/98 - BAGE 92, 218 = AP BAT §§ 22, 23
Zuwendungs-TV Nr. 22) . Je größer das für den Arbeitgeber erkennbare Informationsbedürfnis des
Arbeitnehmers und je leichter dem Arbeitgeber die entsprechende Information möglich ist, desto
eher ergeben sich Auskunfts- und Informationspflichten für den Arbeitgeber (Senat 26. Juli 2007 -
8 AZR 707/06 - EzA BGB § 611 Arbeitgeberhaftung Nr. 6) .
34 Legt man diese Gesichtspunkte zugrunde, so hatte die Beklagte keine vertragliche Verpflichtung,
den Kläger bei Abschluss des Anstellungsvertrags darauf hinzuweisen, dass seine
Arbeitsvergütung der Besteuerung durch die tschechischen Finanzbehörden unterliegen werde,
wenn er aufgrund der Dauer seiner Tätigkeit und seines Aufenthalts in der Tschechischen
Republik dort der Steuerpflicht unterfallen sollte.
35 aa) Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte
erkennbar von einer Steuerpflicht des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland ausgegangen
ist, da sie gem. § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG die Lohnsteuer vom Arbeitslohn des Klägers einbehalten
und an das zuständige Finanzamt abgeführt hat, ohne einen nach § 39b Abs. 6 EStG möglichen
Antrag auf Lohnsteuerfreistellung gestellt zu haben. Damit könnte ihr allenfalls eine fahrlässige
Unkenntnis der steuerrechtlichen Regelungen vorgeworfen werden. Auch hatte die Beklagte keine
rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteile aus einer unterlassenen Aufklärung.
36 bb) Hinzu kommt, dass der Kläger der Beklagten gegenüber bei Vertragsschluss kein
Informationsbedürfnis bezüglich der Frage seiner Steuerpflicht während seines Auslandseinsatzes
in der Tschechischen Republik hat erkennen lassen, welches zu einer Verpflichtung der Beklagten
hätte führen können, ihn über die Steuerpflicht aufzuklären oder ihm die Möglichkeit für eine solche
Aufklärung aufzuzeigen.
37 cc) Im Übrigen lag für den Kläger auch kein atypisches Risiko dadurch vor, dass er seinen
Arbeitslohn während eines 183 Tage überschreitenden Aufenthalts in der Tschechischen Republik
dort versteuern musste. Insbesondere hatte die Beklagte durch den vertraglich vereinbarten
Einsatz des Klägers in der Tschechischen Republik und die damit gesetzlich eintretende
Steuerpflicht in der Tschechischen Republik keine außergewöhnliche Gefahrenquelle für diesen
geschaffen, auf welche sie den Kläger bereits bei Vertragsschluss hätte hinweisen müssen (vgl.
BAG 16. November 2005 - 7 AZR 86/05 - AP ATG § 8 Nr. 2 = EzA ATG § 8 Nr. 1) . Diese
Rechtsfolge ist gesetzlich durch das DBA in Verbindung mit den einkommenssteuer- und
lohnsteuerrechtlichen Bestimmungen geregelt. Grundsätzlich muss sich jeder, auch der
Arbeitnehmer, über die für ihn geltenden gesetzlichen Regelungen selbst informieren. So hat auch
das Hessische Landesarbeitsgericht (4. September 1995 - 16 Sa 215/95 - LAGE BGB § 611
Fürsorgepflicht Nr. 24) entschieden, dass sich ein Arbeitnehmer, der vorübergehend im Ausland
eingesetzt wird, selbst über den Umfang seines Krankenversicherungsschutzes während dieser
Auslandstätigkeit unterrichten muss.
38 dd) Dass auch der Gesetzgeber grundsätzlich nicht von einer Unterrichtungspflicht des
Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer über die jeweils geltende Rechtslage ausgeht, zeigt
§ 2 NachwG. § 2 Abs. 3 Satz 2 NachwG lässt es genügen, dass der Arbeitgeber in der nach § 2
Abs. 1 NachwG zu erstellenden Niederschrift bezüglich der Dauer des jährlichen
Erholungsurlaubs (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 NachwG) oder der Fristen für die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 9 NachwG) auf die jeweiligen gesetzlichen Regelungen
verweist. Dann obliegt es dem Arbeitnehmer, sich über die jeweilige Gesetzeslage selbst zu
informieren.
