Urteil des BAG vom 14.03.2017

BAG (arbeitssicherheit, arbeitgeber, leiter, funktion, schutz des lebens, stand der technik, tätigkeit, verwaltung, obiter dictum, betrieb)

BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 15.12.2009, 9 AZR 769/08
Fachkraft für Arbeitssicherheit - Gemeindeverwaltung - organisatorische und disziplinarische Einordnung
Leitsätze
1. Der Arbeitgeber ist gem. § 8 Abs 2 ASiG verpflichtet, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses
beschäftigte (leitende) Fachkräfte für Arbeitssicherheit (mindestens) unmittelbar dem Leiter des Betriebs
im Rahmen einer Stabsstelle fachlich und disziplinarisch zu unterstellen. Diese herausgehobene
Einordnung in der betrieblichen Hierarchie gehört zu den strukturprägenden Grundsätzen des ASiG.
2. Im Bereich der öffentlichen Verwaltung ist gem. § 16 ASiG ein den Grundsätzen des ASiG
gleichwertiger Arbeitsschutz zu gewährleisten. Dies beinhaltet auch das unmittelbare fachliche und
disziplinarische Unterstellungsverhältnis der (leitenden) Fachkraft für Arbeitssicherheit entsprechend § 8
Abs 2 ASiG unter den Leiter der Dienststelle oder Behörde, für die sie bestellt ist.
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-
Brandenburg vom 15. Juli 2008 - 2 Sa 2446/07 - aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Potsdam vom
10. Oktober 2007 - 6 Ca 1535/07 - wird unter Neufassung des Tenors der
arbeitsgerichtlichen Entscheidung zurückgewiesen:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin in ihrer Funktion als Fachkraft für
Arbeitssicherheit im Rahmen einer Stabsstelle unmittelbar dem
Oberbürgermeister zu unterstellen.
Es wird festgestellt, dass dem Oberbürgermeister die Dienstaufsicht über die
Tätigkeit der Klägerin als Fachkraft für Arbeitssicherheit zusteht.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die organisatorische und disziplinarische Einordnung der als
Sicherheitsingenieurin (Fachkraft für Arbeitssicherheit) beschäftigten Klägerin.
2 Die seit 1. März 2000 bei der Beklagten beschäftigte Klägerin übt seit dem 1. Juli 2006 kraft
entsprechender Bestellung als Sicherheitsingenieurin die Funktion der Fachkraft für
Arbeitssicherheit bei der beklagten Landeshauptstadt aus.
3 Seit 1999 war aufgrund Verfügung des damaligen Oberbürgermeisters der
arbeitssicherheitstechnische Dienst bei der Beklagten als Stabsstelle organisatorisch unmittelbar
dem Oberbürgermeister unterstellt. Im Rahmen einer Strukturreform im Jahre 2003 ist dieser dem
Geschäftsbereich 1 „Zentrale Steuerung und Service“ zugeordnet worden, der vom Ersten
Beigeordneten geleitet wird. Innerhalb des Geschäftsbereichs erfolgte die Zuordnung zum
„Servicebereich Verwaltungsmanagement“.
4 Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Funktion des Sicherheitsingenieurs gem. § 8 Abs. 2
des Gesetzes über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für
Arbeitssicherheit (ASiG) sei fachlich und disziplinarisch unmittelbar dem Oberbürgermeister
zuzuordnen. Dies gelte gemäß § 16 ASiG auch für Gemeinden. Nur so werde den Anforderungen
des ASiG im Hinblick auf die Weisungsfreiheit und die herausgehobene Stellung der Fachkraft für
Arbeitssicherheit Rechnung getragen.
5 Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, sie in ihrer Funktion als Fachkraft für Arbeitssicherheit im
Rahmen einer Stabsstelle unmittelbar dem Oberbürgermeister zu unterstellen und
festzustellen, dass diesem die Dienstaufsicht über ihre Tätigkeit zusteht.
6 Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, § 16 ASiG
fordere nur die Gewährleistung eines gleichwertigen Arbeitsschutzes. Hieraus ergebe sich, dass die
Unabhängigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit gewährleistet sein müsse, was bei der jetzigen
Anbindung der Klägerin an den Bereich „Personal“ der Fall sei. Konkrete Anhaltspunkte für eine
Behinderung ihrer Tätigkeit habe die Klägerin nicht vorgetragen. Die Beklagte sei im Übrigen gem.
Art. 28 Abs. 2 GG im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung frei, welche organisatorische
Struktur sie wähle.
7 Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das arbeitsgerichtliche
Urteil abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision
verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche in der Form des beim Landesarbeitsgericht zuletzt gestellten
Antrags weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
8 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur
Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung unter Berücksichtigung der geänderten
Antragstellung.
9 A. Die Revision ist zulässig.
10 Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin in der Revision nicht die Wiederherstellung der
erstinstanzlichen Entscheidung begehrt, sondern die ursprünglichen Klageanträge zu einem neuen
Antrag zusammengefasst hat und dabei teilweise vom Feststellungs- zum Leistungsantrag
übergegangen ist.
