Urteil des BAG vom 18.11.2008

BAG: geldwerter vorteil, treu und glauben, rückzahlung, allgemeine geschäftsbedingungen, berufliche tätigkeit, befristeter vertrag, fachhochschule, berufsausbildung, kündigung, ausbildungskosten

Siehe auch:
BUNDESARBEITSGERICHT Urteil vom 18.11.2008, 3 AZR 312/07
Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 18.11.2008, 3 AZR 192/07.
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts
Sachsen-Anhalt vom 8. Februar 2007 - 9 Sa 376/06 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
1 Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, Studiengebühren, die die Klägerin für sie
übernommen hat, zu erstatten.
2 Zwischen den Parteien wurde am 24. April 2001 eine Vereinbarung abgeschlossen, die ua. wie folgt
lautet:
Praxisphasen-Vertrag
zur Durchführung der betrieblichen Praxisphasen des Dualen Studiums zum
Diplom-Betriebswirt (FH)
an der Fachhochschule der Wirtschaft - FHDW - in P wird
...
nachfolgender befristeter Vertrag geschlossen. Ein Arbeitsverhältnis wird durch diesen
Vertrag nicht begründet.
1. Zeit
In der Zeit vom 01.07.2001 bis 30.06.2004 absolviert Frau S bei A Praxisphasen von
insgesamt ca. 90 Wochen. Die Praxisphasen werden in Abstimmung mit der
Fachhochschule der Wirtschaft P von A betreut. Beginn, Ende und Ort der einzelnen
Praxisphasen liegen wie folgt:
Beginn
Ende
Ort
Praxissemester-Verantwortlicher
Oktober
2001
Dezember 2001
A Büro, B, M
Hr. B
April 2002
Juni 2002
A Büro, B, M
Hr. B
Oktober
2002
Dezember 2002
A Büro, B, M
Hr. B
April 2003
Juni 2003
A Büro, B, M
Hr. B
Oktober
Dezember 2003
A Büro, B, M
Hr. B
2003
April 2004
Juni 2004
A Büro, B, M
Hr. B
A behält sich darüber hinaus eine Versetzung an weitere geeignete Orte/Praxisstätten vor,
soweit diese mit der Erreichung des Studienzieles vereinbar ist.
2. Pflichten des Studenten
(1) Frau S verpflichtet sich, die im Rahmen der Praxisphase übertragenen Aufgaben
sorgfältig auszuführen und die für A geltenden Ordnungen, insbesondere
Arbeitsordnungen und Unfallverhütungsvorschriften zu beachten und den Weisungen
des jeweiligen Praxissemester-Verantwortlichen Folge zu leisten.
(2) Frau S verpflichtet sich, das Wahlpflichtfach nach den Vorgaben von A zu belegen.
...
3. Kündigung/Beendigung des Vertrages
(1) Der Vertrag kann beiderseits vorzeitig im Rahmen der gesetzlichen Kündigungsfristen
gekündigt werden. Die Kündigung geschieht durch einseitige schriftliche Erklärung
gegenüber dem anderen Vertragspartner, im Falle der Kündigung durch A möglichst
nach vorheriger Information an die Fachhochschule der Wirtschaft P.
(2) Bei Nichtbestehen des Vordiploms und/oder der Abschlußprüfungen ist dieser Vertrag
automatisch beendet. Die Vertragsparteien werden sich dann aber ggf. über eine
Weiterführung/Verlängerung des Vertrages abstimmen.
4. Wöchentliche Arbeitszeit und Urlaub
(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit während der Praxisphasen beträgt
40,0 Stunden/Woche und richtet sich im einzelnen nach den Anweisungen der
jeweiligen Praxissemester-Verantwortlichen.
(2) Frau S hat während der Praxisphasen einen Urlaubsanspruch von
15 Arbeitstagen/Werktagen pro Kalenderjahr. Beginnt und/oder endet dieser Vertrag im
Laufe des Kalenderjahres, so wird der Urlaub zeitanteilig gewährt. Der Urlaub kann nur
in den Praxisphasen genommen werden und nur mit Genehmigung der jeweiligen
Praxissemester-Verantwortlichen. Während der Studienabschnitte an der
Fachhochschule der Wirtschaft P kann grundsätzlich kein Urlaub genommen werden.
