Urteil des BAG vom 23.09.2010
Vertragsstrafe - Vertragswidrige Beendigung des Arbeitsverhältnisses
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 23.9.2010, 8 AZR 897/08
Vertragsstrafe - Vertragswidrige Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-
Württemberg, Kammern Freiburg, vom 13. Juni 2008 - 9 Sa 12/08 - wird
zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über eine Vertragsstrafenzahlung.
2 Die Beklagte war bei der Klägerin - einem Busreiseunternehmen - seit dem 1. April 2006 als
„Sachbearbeiterin Bustouristik“ zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von zuletzt 2.250,00 Euro
beschäftigt. Im von der Klägerin vorformulierten Arbeitsvertrag vom 20. Februar 2006 heißt es
auszugsweise wie folgt:
„§ 3 Probezeit / Kündigungsfristen
sechs Monate
Probezeit können beide Parteien den Anstellungsvertrag mit einer Frist von
zwei Wochen
kündigen.
Nach Ablauf der Probezeit ist eine Kündigung nur unter Einhaltung einer Frist von
12 Wochen
aus gesetzlichen Gründen, gilt diese Verlängerung auch für den Arbeitnehmer.
Das Anstellungsverhältnis endet mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das
65. Lebensjahr vollendet, ohne dass es einer Kündigung bedarf.
Jede Kündigung bedarf der Schriftform.
Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vor Dienstantritt ist ausgeschlossen.
§ 4 Vertragsstrafe
Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, eine Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen
Bruttomonatsvergütung (ohne Überstunden- und sonstige Zuschläge) zu zahlen, wenn er
das Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet.
Das gleiche gilt, wenn das Anstellungsverhältnis durch außerordentliche Kündigung durch
die Firma beendet wird, wenn der Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für diese Kündigung
gesetzt hat. Die Firma ist berechtigt, einen weitergehenden Schadenersatzanspruch geltend
zu machen.“
3 Mit Schreiben vom 16. August 2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos zum
17. August 2007 unter Hinweis auf gesundheitliche Schwierigkeiten, die ihre Ursache in
Streitigkeiten mit den Busfahrern hätten.
4 Mit am 15. Oktober 2007 beim Arbeitsgericht Freiburg erhobener Klage hat die Klägerin - gestützt
auf § 4 des Arbeitsvertrages - von der Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von
2.250,00 Euro nebst Zinsen begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe das
Arbeitsverhältnis grundlos fristlos gekündigt und damit die Vertragsstrafe verwirkt.
5 Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.250,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2007 zu zahlen.
6 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
7 Sie vertritt den Rechtsstandpunkt, die Vertragsstrafenklausel im Arbeitsvertrag sei unwirksam. Bei
der Strafhöhe differenziere das Strafversprechen nicht zwischen einer vorfristigen
Arbeitsvertragsbeendigung während der Probezeit und danach. Dies stelle eine unangemessene
Benachteiligung dar. Im Übrigen sei die Vertragsstrafe nicht verwirkt. Denn Grund für die
außerordentliche Kündigung sei die mangelnde Unterstützung der Beklagten bei der
problematischen Zusammenarbeit mit den Busfahrern gewesen.
8 Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der
Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision
beantragt.
Entscheidungsgründe
9 Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht die geltend gemachte Vertragsstrafe nicht zu.
10 A. Das Landesarbeitsgericht hat seine klageabweisende Entscheidung wie folgt begründet: Die
Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe, weil § 4 Satz 1 des
Arbeitsvertrages gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam sei. Es handele sich unstreitig um eine
Bestimmung, die der AGB-Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliege. Für den vorliegenden
Streitfall sei entscheidend, dass die Vertragsstrafenabrede auch dann gegriffen hätte, wenn es
sich um eine Kündigung in der Probezeit gehandelt hätte. Angesichts der in der Probezeit
bestehenden Kündigungsmöglichkeit mit einer Frist von zwei Wochen sei die vereinbarte
Vertragsstrafe in Höhe einer Bruttomonatsvergütung unangemessen hoch. Ein besonderes
Interesse der Klägerin, die Vertragsstrafe auch in der Probezeit im Umfang eines
Bruttomonatsgehalts zu vereinbaren, bestehe nicht. Da die Klausel insgesamt unwirksam sei,
könne sie auch nicht im Hinblick auf die möglicherweise vertragsbrüchige Kündigung der
Beklagten nach Ablauf der Probezeit gelten. Die Vertragsstrafenklausel sei bzgl. der Höhe der
Vertragsstrafe nicht teilbar. Eine solche Annahme würde im Übrigen gegen das Verbot der
geltungserhaltenden Reduktion verstoßen. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheide wegen
des Regelungszwecks von § 307 BGB aus. Darauf, ob die außerordentliche Kündigung der
Beklagten gerechtfertigt gewesen sei, komme es mithin nicht an.