11 Im Revisionsverfahren können zwar grundsätzlich neue prozessuale Ansprüche nicht zur
gerichtlichen Entscheidung gestellt werden. Klageänderungen und -erweiterungen sind gleichwohl
aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit dann zuzulassen, wenn der geänderte Sachantrag sich
auf den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalt stützt (Senat 10. Februar 2004 -
9 AZR 89/03 - zu A der Gründe, AP ATG § 2 Nr. 6 = EzA TVG § 4 Altersteilzeit Nr. 10). Im
Rahmen des § 264 Nr. 2 ZPO kann dabei auch in der Revisionsinstanz von einer Leistungs- auf
eine Feststellungsklage oder umgekehrt übergegangen werden (BAG 28. Januar 2004 - 5 AZR
58/03 - zu I der Gründe, AP EntgeltFG § 3 Nr. 21; GMP/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 44).
So liegt der Fall hier. Streitgegenstand und Sachverhalt ändern sich durch den neuen Antrag nicht.
Die Frage der hierarchischen Einordnung der Tätigkeit der Klägerin und der dienstaufsichtlichen
Unterstellung bildete von Anfang an den Kern des Streits der Parteien.
12 Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob bereits im Rahmen des Berufungsverfahrens
wirksam eine Antragsänderung erfolgt ist.
13 B. Die Revision ist begründet. Sie führt zum Erfolg der Klage in Form des zuletzt gestellten
Antrags.
14 I. Die Klage ist zulässig.
15 1. Die im ersten Teil des Antrags enthaltene Leistungsklage ist hinreichend bestimmt.
16 a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss der Antrag die Maßnahme, für die ein Recht bejaht oder
verneint wird, so genau bezeichnen, dass die eigentliche Streitfrage zwischen den Beteiligten mit
Rechtskraftwirkung entschieden werden kann (st. Rspr., vgl. zB Senat 13. Oktober 2009 - 9 AZR
139/08 - Rn. 16).
17 b) Diesem Erfordernis wird der Antrag gerecht. Aus dem Begehren, unmittelbar dem
Oberbürgermeister im Rahmen einer Stabsstelle unterstellt zu werden, wird das Rechtsschutzziel
der Klägerin deutlich. Für die Beklagte ist erkennbar, was sie im Falle eines Erfolgs der Klägerin
tun muss.
18 2. Das für den Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO (zweiter Antragsteil) erforderliche
besondere Feststellungsinteresse ist gegeben.
19 a) Eine allgemeine Feststellungsklage muss sich nicht notwendig auf das gesamte
Rechtsverhältnis erstrecken. Sie kann sich auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem
Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer
Leistungspflicht beschränken (st. Rspr., vgl. nur Senat 19. Mai 2009 - 9 AZR 145/08 - Rn. 31, AP
ATG § 6 Nr. 5).
20 b) Die Parteien streiten vorliegend über die Frage, ob die Klägerin dienstaufsichtlich dem
Oberbürgermeister untersteht. Hieraus ergibt sich das berechtigte Interesse an der begehrten
Feststellung.
21 II. Die Klage ist begründet.
22 Die Klägerin hat einen Anspruch aus ihrem Arbeitsvertrag iVm. § 16, § 5 Abs. 1, § 8 Abs. 2 ASiG,
in ihrer Funktion als Fachkraft für Arbeitssicherheit im Rahmen einer Stabsstelle unmittelbar dem
Oberbürgermeister als Leiter der Dienststelle unterstellt zu werden. Diesem steht auch die
Dienstaufsicht über ihre Tätigkeit zu.
23 1. Bei der Verpflichtung des Arbeitgebers, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigte
(leitende) Fachkräfte für Arbeitssicherheit gem. § 8 Abs. 2 ASiG unmittelbar dem Leiter des
Betriebs zu unterstellen, handelt es sich um einen strukturprägenden Grundsatz dieses Gesetzes.
Die Vorschrift verpflichtet den Arbeitgeber zur Schaffung einer entsprechenden Stabsstelle und
beinhaltet die Unterstellung in fachlicher und disziplinarischer Hinsicht.
24 a) Der Arbeitgeber hat gem. § 5 Abs. 1 ASiG im Rahmen der Erforderlichkeit nach den im Gesetz
genannten Kriterien Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bestellen. Diese Verpflichtung wird
regelmäßig durch Unfallverhütungsvorschriften (UVV) konkretisiert (Schmitt SGB VII 4. Aufl. § 15
Rn. 4, 30). Solche Unfallverhütungsvorschriften dürfen die Träger der Gesetzlichen
Unfallversicherung gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB VII als autonomes Recht mit verbindlicher
Wirkung für ihren Zuständigkeitsbereich erlassen. So trifft die UVV „Betriebsärzte,
Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ der Unfallkasse Brandenburg
unter anderem Regelungen über die von der Betriebsart abhängigen erforderlichen Einsatzzeiten
der Fachkräfte für Arbeitssicherheit (§ 2 UVV GUV-V A 6/7 v. März 1975 idF v. Juni 2003,
Amtlicher Anzeiger Brandenburg Nr. 9 v. 9. März 2005 S. 321).