Während des Urlaubs darf Frau S keine dem Urlaubszweck widersprechende
Erwerbstätigkeit ausüben.
6. Vergütung
Bis zum erfolgreichen Abschluß des Studiums wird vom Unternehmen eine Vergütung in
Höhe von monatlich brutto 600,00 DM gezahlt. Diese Vergütung ist steuer- und
sozialversicherungspflichtig.
7. Darlehen und Rückzahlung
(1) A gewährt zusätzlich zur Vergütung ein Stipendium in Form eines Darlehens in Höhe
von monatlich 1.100,00 DM brutto, maximal jedoch DM 39.600,00 brutto während der
gesamten Vertragslaufzeit. Dieses Stipendium wird zur Zahlung der monatlichen
Studiengebühren an die Fachhochschule der Wirtschaft P verwendet.
(2) Geht Frau S nach erfolgreichem Abschluß des Studiums ein Vertragsverhältnis mit
einer Konzerngesellschaft der A AG für mindestens 2 Jahre ein, ist das Darlehen von
ihr nicht zurückzuzahlen. Wird das Arbeitsverhältnis vor Ablauf des Zwei-Jahres-
Zeitraumes auf Veranlassung oder durch Verschulden von Frau S beendet, bleibt die
Rückzahlungsverpflichtung für den noch nicht abgegoltenen Teil des Stipendiums
erhalten.
(3) Wird das Vertragsverhältnis vor dem Ende des Studiums von Frau S beendet, ist sie
verpflichtet, das bisher gezahlte Stipendium in Form eines Darlehens in monatlichen
Raten innerhalb von 5 Jahren zurückzuzahlen.
(4) Kommt es nach Ablauf des Studiums auf Wunsch von A nicht zu einem
Arbeitsverhältnis, oder endet dieser Vertrag vor Ende des Studiums durch Kündigung
von A, besteht ebenfalls Rückzahlungspflicht für das gewährte Stipendium.
(5) Das Darlehen stellt für den Studenten einen geldwerten Vorteil dar. Dieser geldwerte
Vorteil wird ab Erreichen der DM 5.000,00 monatlich im Rahmen der
Gehaltsabrechnung versteuert.
8. Mietzuschuß/Doppelte Haushaltsführung
(1) A gewährt Frau S einen Mietzuschuß für die jeweils dreimonatigen Studienphasen im
Wohnheim P. Dieser Mietzuschuß beträgt DM 500,00 brutto monatlich und wird von A
direkt an das Wohnheim P gezahlt. Im Rahmen einer zweijährigen Doppelten
Haushaltsführung ist dieser Mietzuschuß für Frau S steuer- und
sozialversicherungsfrei. Darüber hinaus erfolgt die Zahlung des Mietzuschusses im
Rahmen der steuerlichen Möglichkeiten und wird ggf. als geldwerter Vorteil im Rahmen
der monatlichen Gehaltsabrechnung versteuert.
(2) A gewährt Frau S darüber hinaus auch einen Mietzuschuß für die jeweils
dreimonatigen Praxisphasen. Dieser Mietzuschuß beträgt DM 500,00 brutto monatlich
und wird im Rahmen der monatlichen Gehaltsabrechnung als geldwerter Vorteil
versteuert und gezahlt.
9. Zeugnis
A stellt Frau S für die Praxisphase ein Zeugnis aus. Es muß Angaben enthalten über Art,
Dauer und Ziel der Tätigkeit sowie über die erworbenen Qualifikationen, auf Verlangen von
Frau S auch über Führung, Leistung und besondere fachliche Fähigkeiten.
10. Schlussbestimmungen
Weitergehende Abreden, als in diesem Vertrag schriftlich festgelegt, sind nicht getroffen
worden.
Änderungen und Ergänzungen dieses Vertrages bedürfen der Schriftform.
Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis und/oder seiner Beendigung erlöschen, wenn sie
nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber A schriftlich geltend
gemacht werden.
...“
3 Gleichlautende Verträge schloss die Klägerin auch mit einer Vielzahl anderer Studierender.
4 Das Rechtsverhältnis der Parteien wurde entsprechend dem Praxisphasenvertrag durchgeführt.
Die Klägerin überwies im Zeitraum vom 1. Juli 2001 bis zum 30. Juni 2004 jeweils nach
Rechnungsstellung der Hochschule die Studiengebühren dorthin. Die Beklagte schloss das
Studium an der Fachhochschule für Wirtschaft, einer staatlich anerkannten privaten Hochschule,
mit dem ebenfalls staatlich anerkannten Titel „Dipl.-Betriebswirt (FH)“ ab.