11 B. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
12 Die Klage ist unbegründet. Die Vertragsstrafenabrede ist gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
13 I. Bei der Vertragsstrafenklausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung.
14 Nach der Legaldefinition in § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen alle
für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der
anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Vertragsbedingungen sind für eine
Vielzahl von Verträgen bereits dann vorformuliert, wenn ihre dreimalige Verwendung beabsichtigt
ist (BAG 1. März 2006 - 5 AZR 363/05 - BAGE 117, 155 = AP BGB § 308 Nr. 3 = EzA TVG § 4
Tariflohnerhöhung Nr. 48). Nach den von der Klägerin nicht mit Gegenrügen angegriffenen
Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, welche sich insoweit über die gemäß § 69 Abs. 2
ArbGG zulässige Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Urteil erschließen, handelt es sich bei
dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag um einen Mustervertrag, der von der
Klägerin den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern vorgegeben wird.
15 Ungeachtet dessen finden § 305c Abs. 2 BGB und §§ 306 sowie 307 bis 309 BGB auch wegen
§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB auf § 4 des Arbeitsvertrages Anwendung. Arbeitsverträge sind Verträge
zwischen einem Unternehmer (Arbeitgeber) und einem Verbraucher (Arbeitnehmer), mithin
Verbraucherverträge iSv. § 310 Abs. 3 BGB (BAG 18. März 2008 - 9 AZR 186/07 - mwN,
BAGE 126, 187 = AP BGB § 310 Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36). Das
Vertragsstrafenversprechen ist eine vorformulierte Vertragsbedingung iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2
BGB. Die Klägerin greift mit der Revisionsbegründung den im angefochtenen Urteil festgestellten
Umstand einer Vorformulierung des Arbeitsvertrages - und somit auch der
Vertragsstrafenklausel - nicht an. Die Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Klauselinhalt durch
die Beklagte hat die Klägerin nicht behauptet.
16 II. Die Anwendbarkeit der § 307 Abs. 1 und 2, §§ 308 und 309 BGB ist im Streitfalle nicht durch
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB erklärt die vorgenannten
gesetzlichen Regelungen nur für solche Bestimmungen für anwendbar, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden.
17 Das Gesetz sieht für den Fall, dass ein Arbeitnehmer unter Verletzung der arbeitsvertraglichen
Kündigungsfrist seinen Arbeitsvertrag verfrüht kündigt und mit Ablauf der vertragswidrigen
Kündigungsfrist bzw. ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist unberechtigterweise seine
Arbeitsleistung einstellt, keine Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe vor. Damit stellt die
Vereinbarung einer Vertragsstrafe in § 4 des Arbeitsvertrages für den Fall, dass die Beklagte „das
Anstellungsverhältnis rechtswidrig nicht aufnimmt oder vertragswidrig vorzeitig beendet“, eine die
Rechtsvorschriften ergänzende Regelung dar (vgl. Senat 18. Dezember 2008 - 8 AZR 81/08 - AP
BGB § 309 Nr. 4).
18 III. Die Vertragsstrafenabrede hält einer Inhaltskontrolle nicht stand.
19 1. Im Allgemeinen sind Vertragsstrafenabreden in Formularverträgen nach § 309 Nr. 6 BGB
unwirksam. In formularmäßigen Arbeitsverträgen folgt aus der angemessenen Berücksichtigung
der im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB jedoch die
grundsätzliche Zulässigkeit solcher Abreden (Senat 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - BAGE 110, 8 =
AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1). Eine Unwirksamkeit kann sich jedoch aus
§ 307 BGB ergeben (Senat 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - aaO). Dabei ist zum Schutz des
Arbeitnehmers ein strenger Maßstab anzulegen (Senat 14. August 2007 - 8 AZR 973/06 - AP BGB
§ 307 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28).