25 Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Bestellung der Fachkräfte für Arbeitssicherheit ist dabei
der Betrieb, nicht das Unternehmen. Die dem Arbeitsschutz dienenden Vorschriften und
Maßnahmen sollen, um einen möglichst hohen Wirkungsgrad zu erreichen, den vor Ort
bestehenden besonderen Betriebsverhältnissen angepasst werden (zu UVVen: BSG 1. März 1989
- 2 RU 51/88 - BSGE 65, 5). Der Begriff des Betriebs iSd. ASiG ist dabei grundsätzlich
gleichbedeutend mit dem Betriebsbegriff des BetrVG (hM, zB Anzinger/Bieneck ASiG § 8 Rn. 32;
Hk-ASiG/Aufhauser 3. Aufl. § 8 Rn. 5; Kliesch/Nöthlichs/Wagner ASiG § 8 Anm. 5.2; aA
Spinnarke/Schork Arbeitssicherheitsrecht Stand Oktober 2009 § 1 ASiG Rn. 28 und § 5 Rn. 15:
„technische Einheit“, unter Hinweis auf die Möglichkeit des Zusammentreffens mehrerer
Betriebsarten). Danach ist ein Betrieb eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der
Arbeitgeber zusammen mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte
arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte
vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt
eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert
werden (st. Rspr., zB BAG 7. Mai 2008 - 7 ABR 15/07 - Rn. 19, NZA 2009, 328).
26 Gesetzliche Aufgabe der Fachkräfte für Arbeitssicherheit ist es, den Arbeitgeber beim
Arbeitsschutz und bei der Unfallverhütung in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich der
menschengerechten Gestaltung der Arbeit zu unterstützen (§ 6 Satz 1 ASiG). Sie üben damit
primär eine betriebsinterne Beratungsfunktion aus (vgl. grundsätzlich zu Rolle und Funktion der
unterschiedlichen „Unternehmensbeauftragen“: Rehbinder ZGR 1989, 305).
27 b) § 8 Abs. 2 ASiG verpflichtet den Arbeitgeber, die Fachkraft für Arbeitssicherheit oder, wenn für
einen Betrieb mehrere Fachkräfte für Arbeitssicherheit bestellt sind, die leitende Fachkraft für
Arbeitssicherheit fachlich und disziplinarisch unmittelbar dem Leiter des Betriebs zu unterstellen.
28 aa) Im ursprünglichen Gesetzentwurf der Bundesregierung waren Regelungen über die Stellung
der Fachkräfte für Arbeitssicherheit im Betrieb nicht enthalten, sondern nur die heutigen Absätze 1
und 3 des § 8 ASiG (BT-Drucks. 7/260 S. 6). Im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens ist der
heutige Absatz 2 nach Beratungen im Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung mit der
Begründung eingefügt worden, diese Vorschrift solle sowohl „die Unabhängigkeit als auch den
Einfluss dieser Personen stärken“ (BT-Drucks. 7/1085 S. 6).
29 Dementsprechend verpflichtet § 8 Abs. 2 ASiG den Arbeitgeber nach allgemeiner Auffassung, den
Fachkräften für Arbeitssicherheit bzw. der leitenden Fachkraft für Arbeitssicherheit eine
Stabsstelle zuzuweisen, die mindestens unmittelbar dem Leiter des Betriebs unterstellt ist (LAG
Köln 3. April 2003 - 10 (1) Sa 1231/02 - ZTR 2003, 520; Anzinger/Bieneck § 8 Rn. 34; Hk-
ASiG/Aufhauser § 8 Rn. 4; Kliesch/Nöthlichs/Wagner § 8 Anm. 5.1; Nöthlichs/Wilrich/Weber
Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit Stand Juni 2009 § 8 Anm. 6.2; Rehbinder ZGR 1989, 305,
312, 326 f.). Diese gesetzlich vorgeschriebene Zuweisung einer bestimmten Stellung innerhalb der
betrieblichen Hierarchiestrukturen dient sowohl der Sicherung der fachlichen Unabhängigkeit als
auch der Herausstellung der Bedeutung der Funktion der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Ihr
Einfluss als Betriebsbeauftragte zur Beratung des Arbeitgebers in Sachen des Arbeitsschutzes
wird damit gestärkt (zum leitenden Betriebsarzt: LAG Berlin 2. Februar 1998 - 9 Sa 114/97 - zu II 1
der Gründe, NZA-RR 1998, 437). Gleichzeitig wird damit ein Ausgleich dafür geschaffen, dass die
Fachkräfte für Arbeitssicherheit nicht unmittelbar weisungsberechtigt gegenüber den Beschäftigten
sind.