39 ee) Es bestand auch keine gesetzliche Verpflichtung für die Beklagte, den Kläger im
Zusammenhang mit der Begründung des Arbeitsverhältnisses auf die Steuerpflicht in der
Tschechischen Republik aufgrund seiner dortigen Tätigkeit hinzuweisen. Insbesondere sieht das
Nachweisgesetz eine solche Pflicht nicht vor. § 2 Abs. 2 NachwG verlangt nicht, dass die
Niederschrift (§ 2 Abs. 1 Satz 1 NachwG), die dem Arbeitnehmer, der seine Arbeitsleistung länger
als einen Monat außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu erbringen hat, vor seiner Abreise
auszuhändigen ist, einen Hinweis auf die Art und Weise der Versteuerung des im Ausland
erzielten Arbeitsentgelts enthält.
40 ff) Ohne besonderen Hinweis seitens der Beklagten wusste der Kläger, dass seine
Arbeitsvergütung der Besteuerung unterliegen werde. Jedem Arbeitnehmer ist bekannt, dass die
Art und der Umfang der Steuerpflicht gesetzlich geregelt ist. Deshalb hätte sich der Kläger bei
Vertragsschluss selbst nach der Rechtslage bezüglich der Besteuerung seines Arbeitslohns bei
einem Auslandseinsatz, der sich über einen erheblichen Zeitraum erstreckte, erkundigen müssen.
Dies gilt insbesondere deshalb, weil er sich eine solche Information auf zumutbare Weise (vgl.
BAG 18. August 1999 - 10 AZR 424/98 - BAGE 92, 218 = AP BAT §§ 22, 23 Zuwendungs-TV
Nr. 22) durch Nachfrage, zB beim Finanzamt, einem Steuerberater oder Lohnsteuerhilfeverein
hätte verschaffen oder die Beklagte um Aufklärung bezüglich der Steuerpflicht hätte bitten können.
Wie sein unter Mitwirkung der Sozietät P & P gefertigter Antrag vom 16. Mai 2003 auf eine
Bescheinigung zur Freistellung des Arbeitslohns vom Steuerabzug aufgrund eines
Doppelbesteuerungsabkommens zeigt, hat sich der Kläger letztlich über die Frage seiner
Steuerpflicht während seiner Tätigkeit in der Tschechischen Republik auch entsprechenden
Rechtsrat eingeholt.
41 3. Geht man mit dem Kläger davon aus, dass die Beklagte ihn zumindest zu dem Zeitpunkt, als
sie erkennen musste, dass der Kläger aufgrund seines 183 Tage überschreitenden Aufenthalts in
der Tschechischen Republik der tschechischen Steuerpflicht unterliegen werde, auf diese
Steuerpflicht hätte hinweisen müssen, so fehlt es an einem ausreichenden Vorbringen des
Klägers, warum ihm aufgrund dieses Unterlassens der behauptete Schaden entstanden sein soll,
von dem er die Freistellung durch die Beklagte verlangt. Da die Steuerpflicht des Klägers in der
Tschechischen Republik im Jahre 2002 erst ab einem 184-tägigen Aufenthalt entstanden ist, hätte
ihn die Beklagte erst Ende Juni 2002 auf diese Steuerpflicht hinweisen müssen. Damit könnten
dem Kläger erst ab diesem Zeitpunkt Schadenersatzansprüche zustehen. Da er am 16. Mai 2003
einen Antrag auf eine Freistellungsbescheinigung von der deutschen Lohnsteuerpflicht nach § 39b
Abs. 6 EStG gestellt hat, ist davon auszugehen, dass er ab diesem Zeitpunkt von seiner
Steuerpflicht in der Tschechischen Republik Kenntnis hatte.
42 Damit könnte eine Schadensersatzpflicht der Beklagten nur bezüglich des Schadens bestehen,
den der Kläger durch die Nichtabführung der Lohnsteuer an die tschechischen Finanzbehörden im
Zeitraum Juli 2002 bis Mai 2003 erlitten hat. Inwieweit ihm für diese Zeitspanne ein Schaden
aufgrund von Strafmaßnahmen der tschechischen Finanzbehörden entstanden ist, ist weder aus
dem Vorbringen des Klägers noch aus dem von ihm vorgelegten Schreiben des Finanzamts P
vom 28. Mai 2007 ersichtlich. Aus diesem ergibt sich nur ganz allgemein, dass das Finanzamt von
einem „Zahlungsrückstand“ iHv. 241.565,00 CZK ausgeht.
43 C. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
Hauck
Böck
Breinlinger
Morsch
Schuckmann