20 2. Die Vertragsstrafenabrede stellt eine unangemessene Benachteiligung der Beklagten iSd. § 307
Abs. 1 BGB dar.
21 a) Der Anwendbarkeit von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB stehen im Arbeitsrecht geltende
Besonderheiten gemäß § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB für Vertragsstrafenregelungen nicht entgegen
(Senat 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - BAGE 110, 8 = AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA BGB 2002
§ 309 Nr. 1).
22 b) Das Vertragsstrafenversprechen benachteiligt die Beklagte deshalb unangemessen, weil die
vorgesehene Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen Bruttomonatsvergütung für den Fall, dass
sie das Anstellungsverhältnis während der Probezeit vertragswidrig vorzeitig beendet, eine
Übersicherung der Klägerin darstellt. § 4 Satz 1 des Arbeitsvertrages ist damit insgesamt
unwirksam. Dass die Vertragsstrafe erst durch eine nach Ansicht der Klägerin vertragswidrige
außerordentliche Kündigung der Beklagten nach Ablauf der Probezeit unter Geltung der vertraglich
vereinbarten ordentlichen Kündigungsfrist von zwölf Wochen zum Monatsende verwirkt worden
ist, ist unerheblich. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob eine Vertragsstrafenabrede
wirksam ist, ist der Arbeitsvertragsschluss. § 307 BGB läuft auf eine Rechtsgeschäftskontrolle
hinaus, welche die formularmäßige Strafabrede zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung prüft und nicht
zum Zeitpunkt ihrer Verwirkung. Eine Teilung der Vertragsstrafenklausel in einen zulässigen
Regelungsteil nach der Probezeit und einen unzulässigen Regelungsteil davor ist demnach nicht
zulässig.
23 aa) Gegenstand einer gesonderten Inhaltskontrolle sind einzelne Allgemeine
Geschäftsbedingungen dann, wenn sie nur formal verbunden sind, dh., wenn sie sprachlich und
inhaltlich teilbar sind (vgl. BAG 15. März 2005 - 9 AZR 502/03 - BAGE 114, 97 = AP BGB § 781
Nr. 7 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 2).
24 Eine Teilung von Vertragsklauseln in einen zulässigen und einen unzulässigen Teil ist möglich,
wenn der unzulässige Teil sprachlich eindeutig trennbar ist. Enthält die Klausel neben den
unwirksamen auch unbedenkliche, sprachlich und inhaltlich abtrennbare Bestandteile, bleiben
diese wirksam, auch wenn sie den gleichen Sachkomplex betreffen. Voraussetzung dafür ist aber,
dass nach dem Wegstreichen der unwirksamen Teilregelung(en) ein aus sich heraus
verständlicher Klauselrest verbleibt (Senat 21. April 2005 - 8 AZR 425/04 - AP BGB § 307 Nr. 3 =
EzA BGB 2002 § 309 Nr. 3). Die Teilbarkeit einer Klausel ist demnach mittels der Streichung des
unwirksamen Teils zu ermitteln (BAG 6. Mai 2009 - 10 AZR 443/08 - mwN, AP BGB § 307 Nr. 43
= EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44). Ist eine Bestimmung nicht sprachlich und inhaltlich teilbar, so ist
zu prüfen, ob sie in ihrer Gesamtheit eine unangemessene Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB unter Berücksichtigung der den Vertragsschluss begleitenden Umstände (§ 310
Abs. 3 Nr. 3 BGB) darstellt.