30 Hinzu kommt, dass das System des Arbeitsschutzes in zunehmendem Maß nicht mehr
(ausschließlich) auf der Vorgabe technischer Normen basiert, sondern das Ziel der Sicherung und
Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten (auch) über die
betriebliche Implementierung von Strukturen und Verfahrensweisen erreicht werden soll. In einem
kontinuierlichen Prozess sollen mögliche Gefährdungen erkannt, notwendige Maßnahmen zu
deren Beseitigung ermittelt und deren Wirkung überprüft werden (vgl. beispielhaft das System der
Gefährdungsbeurteilung nach §§ 5 ff. ArbSchG). Geeigneten betrieblichen Strukturen mit einer
entsprechend unabhängigen Stellung der beteiligten Fachkräfte für Arbeitssicherheit kommt in
einem solchen Prozess besondere Bedeutung zu.
31 Der direkte Zugang zum Betriebsleiter erleichtert die Kommunikation mit demjenigen, der
arbeitsschutzrechtlich gebotene Weisungen schnellstmöglich selbst bewirken und durchsetzen
kann. Darüber hinaus wird durch die Herausnahme aus der Linienorganisation der Gefahr
vorgebeugt, dass Vorgesetzte unterer Führungsebenen Informationen nur „gefiltert“ weitergeben
oder durch Anweisungen die Unabhängigkeit der Fachkräfte für Arbeitssicherheit einschränken.
§ 8 Abs. 2 ASiG vermeidet von vornherein solche denkbaren Konfliktlagen (Kohte/Faber jurisPR-
ArbR 24/2003 Anm. 5 C).
32 Eine Einordnung in eine niedrigere Hierarchieebene widerspricht daher § 8 Abs. 2 ASiG. Als
unbedenklich wird hingegen allgemein die unmittelbare Unterstellung im Rahmen einer Stabsstelle
auf einer höheren Hierarchieebene, regelmäßig also bei der Unternehmens- oder Konzernspitze,
angesehen (vgl. schon die Gesetzesbegründung: „mindestens unmittelbar der Leitung des
Betriebes zu unterstellen“ BT-Drucks. 7/1085 S. 6; Hk-ASiG/Aufhauser § 8 Rn. 4 f.;
Kliesch/Nöthlichs/Wagner § 8 Anm. 5.3; Nöthlichs/Wilrich/Weber § 8 Anm. 6.2; Spinnarke/Schork
§ 8 ASiG Rn. 43). Mit einer solchen Einordnung wird gleichermaßen der Bedeutung der (leitenden)
Fachkraft für Arbeitssicherheit Rechnung getragen und sichergestellt, dass diese ihre Funktion
unabhängig ausüben kann.
33 bb) Verbunden mit der Zuweisung der Stabsstelle ist bei angestellten Fachkräften für
Arbeitssicherheit die Unterstellung unter den Leiter des Betriebs in disziplinarischer Hinsicht. Eine
Aufspaltung des Unterstellungsverhältnisses sieht die gesetzliche Regelung nicht vor (ArbG
Osnabrück 15. Juni 1993 - 3 Ca 36/93 E - AuR 1996, 29; Anzinger/Bieneck § 8 Rn. 34; aA ArbG
Kiel 1. Juli 1999 - ö. D. 1 Ca 2633c/98 - zu I 3 a der Gründe, NZA-RR 1999, 670; wohl auch
Spinnarke/Schork § 8 ASiG Rn. 42). Damit wird sichergestellt, dass nicht über den Umweg
disziplinarischer Anweisungen die Unabhängigkeit der Fachkräfte für Arbeitssicherheit
eingeschränkt wird. Dies schließt nicht aus, dass die personalwirtschaftliche Durchführung des
Arbeitsverhältnisses (wie zB die Bearbeitung von Urlaubsanträgen oder dergleichen) anderen
Stellen übertragen wird, solange damit keine Einbindung in eine andere Organisation verbunden ist
(vgl. LAG Köln 3. April 2003 - 10 (1) Sa 1231/02 - ZTR 2003, 520; VG Münster 16. Januar 2002 -
9 K 2097/99 -; Nöthlichs/Wilrich/Weber § 8 Anm. 6.2). Entscheidend ist, dass der
Disziplinarvorgesetzte der Leiter des Betriebs ist.
34 Lediglich in den Fällen, in denen eine Fachkraft für Arbeitssicherheit daneben andere Tätigkeiten
ausübt, ist es zulässig, sie in Bezug auf diese weitere Funktion in die Linienorganisation
einzuordnen und einem anderen Vorgesetzten zu unterstellen.
35 c) Leiter des Betriebs iSd. § 8 Abs. 2 ASiG ist diejenige Person, die innerhalb des Unternehmens
unmittelbar für die Führung des Betriebs verantwortlich ist, für den die (leitende) Fachkraft für
Arbeitssicherheit kraft ihrer Bestellung zuständig ist. Dies muss - wie aus § 8 Abs. 3 ASiG
ersichtlich ist - nicht zwingend der Arbeitgeber selbst sein.