5 Nach Abschluss der Ausbildung kam es auf Wunsch der Klägerin nicht zu einem Arbeitsverhältnis
zwischen den Parteien.
6
6 Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin die Rückzahlung verauslagter Studiengebühren in
einer Gesamthöhe von 20.247,00 Euro. In erster Instanz hat sie 7.423,90 Euro, in zweiter Instanz
10.460,95 Euro als Leistungsantrag geltend gemacht und hinsichtlich der jeweils verbleibenden
Beträge die Feststellung der Leistungspflicht in monatlichen Raten beantragt. Das Arbeitsgericht hat
der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. In der Revisionsinstanz
machte sie den Gesamtbetrag mit zwei Leistungsanträgen geltend. Die Beklagte begehrt die
Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
7 Die Revision hat keinen Erfolg.
8 I. Prozessuale Bedenken stehen einer Entscheidung des Senats nicht entgegen.
9 1. Die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht mehr zu
überprüfen, § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG. Eine Rechtswegrüge wurde nicht erhoben, so dass es bei
dem von der Klägerin beschrittenen Rechtsweg zu verbleiben hat (vgl. BAG 23. Januar 2007 -
3 AZR 398/05 - zu I 1 der Gründe, BAGE 121, 36) .
10 2. Es ist unschädlich, dass die Klägerin ihre Anträge gegenüber den ursprünglichen, innerhalb der
Revisionsbegründungsfrist gestellten Anträgen umformuliert hat. Das ist zulässig. Die nunmehr
gestellten Anträge sind der Sache nach mit den zuletzt in der Berufungsinstanz von der Klägerin
gestellten Anträgen identisch. Bereits dort hat die Klägerin die Beklagte auf Zahlung zu bestimmten
Zeitpunkten in Anspruch genommen. Dass zwischenzeitlich wegen des Zeitablaufs ein Teil der
von der Klägerin geltend gemachten Forderungen als rückständige Forderung geltend gemacht
wird, ändert daran nichts.
11 3. Auch die - in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfenden (vgl. BAG 23. März 2004 -
3 AZR 35/03 - zu I 1 der Gründe, AP ArbGG 1979 § 64 Nr. 36 = EzA ArbGG 1979 § 64 Nr. 38) -
Prozessfortführungsvoraussetzungen liegen vor. Dass die Klägerin ihre Anträge in der
Berufungsinstanz modifiziert hat, war zulässig. Der Einlegung einer Anschlussberufung bedurfte
es nicht. Das wäre nur erforderlich, wenn das Begehren des in erster Instanz erfolgreichen
Klägers über den Antrag, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen, hinausgeht. Wenn und
soweit kraft gesetzlicher Regelung keine Klageänderung vorliegt, ist dies zumindest dann nicht der
Fall, wenn der in der Berufungsinstanz nunmehr verfolgte Anspruch den im angefochtenen Urteil
zuerkannten Betrag nicht übersteigt (vgl. BGH 12. Januar 2006 - VII ZR 73/04 - zu II 1 a der
Gründe, NJW-RR 2006, 669).
12 So ist es hier. Die Klägerin ist in der Berufungsinstanz - ohne dass sich der klageweise insgesamt
geltend gemachte Betrag erhöht hätte - lediglich hinsichtlich eines Teils der Klageforderung vom
Feststellungsantrag zum Leistungsantrag übergegangen. Sie hat damit ohne Änderung des
Klagegrundes ihren Klageantrag in der Hauptsache erweitert. Das ist nach § 264 Nr. 2 ZPO nicht
als Klageänderung anzusehen (BGH 12. Mai 1992 - VI ZR 118/91 - zu II 2 der Gründe, NJW 1992,
2296) . Damit hat sich die Reichweite der von der Beklagten eingelegten Berufung nicht verändert.
Sie hat sich ohne Weiteres gegen die angepassten Klageanträge gerichtet.
13 II. Die Revision hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht
angenommen, dass der Klägerin kein Anspruch auf Rückzahlung der von ihr verauslagten
Studiengebühren zusteht.