25 Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, handelt es sich bei der vereinbarten
Vertragsstrafenhöhe, soweit sie die Alternative „vertragswidrige vorzeitige Vertragsbeendigung“
betrifft, um eine einheitliche, inhaltlich nicht trennbare Bestimmung. Das
Vertragsstrafenversprechen in § 4 Satz 1 des Arbeitsvertrages ist zwar hinsichtlich der
Verwirkungstatbestände für zwei unterschiedliche - sprachlich und inhaltlich trennbare -
Sachverhalte abgegeben worden, nämlich zum einen für den Fall, dass der Arbeitnehmer die
Tätigkeit rechtswidrig nicht antritt und zum anderen für den Fall, dass er das Anstellungsverhältnis
vertragswidrig vorzeitig löst. Da die Beklagte die Tätigkeit bei der Klägerin aufgenommen hatte,
kommt als Anspruchsgrundlage für die Vertragsstrafe nur die zweite Alternative von § 4 Satz 1
des Anstellungsvertrages in Betracht. Diese Alternative ist ihrerseits nicht (weiter) teilbar, sondern
trifft inhaltlich eine allein an die „vertragswidrige vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses“
anknüpfende Aussage: Bei solch einem Tatbestand fällt eine Vertragsstrafe in Höhe einer
regelmäßigen Bruttomonatsvergütung ausschließlich der Überstundenvergütung und der
Zuschläge an. Zwischen den Konstellationen der Geltung unterschiedlicher Kündigungsfristen wird
bei der Höhe des Strafversprechens nicht differenziert. Dies übersieht die Revision, wenn sie
argumentiert, dass in § 3 des Arbeitsvertrages die Kündigungsfristen in der Probezeit und nach
deren Ablauf hervorgehoben würden und dem Arbeitnehmer daher klar sei, dass die
Vertragsstrafe jedenfalls nach Ablauf der Probezeit verbindlich gölte. Ob die Vertragsstrafe
„verbindlich“ verabredet wurde, ist gerade Frage der Inhaltskontrolle nach §§ 305 ff. BGB.
26 bb) Nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen
unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen Treu und Glauben unangemessen
benachteiligen.
27 Unangemessen ist jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses des
Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers
gerechtfertigt ist oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer
unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung
rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Bei diesem Vorgang sind auch
grundrechtlich geschützte Rechtspositionen zu beachten. Es bedarf einer umfassenden
Würdigung der beiden Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben.
Dabei ist auch die Stellung der Klausel im Gesamtvertrag zu berücksichtigen, ebenso wie
kompensierende oder summierende Effekte. Zur Beurteilung der Unangemessenheit ist ein
genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Im Rahmen der
Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen
Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art
des Rechtsgeschäfts generell unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten
Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt. Werden
Allgemeine Geschäftsbedingungen für verschiedene Arten von Geschäften oder gegenüber
verschiedenen Verkehrskreisen verwendet, deren Interessen, Verhältnisse und
Schutzbedürfnisse generell unterschiedlich gelagert sind, so kann die Abwägung zu
gruppentypisch unterschiedlichen Ergebnissen führen. Sie ist in den Vertrags- oder Fallgruppen
vorzunehmen, wie sie durch die an dem Sachgegenstand orientierte typische Interessenlage
gebildet werden (Senat 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - BAGE 110, 8 = AP BGB § 309 Nr. 3 = EzA
BGB 2002 § 309 Nr. 1).
28 Bei Verbraucherverträgen sind gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB bei der Beurteilung der
unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB auch die den Vertragsschluss
begleitenden Umstände zu berücksichtigen (Senat 14. August 2007 - 8 AZR 973/06 - AP BGB
§ 307 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 28). Zu den konkret-individuellen Begleitumständen
gehören insbesondere persönliche Eigenschaften des individuellen Vertragspartners, die sich auf
die Verhandlungsstärke auswirken, Besonderheiten der konkreten Vertragsabschlusssituation, wie
zB Überrumpelung, Belehrung sowie untypische Sonderinteressen des Vertragspartners (BAG
31. August 2005 - 5 AZR 545/04 - BAGE 115, 372 = AP ArbZG § 6 Nr. 8 = EzA ArbZG § 6 Nr. 6).
Die Berücksichtigung dieser Umstände kann sowohl zur Unwirksamkeit einer nach generell-
abstrakter Betrachtung wirksamen Klausel als auch zur Wirksamkeit einer nach typisierter
Inhaltskontrolle unwirksamen Klausel führen (Senat 14. August 2007 - 8 AZR 973/06 - aaO).