36 Ist eine Fachkraft für Arbeitssicherheit für mehrere eigenständige Betriebe iSd. ASiG zuständig, so
ist sie mehreren Betriebsleitern unmittelbar zu unterstellen, soweit sie nicht einer übergeordneten
Führungsebene unterstellt ist (vgl. dazu B II 1 b aa).
37 2. Diese Grundsätze gelten gem. § 16 ASiG auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung. Die
Fachkraft für Arbeitssicherheit oder, wenn für eine Dienststelle oder Behörde mehrere Fachkräfte
für Arbeitssicherheit bestellt sind, die leitende Fachkraft für Arbeitssicherheit ist unmittelbar dem
Leiter der Dienststelle oder Behörde, für die sie bestellt ist, im Rahmen einer Stabsstelle zu
unterstellen. Dieser übt die Dienstaufsicht aus.
38 a) Das ASiG gilt nicht unmittelbar für die öffentliche Verwaltung. § 16 ASiG begründet aber die
Verpflichtung, in Verwaltungen und Betrieben des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der
sonstigen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts einen den
Grundsätzen dieses Gesetzes gleichwertigen arbeitsmedizinischen und sicherheitstechnischen
Arbeitsschutz zu gewährleisten.
39 Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist erwogen worden, die öffentlichen Verwaltungen und
Betriebe unmittelbar den für private Arbeitgeber geltenden Vorschriften des Gesetzes zu
unterstellen. Im Hinblick auf die eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz des Bundes
hinsichtlich der Landesbeamten wurde dies jedoch verworfen (BT-Drucks. 7/1085 S. 8 f. Begr. zu
§ 16). Stattdessen sollten die öffentlichen Arbeitgeber durch die Gleichwertigkeitsklausel des § 16
ASiG verpflichtet werden, innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs jeweils einheitliche Regelungen
unter Einbeziehung der Beamten zu schaffen. Dabei sollten den öffentlichen Arbeitgebern
ausdrücklich „die gleichen Verpflichtungen wie den privaten Arbeitgebern auferlegt werden“ (BT-
Drucks. 7/260 S. 16 Begr. zu § 16; näher zum Gesetzgebungsverfahren
Kliesch/Nöthlichs/Wagner § 16 Anm. 3).
40 Mit der Gleichwertigkeitsklausel des § 16 ASiG hat der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung
getragen, dass Beschäftigte im öffentlichen Dienst gleichermaßen vor gesundheitlichen
Gefährdungen im Arbeitsverhältnis zu schützen sind wie Beschäftigte in der Privatwirtschaft.
Bezogen auf den Standard des Arbeitsschutzes wirkt sich die unterschiedliche Trägerschaft der
Betriebsstätte nicht aus (Graßl/Zakrzewski Arbeitssicherheit und Unfallverhütung im öffentlichen
Dienst 3. Aufl. S. 77 f.; Kliesch/Nöthlichs/Wagner § 16 Anm. 4).
41 Gleichwertig bedeutet dabei nach seinem Wortsinn nicht identisch oder gleichartig, sondern „im
Wert übereinstimmend, ebenso viel wert“ (Wahrig Deutsches Wörterbuch 7. Aufl.), „auf der
gleichen Stufe stehend, ebenbürtig, entsprechend“ (Duden Das Synonymwörterbuch 4. Aufl.). § 16
ASiG verlangt damit keine in jeder Beziehung gleichartige Ausgestaltung des Arbeitsschutzes im
öffentlichen Dienst. Er beschränkt sich aber auch nicht auf die Gewährleistung eines bestimmten
Schutzzieles oder Ergebnisses (so aber in einem obiter dictum BVerwG 25. Januar 1995 - 6 P
19.93 - zu II 3 der Gründe, BVerwGE 97, 316; unklar Anzinger/Bieneck § 16 Rn. 20 und 21),
sondern verlangt ausdrücklich eine Gewährleistung nach „den Grundsätzen dieses Gesetzes“.
42 Bei der Bewertung, was als gleichwertiger Arbeitsschutz anzusehen ist, ist daher stets zu
beachten, dass hinsichtlich des Inhalts der Verpflichtungen der öffentlichen Arbeitgeber kein
geringerer Schutzstandard als in der Privatwirtschaft geschaffen werden sollte. Deshalb
verpflichtet § 16 ASiG die öffentliche Verwaltung, eine Regelung zu treffen, die den in §§ 1 bis 11,
18, 19 ASiG enthaltenen Grundsätzen entspricht (Anzinger/Bieneck § 16 Rn. 21; Hk-
ASiG/Aufhauser § 16 Rn. 10; Kliesch/Nöthlichs/Wagner § 16 Anm. 4; Nöthlichs/Wilrich/Weber § 16
Anm. 1; Pieper Arbeitsschutzrecht 4. Aufl. ASiG Rn. 19). Dies schließt nicht aus, in Einzelheiten
Anpassungen an die besonderen Strukturen des öffentlichen Dienstes vorzunehmen, solange die
prägenden Grundsätze des ASiG gewahrt werden. Soweit die Unfallversicherungsträger - wie
vorliegend die Unfallkasse Brandenburg - im Rahmen des § 15 SGB VII
Unfallverhütungsvorschriften erlassen haben, durch die Pflichten der hieran gebundenen Mitglieder
konkretisiert werden, sind diese zu beachten.