14 1. Aufgrund des Vortrags der Parteien und der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts steht
nicht fest, ob auf das Rechtsverhältnis der Parteien das Berufsbildungsgesetz (BBiG) Anwendung
findet. Darauf kommt es jedoch nicht an, da dieses Gesetz den Forderungen der Klägerin nicht
entgegen stünde und die Anwendung allgemeiner Grundsätze auch nicht ausschlösse, die eine
Heranziehung der Beklagten zu den Studiengebühren verbieten.
15 a) Das BBiG in aktueller Fassung gilt nach seinem § 1 Abs. 1 für die Berufsbildung, definiert als
Berufsausbildungsvorbereitung, die Berufsausbildung, die berufliche Fortbildung und die berufliche
Umschulung; die vorangegangene Fassung gilt nach ihrem § 1 Abs. 1 ebenfalls für die
Berufsausbildung, jedoch definiert nur als Berufsausbildung, berufliche Fortbildung und berufliche
Umschulung. Außerdem gelten die wesentlichen, das Ausbildungsverhältnis betreffenden
Bestimmungen beider Gesetze für Personen, die eingestellt werden, um berufliche Kenntnisse,
Fertigkeiten und Erfahrungen zu erwerben, auch soweit Berufsbildung nicht vorliegt (§ 19 BBiG aF,
§ 26 BBiG nF) . Trotzdem ist zweifelhaft, ob auf das Rechtsverhältnis der Parteien die
vertragsrechtlichen Bestimmungen des BBiG Anwendung finden:
16 Entgegen der Ansicht der Klägerin scheitert die Anwendung des BBiG allerdings nicht daran, dass
die Beklagte ähnlich wie ein Schülerpraktikant (dazu BAG 8. Mai 1990 - 1 ABR 7/89 - zu B II 2 c
und d der Gründe, AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 80 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 88) nicht in den
Betrieb der Klägerin eingegliedert war. Nach § 2 Abs. 1 des Praxisphasenvertrages war die
Beklagte verpflichtet, den Weisungen des für die Praxisphase Verantwortlichen Folge zu leisten.
Sie war also wie ein Arbeitnehmer (dazu § 106 GewO) einem Weisungsrecht unterworfen.
17 Das BBiG ist jedoch dann nicht anwendbar, wenn die praktische Tätigkeit Teil eines Studiums ist.
In diesem Fall treten die für das Studium geltenden Regeln an die Stelle des BBiG (vgl. BAG
19. Juni 1974 - 4 AZR 436/73 - BAGE 26, 198; 3. September 1998 - 8 AZR 14/97 - zu B III der
Gründe, für landesrechtlich geregeltes Studium mit studienintegrierter praktischer Ausbildung;
25. März 1981 - 5 AZR 353/79 - BAGE 35, 173, zur Ausbildung aufgrund einer bundesrechtlich
geregelten Prüfungsordnung) . Das findet zwischenzeitlich in § 3 Abs. 2 Nr. 1 BBiG nF
Niederschlag, wonach das Gesetz nicht für die Berufsbildung gilt, die in berufsqualifizierenden oder
vergleichbaren Studiengängen an Hochschulen auf der Grundlage ua. der Hochschulgesetze der
Länder durchgeführt wird. Dazu gehören auch Studiengänge an staatlich anerkannten privaten
Hochschulen. Auch die Anerkennung staatlicher Hochschulen ist landesrechtlich besonders
geregelt (hier nach § 72 ff. des Nordrhein-Westfälischen Hochschulgesetzes - HG NW).
18 Allerdings ist das BBiG nur dann nicht anwendbar, wenn auch das Praktikum durch staatliche
Entscheidung anerkannt ist. Dass dies der Fall ist, steht im vorliegenden Fall nicht fest. Nach § 73
Abs. 3 HG NW sind die Prüfungsordnungen privater Hochschulen staatlicherseits dahingehend zu
überprüfen, ob die Prüfungsanforderungen an privaten staatlich anerkannten Hochschulen denen
an staatlichen Hochschulen entsprechen. Nur die Prüfungsordnungen unterliegen demnach der
staatlichen Aufsicht. Allein dann, wenn die Praxisphase deshalb in der Prüfungsordnung der
Fachhochschule für Wirtschaft P geregelt ist, folgt daraus, dass das BBiG nicht anzuwenden ist.