29 Vertragsstrafenabreden benachteiligen danach den Arbeitnehmer nicht schon generell
unangemessen. Eine unangemessene Benachteiligung kann aber aus der Höhe einer
Vertragsstrafe folgen (Senat 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - BAGE 110, 8 = AP BGB § 309 Nr. 3 =
EzA BGB 2002 § 309 Nr. 1). Nach der Rechtsprechung des Senats ist zur Feststellung der
Angemessenheit einer Vertragsstrafe im Zusammenhang mit der vertragswidrigen, vorfristigen
Lossagung vom Arbeitsverhältnis durch den Arbeitnehmer die maßgebliche Kündigungsfrist von
Bedeutung. In der Länge der Kündigungsfrist kommt zum Ausdruck, in welchem zeitlichen
Umfang der Arbeitgeber Arbeitsleistungen vom Arbeitnehmer verlangen kann und welches
Interesse er an der Arbeitsleistung hat. Da es bei der Vereinbarung einer Vertragsstrafe jedenfalls
auch um einen vermögensmäßigen Ausgleich nicht erbrachter Vertragsleistungen geht, sind die
Kündigungsfristen, die durch den Vertragsbruch vom Arbeitnehmer nicht beachtet wurden, ein
relevanter Abwägungsgesichtspunkt zur Feststellung der Angemessenheit der
Vertragsstrafenhöhe (Senat 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - aaO). Die Höhe der Vergütung ist
grundsätzlich ein geeigneter Maßstab, um den Wert der Arbeitsleistung festzustellen. In dieser
kommt zum Ausdruck, welche Mittel der Arbeitgeber unter Berücksichtigung der
Marktverhältnisse einsetzen muss, um den Gegenwert der Arbeitsleistung zu erhalten, mit deren
Hilfe er seine wirtschaftlichen Ziele verfolgt. Die Länge der jeweiligen Kündigungsfrist und die für
diesen Zeitraum zu zahlende Vergütung spiegeln damit regelmäßig das wirtschaftliche Interesse
des Arbeitgebers an der Arbeitskraft des Arbeitnehmers wider. Diese Umstände sind danach auch
für den Umfang eines möglichen Schadens bei vertragswidriger Lösung vom Arbeitsverhältnis von
Bedeutung. Eine Vertragsstrafe, die höher ist als die Arbeitsvergütung, die für die Zeit zwischen
einer vorzeitigen tatsächlichen Beendigung und dem rechtlich zulässigen Beendigungszeitpunkt zu
zahlen wäre, ist nur ausnahmsweise angemessen iSd. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies ist dann
der Fall, wenn das Sanktionsinteresse des Arbeitgebers im Falle der vertragswidrigen
Nichterbringung der Arbeitsleistung vor der rechtlich zulässigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses den Wert der Arbeitsleistung, der sich in der Arbeitsvergütung bis zur
vertraglich zulässigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses dokumentiert, aufgrund besonderer
Umstände typischerweise und generell übersteigt (Senat 4. März 2004 - 8 AZR 196/03 - aaO).
30 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die in § 4 Satz 1 des Arbeitsvertrages vereinbarte
Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe einer regelmäßigen
Bruttomonatsvergütung für den Fall der vertragswidrigen vorzeitigen Vertragsbeendigung
unangemessen hoch, weil die Strafzahlung auch in der Konstellation gelten soll, in der sich der
Arbeitnehmer rechtmäßig mit einer Kündigungsfrist von zwei Wochen vom Vertrag lösen könnte.
31 Unter § 3 Sätze 1 und 2 des Formulararbeitsvertrages ist eine Probezeit von sechs Monaten
vereinbart, während welcher der Vertrag - entsprechend der gesetzlichen Kündigungsfrist nach
§ 622 Abs. 3 BGB - mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden kann. Die vereinbarte
Vertragsstrafe übersteigt also bei einer vertragswidrigen vorfristigen Lossagung vom
Arbeitsverhältnis in den ersten sechs Monaten den Wert der Arbeitsleistung für die in dieser Zeit
einzuhaltende Kündigungsfrist. Die Höhe der Arbeitnehmerbezüge bis zum Ablauf der ordentlichen
Kündigungsfrist liefert grundsätzlich einen angemessenen Rahmen für die Vertragsstrafenhöhe
zugunsten des Arbeitgebers, der hier bei einer Kündigung in der Probezeit überschritten ist.