43 In welcher Form der öffentliche Arbeitgeber die gem. § 16 ASiG erforderlichen Regelungen trifft
(Gesetz, Verordnung, Satzung, Verwaltungsanweisung, Erlass), ist hingegen nicht vorgeschrieben
(Nöthlichs/Wilrich/Weber § 16 Anm. 1; vgl. beispielhaft: „Richtlinie zur Durchführung des Gesetzes
über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit in den
Behörden der Landesverwaltung Sachsen-Anhalt“, Gem. RdErl. v. 2. Juni 1997, MBl. LSA 1997
S. 1197).
44 b) Die durch § 8 Abs. 2 ASiG bestimmte Stellung der Fachkraft für Arbeitssicherheit im Betrieb
bzw. in der Dienststelle gehört zu den Grundsätzen des Gesetzes, die auch im Bereich der
öffentlichen Verwaltung zu gewährleisten sind (ebenso ArbG Osnabrück 15. Juni 1993 - 3 Ca
36/93 E - AuR 1996, 29; aA ArbG Kiel 1. Juli 1999 - ö. D. 1 Ca 2633c/98 - zu I 3 a der Gründe,
NZA-RR 1999, 670).
45 Wie bereits unter B II 1 b dargestellt, kommt der betrieblichen Stellung der Fachkräfte für
Arbeitssicherheit strukturprägender Charakter zu. Insoweit unterscheidet sich der öffentliche
Arbeitgeber nicht von dem der Privatwirtschaft. Mit der Herausnahme der Fachkräfte für
Arbeitssicherheit aus der betrieblichen Hierarchie und der Betonung ihrer Eigenständigkeit im
Rahmen der Beratungsfunktion für den Arbeitgeber auf der Führungsebene sollen alle Hindernisse,
die sich im alltäglichen Arbeitsprozess durch die Einbindung in Hierarchien ergeben können, für
den Bereich des Arbeitsschutzes beseitigt werden. Solche Hierarchien existieren - worauf das
Arbeitsgericht zu Recht hingewiesen hat - im Bereich der öffentlichen Verwaltung strukturbedingt
in besonderer Ausprägung. Deshalb kann auch der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht
gefolgt werden, dass es wegen der unmittelbaren Bindung der öffentlichen Verwaltung an Recht
und Gesetz einer weniger formalisierten Stellung der Fachkraft für Arbeitssicherheit bedürfe. Der
Dienststellen- oder Behördenleiter im öffentlichen Dienst benötigt gleichermaßen eine geeignete
Arbeitsschutzorganisation (vgl. dazu Kliesch/Nöthlichs/Wagner § 16 Anm. 4) und eine
entsprechende Beratung durch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit, um den
arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen des § 16 ASiG gerecht zu werden.
46 Dementsprechend gehen auch die Träger der Gesetzlichen Unfallversicherung (vorliegend
Unfallkasse Brandenburg) in den Durchführungsanweisungen zu § 1 der UVV „Betriebsärzte,
Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (GUV-V A 6/7) davon aus,
dass ein gleichwertiger arbeitsmedizinischer und sicherheitstechnischer Arbeitsschutz dann
gewährleistet ist, wenn der Unternehmer nach Maßgabe „der §§ 1 bis 11 des
Arbeitssicherheitsgesetzes“ Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit bestellt. Diese
Durchführungsanweisungen sind zwar rechtlich für die Mitglieder der jeweiligen
Unfallversicherungsträger nicht verbindlich (Schmitt § 15 Rn. 6). Sie beschreiben aber ebenso wie
die sie zukünftig ersetzenden sog. BG-Regeln den Stand der Technik und des Arbeitsschutzes
(Bereither-Hahn/Mehrtens Gesetzliche Unfallversicherung SGB VII Stand November 2009 § 15
Anm. 5.6, 5.7; offengelassen von LSG Rheinland-Pfalz 20. Januar 1993 - L 3 U 168/91 - zu II der
Gründe).