Dazu fehlt es an Sachvortrag der Parteien und Feststellungen des Landesarbeitsgerichts.
19 b) Selbst wenn man unterstellt, das BBiG sei auf das Vertragsverhältnis der Parteien anwendbar,
folgte daraus nicht, dass es den Forderungen der Klägerin entgegenstünde.
20 aa) Die dem BBiG zu entnehmenden Verbote der Überwälzung von Ausbildungskosten auf die
Ausgebildeten sind nicht einschlägig.
21 Das BBiG zielt darauf ab, die finanziellen Belastungen, die dem Auszubildenden und seinen Eltern
aus der Berufsausbildung erwachsen, möglichst gering zu halten. Deshalb muss der Ausbildende
ua. gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3 BBiG aF, nunmehr § 14 Abs. 1 Nr. 3 BBiG nF, dem Auszubildenden die
Ausbildungsmittel kostenlos zur Verfügung stellen. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 BBiG aF, nunmehr § 12
Abs. 2 Nr. 1 BBiG nF, ist es auch nicht zulässig, den Auszubildenden zu verpflichten, für die
Berufsausbildung eine Entschädigung zu zahlen. Daraus folgt der allgemeine Grundsatz, dass
dem Auszubildenden keine Kosten auferlegt werden dürfen, die dem Ausbildenden bei der
Ausbildung entstehen.
22 Ausbildungskosten in diesem Sinne sind die betrieblichen Sach- und Personalkosten, auch wenn
die Ausbildungsmaßnahmen und -veranstaltungen außerhalb der Ausbildungsstätte durchgeführt
werden und in den Ausbildungsvorgang einbezogen sind. Demgegenüber hat der Ausbildende
nicht für Kosten einzustehen, die im Zusammenhang mit der schulischen Berufsausbildung
anfallen. Insoweit trifft den Ausbildenden lediglich die Pflicht, den Auszubildenden zum Besuch der
Berufsschule anzuhalten, ihn dafür freizustellen und gegebenenfalls die Berichtshefte
durchzusehen (§ 6 Abs. 1 Nr. 4, § 7 BBiG aF, § 14 Abs. 1 Nr. 4, § 15 BBiG nF). Das Verbot der
Kostenerhebung für die berufliche Bildung erstreckt sich deshalb nicht auf Maßnahmen, die dem
schulischen Bereich der Ausbildung zuzurechnen sind (vgl. zum Ganzen: BAG 26. September
2002 - 6 AZR 486/00 - zu 2 b aa bis cc der Gründe, BAGE 103, 41) . Da das Studium nicht zum
betrieblichen Bereich gehört, ist es dem „schulischen“ Bereich zuzuordnen (BAG 25. April 2001 -
5 AZR 509/99 - zu I 3 der Gründe, BAGE 97, 333) . Daran ist festzuhalten (offen gelassen bei
BAG 5. Dezember 2002 - 6 AZR 537/00 - zu I der Gründe, AP BBiG § 5 Nr. 11) .
23 bb) Ebenso wenig steht das dem BBiG zu entnehmende Verbot, die berufliche Tätigkeit des
Auszubildenden für die Zeit nach der Beendigung des Ausbildungsverhältnisses zu beschränken
(§ 5 Abs. 1 Satz 1 BBiG aF, § 12 Abs. 1 Satz 1 BBiG nF) , der von der Klägerin verwendeten
vertraglichen Regelung bei der hier vorliegenden Fallgestaltung entgegen. Aus diesem Verbot sind
dieselben Einschränkungen herzuleiten, wie sie für Klauseln, die im Zusammenhang mit der
Zahlung von Aus- und Weiterbildungskosten und einer Bindung des Arbeitnehmers an das
Arbeitsverhältnis bestehen, entwickelt wurden (vgl. BAG 25. April 2001 - 5 AZR 509/99 - zu I 2 der
Gründe, BAGE 97, 333) . Um diesen Aspekt geht es jedoch hier nicht: Soweit die Klägerin der
Beklagten kein Arbeitsverhältnis anbot, stand es ihr frei, jede andere Tätigkeit aufzunehmen, ohne
dass sie in irgendeiner Weise gebunden war.