32 Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass besondere Interessen der Klägerin für die
Vereinbarung einer höheren Vertragsstrafe bei einer vorfristigen Kündigung in der Probezeit nicht
ersichtlich sind. Dass die Vertragsstrafe - und zwar auch der Höhe nach - generell der
Durchsetzung ihres berechtigten Interesses an der Verhinderung des Vertragsbruchs dient, ist von
der Klägerin als Verwenderin der Formularklausel darzulegen. Die Argumentation, der Klägerin sei
es wegen der Einarbeitungsaufwendungen für die zuvor nicht in der Touristikbranche tätig
gewesene Beklagte besonders darum gegangen, schon in der Probezeit eine gewisse Bindung an
das Unternehmen sicherzustellen, berücksichtigt nur unzureichend, dass es um keine individuelle
Betrachtungsweise geht. Bei der Vertragsstrafenklauselkontrolle ist vielmehr maßgeblich, ob das
Sanktionsinteresse des Arbeitgebers den Wert der Arbeitsleistung aufgrund besonderer Umstände
typischerweise und generell übersteigt. Dass der finanzielle Mitteleinsatz in der
Einarbeitungsphase für einen Sachbearbeiter für Bustouristik allgemein und unabhängig von den
Erfahrungen oder der Ausbildung der Beklagten derart hoch ist, dass das Strafversprechen den
Wert der Arbeitsleistung bis zur rechtlich zulässigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
übersteigen kann, ist weder vom Berufungsgericht festgestellt noch konkret von der Klägerin
vorgetragen. Desgleichen rechtfertigt der Gesichtspunkt der Druckausübung, also den
Arbeitnehmer zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten, nicht die vereinbarte Höhe der
Vertragsstrafe. Auch dabei ist zu berücksichtigen, welches wirtschaftliche Interesse die Klägerin
an der Erbringung der Arbeitsleistung bis zur rechtlich zulässigen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses hat. Diesem wirtschaftlichen Interesse entspricht keine Strafzahlung in Höhe
eines monatlichen Bruttoentgelts, wenn sich der Arbeitnehmer mit zweiwöchiger Frist vom Vertrag
lösen darf. Schließlich besteht auch kein schützenswertes Interesse an einer Erfüllungssicherung
über den nächstzulässigen legitimen Beendigungszeitpunkt.
33 Wie das Landesarbeitsgericht weiter überzeugend ausgeführt hat, ist der Begründungsansatz der
Klägerin für die Höhe der Vertragsstrafe auch widersprüchlich: Der Arbeitsvertrag sieht während
der Probezeit keine von der gesetzlichen Kündigungsfrist abweichende längere Kündigungsfrist
vor. Dies spricht gegen einen spezifischen Bindungswillen der Klägerin in der Anfangsphase des
Arbeitsverhältnisses und insbesondere auch gegen die Annahme, den Kosten für die
einzuarbeitende „Sachbearbeiterin Bustouristik“ käme ein die Vertragsstrafenhöhe
rechtfertigendes Gewicht zu. Die Klägerin hätte auch bei einer vertragsgemäßen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses durch den Beschäftigten, also bei Einhaltung der zweiwöchigen
Kündigungsfrist in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses, Ersatz für diesen
beschaffen müssen. Die Einarbeitungsmittel wären ebenso angefallen bzw. - aus Sicht der
Klägerin - „verloren“ gewesen.
34 Im Streitfalle sind keine weiteren gemäß § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB zu berücksichtigenden
vertragsbegleitende Umstände ersichtlich. Somit liegt eine unzulässige Übersicherung der
Klägerin vor.
35 c) Die unangemessene Benachteiligung führt nach § 307 Abs. 1 BGB zur Unwirksamkeit der
Klausel. Eine geltungserhaltende Reduktion für den Zeitraum, in dem die kurze
Probezeitkündigungsfrist nicht mehr gilt, kommt nicht in Betracht.
36 So ist die Vertragsstrafenklausel nicht im Wege der geltungserhaltenden Reduktion mit dem Inhalt
aufrechtzuerhalten, dass die Strafzahlung in Höhe einer Bruttomonatsvergütung (nur) bei einer
vertragswidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer nach Ablauf der
Probezeit anfällt.