47 c) Im Bereich der öffentlichen Verwaltung ist als Betrieb iSd. § 8 Abs. 2 ASiG die Dienststelle oder
Behörde anzusehen, für die die Fachkraft für Arbeitssicherheit bestellt ist (Hk-ASiG/Aufhauser § 8
Rn. 6). Leiter der Dienststelle oder Behörde ist dabei derjenige, der entweder nach den
einschlägigen gesetzlichen Regelungen (zB der Gemeindeordnungen) diese Funktion innehat oder
dem aufgrund entsprechender Richtlinien diese Funktion übertragen wurde (vgl. zB § 12 der
Richtlinie für den betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Dienst in den Verwaltungen und
Betrieben des Landes Nordrhein-Westfalen vom 23. November 1997, RdErl. d. Min. für Arbeit,
Gesundheit und Soziales vom 23. November 1979 zur „Durchführung des
Arbeitssicherheitsgesetzes in den Verwaltungen und Betrieben des Landes Nordrhein-Westfalen“,
MBl. NW Nr. 106 vom 14. Dezember 1979 S. 2458; Anzinger/Bieneck § 8 Rn. 42;
Spinnarke/Schork § 16 ASiG Rn. 2).
48 3. Als Arbeitnehmer beschäftigte Fachkräfte für Arbeitssicherheit haben aus ihrem Arbeitsvertrag
iVm. § 5 Abs. 1 ASiG gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Anspruch auf Einhaltung der
Verpflichtungen aus dem ASiG, soweit diese ihre Stellung in der Unternehmenshierarchie und ihre
Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit nach dem ASiG betreffen.
49 a) Bei den Vorschriften des ASiG handelt es sich um öffentlich-rechtliche
Arbeitsschutzvorschriften, die sich zunächst an den Arbeitgeber richten. Vor diesem Hintergrund
ist umstritten, ob und inwieweit hieraus für die Fachkräfte für Arbeitssicherheit unmittelbar Rechte
und Pflichten gegenüber dem Arbeitgeber erwachsen und worauf diese ggf. beruhen (vgl. zum
Meinungsstand Rehbinder ZGR 1989, 305, 319 ff.).
50 b) Mit der Bestellung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit gem. § 5 Abs. 1 ASiG bestimmen sich die
Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis auch nach den Regelungen des ASiG, soweit
diese unmittelbar die Stellung und Tätigkeit der Fachkraft für Arbeitssicherheit betreffen.
51 Grundsätzlich ist zwischen der Bestellung zur Fachkraft für Arbeitssicherheit gem. § 5 Abs. 1
ASiG und dem bestehenden Grundverhältnis (hier: Arbeitsvertrag) zu unterscheiden (zum
Datenschutzbeauftragten: BAG 22. März 1994 - 1 ABR 51/93 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 76,
184; zum Gegenakt der Abberufung eines Betriebsarzts: 24. März 1988 - 2 AZR 369/87 - zu C I 2
der Gründe, BAGE 58, 69). Eine Bestellung nach § 5 Abs. 1 ASiG kann dabei nicht gegen den
Willen der Fachkraft für Arbeitssicherheit erfolgen, sondern bedarf derer Zustimmung (zum
Abfallbeauftragten: BAG 26. März 2009 - 2 AZR 633/07 - Rn. 20, AP BImSchG § 58 Nr. 2 = EzA
BImSchG § 58 Nr. 2). Diese Zustimmung kann sich bereits aus dem Inhalt des Arbeitsvertrags
ergeben, insbesondere wenn die Ausübung dieser Funktion ausdrücklich als Vertragsinhalt
benannt ist. Trifft der Arbeitsvertrag hierzu keine Regelung, wird sein Inhalt durch Zustimmung zur
Bestellung nach § 5 Abs. 1 ASiG dementsprechend geändert. Die Tätigkeit als Fachkraft für
Arbeitssicherheit tritt - abhängig vom Tätigkeitsumfang - entweder dem bisherigen Inhalt des
Arbeitsvertrags hinzu oder stellt nunmehr dessen alleinigen Inhalt dar (zum
Datenschutzbeauftragten: Senat 13. März 2007 - 9 AZR 612/05 - Rn. 21 f., BAGE 121, 369).
Dementsprechend bestimmen die Regelungen des ASiG nach der Bestellung unmittelbar die
Rechte und Pflichten des arbeitsvertraglichen Grundverhältnisses für Arbeitgeber und
Arbeitnehmer, soweit sie die Ausübung der Tätigkeit als Fachkraft für Arbeitssicherheit betreffen
(Rehbinder ZGR 1989, 305, 321). In diesem Rahmen hat die Fachkraft für Arbeitssicherheit eigene
vertragliche Rechte gegenüber dem Arbeitgeber, die sie unabhängig von eventuellen
aufsichtsbehördlichen Maßnahmen durchsetzen kann (ebenso für alle „Betriebsbeauftragen“:
Weber Der Betriebsbeauftragte S. 243 ff.). Dies gilt auch für die Stellung im Betrieb gem. § 8
Abs. 2 ASiG, da durch diese Norm unmittelbar Status und Tätigkeit der Fachkraft für
Arbeitssicherheit im Betrieb festgelegt werden (Kohte/Faber jurisPR-ArbR 24/2003 Anm. 5 C).
52 4. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Klägerin einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf
die direkte - auch dienstaufsichtliche - Unterstellung in Form einer Stabsstelle beim
Oberbürgermeister der beklagten Landeshauptstadt.