24 c) Umgekehrt steht das BBiG nicht der Anwendung allgemeiner Rechtsgrundsätze, die den
Anspruch der Klägerin ausschließen, entgegen. Denn auch im Berufsbildungsrecht gelten, soweit
das Gesetz keine ausdrücklichen Regelungen vorsieht, die allgemeinen arbeitsrechtlichen (§ 3
Abs. 2 BBiG aF; § 10 Abs. 2 BBiG nF) und sonstigen Rechtsprinzipien. Weitere einschlägige
Regelungen finden sich im BBiG nicht.
25 2. Die Überwälzung der Ausbildungskosten für den - hier vorliegenden - Fall, dass dem
Vertragspartner der Klägerin kein Arbeitsvertrag angeboten wird, verstößt gegen § 307 Abs. 1
BGB, wonach Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, wenn sie
den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben
unangemessen benachteiligen.
26 a) Die streitbefangene Klausel unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB, der im Arbeitsrecht
ebenso wie im allgemeinen Zivilrecht gilt.
27 Die Klägerin hat die streitbefangenen Regelungen wiederholt verwendet, so dass es sich um für
eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um Allgemeine
Geschäftsbedingungen handelt (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).
28 § 307 Abs. 3 BGB steht der Inhaltskontrolle nicht entgegen. Diese beschränkt sich nach der
Vorschrift auf Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von
Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Hier geht
es um die Frage, unter welchen Bedingungen die Vertragspartner der Klägerin als Verwenderin der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Rückzahlung der von dieser aufgewendeten Kosten für
die Studiengebühren verpflichtet sind. Es handelt sich um Regelungen, die die Umstände des von
der Beklagten gemachten Leistungsversprechens - Rückzahlung der verauslagten
Studiengebühren - ausgestalten. Derartige Vereinbarungen unterliegen der Inhaltskontrolle nach
dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. BAG 18. Januar 2006 - 7 AZR 191/05 -
zu B I 5 a der Gründe mwN, AP BGB § 305 Nr. 8 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 13) .
29 b) Die von der Klägerin verwendete vertragliche Vereinbarung, nach der ihre Vertragspartner
verpflichtet sind, die Studiengebühren auch dann zu erstatten, wenn ihnen die Klägerin keinen
Arbeitsvertrag anbietet, ist unangemessen iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
30 aa) Eine formularmäßige Vertragsbestimmung ist danach unangemessen, wenn der Verwender
durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines
Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend
zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zu gewähren. Die Feststellung einer
unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung
anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Dabei sind auch grundrechtlich
geschützte Positionen zu beachten. Es ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster
Maßstab anzulegen. Art, Gegenstand, Zweck und besondere Eigenarten des jeweiligen Geschäfts
sind zu berücksichtigen (vgl. BAG 18. März 2008 - 9 AZR 186/07 - zu A III 2 der Gründe, AP BGB
§ 310 Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36) .
31 bb) Bei der danach erforderlichen Beurteilung ist davon auszugehen, dass die Beklagte von der
Klägerin kein Darlehen im Rechtssinne erhielt. Ein Darlehensvertrag setzt voraus, dass der
Darlehensgeber dem Darlehensnehmer tatsächlich einen Geldbetrag zur Verfügung stellt und
dieser sich zur Rückzahlung verpflichtet (nunmehr § 488 Abs. 1 BGB) . Eine derartige
Verpflichtung haben die Parteien entgegen dem Wortlaut der Vereinbarung nicht gewollt. Vielmehr
wurde vereinbart, unter welchen Voraussetzungen die unmittelbar an die Hochschule geleisteten
Zahlungen für die Studiengebühren von der Beklagten zu erstatten waren (vgl. BAG 18. März 2008
- 9 AZR 186/07 - zu A I der Gründe, AP BGB § 310 Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36) .
32 cc) Die Interessenabwägung führt zu dem Ergebnis, dass die Klägerin in unangemessener Weise
ihren Vertragspartnern eine Pflicht zur Rückzahlung der Studiengebühren auch für den Fall
auferlegt hat, dass sie ihnen keinen Arbeitsvertrag anbot.