37 Grundsätzlich ist im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Modifizierung einer
unangemessenen Klausel mit dem Ziel ihrer rechtskonformen Gestaltung nicht vorgesehen. Das
folgt aus § 306 Abs. 2 BGB, der bestimmt, dass sich der Inhalt des Vertrages nach den
gesetzlichen Vorschriften richtet, soweit Bestimmungen nicht Vertragsbestandteil geworden sind
oder unwirksam sind. Die Inhaltskontrolle kassiert, sie reformiert nicht (Staudinger/Coester (2006)
§ 307 Rn. 55). Eine Klauselaufrechterhaltung mit differenziert-eingeschränktem Inhalt wäre nicht
mit dem Zweck der §§ 305 ff. BGB vereinbar. Schutzzweck der Vorschriften ist es, auf einen
angemessenen Inhalt der in der Praxis verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingungen
hinzuwirken. Dem Vertragspartner des Klauselverwenders soll die Möglichkeit sachgerechter
Information über die ihm aus dem vorformulierten Vertrag erwachsenden Rechte und Pflichten
verschafft werden. Dieses Ziel ließe sich nicht erreichen, wenn der Verwender von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen zunächst die Grenze dessen überschreiten dürfte, was er zu seinen
Gunsten in noch vertretbarer Weise vereinbaren durfte. Sähe man dies als zulässig an, hätte das
zur Folge, dass der Klauselverwendungsgegner mit überzogenen Klauseln konfrontiert werden
könnte und frühestens in einem Prozess zuverlässig über den Umfang seiner Rechte und
Pflichten informiert würde. Dem Klauselverwender wäre die Möglichkeit eröffnet, bei Aufstellung
seiner Konditionen unbedenklich über die Grenze des Zulässigen hinauszugehen, ohne
Schlimmeres befürchten zu müssen, als dass die Benachteiligung seines Geschäftspartners
durch das Gericht auf ein gerade noch zulässiges Maß zurückgeführt wird. Es ist aber nicht
Aufgabe der Gerichte, für eine den Gegner des Klauselverwenders unangemessen
benachteiligende und deshalb unwirksame Klausel eine Fassung zu finden, die einerseits dem
Verwender möglichst günstig, andererseits gerade noch rechtlich zulässig ist (BGH 3. November
1999 - VIII ZR 269/98 - BGHZ 143, 104). Wer die Möglichkeit nutzen kann, die ihm der Grundsatz
der Vertragsfreiheit für die Aufstellung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen eröffnet, muss
auch das Risiko einer Klauselunwirksamkeit tragen. Anderenfalls liefen insbesondere
Benachteiligungsverbot und Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 BGB weitgehend ins Leere (vgl.
BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 482/06 - AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38 = EzA BGB
2002 § 307 Nr. 19).
38 Arbeitsrechtliche Besonderheiten iSd. § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB führen zu keiner anderen
Sichtweise. Eine solche Besonderheit ist insbesondere nicht der Umstand, dass es sich bei
Arbeitsverträgen um Dauerschuldverhältnisse mit teilweise eingeschränkten
Kündigungsmöglichkeiten handelt. Die hieraus folgende besondere Notwendigkeit einer
Interessenabwägung besteht ebenso in anderen Bereichen des Zivilrechts (Gotthardt Arbeitsrecht
nach der Schuldrechtsreform 2. Aufl. Rn. 328 ff.; Deinert in Däubler/Bonin/Deinert 3. Aufl. § 307
BGB Rn. 133; aA Thüsing NZA 2002, 591, 594). Der Bundesgerichtshof wendet das Verbot der
geltungserhaltenden Reduktion auch bei Dauerschuldverhältnissen mit besonderen
Kündigungsregelungen (konkret: Wohnraummietverträgen) an (10. September 1997 - VIII ARZ
1/97 - BGHZ 136, 314). Im Übrigen stellt die Unwirksamkeit einer Vertragsstrafenabrede wegen
unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers generell keinen Ausnahmefall für eine
zwingend gebotene Abweichung vom Prinzip des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion
dar (Senat 14. August 2007 - 8 AZR 973/06 - AP BGB § 307 Nr. 28 = EzA BGB 2002 § 307
Nr. 28).
39 d) Auch eine ergänzende Vertragsauslegung scheidet aus.
40 Eine solche ist nicht schon deshalb geboten, weil es - wie im Streitfalle - keine gesetzlichen
Vorschriften gibt, auf die nach § 306 Abs. 2 BGB zurückgegriffen werden kann. Würde in
derartigen Fällen immer eine ergänzende Vertragsauslegung eingreifen, läge das Risiko der
Vorformulierung unwirksamer Klauseln entgegen dem Zweck der gesetzlichen Regelung nicht
mehr beim Verwender (BAG 14. Januar 2009 - 3 AZR 900/07 - mwN, BAGE 129, 121 = AP BGB
§ 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = EzA BGB 2002 § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12).