53 a) Gem. § 16 ASiG gehören zur öffentlichen Verwaltung ua. die Gemeinden. Um eine solche
handelt es sich bei der Beklagten. Die Klägerin ist bei ihr als Fachkraft für Arbeitssicherheit gem.
§ 16, § 5 Abs. 1 ASiG bestellt und übt diese Funktion für die Stadtverwaltung aus. Diese ist -
wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen - als Dienststelle iSv. § 16 ASiG
anzusehen.
54 b) Leiter der Dienststelle iSd. § 16, § 8 Abs. 2 ASiG ist nach den kommunalrechtlichen
Vorschriften der Oberbürgermeister.
55 Gem. § 61 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg (GO idF der Bekanntmachung vom
10. Oktober 2001, GVBl. I S. 154, zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 28. Juni 2006,
GVBl. I S. 74, 86) ist in amtsfreien Gemeinden der Bürgermeister hauptamtlicher Beamter auf Zeit
und Leiter der Gemeindeverwaltung. In kreisfreien Städten führt er die Bezeichnung
Oberbürgermeister (§ 61 Abs. 2 GO). Er vertritt gem. § 67 Abs. 1 GO die Gemeinde in Rechts-
und Verwaltungsgeschäften und regelt als Leiter der Gemeindeverwaltung deren Organisation und
die Geschäftsverteilung (§ 72 Abs. 1 GO). Vertreten wird er durch die Beigeordneten in ihrem
Geschäftskreis; sein allgemeiner Stellvertreter ist der Erste Beigeordnete (§ 66 Abs. 1 GO). Die
Funktion der Beigeordneten besteht in der Leitung eines Dezernats oder eines Amts in der
Gemeindeverwaltung (§ 70 Abs. 1 Satz 2 GO).
56 Dem entspricht die personalvertretungsrechtliche Situation . Bei amtsfreien Gemeinden ist der
Bürgermeister als Leiter der Gemeindeverwaltung Leiter der Dienststelle iSv. § 7 Abs. 1 Satz 1
PersVG Brandenburg (Klapproth/ Eylert/Förster/Keilhold/Ladner Das Personalvertretungsrecht in
Brandenburg Stand April 2009 § 7 PersVG Rn. 25 mwN).
57 Die Klägerin ist dem Oberbürgermeister nach den obigen Grundsätzen im Rahmen einer
Stabsstelle unmittelbar zu unterstellen. Diesem obliegt dabei die Dienstaufsicht über die Tätigkeit
der Klägerin. Eine Zuordnung zum Geschäftsbereich des Ersten Beigeordneten, noch dazu auf
untergeordneter Ebene, genügt den sich aus § 16, § 8 Abs. 2 ASiG ergebenden Anforderungen
nicht.
58 c) Die Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung durch Art. 28 Abs. 2 GG steht dem
nicht entgegen.
59 Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sichert den Gemeinden einen grundsätzlich alle Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft umfassenden Aufgabenbereich sowie die Befugnis zu
eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte in diesem Bereich zu. Zu der Befugnis
eigenverantwortlicher Führung der Geschäfte gehören auch die Organisations- und
Personalhoheit. Die Gewährleistung eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung besteht indes
„im Rahmen der Gesetze“. Dementsprechend sind auch die den Gemeinden zur Hand stehenden
Organisationsbefugnisse durch die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden. Diesem sind aber in
doppelter Hinsicht Grenzen gesetzt: Zunächst setzt der Kernbereich der
Selbstverwaltungsgarantie dem Gesetzgeber eine Grenze. Hiernach darf der Wesensgehalt der
gemeindlichen Selbstverwaltung nicht ausgehöhlt werden. Auch im Vorfeld der Sicherung des
Kernbereichs entfaltet die Gewährleistung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG aus ihrer normativen
Intention, den Gemeinden die Möglichkeit eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung zu
garantieren, Rechtswirkungen (BVerfG 26. Oktober 1994 - 2 BvR 445/91 - zu C I 2 und III 2 der
Gründe, BVerfGE 91, 228).
60 Es kann hier dahinstehen, ob mit der Bestimmung der betrieblichen Stellung der - nicht
weisungsbefugten - Fachkraft für Arbeitssicherheit überhaupt ein Eingriff in die gemeindliche
Selbstverwaltung gegeben ist oder ob es sich nicht lediglich um deren Ausgestaltung durch
allgemeine arbeitsrechtliche Vorschriften handelt. Selbst wenn man einen Eingriff bejahen wollte,
so wäre der Kernbereich der gemeindlichen Selbstverwaltung nicht berührt, sondern allenfalls
deren Randbereich. Ein derartiger Eingriff wäre jedenfalls durch den mit dem Arbeitsschutz und
der Unfallverhütung nach dem ASiG angestrebten Schutz des Lebens und der Gesundheit der
Beschäftigten der Gemeinde gerechtfertigt.
61 C. Die Beklagte hat nach § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Düwell
Gallner
W. Reinfelder
Faltyn
Starke