33 (1) Allerdings bestehen grundsätzlich keine Bedenken, wenn ein Arbeitgeber die Kosten einer
beruflichen Aus- oder Fortbildung, die die Arbeitsmarktchancen des Arbeitnehmers deutlich
erhöhen, in wirtschaftlich angemessener Weise auf den Arbeitnehmer ohne weitere Bedingungen
abwälzt (vgl. BAG 21. November 2001 - 5 AZR 158/00 - zu I 2 der Gründe, BAGE 100, 13; ähnlich
bereits 24. Juni 1999 - 8 AZR 339/98 - zu II 2 und 3 der Gründe, AP BGB § 611
Ausbildungsverhältnis Nr. 36 = EzA BGB § 326 Nr. 1) . Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn es
sich bei den vom Arbeitgeber vorgeschossenen Aus- oder Fortbildungskosten der Sache nach um
eine Investition im Interesse des arbeitgeberischen Unternehmens handelt, es also letztlich um
einen Teil der Personalpolitik des Unternehmens geht. In diesem Fall bringt der Arbeitgeber die
Kosten auf, um die später vom Arbeitnehmer erworbenen Kenntnisse für seinen Geschäftsbetrieb
nutzbar zu machen (vgl. BAG 24. Juni 2004 - 6 AZR 383/03 - zu B II 2 a der Gründe, BAGE 111,
157; 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 3 e bb der Gründe, BAGE 118, 36; 18. März 2008 -
9 AZR 186/07 - zu A III 4 d der Gründe, AP BGB § 310 Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36) .
34 Liegt ein derartiger Fall vor, ist die Rückzahlungsklausel nur interessengerecht, wenn dem
Arbeitnehmer die Möglichkeit eingeräumt wird, der Rückzahlungspflicht durch Betriebstreue zu
entgehen. Andernfalls würden auf den Arbeitnehmer in unangemessener Weise Investitionsrisiken,
die der Arbeitgeber im eigenen Interesse eingegangen ist, abgewälzt. Das verbietet es, in
derartigen Fällen die Übernahme von Kosten durch den Arbeitnehmer davon abhängig zu machen,
dass das Arbeitsverhältnis aus Gründen endet, die ausschließlich dem Verantwortungs- und
Risikobereich des Arbeitgebers zuzurechnen sind. Eine Abwälzung ist deshalb unzulässig für den
Fall, dass der Arbeitgeber betriebsbedingt kündigt (BAG 6. Mai 1998 - 5 AZR 535/97 - zu II 4 b der
Gründe, BAGE 88, 340), die arbeitgeberseitige Kündigung sonst auf Gründen beruht, die nicht mit
einem vertragswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers zusammenhängen (BAG 24. Juni 2004 -
6 AZR 383/03 - zu B II 2 b der Gründe, BAGE 111, 157) , das Arbeitsverhältnis aufgrund einer
Eigenkündigung des Arbeitnehmers endet, die durch ein Fehlverhalten des Arbeitgebers ausgelöst
wurde (BAG 11. April 2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 3 e bb der Gründe, BAGE 118, 36) oder der
Arbeitgeber nicht bereit und in der Lage ist, den Arbeitnehmer seiner Ausbildung entsprechend zu
beschäftigen (BAG 5. Dezember 2002 - 6 AZR 537/00 - zu I 2 b cc der Gründe, AP BBiG § 5
Nr. 11) .
35 Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Vertragspartner mit Abschluss des
Praxisphasenvertrages schon in einem Arbeitsverhältnis zur Klägerin standen oder ob dies
entsprechend der Formulierung im Vertrag nicht der Fall war. Dies ist für die Interessenlage
unerheblich. Auch bei erstmaliger Ausbildung zum Zwecke der Heranziehung von Nachwuchs
investiert der - potentielle - Arbeitgeber in eigenem Interesse in das berufliche Wissen des -
potentiellen - Arbeitnehmers. Er erhofft sich von seiner Investition die Möglichkeit, einen
Arbeitnehmer einzustellen, der seinen Bedürfnissen optimal entspricht. Scheitert dies und war die
Investition deshalb vergeblich, ist es nicht interessengerecht, dieses Risiko auf die ausgebildete
Person abzuwälzen. Eine Verpflichtung zur Rückzahlung kommt dann nicht in Betracht, wenn das
in den Raum gestellte Arbeitsverhältnis - wie hier - daran scheitert, dass der Arbeitgeber keinen
Arbeitsvertrag schließen möchte (vgl. BAG 18. März 2008 - 9 AZR 186/07 - zu A III 4 d der
Gründe, AP BGB § 310 Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 36).