41 Im Übrigen setzt eine ergänzende Vertragsauslegung voraus, dass der Regelungsplan der
Parteien infolge der durch die Unwirksamkeit einer Vertragsklausel entstandenen Lücke einer
Vervollständigung bedarf. Dies ist anzunehmen, wenn die ersatzlose Streichung der unwirksamen
Klausel keine angemessene, den typischen Interessen des Klauselverwenders und seines
Vertragspartners Rechnung tragende Lösung bietet. Nicht jede Verschiebung der Gewichte
zulasten des Verwenders rechtfertigt die Annahme einer ergänzungsbedürftigen Lücke. Ebenso
wie auch sonst bei der Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf
arbeitsvertragliche Vereinbarungen sind dabei die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten
angemessen zu berücksichtigen (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB). Maßgeblich sind insoweit nicht nur
rechtliche, sondern auch tatsächliche Besonderheiten des Arbeitslebens (BAG 14. Januar 2009 -
3 AZR 900/07 - BAGE 129, 121 = AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 41 = EzA BGB 2002
§ 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 12). Die Gerichte sind jedoch nicht grundsätzlich berechtigt, durch
ergänzende Vertragsauslegung an die Stelle einer unwirksamen Klausel die zulässige
Klauselfassung zu setzen, die der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
voraussichtlich gewählt hätte, wenn ihm die Unzulässigkeit der beanstandeten Klausel bekannt
gewesen wäre (BAG 23. Januar 2007 - 9 AZR 482/06 - AP BGB § 611 Ausbildungsbeihilfe Nr. 38
= EzA BGB 2002 § 307 Nr. 19). Eine solche ergänzende Auslegung würde dem Verwender das
Risiko der unzulässig zu weit gefassten Klausel vollständig nehmen und eine Vertragshilfe allein
zu seinen Gunsten darstellen.
42 Dieses Ergebnis entspricht auch dem erklärten Willen des Gesetzgebers. Dies zeigt § 305c
Abs. 2 BGB, der bestimmt, dass Zweifel bei der Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen
zulasten des Verwenders gehen.
43 3. Ob die Frage der ergänzenden Vertragsauslegung aus Vertrauensgesichtspunkten bei
„Altverträgen“ ggf. anders zu bewerten ist (vgl. zur ergänzenden Vertragsauslegung eines
Änderungsvorbehalts in einem vor dem 1. Januar 2002 geschlossenen Formulararbeitsvertrag:
BAG 12. Januar 2005 - 5 AZR 364/04 - BAGE 113, 140 = AP BGB § 308 Nr. 1 = EzA BGB 2002
§ 308 Nr. 1), kann offenbleiben, weil der Arbeitsvertrag am 20. Februar 2006 und somit nach
Inkrafttreten der §§ 305 ff. BGB am 1. Januar 2002 geschlossen worden ist.
44 4. Das Argument der Revision, im Interesse der Rechtssicherheit und einer Art. 3 Abs. 1 GG
entsprechenden Gleichbehandlung sei eine Ausnahme vom Verbot der geltungserhaltenden
Reduktion bzw. eine ergänzende Vertragsauslegung geboten, weil für Altverträge aus Bestands-
und Vertrauensgesichtspunkten diese Prinzipien angewandt würden und sich ein nach der
Schuldrechtsreform eingestellter Arbeitnehmer demzufolge „besser“ stelle als ein bereits langjährig
beschäftigter Arbeitnehmer, ist nicht durchschlagend. Es ist bereits zweifelhaft, ob bei „Altfällen“
ein so weit gehender Vertrauensschutz geboten ist, an sich unwirksame Vertragsklauseln
grundsätzlich im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung oder der geltungserhaltenden
Reduktion auf einen zulässigen Regelungsinhalt zurückzuführen. Jedenfalls kann
Vertrauensschutz für Altfälle oder Altregelungen nicht im Gewande einer Gleichbehandlung die
Nichtgeltung oder Nichtanwendbarkeit von Gesetzen und Normen für „Neufälle“ zur Rechtsfolge
haben.
45 C. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Hauck
Böck
Kiel
Warnke
Volz