Urteil des BAG vom 19.11.2008

Prozessentscheidung nach unzulässiger Anschlussbeschwerde

BUNDESARBEITSGERICHT Beschluss vom 14.9.2010, 1 ABR 26/09
Prozessentscheidung nach unzulässiger Anschlussbeschwerde
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des
Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 19. November 2008 - 21 TaBV
1084/08 - aufgehoben, soweit das Landesarbeitsgericht dem Antrag zu 3.
stattgegeben hat.
Die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats wird als unzulässig verworfen.
Gründe
1 A. Die Beteiligten streiten über das Beteiligungsrecht des Betriebsrats bei der Versetzung von
pädagogischen Mitarbeitern.
2 Nach einem rechtskräftigen Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 2. August 2005 (- 36 BV
11795/05 -) ist die Arbeitgeberin ein Tendenzunternehmen iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG,
welches unmittelbar und überwiegend karitativen und erzieherischen Zwecken dient. Die
Arbeitgeberin verfolgt mit ihren Einrichtungen und Diensten das Ziel, Menschen mit Behinderungen
in die Gesellschaft einzugliedern. Dazu betreibt sie ua. mehrere Tagesförderstätten. In diesen soll
den dort betreuten behinderten Menschen durch Arbeit und begleitende Maßnahmen eine
angemessene Betätigungsmöglichkeit geboten werden.
3 Die Arbeitgeberin versetzte die Erzieherin M B für die Zeit vom 1. Oktober 2007 bis zum
19. Oktober 2008 in die Tagesförderstätte K in Berlin. Über diese Maßnahme unterrichtete sie den
Betriebsrat mit Schreiben vom 17. September 2007. Von einem Antrag auf Zustimmung sah die
Arbeitgeberin ab, da nach ihrer Auffassung das Beteiligungsrecht des Betriebsrats wegen des
Tendenzbezugs der beabsichtigten Maßnahme eingeschränkt sei.
4 Der Betriebsrat hat daraufhin das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet und beantragt,
1. festzustellen, dass ihm bei der Versetzung der Arbeitnehmerin Frau M B in die TFS K
zum 1. Oktober 2007 als sonstige Angestellte in der Tätigkeit einer Erzieherin ein
Mitbestimmungsrecht nach §§ 99, 100 und 101 BetrVG zusteht,
hilfsweise,
2. festzustellen, dass die Arbeitgeberin bei der Verlängerung der befristeten Versetzung
der Arbeitnehmerin Frau M B in die TFS K zum 1. Oktober 2007 das
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. §§ 99, 100 und 101 BetrVG verletzt hat,
hilfsweise dazu,
3. der Arbeitgeberin aufzugeben, die befristete Versetzung der Arbeitnehmerin Frau M B
in die TFS K zum 1. Oktober 2007 aufzuheben.
5 Die Arbeitgeberin hat die Abweisung der Anträge beantragt.
6 Das Arbeitsgericht hat dem Hauptantrag des Betriebsrats entsprochen. Dagegen hat die
Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt. Der Betriebsrat hat im Beschwerdeverfahren seine Anträge
mit Schriftsatz vom 29. September 2008 erweitert und die Feststellung beantragt, dass ihm bei der
Versetzung von Arbeitnehmern/innen, welche als sonstige Angestellte in der Tätigkeit einer
Erzieherin tätig sind, bei der Versetzung von einer Tagesförderstätte in eine andere
Tagesförderstätte das Mitbestimmungsrecht nach §§ 99, 100 und 101 BetrVG zusteht. Diesen
Antrag hat der Betriebsrat in der Anhörung vor dem Beschwerdegericht als Hilfsantrag zu 3. und
den bisher höchst hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag als Hilfsantrag zu 4. gestellt. Das
Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde der Arbeitgeberin die zu 1. und 2. gestellten Anträge
als unzulässig abgewiesen und dem Feststellungsantrag entsprochen. Dagegen richtet sich die
Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin, mit der sie ihr ursprüngliches Begehren weiterverfolgt. In
der Anhörung vor dem Senat hat der Betriebsrat den hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag
zurückgenommen.
7 B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Die Anschlussbeschwerde, mit der der
Betriebsrat den in der Rechtsbeschwerdeinstanz allein noch anhängigen Feststellungsantrag
erhoben hat, ist unzulässig. Diese war nicht ordnungsgemäß begründet.
8 1. Nach § 524 Abs. 3 Satz 1 ZPO muss die Anschlussberufung in der Anschlussschrift begründet
werden. Diese Vorschrift gilt über die Verweisung in § 87 Abs. 2 Satz 1, § 64 Abs. 6 ArbGG auch
für die Anschlussbeschwerde im Beschlussverfahren.
9 2. Das Beschwerdegericht hat zutreffend erkannt, dass der Betriebsrat den mit Schriftsatz vom
29. September 2008 erhobenen Feststellungsantrag nur im Wege der Anschlussbeschwerde in
das Verfahren einführen konnte. Der Betriebsrat war insoweit durch die Entscheidung des
Arbeitsgerichts nicht beschwert. Der Feststellungsantrag betraf auch einen anderen
Streitgegenstand als die bisher erhobenen Anträge. Mit diesen hatte der Betriebsrat die
Feststellung seines Mitbestimmungsrechts und dessen Verletzung bei der Versetzung der
Arbeitnehmerin B in die Tagesförderstätte K sowie die Aufhebung dieser personellen
Einzelmaßnahme beantragt. Mit seinem erstmals im Beschwerdeverfahren erhobenen Antrag
begehrte der Betriebsrat die Feststellung des Mitbestimmungsrechts bei Versetzungen sämtlicher
von der Stellenbeschreibung betroffenen pädagogischen Mitarbeiter in andere Tagesförderstätten
der Arbeitgeberin. Die in dieser Antragserweiterung liegende Antragsänderung iSd. § 81 Abs. 3
Satz 1 ArbGG konnte der in erster Instanz voll obsiegende Betriebsrat nur im Wege der
Anschlussbeschwerde verfolgen.
10 3. Der Betriebsrat musste die Anschlussbeschwerde nach § 524 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 1
ZPO daher sogleich begründen. An einer solchen Begründung fehlt es jedoch. Es kann
dahinstehen, ob der Betriebsrat zur Begründung der Anschlussbeschwerde auf sein vorheriges
Vorbringen in der Beschwerdeerwiderung Bezug nehmen konnte. Der Schriftsatz vom
29. September 2008 enthält eine solche Bezugnahme nicht.
Schmidt
Linck
Koch
Wisskirchen
Platow