36 (2) Hier ergibt sich aus dem Vertragsgefüge, dass der Abschluss des Praxisphasenvertrages Teil
der Rekrutierungspolitik der Klägerin war. Das folgt schon aus § 7 Abs. 2 des
Praxisphasenvertrages. Danach war es Studierenden, mit denen die Klägerin tatsächlich ein
Arbeitsverhältnis abschloss, möglich, durch Betriebstreue die Rückzahlung der von der Klägerin
verauslagten Studienkosten auszuschließen oder jedenfalls zu begrenzen. Damit wurde
gegenüber den Studierenden, die den Praxisphasenvertrag abschlossen, ein späterer Einsatz bei
der Klägerin in den Raum gestellt. Eine derartige Fallgestaltung führt jedenfalls dann dazu, dass die
verauslagten Studienkosten als Teil einer Investition des Arbeitgebers anzusehen sind, wenn
gleichzeitig die Ausbildung eng an den Betrieb gebunden ist. Das ist hier schon deswegen der Fall,
weil das Studium zu einem großen Teil als Praxisphase bei der Klägerin absolviert wurde. Hinzu
kommt, dass die Beklagte nach § 2 Abs. 2 des Vertrages sogar bei der Bestimmung ihres
Wahlpflichtfachs an die Vorgaben der Klägerin gebunden war.
37 Der Entscheidung des BAG vom 25. April 2001 (- 5 AZR 509/99 - BAGE 97, 333) kann nichts
Gegenteiliges entnommen werden; es ging dort um einen Fall, in dem die Ausgebildete keinen
Arbeitsvertrag abschließen wollte.
38 c) Der hier zu beurteilende Praxisphasenvertrag fällt auch in den zeitlichen Anwendungsbereich
von § 307 Abs. 1 BGB.
39 Die gesetzliche Regelung wurde mit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom
26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) , das mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in Kraft trat (Art. 9) ,
in das Gesetz eingefügt. Erst seit diesem Zeitpunkt gilt das Recht der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen auch für Verträge auf dem Gebiet des Arbeitsrechts (§ 310 Abs. 4 BGB) .
Vorher galt die Bereichsausnahme nach § 23 Abs. 1 AGB-Gesetz. Sie kam hier zur Anwendung,
da die zur Beurteilung stehenden Klauseln im Zusammenhang mit der Anbahnung von
Arbeitsverhältnissen zu sehen sind und es sich deshalb um Verträge auf dem Gebiet des
Arbeitsrechts handelt. Ein Darlehensvertrag liegt - wie unter II 2 b bb ausgeführt - nicht vor. Es ist
deshalb unerheblich, dass im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis geschlossene
Darlehensverträge auch bereits früher dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
unterfielen (vgl. dazu BAG 26. Mai 1993 - 5 AZR 219/92 - zu 1 der Gründe, BAGE 73, 178) .
40 Nach Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB, der ebenfalls durch das genannte Gesetz eingeführt wurde, ist
auf Schuldverhältnisse, die - wie hier - vor dem 1. Januar 2002 eingegangen worden sind, zwar
zunächst das früher geltende Recht weiter anzuwenden. Dauerschuldverhältnisse unterfallen nach
Satz 2 dieser Bestimmung jedoch ab dem 1. Januar 2003 dem neuen Recht (vgl. BAG 11. April
2006 - 9 AZR 610/05 - zu A II 1 der Gründe, BAGE 118, 36) . Damit ist auch der hier zu
beurteilende Vertrag dem neuen Recht unterworfen.
41 Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere kann die Klägerin keine
Vertrauensschutzgesichtspunkte ins Feld führen. Die sich nunmehr aus § 307 Abs. 1 BGB
ergebende Rechtsfolge war bereits im früheren Recht angelegt. Deshalb ist ein mögliches
Vertrauen der Klägerin nicht schutzwürdig. Es entsprach bereits der Rechtsprechung vor
Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, dass dann, wenn einem Arbeitnehmer in
Aussicht gestellt wird, die vom Arbeitgeber verauslagten Ausbildungskosten „abzuarbeiten“, ihm
diese Möglichkeit auch eingeräumt werden muss, und ansonsten keine Rückzahlungspflicht
besteht (so bereits BAG 6. Mai 1998 - 5 AZR 535/97 - zu II 4 b der Gründe, BAGE 88, 340) .
Reinecke
Zwanziger
Schlewing
Bialojahn
Schepers